TE Vfgh Erkenntnis 2017/9/29 G44/2017 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.2017
beobachten
merken

Index

26/01 Wettbewerbsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
UWG §1a Abs4, §44 Abs10, Anhang Z32
PreisauszeichnungsG §7, §17 Abs10
StGG Art2, Art5, Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EU-Grundrechte-Charta Art16

Leitsatz

Keine Verletzung der Rechte auf Erwerbs(ausübungs)freiheit, auf unternehmerische Freiheit und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie des Gleichheitsrechtes durch das Verbot von Bestpreisklauseln in Verträgen zwischen Buchungsplattformen und Beherbergungsunternehmen; Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit angesichts des öffentlichen Interesses an der Sicherung fairer bzw freier Wettbewerbsbedingungen gerechtfertigt; keine Unverhältnismäßigkeit; keine unsachliche Benachteiligung von Online-Buchungsplattformen gegenüber sonstigen Reisevermittlungsunternehmen; keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, der Verfassungsgerichtshof möge "§§1a Abs4 und 44 Abs10 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG, jeweils BGBl Nr 448/1984 in der Fassung von BGBl I Nr 99/2016, Z32 des Anhangs zum Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG, BGBl Nr 448/1984 in der Fassung von BGBl I Nr 99/2016, sowie §§7 zweiter und dritter Satz und 17 Abs10 zweiter Satz des Preisauszeichnungsgesetzes, jeweils BGBl Nr 146/1992 in der Fassung von BGBl I Nr 99/2016" als verfassungswidrig aufheben.

II.      Rechtslage

1. §1a und §44 sowie Anlage 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 ("UWG"), BGBl 448/1984, idF BGBl I 99/2016, lauten (die angefochtenen Bestimmungen bzw. Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Aggressive Geschäftspraktiken

§1a. (1) Eine Geschäftspraktik gilt als aggressiv, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung, oder durch unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Bei der Feststellung, ob eine aggressive Geschäftspraktik vorliegt, ist auch auf

1. Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer,

2. die Verwendung von drohenden oder beleidigenden Formulierungen oder Verhaltensweisen,

3. die Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere durch den Unternehmer, welche das Urteilsvermögen des Verbrauchers beeinträchtigen, worüber sich der Unternehmer bewusst ist, um die Entscheidung des Verbrauchers in Bezug auf das Produkt zu beeinflussen.

4. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte – insbesondere am Recht, den Vertrag zu kündigen oder zu einem anderen Produkt oder einem anderen Unternehmen zu wechseln – zu hindern versucht und

5. Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen

abzustellen.

(3) Jedenfalls als aggressiv gelten die im Anhang unter Z24 bis 31 angeführten Geschäftspraktiken.

(4) Jedenfalls als aggressiv gilt auch die im Anhang unter Z32 genannte Geschäftspraktik. Vereinbarungen darüber sind absolut nichtig.

[…]

Inkrafttreten

§44. (1) Die §§2 Abs1 bis 6, 28a, 29 Abs2 und 43 Abs1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 185/1999 treten mit 1. April 2000 in Kraft.

(2) §14 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 185/1999 tritt mit 1. Jänner 2001 in Kraft.

(3) §8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 111/1999 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 1996 mit der Maßgabe in Kraft, dass diesbezüglich §4 bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 55/2000 keine Anwendung findet.

(4) §32 Abs1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 55/2000 tritt mit 1. September 2000 in Kraft.

(5) Die §§9a Abs2 Z8, 29 Abs2, 30 Abs2, 31 Abs3, 33 Abs1 und 33f in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 136/2001 treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft.

(6) §14 Abs1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 106/2006 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(7) Die §§1, 1a, 2, 2a, 3 Abs1, 4 Abs1 bis 3, 5, 6 Abs2, 8 Abs1, 14 Abs1 und 2, 18, 21, 27 Abs5, 28a, 31 Abs4, 33a Abs3, 45 und der Anhang in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 79/2007 treten mit 12. Dezember 2007 in Kraft. Die §§4 Abs4, 6a und 19 Abs2 treten mit 12. Dezember 2007 außer Kraft.

(8) §9a samt seiner Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 13/2013 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag außer Kraft. §14 Abs1, §18, §21 Abs1 sowie Z6 des Anhangs in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 13/2013 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(9) §30 samt Überschrift tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt, frühestens jedoch mit Ablauf des 30. Mai 2015 außer Kraft.

(10) §1a Abs4 und Z32 des Anhanges in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 99/2016 treten mit dem Ablauf eines Monats nach der Kundmachung in Kraft und sind auch auf Verträge anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden.

[…]

Anhang

Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten

Irreführende Geschäftspraktiken

[…]

Aggressive Geschäftspraktiken

24. Das Erwecken des Eindrucks, der Umworbene könne die Räumlichkeiten ohne Vertragsabschluss nicht verlassen.

25. Die Nichtbeachtung der Aufforderung des Verbrauchers bei persönlichen Besuchen in dessen Wohnung, diese zu verlassen bzw. nicht zurückzukehren, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen dies gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen.

26. Die Anwerbung von Kunden durch hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen über Telefon, Fax, E-Mail oder sonstige für den Fernabsatz geeignete Medien, außer in Fällen und in den Grenzen, in denen ein solches Verhalten gesetzlich gerechtfertigt ist, um eine vertragliche Verpflichtung durchzusetzen. Dies gilt unbeschadet des Artikels 10 der Richtlinie 97/7/EG sowie der Richtlinien 95/46/EG und 2002/58/EG.

27. Die Aufforderung eines Verbrauchers, der eine Versicherungspolizze in Anspruch nehmen möchte, Dokumente vorzulegen, die vernünftigerweise als für die Gültigkeit des Anspruchs nicht relevant anzusehen sind, oder systematisches Nichtbeantworten einschlägiger Schreiben, um so den Verbraucher von der Ausübung seiner vertraglichen Rechte abzuhalten.

28. Die Einbeziehung einer direkten Aufforderung an Kinder in der Werbung, die beworbenen Produkte zu kaufen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, die beworbenen Produkte für sie zu kaufen.

29. Die Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Zahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewerbetreibende ohne Veranlassung des Verbrauchers geliefert hat (unbestellte Waren und Dienstleistungen).

30. Der ausdrückliche Hinweis gegenüber dem Verbraucher, dass Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt des Unternehmers gefährdet sind, falls der Verbraucher das Produkt oder die Dienstleistung nicht erwirbt.

31. Das Erwecken des unrichtigen Eindrucks, der Verbraucher habe bereits einen Preis gewonnen, werde einen Preis gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis oder einen sonstigen Vorteil gewinnen, obwohl

a) es in Wirklichkeit keinen Preis oder sonstigen Vorteil gibt, oder

b) die Möglichkeit des Verbrauchers, Handlungen zur Inanspruchnahme des Preises oder eines sonstigen Vorteils vorzunehmen, von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten durch den Verbraucher abhängig gemacht wird.

32. Das Verlangen eines Betreibers einer Buchungsplattform gegenüber einem Beherbergungsunternehmen, dass dieses auf anderen Vertriebswegen inklusive seiner eigenen Website keinen günstigeren Preis oder keine anderen günstigeren Bedingungen als auf der Buchungsplattform anbieten darf."

2. §7 und §17 des Bundesgesetzes über die Auszeichnung von Preisen (Preisauszeichnungsgesetz – PrAG), BGBl 146/1992, idF BGBl I 99/2016, lauten (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"§7. Werden Preise für der Beherbergung dienende Unterkünfte angegeben, so gilt für diese §13 Abs1. Die Preise werden vom Gastgewerbetreibenden frei festgelegt und dürfen nicht durch Preisbindungs- oder Bestpreisklauseln durch Buchungsplattformbetreiber eingeschränkt werden. Derartige Klauseln in Verträgen zwischen Gastgewerbetreibenden und Buchungsplattformbetreibern sind absolut nichtig. Weiters sind die Standardzimmerpreiskategorien im Eingangsbereich einsehbar zur Verfügung zu stellen.

[…]

Inkrafttreten

§17. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit dem ersten Tag des dritten Monats in Kraft, der auf seine Kundmachung folgt.

(2) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können bereits von dem seiner Kundmachung folgenden Tag an erlassen werden. Diese Verordnungen dürfen frühestens mit dem im Abs1 bezeichneten Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden.

(3) §9 Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 125/1998 tritt mit 1. Jänner 1999 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 außer Kraft.

(4) §9 Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 146/1992 tritt mit 1. Jänner 2002 wieder in Kraft.

(5) §1, §10 Abs1 erster Satz, §10 Abs2, §§10a bis 10c, §14 und §19 Abs3 und 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 55/2000 treten mit 1. September 2000 in Kraft.

(6) §15 Abs1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 55/2000 tritt mit 1. Jänner 2002 in Kraft.

(7) Bis 28. Februar 2002 gilt §10b Abs3 Z3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 55/2000 mit der Maßgabe, dass die Betriebsstätte über eine Verkaufsfläche von maximal 400 m² verfügt.

(8) Verordnungen auf Grund des Bundesgesetzes BGBl I Nr 55/2000 können bereits ab dem auf die Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Tag erlassen werden, dürfen aber frühestens mit 1. September 2000 in Kraft gesetzt werden.

(9) §9 Abs5 und §13 Abs1 zweiter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 100/2011 treten mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft.

(10) §7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 99/2016 tritt mit Ablauf eines Monats nach der Kundmachung in Kraft. §7 zweiter und dritter Satz sind auch auf Verträge anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden. Gleichzeitig tritt §8 außer Kraft."

III.    Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Dem Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die antragstellende Gesellschaft betreibt über ihre Website www.booking.com ein Online-Unterkunftsreservierungsservice. Im Falle einer Buchung über diese Online-Plattform kommt ein Vermittlungsvertrag zwischen der antragstellenden Gesellschaft und dem Hotelgast zustande, wobei dem Hotelgast für die Vermittlungsleistung kein Entgelt in Rechnung gestellt wird. Dieser zahlt vielmehr ausschließlich den Zimmerpreis, und zwar direkt an das gebuchte Beherbergungsunternehmen. Gleichzeitig bestehen zwischen der antragstellenden Gesellschaft und den Beherbergungsunternehmen bzw. Gastgewerbetreibenden Verträge über die Aufnahme in das Reservierungssystem der antragstellenden Gesellschaft. Diese Verträge sehen vor, dass das Beherbergungsunternehmen bzw. der Gastgewerbetreibende für jede realisierte Buchung eine Provision – in der Höhe eines Prozentsatzes vom Preis der gebuchten Unterkunft – an die antragstellende Gesellschaft zu zahlen hat.

In den Verträgen zwischen der antragstellenden Gesellschaft und österreichischen Beherbergungsunternehmen bzw. Gastgewerbetreibenden waren bis Ende des Jahres 2016 sogenannte "vertikale Paritätsklauseln" enthalten. Diese verpflichteten die Beherbergungsunternehmen, auf der Webseite der antragstellenden Gesellschaft denselben (oder einen niedrigeren) Preis für die betreffende Unterkunft anzubieten wie jene, den das Beherbergungsunternehmen auf eigenen Online-Vertriebskanälen (ausgenommen Treueprogramme) anbietet.

2.       Die antragstellende Gesellschaft legt ihre Antragslegitimation sowie die Bedenken, die sie zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):

"1. Sachverhalt und angefochtene Regelungen

[…]

1.2.1 Durch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG und das Preisauszeichnungsgesetz geändert werden (BGBl I Nr 99/2016), wurde die 'Schwarze Liste' im Anhang des UWG um die Ziffer 32 ergänzt sowie eine damit einhergehende Einfügung eines neuen §1a Abs4 UWG und ferner eine Änderung des §7 PrAG durchgeführt. Die genannten Bestimmungen wurden am 30.11.2016 im BGBl I Nr 99/2016 kundgemacht und sind mit Ablauf eines Monats nach der Kundmachung, somit am 31.12.2016, in Kraft getreten.

1.2.2 §1a Abs4 iVm Z32 des Anhangs zum UWG stuft seither Folgendes als jedenfalls unlautere Geschäftspraktik ein: das Verlangen eines Betreibers einer Buchungsplattform gegenüber einem Beherbergungsunternehmen, dass dieses auf anderen Vertriebswegen inklusive seiner eigenen Website keinen günstigeren Preis oder keine anderen günstigeren Bedingungen als auf der Buchungsplattform anbieten darf. Der zweite und dritte Satz des §7 PrAG regelt, dass die Preise vom Gastgewerbetreibenden frei festgelegt werden und nicht durch Preisbindungs- oder Bestpreisklauseln durch Buchungsplattformbetreiber eingeschränkt werden dürfen; derartige Klauseln in Verträgen zwischen Gastgewerbetreibenden und Buchungsplattformbetreibern sind absolut nichtig.

Der österreichische Gesetzgeber hat somit die Verwendung aller Arten an Paritätsklauseln – auch die Verwendung der von Seiten der Wettbewerbsbehörden nicht weiter beanstandeten vertikalen Paritätsklauseln – untersagt.

[…]

2. Ausführungen zur Antragslegitimation

2.1 Unmittelbare, rechtliche und aktuelle Betroffenheit

2.1.1 Die Antragstellerin wird durch die angefochtenen Bestimmungen in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt und ist hiervon aus folgenden Gründen unmittelbar, rechtlich und aktuell betroffen:

2.1.2 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) ist '[…] nur ein Rechtsträger [antragsberechtigt], an oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet.' (VfSlg 19.389/2011 mwN).

Im gegenständlichen Fall betreffen die angefochtenen Regelungen das vertragliche Verhältnis zwischen 'Betreibern einer Buchungsplattform' (Z32 des Anhangs zum UWG) bzw 'Buchungsplattformbetreibern' (§7 PrAG) und 'Beherbergungsunternehmen' (Z32 des Anhangs zum UWG) bzw 'Gastgewerbetreibenden' (§7 PrAG). Die Antragstellerin ist als geradezu idealtypischer Buchungsplattformbetreiber, der Verträge mit Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden unter anderem in Österreich schließt, Adressat der angefochtenen Regelungen (wie dies auch die explizite Nennung von Booking.com in den Erläuterungen zu Z32 des Anhangs zum UWG [1251 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage, S 3] indiziert).

Ausgehend davon wird es der Antragstellerin unmittelbar durch §1a Abs4 UWG iVm Z32 des Anhangs zum UWG und §7 PrAG, jeweils in der Fassung BGBl I Nr 99/2016, untersagt, Preisbindungs- oder Bestpreisklauseln in ihren Verträgen mit Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden anzuwenden, widrigenfalls diese Klauseln absolut nichtig sind und Unterlassungs- sowie Schadenersatzansprüche auf Basis des UWG drohen.

2.1.3 Die Antragstellerin verwendet grundsätzlich für ihre Vertragsverhältnisse mit Beherbergungspartnern EU-weit und in der Schweiz einheitliche Allgemeine Geschäftsbedingungen, hat jedoch vorsichtshalber per 31.12.2016 die vertikalen Paritätsklauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche ihren Vertragsverhältnissen mit Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden in Österreich zugrunde liegen, entfernt. Der österreichische Gesetzgeber ist nämlich der Ansicht, dass die angefochtenen Bestimmungen gleichermaßen auf inländische Plattformbetreiber und ausländische Plattformbetreiber (wie Booking.com) anwendbar sind. Dies wird in den Gesetzesmaterialien (1251 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage) ua damit begründet, dass Gegenstand der angefochtenen Regelungen nicht 'ein Dienst der Informationsgesellschaft, sondern eine zivilrechtliche Klausel, die dem Vertragspartner eine freie Preisbildung bzw attraktivere Angebote auf anderen Vertriebskanälen untersagt', sei (S 2 Erläuterungen) und der Regelungsinhalt vielmehr den Wettbewerb abseits der Plattformdienstleistung betreffe (S 2 Vorblatt und WFA). Mit diesen Hinweisen will der Gesetzgeber offenbar untermauern, dass die angefochtenen Regelungen nicht in den Anwendungsbereich der folgenden Rechtsakte fallen:

– der Richtlinie (EU) 2015/1535 vom 09.09.2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft, ABl L 2015/241, 1 (deren Vorgängerregelungen in Österreich durch das Notifikationsgesetz 1999, BGBl I Nr 183/1999, umgesetzt wurden), und

– der Richtlinie 2000/31/EG vom 08.06.2000 über den elektronischen Geschäftsverkehr, ABl L 2000/178, 1 (die in Österreich durch das E-Commerce-Gesetz, StF: BGBl I Nr 152/2001, umgesetzt wurde).

Beide vorgenannten Rechtsakte dienen der näheren Ausgestaltung der Grundfreiheiten des EU-Binnenmarkts (ua des freien Verkehrs von Dienstleistungen iSd Art56 AEUV). Zu diesem Zweck statuiert die Richtlinie 2000/31/EG das Herkunftsland-Prinzip für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und enthält die Richtlinie (EU) 2015/1535 ein von den Mitgliedstaaten bei Erlass von bestimmten Vorschriften einzuhaltendes Verfahren, nach dem die Europäische Kommission von den betreffenden nationalen Regelungen vor ihrem Inkrafttreten unterrichtet werden muss (widrigenfalls nationale Gerichte ihre Anwendung ablehnen müssen, so EuGH Rs C-194/94).

Laut den Gesetzesmaterialien (1251 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage) liegen die angefochtenen Regelungen überdies außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, ABl L 2005/149, 22; dies obwohl sie – richtigerweise – nicht ausschließlich im Sinne der Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden, sondern auch im Sinne der Konsumenten liegen (vgl dazu die Aussagen einzelner Abgeordneter in der Parlamentskorrespondenz Nr 1184 vom 09.11.2016 und Nr 1247 vom 17.11.2016).

2.1.4 So man mit dem österreichischen Gesetzgeber davon ausgehen will, dass den angefochtenen Regelungen EU-Recht nicht entgegensteht und nationale Gerichte sie auch auf einen niederländischen Plattformbetreiber wie Booking.com anzuwenden hätten, ist die Antragstellerin von den angefochtenen Regelungen iSd Art140 B-VG in ihren Rechten verletzt und der gegenständliche Antrag zulässig.

2.2 Unzumutbarkeit des Umwegs

2.2.1 Nach der Rechtsprechung des VfGH ist es einem Normunterworfenen insbesondere unzumutbar, eine verbotene Handlung zu setzen, um ein darauffolgendes Verfahren zu provozieren, um im Rahmen dessen sich mit der Behauptung zur Wehr setzen zu können, dass die Verbotsnorm verfassungswidrig sei. Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für wettbewerbsrechtliche Verfahren: '[…] insbesondere kann der Normunterworfene nicht auf einen Wettbewerbsprozeß verwiesen werden, den er nur provozieren kann, indem er sich in einer gesetzlich verpönten Weise verhält' (VfSlg 13.725/1994, vgl auch VfSlg 12.379/1990, vgl ferner Berka, Verfassungsrecht6 (2016) Rz 1091).

2.2.2 Vor diesem Hintergrund besteht kein zumutbarer anderer Weg, die unten (Punkt 3.) näher ausgeführten Bedenken gegen die angefochtenen Regelungen an den VfGH heranzutragen als durch einen Individualantrag. Eine Unterlassungs- und/oder Schadenersatzklage durch einen Verstoß gegen die angefochtenen Regelungen zu provozieren, wäre ein unzumutbarer Umweg.

2.2.3 Ferner würde auch eine zivilrechtliche Klage seitens der Antragstellerin gegen ein Beherbergungsunternehmen bzw einen Gastgewerbetreibenden, das bzw der die vertikale Paritätsklausel nicht umsetzt, keine Alternative darstellen, um die Bedenken an den VfGH heranzutragen, da in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Booking.com (Pkt 10.5) ein niederländischer Gerichtsstand vorgesehen ist (abgesehen davon, dass die Antragstellerin zu diesem Zweck die vertikale Paritätsklausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen belassen hätte müssen, womit sie wiederum UWG-Klagen gegen sich provoziert hätte). Der vorliegende Individualantrag ist daher auch insofern zulässig.

3. Darlegung der Bedenken

Die angefochtenen Regelungen verstoßen aus den im Folgenden dargelegten Gründen gegen die Grundrechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 Staatsgrundgesetz [StGG], Art1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention [ZP-EMRK], Art17 Charta der Grundrechte der Europäischen Union [GRC]) und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG, Art16 GRC) sowie gegen den Gleichheitssatz (Art2 StGG, Art7 B-VG, Art14 EMRK, Art20, 21 GRC).

3.1 Recht auf Eigentum (Art5 StGG, Art1 des 1. ZP-EMRK, Art17 GCR)

3.1.1 Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums kommt nicht nur Inländern, sondern auch Ausländern sowie in- und ausländischen juristischen Personen zu (Mayer/Muzak, Kurzkommentar B-VG5 (2015) Art5 StGG I; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 (2015) Rz 1477). Die Antragstellerin ist somit vom personellen Geltungsbereich des Rechts auf Eigentum erfasst.

3.1.2 Gegenstand des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes sind nach der Rechtsprechung des VfGH alle vermögenswerten Privatrechte (Berka, Verfassungsrecht6 (2016) Rz 1543). Nach der neueren Rechtsprechung schützt die verfassungsgesetzliche Eigentumsgarantie die Privatautonomie schlechthin, insbesondere das Recht auf Abschluss privatrechtlicher Verträge (Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 (2016) Rz 868 mwN). Eine gesetzliche Maßnahme, die einen privatrechtlichen Vertrag unmittelbar verändert, greift in das Eigentumsrecht beider Vertragsteile ein (VfSlg 17.071/2003). Ebenso greift ein Gesetz, das den Abschluss bestimmter Verträge verhindert (VfSlg 12.100) oder zum Abschluss bestimmter Verträge zwingt (VfSlg 12.227), in das Eigentumsrecht der Vertragspartner ein (Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 (2016) Rz 868).

Eingriffe in die Vertragsfreiheit sind nur unter den für Eigentumsbeschränkungen geltenden Bedingungen zulässig (VfSlg 12.227/1989): Der in diesem Zusammenhang relevante Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der vom Staat mit dem Eingriff verfolgte Zweck legitim ist, das vom Staat eingesetzte Mittel geeignet ist, der Einsatz des Mittels zur Erreichung des Zwecks notwendig bzw erforderlich ist und insgesamt ein angemessenes (adäquates) Verhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und der damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigung gewahrt bleibt. Das Kriterium der Verhältnismäßigkeit bedeutet bei Eigentumsbeschränkungen, dass bei Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Regelung und dem Interesse an der Vermeidung des Eigentumseingriffes das öffentliche Interesse überwiegen muss; ferner darf der zur Verwirklichung einer im überwiegenden öffentlichen Interesse getroffenen Regelung vorgenommene Eigentumseingriff nicht weiter gehen, als dies zur Erreichung des Regelungszieles notwendig ist (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 (2007) Rz 1486 mwN). Konkret darf der Eingriff auch nicht einseitig zum Nachteil einer Partei des Vertragsverhältnisses erfolgen (VfSlg 17.817/2006).

3.1.3 Im gegenständlichen Fall wird durch die angefochtenen Regelungen die Privatautonomie bzw die Vertragsfreiheit für (auch schon bestehende) Vereinbarungen von Buchungsplattformbetreibern mit Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden eingeschränkt und somit in das Eigentumsrecht der Betreiber der Buchungsplattformen – also auch in das Eigentumsrecht von Booking.com – eingegriffen. Dieser Eingriff erfolgt überdies nach dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Interesse der Beherbergungsunternehmen und somit einseitig zum Nachteil einer Partei des Vertragsverhältnisses, nämlich der Betreiber einer Buchungsplattform: diese können mangels Paritätsklauseln ihre Investitionen nicht mehr vor Trittbrettfahrern schützen und den Nutzern keine effiziente Preisvergleichsmöglichkeit mehr anbieten.

3.1.4 Aus folgenden Gründen genügt der gegenständliche Eingriff in das Eigentumsrecht der Antragstellerin nicht dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit:

a. Kein legitimer Zweck / kein öffentliches Interesse

Laut den Erläuterungen (S 1) ist das Ziel von Z32 des Anhangs zum UWG 'fairer Wettbewerb für Unternehmen, insbesondere KMU'. Weiters wird in den Erläuterungen zu Z32 des Anhangs zum UWG (S 3) Folgendes ausgeführt: 'Entsprechend ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs hat ein zu prüfender Grundrechtseingriff bzw. ein Eingriff in die Privatautonomie verhältnismäßig zu sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass das Ziel der Grundrechtsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegen muss. Es liegt im öffentlichen Interesse, wenn ein Beherbergungsunternehmen aus verschiedenen Gründen (finanzieller Art bzw. mangelnde Auslastung des Betriebs) entsprechend den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage seine Preise entsprechend auf seiner Webseite gegenüber den Preisen auf der Buchungsplattform absenken kann und damit der faire Wettbewerb sichergestellt werden kann.'

Das Ziel des §7 PrAG wird in den Erläuterungen (S 3) ähnlich definiert: 'Ziel der Maßnahme ist allein die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs für Unternehmen, insbesondere KMU.'

Das in den Gesetzesmaterialien vordergründig postulierte Ziel des Gesetzgebers, nämlich die Sicherstellung des fairen Wettbewerbs für Unternehmen, insbesondere KMU, mag zwar grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen. Allerdings ist bei näherer Betrachtung die eigentliche Intention des Gesetzgebers der Schutz von Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden, die finanzielle Probleme haben oder unter mangelnder Auslastung leiden und daher vor dem Wettbewerb geschützt werden sollen, den Buchungsplattformen im Sinne der Konsumenten mit sich bringen. Dies stellt jedoch kein im öffentlichen Interesse stehendes und damit legitimes Ziel dar. Nach der Rechtsprechung des VfGH liegt ein bloßer Konkurrenzschutz für sich allein nicht im öffentlichen Interesse (ua VfSlg 15.700/2000 zum Schutz bestehender Schischulen).

In den Plenarsitzungen des Nationalrats im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens, das zum Erlass der angefochtenen Regelungen geführt hat, wurde unter anderem festgehalten, 'dass ebenso KonsumentInnen von diesem Wegfall der Klausel profitieren würden' (s Parlamentskorrespondenz Nr 1184 vom 09.11.2016). Bei der Förderung von Konsumenteninteressen – so man diese als weiteren Zweck der angefochtenen Regelungen unterstellen wollte – ist zwar nicht per se auszuschließen, dass sie im öffentlichen Interesse liegt (vgl zB VfSlg 19.639/2012); eine allenfalls (mit-)intendierte Förderung von Konsumenteninteressen kann aber aus den im Folgenden dargelegten Gründen dennoch den Eingriff ins Eigentumsrecht im gegenständlichen Fall nicht rechtfertigen.

b. Kein geeignetes und erforderliches Mittel

Das vom Gesetzgeber angewendete Mittel ist nur dann geeignet, wenn es zur Verfolgung des angestrebten (im öffentlichen Interesse liegenden) Ziels tauglich ist. Erforderlichkeit des angewendeten Mittels liegt dann vor, wenn unter allen geeigneten Mitteln das vom Gesetzgeber gewählte Mittel das 'mildeste' ist, dh jenes, das die Grundrechtsposition so wenig wie möglich einschränkt (Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 (2016) Rz 890 f). Der VfGH hält ein Gesetz dann für verfassungswidrig, wenn das eingesetzte Mittel keinesfalls geeignet ist oder es eindeutig 'mildere' Mittel gibt, die das Grundrecht weniger einschränken (Berka, Verfassungsrecht6 (2016) Rz 1561).

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die angefochtenen Regeln einen legitimen Zweck verfolgen, sind sie jedoch weder geeignet noch erforderlich, um das vom Gesetzgeber postulierte Ziel der Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs für Unternehmen, insbesondere KMU, zu erreichen, im Gegenteil:

– Vertikale Paritätsklauseln verhindern nicht, sondern steigern vielmehr den leistungsgerechten Wettbewerb zwischen den Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden, indem sie schnelle und eindeutige Preis- und Qualitätsvergleiche zwischen Unterkunftsoptionen auf Buchungsplattformen ermöglichen – derartige Transparenz ist auch nicht als 'unfairer' Wettbewerb einzustufen. Ohne vertikale Paritätsklauseln sind aber solche Vergleiche kaum mehr möglich, da man mit viel Aufwand auf den einzelnen Webseiten von Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden nach den besten Preisen (für vergleichbare Leistungen) suchen muss, wenn Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden nicht mehr vertraglich verpflichtet sind, die auf ihren eigenen Websites angebotenen günstigeren Preise auch auf der Buchungsplattform anzubieten.

– Vertikale Paritätsklauseln dienen dem Schutz der Interessen der kleinen bis mittelgroßen Hotels, da sie eine höhere Belegungsrate für kleine bis mittelgroße Hotels und sonstige Unterkünfte in Familienbesitz mit sich bringen: Buchungsplattformen stellen hinsichtlich der Online-Werbung ein effektives Instrument für solche Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibende dar. Diese haben in der Regel keine andere praktische Möglichkeit, Online-Kunden und insbesondere ausländische Kunden zu erreichen, zumal sie teilweise gar keine Webseite oder keine mehrsprachige Webseite haben. Buchungsplattformen ermöglichen diesen Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden, ihre Belegungsrate zu erhöhen (in einer 2014 durchgeführten Umfrage bestätigten 85% der befragten Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden in Österreich, dass aufgrund der Buchungsplattformen ihre Belegungsrate gestiegen ist).

– Durch das Verbot auch vertikaler Paritätsklauseln werden kleine bis mittelgroße Hotels und sonstige Unterkünfte in Familienbesitz im Wettbewerb benachteiligt, da sich primär die großen Hotelketten, die aufgrund ihrer Ressourcen ihre Marken online bewerben und eigene Webseiten in mehreren Sprachen (samt eigener Buchungsfunktion) unterhalten, als Trittbrettfahrer die Investitionen der Buchungsplattformen zunutze machen können (s schon oben, Punkt 1.1.3). Kleine bis mittelgroße Hotels und Beherbergungsunternehmen in Familienbesitz, die die Mehrheit der Beherbergungsunternehmen in Österreich ausmachen, werden nicht davon profitieren, da sie keine eigenen (insbesondere keine mehrsprachigen) Websites unterhalten und insofern im Internet unsichtbar sind. Diese kleinen bis mittelgroßen Hotels werden vielmehr weiterhin die Kosten für Werbung/Marketing im Wege der Buchungsplattform (in Form der an letztere im Fall einer Buchung zu bezahlenden Provision) tragen, während ihre größeren Konkurrenten mit eigener Website samt Buchungsfunktion diese Werbung als Trittbrettfahrer kostenlos erhalten. Das aufgrund der angefochtenen Regeln von den Buchungsplattformen nicht mehr kontrollierbare Trittbrettfahrerproblem wird die Investitionen der Plattformen in Qualität zurückgehen lassen und/oder zur Erhöhung der Provisionen führen, die Buchungsplattformen den Beherbergungsunternehmen im Fall einer Buchung über die Plattform in Rechnung stellen. Diese höheren Provisionen werden wiederum diejenigen kleinen und mittelgroßen Hotels zu tragen haben, die keine eigenen Websites unterhalten.

Das vom Gesetzgeber postulierte Ziel der 'Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs für Unternehmen, insbesondere KMU' kann daher mit den angefochtenen Regelungen objektiv nicht erreicht werden.

Ebenso wenig sind die angefochtenen Regelungen geeignet, Konsumenten einen Nutzen zu verschaffen, im Gegenteil: Die gänzliche Abschaffung der Paritätsklauseln beeinträchtigt die mit Buchungsplattformen verbundenen Suchvorteile der Konsumenten und erhöht ihre Suchkosten wesentlich. Das Verbot aller Paritätsklauseln ist daher auch kein geeignetes Mittel zum Schutz von Konsumenteninteressen. Vertikale Paritätsklauseln dienen vielmehr aus folgenden Gründen den Konsumenteninteressen:

– Suchvorteile für die Konsumenten: Die Konsumenten profitieren von Buchungsplattformen, da sie den Preis und die Qualität zahlreicher Hotels und sonstiger Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden sehr rasch vergleichen können (auch im Hinblick auf Zimmerkategorien, im Preis inkludierte Leistungen etc). Ohne Paritätsklauseln müssen Konsumenten auf den einzelnen Webseiten von Hotels und sonstigen Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden nach den besten Preisen (für vergleichbare Leistungen) suchen. Das nimmt viel mehr Zeit und Mühe in Anspruch und reduziert die tatsächlich für die Konsumenten verfügbare Auswahlmöglichkeit an Hotels und sonstigen Unterkünften.

– Preisvorteile für die Konsumenten: Buchungsplattformen ermöglichen den Konsumenten, jene Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden zu finden, welche ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bieten. Das gibt den Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden den Anreiz, ihre Preise zu reduzieren. Durch den gänzlichen Wegfall von Paritätsklauseln reduziert sich die Preistransparenz entgegen dem Konsumenteninteresse und Preisvergleiche werden für Konsumenten schwieriger. Das Verbot aller Paritätsklauseln kann somit auch höhere Preise für Unterkünfte hervorrufen.

Die BWB hat zu vertikalen Paritätsklauseln treffend festgehalten: ‘Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs um den Hotelkunden wird gewährleistet – und zwar ohne den Kundennutzen von Hotelbuchungsplattformen zu beeinträchtigen.' (Bundeswettbewerbsbehörde Tätigkeitsbericht 2015, S 41).

Die angefochtenen Regelungen sind vor diesem Hintergrund zur Erreichung der intendierten Ziele nicht geeignet, aber auch nicht erforderlich: Die Ausnahme vertikaler Paritätsklauseln vom durch die angefochtenen Regelungen statuierten Verbot wäre ein gelinderes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele. Daher stellen die angefochtenen Regelungen auch jedenfalls nicht jenes (geeignete) Mittel dar, das die Grundrechtsposition so wenig wie möglich einschränkt (Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 (2016) Rz 716).

c. Kein angemessenes (adäquates) Verhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und der damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigung

Die Einschränkung der Privatautonomie durch das Verbot aller Paritätsklauseln ist auch unverhältnismäßig im engeren Sinne.

Vertikale Paritätsklauseln halten das Beherbergungsunternehmen bzw den Gastgewerbetreibenden dazu an, dem Buchungsplattformbetreiber den selben oder einen besseren Preis anzubieten, als denjenigen, den das Beherbergungsunternehmen bzw der Gastgewerbetreibende auf eigenen Online-Vertriebskanälen angeboten hat. Vertikale Paritätsklauseln führen einerseits zur Erreichung signifikanter Vorteile für Konsumenten sowie für Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibende, hindern aber andererseits Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibende nicht daran, ihre eigenen Preise auf anderen Vertriebskanälen völlig frei zu setzen. Das bedeutet, dass die Ausnahme vertikaler Paritätsklauseln vom durch die angefochtenen Regelungen statuierten Verbot ein geeignetes und gelinderes Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele wäre.

Auch aus kartellbehördlicher Sicht ist das Verbot auch von vertikalen Paritätsklauseln zur Erreichung des Ziels der Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs unverhältnismäßig: 27 nationale Wettbewerbsbehörden in ganz Europa, inklusive der BWB, haben sich entschieden, nicht gegen vertikale Paritätsklauseln vorzugehen. Von diesen Wettbewerbsbehörden haben mehrere ihre Untersuchungen nach eingehenden Überprüfungen abgeschlossen bzw eingestellt und festgestellt, dass vertikale Paritätsklauseln zur Erreichung signifikanter Vorteile für Konsumenten, Hotels und sonstige Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibende unverzichtbar sind und keine wesentliche negative Auswirkung auf den Wettbewerb haben.

Nicht zuletzt steht es den Beherbergungsunternehmen bzw Gastgewerbetreibenden ohnehin völlig frei, ob sie überhaupt einen Vertrag mit dem Betreiber einer Buchungsplattform abschließen.

3.1.5 Vor diesem Hintergrund ist das Verbot von Paritätsklauseln für Buchungsplattformen jedenfalls nicht verhältnismäßig, da es nicht geeignet und nicht erforderlich ist, um das Ziel der Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs zu erreichen, und überdies den Interessen der Konsumenten sowie der kleinen bis mittelgroßen Hotels und sonstigen Unterkünften in Familienbesitz widerspricht. Gleichzeitig wiegt der Eingriff in die Privatautonomie für Buchungsplattformbetreiber wie die Antragstellerin besonders schwer, zumal sie durch die angefochtenen Regelungen ihre Preisvergleichsleistungen an die Konsumenten nicht mehr effizient erbringen können und nicht mehr in der Lage sind, ihre Investitionen vor Trittbrettfahrern zu schützen (siehe schon oben, Punkt 1.1.3). Es besteht daher kein angemessenes (adäquates) Verhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und der damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigung.

3.2 Grundrecht der Erwerbsfreiheit (Art6 StGG, Art16 GRC)

3.2.1 Art6 Abs1 StGG garantiert jeder inländischen bzw einem anderen EU-Staat zuzuordnenden – natürlichen oder juristischen – Person das Recht auf freie Erwerbstätigkeit (VfSlg 19.077, 19.515, 19.803; Mayer/Muzak, Kurzkommentar B-VG5 (2015) Art6 StGG I). Die Antragstellerin ist somit vom personellen Geltungsbereich des Rechts auf Erwerbsfreiheit erfasst.

3.2.2 Art6 StGG enthält einen nicht näher determinierten (formellen) Gesetzesvorbehalt. In seiner jüngeren Judikatur hat der VfGH eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 (2007) Rz 1498). Gesetzliche Beschränkungen der Erwerbsfreiheit sind demnach nur zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (Berka, Verfassungsrecht6 (2016) Rz 1560 mwN). Während Antrittsbeschränkungen den Zugang zu einem Beruf überhaupt behindern (zB Konzessionspflicht), sind Ausübungsregeln nur auf die Rahmenbedingungen der Berufsausübung gerichtet (zB Preisregelungen, Werbeverbote); auch Ausübungsregeln können aber 'erhebliches Gewicht' haben und müssen diesfalls durch gewichtige öffentliche Interessen gerechtfertigt sein (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 (2007) Rz 1496ff).

a. Kein legitimer Zweck / kein öffentliches Interesse

Im Hinblick auf Erwerbsausübungsbeschränkungen wurde ein öffentliches Interesse am Konsumentenschutz bejaht, dh solche Beschränkungen können aus Gründen des Konsumentenschutzes zulässig sein (vgl zB VfSlg 11.853/1988, VfSlg 16.222/2001). Das Ziel des Schutzes klein- und mittelständischer Unternehmen sowie der Schutz der Nahversorgung können ebenfalls gewisse wettbewerbsrechtliche Beschränkungen rechtfertigen.

Wie schon oben, Punkt 3.1.4 a, ausgeführt, liegt aber ein nur auf den Schutz vor Konkurrenz zielender Eingriff in die Erwerbsfreiheit, wie er bei den angefochtenen Regelungen vorliegt, niemals im öffentlichen Interesse (vgl zB VfSlg 16.538/2002, VfSlg 19.814/2013). Mit der verfassungsrechtlichen Verbürgung der Erwerbsfreiheit ist nach der Rechtsprechung 'freier Wettbewerb und damit Konkurrenzkampf' verbunden. Die Einschätzung der Marktchancen und Ertragsaussichten obliegt dem Grundrechtsträger und darf nicht vom Gesetzgeber vorgenommen werden (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 (2007) Rz 1495).

Selbst wenn man aber zum Schluss käme, dass das durch die angefochtenen Regelungen verfolgte Ziel im öffentlichen Interesse liegt, ist die Verhältnismäßigkeit aus den im Folgenden dargelegten Gründen zu verneinen.

b. Kein geeignetes und erforderliches Mittel

Das Verbot aller Paritätsklauseln ist keinesfalls tauglich zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs und ebenso wenig zur Förderung von Konsumenteninteressen. Aus den Gründen, die schon unter Punkt 3.1.4 b näher dargelegt wurden, sind die angefochtenen Regelungen nicht geeignet, fairen Wettbewerb für Unternehmen, insbesondere KMU, sicherzustellen. Sie beeinträchtigen vielmehr die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen bis mittelgroßen Beherbergungsunternehmen gegenüber großen Hotelketten, beeinträchtigen aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der Betreiber von Buchungsplattformen, vor allem auch gegenüber sonstigen (Reise-)Vermittlungsagenturen (s dazu näher auch unten, Punkt 3.3).

Wie bereits oben (Punkt 3.1.4) näher ausgeführt, ist überdies das Verbot aller Paritätsklauseln kein erforderliches Mittel, da es unter allen (geeigneten) Mitteln nicht das 'mildeste' ist.

c. Kein angemessenes (adäquates) Verhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und der damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigung

Bei der Beurteilung der Angemessenheit einer beschränkenden Maßnahme ist auch zu prüfen, ob Alternativen bestehen, die den angestrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger beschränkenden, Weise erreichen lassen (VfSlg 11.483, 12.492, 15.672). Für die Verfassungsmäßigkeit ist Folgendes entscheidend: Eine Beschränkung der Erwerbsfreiheit muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein (VfSlg 11.558, 12.082, 13.328, 13.704, 14.259).

Eingriffe in den 'Kernbereich' unternehmerischer Entscheidungen wiegen schwer und bedürfen besonders gewichtiger Gründe (VfSlg

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten