TE Lvwg Erkenntnis 2017/9/27 LVwG-2017/34/2067-2

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Veröffentlicht am 27.09.2017
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Entscheidungsdatum

27.09.2017

Index

L65007 Jagd Wild Tirol;

Norm

JagdG Tir 2004 idF 103/2014 §52 Abs1
VVG §4 Abs1
VVG §5 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin MMag. Dr. Barbara Besler über die Beschwerde des AA, vertreten durch Dr. BB, Rechtsanwalt in Y, Adresse 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 01.09.2015, Zahl ****, betreffend Anordnung der Ersatzvornahme in einer Angelegenheit nach dem Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004)

zu Recht:

1.   Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 08.04.2015, Zahl ****, erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer als Jagdleiter und Jagdausübungsberechtigtem betreffend das Genossenschaftsjagdgebiet W gemäß § 52 Abs 1 TJG 2004 in der Fassung des Landesgesetzes 103/2014 den Auftrag, dass bereits ab 01.05.2015 insgesamt 2 Stück Rotwild (1 Kalb und 1 Schmaltier) und in den bekannten und näher beschriebenen Schwerpunktbejagungsflächen noch mindestens 1 Stück Kahlwild klassenfrei und über den Abschussplan hinaus bis längstens 10.06.2016 zu erlegen sind.

Mit Verfahrensanordnung vom 08.07.2015, Zahl ****, teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass er der Verpflichtung gemäß ihrem Bescheid vom 08.04.2015, Zahl ****, bisher nicht nachgekommen sei und setzte ihm für die Erbringung dieser Leistung noch einmal eine Frist bis zum 20.08.2015.

Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde die mit Verfahrensanordnung vom 08.07.2015, Zahl ****, angedrohte Ersatzvornahme gegenüber dem Beschwerdeführer an.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für eine Vollstreckung des Titelbescheides nicht vorliegen würden. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides.

Nach Richterwechsel am 05.09.2017 (ursprüngliche Geschäftszahl: LVwG-2015/19/2456) wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Titelbescheid vom 08.04.2015, Zahl ****, die Verfahrensanordnung vom 08.07.2015, Zahl ****, und den angefochtenen Bescheid. Die öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Dieser unstrittige Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:

Im VVG wird zwischen der Vollstreckung vertretbarer Leistungen (vgl § 4 VVG) und der Erzwingung unvertretbarer Leistungen (vgl § 5 VVG) unterschieden.

Gemäß § 4 Abs 1 VVG kann die Vollstreckungsbehörde, wenn eine Person zu einer Arbeits- oder Naturalleistung verpflichtet wurde und dieser Pflicht gar nicht, nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligen (Ersatzvornahme).

Zulässig ist eine Ersatzvornahme nur bei vertretbaren Leistungen. Das sind solche, die sich auch durch Dritte bewerkstelligen lassen (vgl zB VwGH 26.02.2015, 2011/07/0155).

Gemäß § 5 Abs 1 VVG wird die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

Zulässig ist die Verhängung von Zwangsstrafen nur bei unvertretbaren Leistungen. Unvertretbar ist eine Leistung dann, wenn sie auf Grund ihrer besonderen Beschaffenheit entweder in tatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht nicht von einem Dritten erbracht werden kann (vgl VwGH 29.11.2005, 2003/06/0202).

Im rechtskräftigen Titelbescheid erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer als Jagdleiter und Jagdausübungsberechtigtem betreffend das Genossenschaftsjagdgebiet gemäß § 52 Abs 1 TJG 2004 in der Fassung des Landesgesetzes 103/2014 den Auftrag, dass bereits ab 01.05.2015 insgesamt 2 Stück Rotwild (1 Kalb und 1 Schmaltier) und in den bekannten und näher beschriebenen Schwerpunktbejagungsflächen noch mindestens 1 Stück Kahlwild klassenfrei und über den Abschussplan hinaus bis längstens 10.06.2016 zu erlegen sind.

Nach Ansicht der belangten Behörde handelt es sich hierbei um eine Leistung, die sich auch durch Dritte bewerkstelligen lässt. Sie hat diese folglich als vertretbare Leistung qualifiziert und die Ersatzvornahme nach erfolgter Androhung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 4 Abs 1 VVG angeordnet.

Tatsächlich kann die im Titelbescheid dem Beschwerdeführer als Jagdausübungsberechtigtem auferlegte Leistung, nämlich der Abschuss von Wildtieren, zwar in tatsächlicher, nicht aber in rechtlicher Hinsicht von Dritten erbracht werden. Es handelt sich dabei folglich um eine unvertretbare Leistung, die nach § 5 Abs 1 VVG durch die Verhängung von Zwangsstrafen zu vollstrecken ist.

Unter Ausübung der Jagd sind das in einer als weidgerecht anerkannten Weise ausgeübte Nachstellen, Fangen, Erlegen der jagdbaren Tiere und Aneignen des erlegten Wildes, Fallwildes, verendeten Wildes, der Abwurfstangen, der Eier des jagdbaren Federwildes sowie die Hege des Wildes zu verstehen (vgl §§ 1 Abs 1 und 2, 11b TJG 2004).

Wer die Jagd ausübt, muss nach § 11 Abs 1 erster Satz TJG 2004 eine auf seinen Namen lautende gültige Tiroler Jagdkarte oder eine auf seinen Namen lautende und für das jeweilige Jagdgebiet gültige Jagdgastkarte besitzen und bei der Jagdausübung mit sich führen.

Nach § 11 Abs 4 TJG 2004 steht auf einem Genossenschaftsjagdgebiet die Ausübung des Jagdrechtes der Jagdgenossenschaft zu. Sie hat die Ausübung des Jagdrechtes zu verpachten, sofern es nicht durch einen bestellten Jagdleiter selbst ausgeübt wird (Eigenbewirtschaftung).

Der Jagdausübungsberechtigte kann nach § 12 Abs 1 erster Satz TJG 2004 schriftlich eine Jagderlaubnis erteilen. Ist ein Jagdleiter bestellt, so kann diesem (vom Jagdausübungsberechtigten) nach § 12 Abs 1 dritter Satz TJG 2004 schriftlich die Befugnis zur Erteilung einer Jagderlaubnis eingeräumt werden.

Der Jagdausübungsberechtigte kann nach § 27a Abs 1 TJG 2004 Jagdgastkarten ausgeben. Ist ein Jagdleiter bestellt, so obliegt diesem die Ausgabe von Jagdgastkarten, wenn ihm (vom Jagdausübungsberechtigten) nach § 12 Abs 1 TJG 2004 auch die Befugnis zur Erteilung einer Jagderlaubnis eingeräumt wurde.

Übt jemand die Jagd ohne Jagderlaubnis (vgl § 12 TJG 2004) oder Jagdgastkarte (vgl § 27a TJG 2004) und folglich ohne Zustimmung des Jagdausübungsberechtigten (einem bestellten Jagdleiter müsste vom Jagdausübungsberechtigten die Befugnis zur Erteilung einer Jagderlaubnis und zur Ausgabe einer Jagdgastkarte eingeräumt werden) aus, verletzt dieser das für ihn fremde Jagdrecht des Jagdausübungsberechtigten und könnte wegen Eingriffes in fremdes Jagdrecht bestraft werden (§§ 137, 138 StGB).

Die Erteilung einer Jagderlaubnis (vgl § 12 TJG 2004) und das Ausgeben einer Jagdgastkarte (vgl § 27a TJG 2004) obliegen allein dem Jagdausübungsberechtigten und können folglich nicht durch Ersatzvornahme vollzogen werden.

Die gegenständliche Leistung ist somit eine solche, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt.

Zumal der Auftrag nach § 52 Abs 1 TJG 2004 in der Fassung des Landesgesetzes 103/2014 demnach eine Verpflichtung zu einer Handlung im Sinne des § 5 Abs 1 VVG enthält, hätte die belangte Behörde nicht gemäß § 4 Abs 1 VVG die Ersatzvornahme anordnen dürfen, sondern Zwangsstrafen verhängen müssen.

Insofern ist der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass sich der Titelbescheid auf das Jagdjahr 2015/16 (01.04.2015 bis 31.03.2016) bezogen hat. Die Erbringung der im Titelbescheid auferlegten Leistung, nämlich der Abschuss von Wildtieren im Jagdjahr 2015/16, ist im nunmehrigen Jagdjahr (01.04.2017 bis 31.03.2018) nicht mehr machbar. Eine Vollstreckung ist folglich unzulässig, weil die Erbringung dieser unvertretbaren Leistung unmöglich ist.

Begründung für die Nichtzulassung der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Entscheidungswesentlich war, ob dem Beschwerdeführer im Titelbescheid eine vertretbare oder eine unvertretbare Leistung auferlegt wurde. Dass im Falle einer vertretbaren Leistung nach § 4 Abs 1 VVG und im Falle einer unvertretbaren Leistung nach § 5 Abs 1 VVG vorzugehen ist, ergibt sich aus der oben zitierten Judikatur. Aus den oben zitierten Bestimmungen des TJG 2004 ergibt sich, dass die gegenständliche Leistung eine solche ist, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt und damit eine unvertretbare Leistung darstellt. Insofern liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht vor und war auszusprechen, dass die ordentliche Revision unzulässig ist.

Landesverwaltungsgericht Tirol

MMag. Dr. Barbara Besler

(Richterin)

Schlagworte

Ersatzvornahme; Zwangsstrafe; Maßnahme zur Hintanhaltung von Wildschäden; Abschuss; unvertretbare Leistung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.34.2067.2

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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