RS Lvwg 2017/7/10 LVwG-400252/2/Gf/Mu

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 10.07.2017
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Rechtssatznummer

1

Entscheidungsdatum

10.07.2017

Norm

7.ZPMRK Art.4
F-VG §6
F-VG §7
F-VG §8
FAG 2008 §14
FAG §15
OöParkGebG §1
OöParkGebG §6
KPZV Linz §5
KPZV Linz §6
VStG §44a

Rechtssatz

* Gemäß § 7 Abs. 5 F VG kann der Bundesgesetzgeber die Gemeinden da-zu ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben. In Ausführung dieser Verfassungsbestimmung ermächtigte zunächst § 15 Abs. 3 Z. 5 des Finanzausgleichsgesetzes 2008, BGBl I 103/2007 in ihrer zuletzt maßgeblichen Fassung BGBl I 118/2015 (im Folgenden: FAG 2008), die Gemeinden – vorbehaltlich einer weitergehenden Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung – dazu, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung Abgaben für das Abstellen mehrspuriger Kraftfahrzeuge in Kurzparkzonen gemäß § 25 der Straßenverkehrsordnung (StVO) auszuschreiben, wobei solche sog. „Abgaben auf Grund des freien Beschlussrechts der Gemeinden“ nach § 14 Abs. 1 Z. 17 FAG als ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben i.S.d. § 6 Abs. 1 Z. 3 und Z. 5 F VG anzusehen waren.

* Auf Grund § 8 Abs. 5 F VG kann auch die Landesgesetzgebung die Gemeinden dazu ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben, wobei solche Landesgesetze die wesentlichen Merkmale dieser Abgaben, insbesondere auch ihr zulässiges Höchstausmaß, bestimmen müssen. In Ausführung dieser Verfassungsbestimmung wurden die Gemeinden durch § 1 Abs. 1 OöParkGebG dazu ermächtigt, durch Beschluss des Gemeinderates eine Abgabe (Parkgebühr) für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO in der jeweils geltenden Fassung) für die nach den straßenpolizeilichen Vorschriften zulässige Parkdauer auszuschreiben, wobei die Höhe der Parkgebühr ist durch Verordnung des Gemeinderats festzusetzen war.

Nach § 6 Abs. 1 OöParkGebG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen, der durch Handlungen oder Unterlassungen die Parkgebühr hinterzieht oder verkürzt bzw. zu hinterziehen oder zu verkürzen versucht (lit. a) bzw. einerseits den Geboten des § 2 Abs. 2 OöParkGebG oder den Geboten oder Verboten der auf Grund dieses OöParkGebG erlassenen Verordnungen zu-widerhandelt (lit. b).

* Auf Grund dieser doppelten – nämlich sowohl bundes- (§ 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 2008) als auch landesgesetzlichen (§ 1 Abs. 1 OöParkGebG) – Ermächtigung hatte der Gemeinderat der Stadt Linz mit Beschluss vom 11. Mai 1989, Amtsblatt der Stadt Linz (im Folgenden: ABl) Nr. 11/1989 in der hier maßgeblichen Fassung ABl 24/2015, eine Parkgebührenverordnung erlassen und in dieser bestimmte Flächen zu gebührenpflichtigen Kurzparkzonen erklärt (im Folgenden: KPZV Linz).

Die Parkgebühr (war bzw.) ist i.d.R. durch den Einwurf von Münzen in einen Parkscheinautomaten zu entrichten, wobei der vom Automaten ausgegebene Parkschein als Nachweis der Gebührenentrichtung dient; dieser Parkschein ist hinter der Windschutzscheibe des KFZ gut sichtbar anzubringen (§ 5 KPZV Linz). Die Höhe der Gebühr beträgt 1 Euro für jede an-gefangene halbe Stunde, wobei für die erste angefangene halbe Stunde der volle Abgabenbetrag zu entrichten ist (§ 2 KPZV Linz).

Nach § 6 KPZV Linz begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen, der den Bestimmungen dieser Verordnung zuwiderhandelt.

* Vor dem Hintergrund, dass das ohne gültigen Parkschein in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone erfolgte Abstellen eines mehrspurigen KFZ prima vista sowohl nach § 6 Abs. 1 OöParkGebG als auch gemäß § 6 Abs. 1 KPZV Linz mit Strafsanktion bedroht ist, erhebt sich mit Blick auf das Mehr-fachverfolgungs- und  bestrafungsverbot des Art. 4 des 7.ZPMRK zunächst die Frage des Verhältnisses dieser beiden Normen zueinander.

Aus den bundesverfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Kompetenzverteilung, insbesondere aus Art. 11 Abs. 2 B VG ist der Grundsatz ab-zuleiten, dass die gesetzliche Regelung des Verwaltungsstrafrechts eine sog. Annexmaterie verkörpert, d.h. diese dem jeweiligen Materiengesetzgeber zukommt, soweit verfassungsrechtlich keine Ausnahmeregelung besteht.

Speziell mit Blick auf die Gemeinden besteht eine solche Sondervorschrift lediglich gemäß Art. 118 Abs. 6 B-VG, wonach zur Beseitigung von stören-den Missständen ortspolizeiliche Verordnungen erlassen sowie deren Nichtbefolgung zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden können.

Da aber die Nichtbeachtung der Parkgebührenpflicht keinen das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstand i.S.d. Art. 118 Abs. 6 B VG verkörpert und weder die bundes- (§ 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 2008) noch die landesgesetzliche Regelung (§ 1 Abs. 1 OöParkGebG) die Gemeinde zur Erlassung von (auch) Verwaltungsstraftatbeständen ermächtigt, kann die Anordnung des § 6 Abs. 1 KPZV Linz bei verfassungskonformer Interpretation lediglich als eine rechtlich irrelevante Wiederholung, Bekräftigung o.Ä. der Sanktionsnorm des § 6 Abs. 1 OöParkGebG angesehen werden.

Auf § 6 Abs. 1 KPZV Linz kann daher eine Bestrafung wegen Nichtbeachtung der in dieser Verordnung normierten Gebote, insbesondere eine Nichtentrichtung der Parkgebühr im Falle eines Abstellens eines mehrspurigen KFZ in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone, nicht gestützt werden.

Sieht man die Strafnorm des § 6 Abs. 1 OöParkGebG als eine unter Heranziehung des Annexprinzips i.S.d. Art. 11 Abs. 2 B-VG ergangene Regelung von verwaltungsrechtlichen Straftatbeständen – und damit als sowohl in kompetenzrechtlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf das Bestimmtheits-gebot des Legalitätsprinzips verfassungskonforme Bestimmung – an, so enthält diese systematisch betrachtet drei unterschiedliche Tatbilder, nämlich die Verkürzung bzw. Hinterziehung der Parkgebühr (lit. a), die Zuwiderhandlung gegen in der gemeindlichen Gebührenverordnung normierte Ge- oder Verbote (lit. b, zweite Alternative) und die Missachtung der gesetzlichen Auskunftsverpflichtung gemäß § 2 Abs. 2 OöParkGebG (lit. b, erste Alternative).

Lässt man mit Blick auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles den letzteren Deliktstypus beiseite, so ergibt sich im Hinblick darauf, dass zahlreiche in der KPZV Linz normierte Gebote intendieren, eine Verkürzung bzw. Hinterziehung der Parkgebühr hintanzuhalten, die Problematik des Verhältnisses der Strafbestimmung des § 6 Abs. 1 lit. a OöParkGebG zu § 6 Abs. 1 lit. b zweite Alternative OöParkGebG; wie bereits ausgeführt, ist eine insoweit klare Trennlinie nicht nur im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des strafrechtlichen Legalitätsprinzips (Art. 7 Abs. 1 EMRK), sondern v.a. auch deshalb geboten, um eine Mehrfachverfolgung bzw.  bestrafung i.S.d. Art. 4 des 7.ZPMRK zu vermeiden, sowie, um dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG zu entsprechen.

Von der Textierung und dem der Norm zu Grunde gelegten systematischen Hintergrund ausgehend bietet sich hinsichtlich des Deliktes der Nichtentrichtung der Parkgebühr eine Grenzziehung insbesondere dahin an, die Bestimmung des § 6 Abs. 1 lit. a OöParkGebG als einen Auffangtatbestand zu qualifizieren, der erst dann bzw. lediglich insoweit zum Tragen kommt, als nicht ein besonderes, in der Gebührenverordnung der Gemeinde normiertes und spezifisch die Verkürzung bzw. Hinterziehung der Parkgebühr in-tendierendes Ge- oder Verbot verletzt wurde.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich für den gegenständlichen Fall, dass der Beschwerdeführer am Vorfallstag sein mehrspuriges KFZ in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Linz (P, neben Haus Nr. x) abgestellt und hierfür – allseits unbestritten – für den Zeitraum von 14:45 Uhr bis 15:36 Uhr (= für eine Dauer von 51 Minuten) eine Parkgebühr in Höhe von 1,70 Euro entrichtet hat, die auch dem in § 2 Abs. 2 KPZV Linz i.V.m. Anlage 3 zur KPZV Linz festgelegten Parkscheinautomatentarif entsprach. Im Zuge einer Kontrolle um 15:54 Uhr dieses Tages hat das Parkgebühren-Aufsichtsorgan sodann festgestellt, dass das Fahrzeug des Rechtsmittelwerbers zu diesem Zeitpunkt weiterhin an diesem Ort abgestellt war.

In diesem Zusammenhang folgt aus § 5 Abs. 2 letzter Satz KPZV Linz, der dem Hauptziel der Erhöhung der Umschlaghäufigkeit der in Stadtzentren nur in beschränktem Ausmaß zur Verfügung stehenden Parkplätze dient, dass es verboten ist, über die erlaubte Parkdauer hinaus weitere Parkscheine anzubringen, ohne zwischenzeitlich mit dem Fahrzeug weggefahren zu sein.

Nach dieser Bestimmung hätte demnach die kurzparkzonenrechtliche Primärverpflichtung des Beschwerdeführers darin bestanden, den von ihm in Anspruch genommenen Parkplatz spätestens um 15:36 Uhr wieder zu verlassen; dass er dies (jedenfalls) bis 15:54 Uhr tatsächlich unterließ und deshalb auch eine Gebührenschuld für weitere 18 Minuten (= 0,60 Euro) entstanden war, fällt angesichts dessen nicht ins Gewicht.

In erster Linie ist dem Rechtsmittelwerber nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles sohin eine Verletzung des § 6 Abs. 1 lit. b zweite Alternative OöParkGebG i.V.m. § 5 Abs. 2 letzter Satz KPZV Linz – und nicht eine Übertretung des Auffangtatbestandes des § 6 Abs. 1 lit. a OöParkGebG – vorzuwerfen.

Im Hinblick auf das Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG bedeutet dies, dass im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses (schon im Hin-blick auf den deutlich unterschiedlichen Grad der Beeinträchtigung der durch die Strafdrohung jeweils geschützten unterschiedlichen Rechtsgüter, woraus wiederum entsprechende Auswirkungen für die Höhe der Strafe resultieren) entweder das nicht umgehende Verlassen des Abstellortes nach dem Ende der bezahlten Parkzeit oder – falls die belangte Behörde den Beschwerdeführer tatsächlich nur wegen Verkürzung der Parkgebühr hätte belangen wollen – das Ausmaß des Verkürzungsbetrages anzuführen gewesen wäre. (Hingegen wäre – ungeachtet § 22 Abs. 2 VStG – angesichts identischer Faktenlage eine Bestrafung wegen beider Delikte auf Grund des Verbotes der Mehrfachverfolgung und  bestrafung [vgl. Art. 4 des 7. ZPMRK und dazu z.B. EGMR vom 10. Februar 2009, 14939/03 – Zolotukhin] schon von vornherein gehindert gewesen.)

Weder dem Spruch noch der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses lässt sich allerdings eine Konkretisierung in der einen noch in der anderen Richtung entnehmen, sodass dieses aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

Schlagworte

Finanzverfassung; Finanzausgleich; freies Beschlussrecht der Gemeinden; ortspolizeiliches Verordnungsrecht; Doppelverfolgung; Doppelbestrafung; Tatbestandsabgrenzung; Umparken; Verlassen des Parkplatzes; Gebüh-renhinterziehung; Gebührenverkürzung; Spruchkonkretisierung

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2017:LVwG.400252.2.Gf.Mu

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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