RS Vfgh 2017/9/27 A9/2017

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Veröffentlicht am 27.09.2017
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Index

91 POST- UND FERNMELDEWESEN
91/02 Post

Norm

B-VG Art137 / ord Rechtsweg
PoststrukturG §17, §17a
BDG 1979 §75, §230b
ArbVG §97, §109
Post-BetriebsverfassungsG §1, §72
ASGG §50, §51
JN §1
VfGG §41

Leitsatz

Zurückweisung der Klage eines vormals der Österreichischen Post AG zugewiesenen Beamten gegen den Bund auf ungekürzte Auszahlung einer Überbrückungsleistung aus einer Betriebsvereinbarung nach dem Post-Betriebsverfassungsgesetz; Anspruch privatrechtlicher Natur im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen

Rechtssatz

§1 Abs1 Z2 Post-BetriebsverfassungsG (PBVG) bestimmt für Arbeitnehmer bei der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, dass der I. Teil des ArbVG für "Arbeitsverhältnisse aller Art" gilt; durch diese bewusste Anordnung des Geltungsbereiches - ohne Einschränkung auf privatrechtliche Dienstverhältnisse - können jedenfalls auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse im Anwendungsbereich des PBVG von Regelungen in Betriebsvereinbarungen erfasst sein.

Da die Betriebsvereinbarung Sozialplan BV 2011/2012 - wie bereits der Präambel zu entnehmen ist - sowohl auf privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse anwendbar ist, wird in Punkt XI. iVm Punkt X. der Betriebsvereinbarung (betr Beamt/innen-Übergangsmodell, Überbrückungsleistungen) lediglich an das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis angeknüpft. Bei der Überbrückungsleistung selbst handelt es sich aber um eine auf Grund einer im Privatrecht wurzelnden Verpflichtung erbrachten Leistung aus einer zwischen der Österreichischen Post AG und dem Zentralausschuss der Bediensteten der Österreichischen Post AG abgeschlossenen Vereinbarung gemäß §72 PBVG iVm §97 Abs1 Z4 und §109 ArbVG.

Gem §50 Abs2 ASGG sind Arbeitsrechtssachen auch Streitigkeiten über Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich aus den Bestimmungen des PBVG ergeben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer gem §51 ASGG sind "alle Personen, die zueinander in einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis, in einem Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnis stehen oder gestanden sind". Die Erwähnung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses steht im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Geldendmachung zivilrechtlicher Ansprüche von und gegen öffentlich-rechtliche Bedienstete.

Wenngleich eingewendet werden könnte, dass der Kläger seinen Antrag auf Gewährung eines Karenzurlaubes unter Entfall der Bezüge nicht gestellt hätte, wenn ihm von der Österreichischen Post AG kein Ausgleich seines Gehaltes zugesichert worden wäre, ist die Bezahlung des Überbrückungsgeldes aus der Betriebsvereinbarung durch den ausgegliederten Rechtsträger von seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund getrennt zu betrachten. Der Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ist darin gelegen, dass Personen in einem grundsätzlich lebenslangen Dienstverhältnis in Bindung an das Gesetz tätig werden und bezugsrechtliche Ansprüche nur nach besoldungsrechtlichen Vorschriften (Gesetz, Verordnung) geltend gemacht werden können. Einen derartigen bezugsrechtlichen Anspruch nach dem BDG 1979 oder GehG 1956 oder einer sonstigen gesetzlichen Vorschrift auf Grund seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht. Vielmehr beantragte der Kläger den Entfall seiner Bezüge für die Dauer des Karenzurlaubes unter gleichzeitiger Ruhestellung seiner Dienstpflichten, die unmittelbar mit der Besorgung von dienstlichen Aufgaben in Zusammenhang stehen. Auch Betriebsvereinbarungen nach dem PBVG sind nicht geeignet, öffentlich-rechtliche Ansprüche gegenüber dem Bund wirksam zu gestalten; sie sind vielmehr privatrechtlicher Natur.

Es handelt sich bei dem Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus Punkt X. und XI. der Betriebsvereinbarung um "bürgerliche Rechtssachen" iSd §1 JN; öffentlich-rechtliche Ansprüche, die vor dem VfGH zu entscheiden wären, können daraus nicht abgeleitet werden. Daran ändert auch nichts, dass der Oberste Gerichtshof die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges bereits zurückgewiesen hat.

Kostenzuspruch gem §41 VfGG.

Die der beklagten Partei für die Erstattung der Gegenschrift zustehenden Kosten waren nach Tarifpost 3C des Rechtsanwaltstarifgesetzes auszumessen. In den Kosten ist antragsgemäß 60 % Einheitssatz enthalten. Nach Lage des Falles besteht kein Zweifel daran, dass es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, im Verfahren vor dem VfGH die Finanzprokuratur mit der Vertretung des Bundes zu betrauen.

Entscheidungstexte

  • A9/2017
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 27.09.2017 A9/2017

Schlagworte

VfGH / Klagen, Post- und Telegraphenverwaltung, Dienstrecht, Arbeitsverfassung, Arbeitsrecht, Betriebsvereinbarung, Arbeits- u Sozialgerichtsbarkeit, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:A9.2017

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2017
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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