TE Vwgh Erkenntnis 2015/1/29 Ro 2014/07/0066

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Veröffentlicht am 29.01.2015
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E15103030;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art2 Z15 lita;
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art2 Z15 lita;
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art2 Z15;
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art24 Abs2 lita;
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art24 Abs2 litb;
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art24;
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art4;
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art5;
AWG 2002 §67;
AWG 2002 §68;
AWG 2002 §69;
AWG 2002 §71;
AWG 2002 §79 Abs1 Z15b;
AWG 2002 §79 Abs2 Z23;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 25. November 2013, Zl. E 020/12/2013.007/009, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem AWG 2002 (mitbeteiligte Partei: E O), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (BH) vom 17. Mai 2013 wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, es als Verbringer von notifizierungspflichtigem Abfall zu verantworten zu haben, dass entgegen § 69 AWG 2002 Abfälle ohne die erforderliche Bewilligung oder ohne die sonstigen erforderlichen Zustimmungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (in weiterer Folge: EG-VerbringungsV) verbracht worden seien. Der Transport sei von Österreich nach Deutschland durchgeführt worden. Beim Abfall handle es sich um Altreifen ohne Felgen (nicht gefährliche Abfälle des Anhangs III, "Grüne Abfallliste") mit dem Code A 3140 des Basler Übereinkommens.

Dem Mitbeteiligten wurde die Verletzung des § 69 in Verbindung mit § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 vorgeworfen und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 730,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Stunden, verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Berufung, in der er im Wesentlichen darauf verwies, dass das transportierte Auto samt den darin befindlichen Altreifen nicht ihm gehöre; er habe lediglich den Transport organisiert.

Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren und führte am 18. November 2013 eine mündliche Verhandlung durch. Sie behob mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 25. November 2013 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG das genannte Straferkenntnis der BH und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein.

Die belangte Behörde legte dem Erkenntnis als - auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbestrittenen - Sachverhalt zugrunde, dass der Mitbeteiligte über eine Berechtigung verfüge, mit Autos zu handeln. Im vorliegenden Fall habe er nicht mit Autos oder Altreifen gehandelt, sondern den Transport des Autos (Ford Transit) organisiert. Er habe von seinem Kunden und Eigentümer des Fahrzeuges, Herrn A., den Auftrag bekommen, dieses Auto mit den Altreifen über Deutschland, konkret Hamburg, nach Nigeria verschiffen zu lassen. Der Mitbeteiligte habe den Transport bis zu einem Abnehmer am Hafen von Lagos in Nigeria organisiert und für diese Dienstleistung von seinem Kunden Geld erhalten. Das Fahrzeug und die Reifen seien im Eigentum dieses Kunden gestanden. Nachdem er das Fahrzeug von der Simmeringer Haide abgeholt habe, habe er für den Weitertransport nach Deutschland über eine Transportfirma einen Lkw organisiert, mit dem das Fahrzeug zusammen mit weiteren Fahrzeugen (ohne weiteres Zutun des Mitbeteiligten) nach Hamburg verbracht worden sei. Er habe nicht gewusst, was in diesen Fahrzeugen geladen gewesen sei, weil die Fahrzeuge versiegelt gewesen seien und seine Auftraggeber ihn über die Ladung regelmäßig nicht informierten. Im konkreten Fall habe er zwar von seinem Auftraggeber gewusst, dass sich Reifen in diesem Auto befunden hätten, er habe aber nicht gewusst, dass es Altreifen (Abfall) gewesen seien. Herr A. habe den Laderaum des Ford Transit zuvor versiegelt, sodass er von einem Dritten oder dem Mitbeteiligten nicht zu öffnen gewesen sei. Die meisten Kunden des Mitbeteiligten kämen aus Nigeria oder aus Senegal oder Gambia. Auf seiner Website habe er seine Auftraggeber darauf aufmerksam gemacht, dass er für die im jeweiligen Fahrzeug mitbeförderten Waren keine Haftung übernehmen könne, weil er dafür keine Versicherung abgeschlossen habe.

Am 19. April 2012 sei der Ford Transit, der mit 45 Reifenbündeln beladen gewesen sei, vom Hauptzollamt Hamburg gestoppt und ein zollrechtliches Verfügungsverbot über das Fahrzeug samt Ladung erlassen worden. Die Reifenbündel hätten aus drei bis vier ineinander geschachtelten Reifen bestanden, wobei diese Reifen Verformungen und Beschädigungen am Wulst erkennen lassen hätten und beim manuellen Auseinandernehmen mit weiteren Schäden zu rechnen gewesen wäre. Hinter der Windschutzscheibe des Fahrzeuges habe sich ein Aufkleber mit dem Wortlaut "Autodeal O Autos, P" befunden. Die Altreifen seien mit Zustimmung des Mitbeteiligten durch die von ihm beauftragte Spedition, die Overseas Forwarding Int. Schifffahrts- und Speditionsgesellschaft m.b.H., einer ordnungsgemäßen Entsorgung in Deutschland zugeführt worden. Eine Zustimmung im Sinne des Kapitels II der EG-VerbringungsV zur grenzüberschreitenden Verbringung der gegenständlichen Abfälle nach Nigeria über Deutschland sei vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft als zuständige Behörde am Versandort nicht erteilt worden und es sei zum Zeitpunkt der Verbringung eine solche nicht vorgelegen.

Die belangte Behörde ging - nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des AWG 2002 - im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung davon aus, dass nach den §§ 66 bis 69 AWG 2002 und der EG-VerbringungsV ein Verfahren zur grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen durch eine Notifizierung des Notifizierungspflichtigen eingeleitet werde. Ihn treffe die Verpflichtung, die erforderlichen Notifizierungsunterlagen beizubringen. Er sei der Adressat der behördlichen Entscheidung über die Notifizierung. Daraus ergebe sich, dass die Einhaltung der Vorschriften (des § 69 AWG 2002) im Regelfall die notifizierende Person betreffe. Der Adressat der Strafbestimmung sei daher diejenige Person, die die entsprechende Bewilligung zu erwirken habe ("Notifizierender"). Wer als Notifizierender anzusehen sei, werde in Art. 2 Z 15 der EG-VerbringungsV näher geregelt.

Nach Wiedergabe des Wortlautes dieser Bestimmung fuhr die belangte Behörde fort, der Mitbeteiligte sei Autohändler und organisiere für seine Auftraggeber auch den Transport von Fahrzeugen nach Nigeria. Im letzteren Fall gingen die Fahrzeuge nicht in sein Eigentum über. Er habe auch nicht die Verfügungsbefugnis über die in den Fahrzeugen erliegenden Abfälle, da die Fahrzeuge - zumindest was den Laderaum betreffe - versiegelt gewesen seien und er regelmäßig auch nicht über die im Fahrzeug mittransportierten Sachen vom Auftraggeber informiert worden sei. Damit habe sich der Abfall in den Fahrzeugen zu keinem Zeitpunkt in seiner physischen Gewahrsame befunden. Es stehe ihm auch nicht frei, selbst zu entscheiden, zu welchem Abfallbehandler er die Abfälle in weiterer Folge verbringe, sodass er lediglich als der Transporteur und nicht als Abfallsammler anzusehen sei. Abgesehen von der bei ihm nicht vorhandenen Zulassung als Abfallsammler sei er daher nicht als Einsammler der Abfälle, der diese zum Zwecke einer Verbringung zusammenstelle, im Sinne der Begriffsbestimmung des Art. 2 Z 15 lit. a) iii der EG-VerbringungsV zu qualifizieren. Auch sei er nicht schriftlich vom Auftraggeber ermächtigt worden, in dessen Namen als Notifizierender aufzutreten, sodass auch nicht Art. 2 Z 15 lit. a) iv der EG-VerbringungsV auf ihn anzuwenden sei.

Primär solle demjenigen, der den Abfall produziert habe, auch die Pflicht zur Notifizierung zukommen. Dies ergebe sich schon aus der Rangfolge der Nennung in Art. 2 Z 15 lit. a) und dem

18. Erwägungsgrund der EG-VerbringungsV. Die belangte Behörde verkenne nicht, dass ein hoher Prozentsatz der Abfalltransporte, die Europas Seehäfen verließen, illegal durchgeführt werde und dass hier auch sehr stark die illegalen Exporte von Altautos und Autowracks und deren Bestandteile nach Afrika ins Gewicht fielen. Das entbinde jedoch die Behörde nicht, den Notifizierenden zu ermitteln. Der Abfallproduzent im Sinn des Art. 2 Z 15 lit. a) i der EG-Verbringungsverordnung, Herr A., wäre hier auch unschwer zu ermitteln gewesen, ergäben sich die Eigentümerverhältnisse bezüglich des Ford Transit doch bereits aus dem der Anzeige beiliegenden Kaufvertrag. Der bloße Hinweis auf den Transporteur der Fahrzeuge (der mit dem Abfall sonst nichts zu tun gehabt habe) durch einen Aufkleber hinter der Windschutzscheibe des transportierten Fahrzeuges reiche für eine Bestrafung des Mitbeteiligten nicht aus. Bei dieser Sachlage wäre nicht dem Mitbeteiligten, sondern seinem Auftraggeber als unmittelbarem Täter die strafbare Handlung anzulasten gewesen. Dieser habe eigenständig im Wege des von ihm beauftragten Transporteurs (in der Person des Mitbeteiligten) das Fahrzeug samt den Abfällen nach Deutschland verbringen lassen, wo es nach Nigeria verschifft werden sollte. Der vorliegenden Berufung komme daher schon aus diesem Grund Berechtigung zu.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eine Amtsrevision, in der er als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung die Frage der Verantwortung für die illegale Verbringung der gegenständlichen Abfälle in der vorliegenden Fallkonstellation nannte. Seines Erachtens sei der Bescheid der belangten Behörde deshalb rechtswidrig, weil sich aus Art. 24 Abs. 2 lit. a und lit. b EG-VerbringungsV ergäbe, dass es einen Notifizierenden de facto und einen Notifizierenden de iure gebe. Der Mitbeteiligte habe nach seinen eigenen Angaben den Transport nach Nigeria organisiert und die Spedition beauftragt, das Ladegut über Deutschland nach Afrika auszuführen. Die Beauftragung und Organisation dieser Ausfuhr sei nicht die Tätigkeit eines Transporteurs. Ein Transporteur führe lediglich Transporte im Auftrag einer anderen Person, beispielsweise eines Notifizierenden, durch. Der Mitbeteiligte habe jedoch diesen Transport nicht als Transporteur durchgeführt, sondern die Ausfuhr der Gegenstände beauftragt. Dieser Auftrag sei an die genannte Spedition ergangen. Der Mitbeteiligte habe nach eigener Aussage die in den Autos mitgeführten Gegenstände nicht überprüft und keine Haftung übernommen. Er habe de facto die Ausfuhr auch der gegenständlichen Altreifen und damit deren illegale Verbringung nach Nigeria veranlasst. Die grenzüberschreitende Verbringung dieser Altreifen sei in seinem Auftrag durchgeführt worden, wobei bei Einhaltung der Vorgaben der EG-VerbringungsV richtigerweise Herr A. zur Durchführung der Notifizierung verpflichtet gewesen wäre. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass die illegale grenzüberschreitende Verbringung der Altreifen de facto im Auftrag des Mitbeteiligten durchgeführt worden sei. Der Umstand, dass er nicht gewusst habe, dass es sich um Altreifen handle, entbinde ihn nicht von seiner Verantwortung für deren illegale Verbringung, da davon ausgegangen werden müsse, dass jene Person, die den Transport beauftrage, auch Kenntnis über Art und Qualität der transportierten Güter haben bzw. diese im Zweifelsfall überprüfen müsse. Der Mitbeteiligte sei daher für die illegale grenzüberschreitende Verbringung der Abfälle verantwortlich.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Revision beantragte.

Die mitbeteiligte Partei nahm am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht teil.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im vorliegenden Fall liegt eine Übergangsrevision nach § 4 Abs. 1 erster Satz VwGbk-ÜG vor, die den Kriterien des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG entspricht.

2. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist nicht strittig.

Demzufolge wandte sich der Eigentümer des Ford Transit, Herr A., an den Mitbeteiligten und beauftragte diesen mit der Organisation der Verbringung dieses Autos (samt seines Inhalts) nach Nigeria. Der Mitbeteiligte übernahm die Organisation des Transportes (Abholung u.a. dieses PKW und Transport nach Deutschland) und beauftragte eine Speditionsfirma mit der Verschiffung nach Nigeria. Davon, dass sich im PKW Altreifen befanden, war der Mitbeteiligte weder informiert noch hatte er die Möglichkeit einer Kontrolle des Wageninhalts.

2. Die grenzüberschreitende Verbringung ist im 7. Abschnitt des AWG 2002 geregelt; die §§ 66 bis 69 hatten im Tatzeitpunkt folgenden auszugsweisen Wortlaut:

"Grenzüberschreitende Verbringung

Anwendungsbereich und Verfahrensbestimmungen

§ 66. (1) Für grenzüberschreitende Verbringungen von Abfällen sind die unionsrechtlichen Abfallvorschriften, insbesondere die EG-VerbringungsV (Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen, ABl. Nr. L 190 vom 12.07.2006 S. 1), anzuwenden.

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist für die Anwendung der EG-VerbringungsV zuständige Behörde am Versandort, zuständige Behörde am Bestimmungsort, für die Durchfuhr zuständige Behörde und Anlaufstelle gemäß Art. 54 der EG-VerbringungsV.

Notifizierung bei der Ausfuhr

§ 67. (1) Wer eine gemäß EG-VerbringungsV oder gemäß einer Verordnung nach § 72 Z 1 notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen aus Österreich durchzuführen beabsichtigt, hat dies dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu notifizieren.

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft übermittelt die Notifizierung an die zuständige Behörde am Bestimmungsort und eine Abschrift an die für die Durchfuhr zuständigen Behörden.

Notifizierungsunterlagen

§ 68. (1) Die Notifizierung erfolgt mithilfe des Notifizierungsformulars gemäß Anhang IA und des Begleitformulars gemäß Anhang IB der EG-VerbringungsV. Der Notifizierende hat dazu zu übermitteln:

1. ....

Der Notifizierung sind die notwendigen Abschriften für die zuständigen Behörden anzuschließen.

(2) Das Notifizierungs- und das Begleitformular und sonstige Dokumente und Unterlagen, die vom Notifizierenden übermittelt werden, haben in deutscher oder englischer Sprache vorzuliegen. Liegen die Originaldokumente nicht in deutscher oder englischer Sprache vor, so sind beglaubigte Übersetzungen zu übermitteln.

Bewilligungspflicht der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr und Verbringungsverbote

§ 69. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat über jede von der EG-VerbringungsV erfasste notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen nach, aus oder durch Österreich bescheidmäßig abzusprechen.

(2) ..."

Art. 2 der EG-VerbringungsV beinhaltet Begriffsbestimmungen.

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

"Z. 15. 'Notifizierender'

a) im Falle einer Verbringung, die in einem Mitgliedstaat beginnt, eine der Gerichtsbarkeit dieses Mitgliedstaates unterliegende natürliche oder juristische Person, die beabsichtigt, eine Verbringung von Abfällen durchzuführen oder durchführen zu lassen, und zur Notifizierung verpflichtet ist. Der Notifizierende ist eine der nachfolgend aufgeführten Personen oder Einrichtungen in der Rangfolge der Nennung:

i) der Ersterzeuger oder

ii) der zugelassene Neuerzeuger, der vor der Verbringung Verfahren durchführt, oder

iii) ein zugelassener Einsammler, der aus verschiedenen kleinen Mengen derselben Abfallart aus verschiedenen Quellen Abfälle für eine Verbringung zusammengestellt hat, die an einem bestimmten, in der Notifizierung genannten Ort beginnen soll, oder

iv) ein eingetragener Händler, der von einem Ersterzeuger, Neuerzeuger oder zugelassenen Einsammler im Sinne der Ziffern i,

ii und iii schriftlich ermächtigt wurde, in dessen Namen als Notifizierender aufzutreten, oder

v) ein eingetragener Makler, der von einem Ersterzeuger, Neuerzeuger oder zugelassenen Einsammler im Sinne der Ziffern i,

ii und iii schriftlich ermächtigt wurde, in dessen Namen als Notifizierender aufzutreten, oder

vi) wenn alle in den Ziffern i, ii, iii, iv und v - soweit anwendbar - genannten Personen unbekannt oder insolvent sind, der Besitzer.

Sollte ein Notifizierender im Sinne der Ziffern iv oder v es versäumen, eine der in den Artikeln 22 bis 25 festgelegten Rücknahmeverpflichtungen zu erfüllen, so gilt der Ersterzeuger, Neuerzeuger bzw. zugelassene Einsammler im Sinne der Ziffern i, ii oder iii, der diesen Händler oder Makler ermächtigt hat, in seinem Namen aufzutreten, für die Zwecke der genannten Rücknahmeverpflichtungen als Notifizierender. Bei illegaler Verbringung, die von einem Händler oder Makler im Sinne der Ziffern iv oder v notifiziert wurde, gilt die in den Ziffern i, ii oder iii genannte Person, die diesen Händler oder Makler ermächtigt hat, in ihrem Namen aufzutreten, für die Zwecke dieser Verordnung als Notifizierender;

b) im Falle der Einfuhr in oder der Durchfuhr durch die Gemeinschaft von nicht aus einem Mitgliedstaat stammenden Abfällen

...."

Die Art. 4 und 5 der EG-VerbringungsV beschäftigen sich mit der Notifizierung. Sie haben folgenden auszugsweisen Wortlaut:

"Artikel 4

Notifizierung

Beabsichtigt der Notifizierende die Verbringung von Abfällen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a oder b, so muss er bei und über die zuständige Behörde am Versandort eine vorherige schriftliche Notifizierung einreichen und im Falle einer Sammelnotifizierung Artikel 13 beachten. Bei der Einreichung einer Notifizierung sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

1. Notifizierungs? und Begleitformulare: Die Notifizierung erfolgt anhand folgender Unterlagen:

a)

Notifizierungsformular gemäß Anhang IA und

b)

Begleitformular gemäß Anhang IB.

Bei der Einreichung einer Notifizierung füllt der Notifizierende das Notifizierungsformular und - soweit relevant - das Begleitformular aus.

Ist der Notifizierende nicht der Ersterzeuger gemäß Artikel 2 Nummer 15 Buchstabe a Ziffer i, so sorgt der Notifizierende dafür, dass auch dieser Erzeuger oder eine der in Artikel 2 Nummer 15 Buchstabe a Ziffer ii oder iii genannten Personen, sofern dies durchführbar ist, das Notifizierungsformular gemäß Anhang IA unterzeichnet. Das Notifizierungsformular und das Begleitformular werden an den Notifizierenden von der zuständigen Behörde am Versandort herausgegeben.

              2.       ...

Artikel 5

Vertrag

(1) Jede notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen muss Gegenstand eines Vertrags zwischen dem Notifizierenden und dem Empfänger über die Verwertung oder Beseitigung der notifizierten Abfälle sein.

(2) Der Vertrag muss bei der Notifizierung für die Dauer der Verbringung abgeschlossen und wirksam sein, bis eine Bescheinigung gemäß Artikel 15 Buchstabe e, Artikel 16 Buchstabe e oder gegebenenfalls Artikel 15 Buchstabe d ausgestellt wird.

(3) Der Vertrag umfasst die Verpflichtung

a) ..."

Nach § 79 Abs. 1 Z. 15b AWG 2002 begeht derjenige, der entgegen § 69 Abfälle ohne die erforderliche Bewilligung oder ohne die sonstigen erforderlichen Zustimmungen gemäß der EG-VerbringungsV verbringt, eine Verwaltungsübertretung.

3. Eine dem Mitbeteiligten vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 liegt der gegenständlichen Bestrafung zugrunde.

Nach § 69 AWG 2002 ist ein Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu erwirken, wenn eine notifizierungspflichtige Verbringung vorgenommen wird. Aus den Art. 4 und 5 EG-VerbringungsV und den §§ 67 und 68 AWG 2002 (sowie den dort verwiesenen Formularen) ergibt sich, dass die Erwirkung dieses Bescheides (dieser Bewilligung) Pflicht des Notifizierenden (Notifizierungspflichtigen) ist, dessen Person sich aus der Definition der EG-VerbringungsV ergibt.

Es ist der belangten Behörde daher nicht entgegen zu treten, wenn sie die Ansicht vertritt, dass die Verwaltungsübertretung des § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 nur vom Notifizierenden nach der EG-VerbringungsV verwirklicht werden kann. Aus der EG-VerbringungsV und der dortigen Definition des Notifizierenden ist aber abzuleiten, dass es für jede Verbringung einen (einzigen) Notifizierenden gibt, der sich aus der in Z 15 lit. a genannten Rangfolge der Nennung (i bis vi) ergibt (vgl. dazu auch den Erwägungsgrund 18 der EG-VerbringungsV, wonach angesichts der Verantwortung der Abfallerzeuger für eine umweltgerechte Behandlung die Formulare von den Abfallerzeugern ausgefüllt werden sollten). Auch aus Art. 2 Z. 15 lit. a) letzter Absatz EG-VerbringungsV ergibt sich, dass es eine (einzige) Person geben soll, die Notifizierender ist oder die - wie es dort heißt - "für die Zwecke dieser Verordnung" als Notifizierender gilt.

Dass neben dem Notifizierenden auch andere Personen zur Notifizierung bzw. zur Erwirkung eines Bescheides nach § 69 AWG 2002 verpflichtet wären, geht weder aus dem AWG 2002 noch aus der EG-VerbringungsV hervor.

Nur dann, wenn der Mitbeteiligte unter eine der genannten Punkte des Art. 2 Z 15 lit. a EG-VerbringungsV zu subsumieren wäre und kein anderer ihm in der Rangfolge der Nennung vorginge, wäre er daher als Notifizierender anzusehen.

Sowohl der Amtsrevisionswerber als auch die belangte Behörde gehen davon aus, dass Herr A. als Ersterzeuger der im Fahrzeug enthaltenen Abfälle (Altreifen) notifizierungspflichtig gewesen wäre und dass er den Mitbeteiligten nicht ermächtigte, in seinem Namen als Notifizierender aufzutreten. Ist aber Herr A. Notifizierender, so treffen nur ihn die aus § 69 AWG 2002 erwachsenden Verpflichtungen zur Erwirkung eines Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Schon aus diesem Grund konnte der Mitbeteiligte nicht wegen Nichterfüllung der Verpflichtungen des § 69 AWG 2002 bestraft werden.

3.2. Dazu kommt, dass der Amtsrevisionswerber die Annahme der belangten Behörde, wonach der Mitbeteiligte unter keine der Begriffsbestimmungen des Notifizierenden nach Art. 2 Z 15 lit a) der EG-VerbringungsV fällt, nicht bestreitet. Selbst wenn man daher davon ausginge, Notifizierende könnten mehrere Personen (in mehreren Rollen) gleichzeitig sein und die Notifizierungspflicht träfe alle diese Personen, käme man daher zu keinem anderen Ergebnis.

3.3. Schließlich führt auch der Hinweis in der Amtsrevision auf die Bestimmung des Art. 24 Abs. 2 EG-VerbringungsV zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Artikel 24

Rücknahme von Abfällen bei illegaler Verbringung

(1) Entdeckt eine zuständige Behörde eine Verbringung, die sie für illegal hält, so unterrichtet sie unverzüglich die anderen betroffenen zuständigen Behörden.

(2) Hat der Notifizierende die illegale Verbringung zu verantworten, so sorgt die zuständige Behörde am Versandort dafür, dass die betreffenden Abfälle

a) vom Notifizierenden de facto zurückgenommen werden oder, falls keine Notifizierung eingereicht wurde,

b) vom Notifizierenden de jure zurückgenommen werden oder, falls dies nicht möglich ist,

c) von der zuständigen Behörde am Versandort selbst oder einer in ihrem Namen handelnden natürlichen oder juristischen Person zurückgenommen werden oder, falls dies nicht möglich ist,

d) ..."

Diese Bestimmung befasst sich mit der Rücknahmeverpflichtung von Abfällen bei illegaler Verbringung und unterscheidet bei der Verpflichtung zur Rücknahme zwischen dem Notifizierenden de facto und dem Notifizierenden de jure.

Gibt es einen Notifizierenden, trifft diesen die genannte Verpflichtung und zwar unabhängig davon, ob er nach der Rechtslage zur Notifizierung verpflichtet war (Notifizierender de facto); die Behörde sollte in dieser Situation nicht verpflichtet sein, eine rechtliche Prüfung vornehmen zu müssen (vgl. dazu auch den Erwägungsgrund 25 der EG-VerbringungsV, wonach die Rücknahme durch die "für die illegale Verbringung von Abfällen verantwortliche Person" verbindlich vorgeschrieben werden sollte). Gibt es einen Notifizierenden, so soll er jedenfalls Adressat der Rücknahmeverpflichtung sein.

Gibt es einen solchen hingegen mangels Notifizierung nicht, so ist er vor dem Hintergrund des Art. 2 Z 15 lit a EG-VerbringungsV zu ermitteln (Notifizierender de jure).

Aus diesem in Art. 24 Abs. 2 lit. a und b EG-VerbringungsV verwendeten Begriffspaar des Notifizierenden de facto und des Notifizierenden de jure ist aber nicht abzuleiten, dass die Verpflichtung zur Notifizierung und zur Einholung eines Bescheides nach § 69 AWG 2002 - allein auf Letzteres stellt die Tatbeschreibung des § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 ab - auch denjenigen trifft, der eine Verbringung von Abfällen ins Ausland "de facto" vornimmt.

Das AWG 2002 spricht im Übrigen im Zusammenhang mit den Pflichten des Art. 24 Abs. 2 lit. a und b EG-VerbringungsV nicht von Notifizierenden (de facto oder de jure), sondern vom Rückführungspflichtigen (vgl. § 71 AWG 2002 und die in § 79 Abs. 2 Z 23 AWG 2002 umschriebene Verwaltungsübertretung). Mit der Verpflichtung zur Notifizierung bei der Verbringung ins Ausland und den davon betroffenen Personen haben diese Bestimmungen nichts zu tun.

4. Die Amtsrevision zeigt daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses der belangten Behörde auf, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Angesichts dieses Verfahrensergebnisses erübrigte sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Altreifen überhaupt um Abfall handelte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. März 2014, 2011/07/0227).

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 29. Jänner 2015

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:RO2014070066.J00

Im RIS seit

04.03.2015

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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