TE Bvwg Beschluss 2017/10/13 W104 2172550-1

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Veröffentlicht am 13.10.2017
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Entscheidungsdatum

13.10.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
MOG 2007 §6
MOG 2007 §8i
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W104 2172550-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian Baumgartner als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 5.1.2017, II/4-DZ/ XXXX , betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2015 beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid gewährte die AMA dem Beschwerdeführer Direktzahlungen in Höhe von EUR 1.718,32, eine Rückforderung bereits gewährter Beträge in Höhe von EUR 572,50 wurde ausgesprochen. Dabei wurde der Auszahlungsbetrag im Rahmen der Basisprämie im Ausmaß von 35,23 % wegen Übererklärungen und von 2% wegen Nichtbeantragung von Flächen gekürzt. Konkret führte die AMA aus, es läge eine Differenzfläche im Ausmaß von 4,8653 ha vor, was eine Flächenabweichung von 23,4892 % darstelle. Da diese Flächenabweichung über 3 % oder über 2 ha liege, wäre eine Kürzung um das 1,5fache der Differenzfläche vorzunehmen. Aufgrund von nicht beantragten Flächen im Ausmaß von 4,2459 ha liege eine Differenz von über 10% und bis höchstens 25% vor, was eine Kürzung der flächenbezogenen Direktzahlungen um 2 % zur Folge habe.

Mit Beschwerde vom 18.1.2017 wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Verhängung dieser Sanktionen mit der Begründung, er habe seinen Tiere ausschließlich auf Gemeinschaftsalmen aufgetrieben, die gesetzliche Änderung, dass gegen Auftreiber keine Sanktionen verhängt werden, müsse auch für seinen Betrieb Anwendung finden. Der Beschwerde liegt die Kopie einer "Erklärung des Auftreibers gemäß § 8i MOG" bei, dass ihm keine Umstände erkennbar waren, die ihn an der Zuverlässigkeit des Antragstellers der Almflächen zweifeln hätten lassen können.

Anlässlich der Beschwerdevorlage teilte die Behörde mit, In der vorliegenden Sache liege aus Sicht der AMA ein Anwendungsfall des § 28 Abs. 3 VwGVG vor. Die Aktenlage habe sich dahingehend geändert, dass der AMA Unterlagen nachgereicht wurden. Diese Unterlagen seien sowohl formal als auch inhaltlich geprüft worden und könnten von der AMA zu einer stattgebenden Beurteilung der Beschwerde führen, wäre die AMA noch zuständig. Eine Entscheidung der AMA selbst würde zu einer wesentlichen Beschleunigung des Verfahrens führen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):

Nach vorgängigem Bescheid gewährte die AMA dem Beschwerdeführer Direktzahlungen in Höhe von EUR 1.718,32 und eine Rückforderung bereits gewährter Beträge in Höhe von EUR 572,50 wurde ausgesprochen. Dabei wurde der Auszahlungsbetrag im Rahmen der Basisprämie im Ausmaß von 35,23 % wegen Übererklärungen und von 2% wegen Nichtbeantragung von Flächen gekürzt.

Anlässlich seiner Beschwerde übermittelte der Beschwerdeführer eine "Erklärung des Auftreibers gemäß § 8i MOG" bei, dass ihm keine Umstände erkennbar waren, die ihn an der Zuverlässigkeit des Antragstellers der Almflächen zweifeln hätten lassen können.

Bei der Beschwerdevorlage teilte die Behörde mit, In der vorliegenden Sache liege aus Sicht der AMA ein Anwendungsfall des § 28 Abs. 3 VwGVG vor. Die Aktenlage habe sich dahingehend geändert, dass der AMA Unterlagen nachgereicht wurden. Diese Unterlagen seien sowohl formal als auch inhaltlich geprüft worden und könnten von der AMA zu einer stattgebenden Beurteilung der Beschwerde führen, wäre die AMA noch zuständig. Eine Entscheidung der AMA selbst würde zu einer wesentlichen Beschleunigung des Verfahrens führen.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurde von keiner Verfahrenspartei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EU) 1307/2013:

"Artikel 32

Aktivierung von Zahlungsansprüchen

(1) Eine Stützung im Rahmen der Basisprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche mittels Anmeldung gemäß Artikel 33 Absatz 1 in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsanspruch zugewiesen wurde, gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die jährliche Zahlung der darin festgesetzten Beträge, unbeschadet der Anwendung von Haushaltsdisziplin, Kürzung von Zahlungen gemäß Artikel 11 sowie linearen Kürzungen gemäß Artikel 7, Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c der vorliegenden Verordnung sowie der Anwendung von Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Begriff "beihilfefähige Hektarfläche"

a) jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, [ ], die für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird oder, wenn die Fläche auch für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt wird, hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird; [

]

(3) Für die Zwecke von Absatz 2 Buchstabe a gilt Folgendes:

a) Wird die landwirtschaftliche Fläche eines Betriebs auch für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt, so gilt diese Fläche als hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzte Fläche, wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, ohne durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeiten stark eingeschränkt zu sein.

b) Die Mitgliedstaaten können ein Verzeichnis der Flächen erstellen, die hauptsächlich für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden.

Die Mitgliedstaaten legen Kriterien für die Umsetzung der Bestimmungen dieses Absatzes auf ihrem Hoheitsgebiet fest."

Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 549:

"Artikel 77

Anwendung von Verwaltungssanktionen

(1) Hinsichtlich der Verwaltungssanktionen nach Artikel 63 Absatz 2 gilt dieser Artikel im Falle der Nichteinhaltung in Bezug auf Förderkriterien, Auflagen oder andere Verpflichtungen, die sich aus der Anwendung der in Artikel 67 Absatz 2 genannten Stützungsregelungen ergeben.

(2) Verwaltungssanktionen werden nicht verhängt,

[ ];

d) wenn die betroffene Person die zuständige Behörde davon überzeugen kann, dass sie nicht die Schuld für den Verstoß gegen die Verpflichtungen nach Absatz 1 trägt, oder wenn die zuständige Behörde auf andere Weise zu der Überzeugung gelangt, dass die betroffene Person keine Schuld trägt;

[ ]."

Marktordnungsgesetz 2007 - MOG 2007:

"Regelung für Auftreiber auf gemeinschaftlich genutzte Futterflächen

§ 8i. (1) Betriebsinhabern, die auf gemeinschaftlich genutzte Almen und Weiden Tiere auftreiben, wird die beihilfefähige Fläche entsprechend dem Anteil der von ihnen jeweils aufgetriebenen Tiere zugerechnet. Gemäß Art. 73 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor, ABl. Nr. L 316 vom 30.11.2009 S. 1, finden Kürzungen und Ausschlüsse keine Anwendung, wenn für den auftreibenden Betriebsinhaber keine Umstände erkennbar waren, die ihn an der Zuverlässigkeit des Antragstellers der Alm- oder Weidefutterflächen zweifeln lassen hätten können."

§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

3.2. In der Sache selbst:

Mit dem Antragsjahr 2015 wurde die Einheitliche Betriebsprämie von der Basisprämie und mehreren ergänzenden Zahlungen, insb. der Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden (= Ökologisierungszahlung bzw. "Greeningprämie"), abgelöst. Die Gewährung der Basisprämie erfolgt gemäß Art. 32 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013 iVm Art. 18 Abs. 6 VO (EU) 640/2014 nach Maßgabe der ermittelten beihilfefähigen Fläche.

Der Beschwerdeführer beklagt im vorliegenden Fall die Verhängung von Sanktionen für die durch ihn beantragten Flächen.

Im vorliegenden Fall hat die AMA zum Ausdruck gebracht, dass sie im Hinblick auf den Bezug habenden Antrag des Beschwerdeführers in der Vergangenheit nicht hinreichend ermittelt hat.

Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) der Zurückverweisung von Rechtssachen durch die Verwaltungsgerichte auf Basis des VwGVG mit seiner Entscheidung vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, bereits früh Grenzen gezogen hat, rechtfertigen unterlassene Ermittlungen auch nach Ansicht des VwGH die Zurückverweisung von Rechtssachen zur neuerlichen Entscheidung durch die Behörde. Vor dem beschriebenen Hintergrund liegt es im vorliegenden Fall auch weder im Interesse der Raschheit noch wäre es mit einer Kostenersparnis verbunden, wenn das BVwG versuchen wollte, diesen Fall einer Entscheidung zuzuführen.

Die AMA wird also im fortgesetzten Verfahren die neu zu Tage getretenen Umstände zu berücksichtigen und dem Beschwerdeführer ihre abgeänderte Entscheidung bescheidförmig mitzuteilen haben.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des EGMR keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen; vgl. dazu mwN Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523 (534) sowie aktuell VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117-5.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil die Entscheidung im Hinblick auf die Zurückverweisung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. das zitierte Erkenntnis VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Direktzahlung, einheitliche
Betriebsprämie, Ermittlungspflicht, Flächenabweichung, Kassation,
Kürzung, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Prämiengewährung, Rückforderung,
Verschulden, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W104.2172550.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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