TE Vwgh Erkenntnis 2015/1/30 Ra 2014/17/0025

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Veröffentlicht am 30.01.2015
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §85 Abs2;
BAO §85 Abs4;
BAO §85;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §53 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2014/17/0027 Ra 2014/17/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Maga. Schubert-Zsilavecz, über die Revisionen der revisionswerbenden Parteien 1. G P, 2. H P, 3. E K,

4. A W, 5. M W, alle in A, und 6. L Steuerberatung GmbH in W, alle vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert in 1010 Wien, Kärntner Straße 10, gegen die Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichts Burgenland jeweils vom 13. Juni 2014,

1) E G04/03/2014.004/004 (zu Ra 2014/17/0025, bezogen auf die erst- , zweit- und sechstrevisionswerbende Partei),

2) E G04/03/2014.005/004 (zu Ra 2014/17/0026, bezogen auf die dritt- und sechstrevisionswerbende Partei), und

3) E G04/03/2014.006/004 (zu Ra 2014/17/0027, bezogen auf die viert-, fünft- und sechstrevisionswerbende Partei), jeweils betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in Angelegenheit einer Kanalanschlussbeitragsvorschreibung,

Spruch

1. in einem gem. § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat beschlossen:

Die Revisionen der sechstrevisionswerbenden Partei werden zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Aufgrund der Revisionen der erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien werden die angefochtenen Entscheidungen wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die sechstrevisionswerbende Partei hat der Marktgemeinde Apetlon Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.659,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Marktgemeinde Apetlon hat den erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40, den viert- und fünftrevisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 sowie der drittrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Gemeinderates der Marktgemeinde Apetlon wurde jeweils den Berufungen der - soweit nach den vorgelegten Akten (die gemeindebehördlichen Verwaltungsakten wurden nicht angeschlossen) ersichtlich im Verwaltungsverfahren unvertretenen - erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien gegen die Vorschreibung eines Kanalanschlussbeitrages nicht bzw (nur) teilweise Folge gegeben.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden mit den angefochtenen Beschlüssen des Landesverwaltungsgerichts Burgenland gegenüber der sechstrevisionswerbenden Partei als unzulässig zurückgewiesen; eine ordentliche Revision dagegen wurde für unzulässig erklärt. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Burgenland in den drei inhaltlich gleichlautenden Entscheidungen aus, die Beschwerden gegen die gegenüber den erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien erlassenen Berufungsbescheide seien der sechstrevisionswerbenden Partei zuzurechnen. Die Beschwerden ließen nicht darauf schließen, dass die sechstrevisionswerbende Partei für die erst- bis fünfrevisionswerbenden Parteien eingeschritten sei, weil die Beschwerden im Namen der GmbH (der Sechstrevisionswerberin) erhoben worden und auch von dieser unterfertigt worden seien. Es lägen auch sonst keine Anzeichen dafür vor, dass die Sechstrevisionswerberin für die erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien eingeschritten sei. Der Sechstrevisionswerberin komme keine Beschwerdelegitimation zu.

Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei.

Gegen diese Beschlüsse richten sich die vom Landesverwaltungsgericht Burgenland mit den Gerichtsakten vorgelegten Revisionen mit dem Begehren, der Verwaltungsgerichtshof möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache selbst entscheiden und die angefochtenen Beschlüsse dahingehend abändern, dass die Festsetzung des endgültigen Anschlussbeitrages aufgehoben werde, in eventu die angefochtenen Beschlüsse wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben sowie den Revisionswerbern Kostenersatz zuzusprechen.

Die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht erstattete Revisionsbeantwortungen mit den Anträgen, den Revisionen kostenpflichtig keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:

1. Zu den Revisionen der sechstrevisionswerbenden Partei:

Als Revisionspunkte werden die Verletzung im Recht auf Eröffnung eines Verbesserungsverfahrens nach § 85 Abs 2 und 4 BAO sowie im Recht auf Entscheidung in der Sache selbst geltend gemacht.

Mit den angefochtenen Beschlüssen wurden die der sechstrevisionswerbenden Partei, einer Steuerberatungsgesellschaft, zugerechneten Beschwerden mangels Beschwerdelegitimation zurückgewiesen. Daher konnte die Revisionswerberin durch die bekämpfte Formalentscheidung allein im Recht auf Sachentscheidung, nicht aber in dem von ihr in dem weiteren Revisionspunkt bezeichneten Recht verletzt werden (vgl zB die hg Beschlüsse vom 11. September 2013, 2013/02/0082, und vom 12. Dezember 2012, 2012/18/0210). Im Übrigen kann die behauptete Verletzung im Recht auf Durchführung eines Verbesserungsverfahrens als Verfahrensvorschrift nicht losgelöst von materiellen Rechten zu einer Verletzung subjektiver Rechte führen (vgl dazu beispielsweise den hg Beschluss vom 25. Oktober 2013, 2013/02/0194).

Die behauptete Verletzung im Recht auf Sachentscheidung kann jedoch schon nach dem Revisionsvorbringen nicht vorliegen. Die Revisionswerberin führt nämlich aus, nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreterin der erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien eingeschritten zu sein. Eine Parteistellung im gemeindebehördlichen Abgabenverfahren wurde von der Revisionswerberin nicht behauptet und ist nach der Aktenlage nicht ersichtlich. Davon ausgehend wäre ein Anspruch der Revisionswerberin auf inhaltliche Entscheidung über die verfahrensgegenständlichen Beschwerden zu verneinen, sodass sie durch deren Zurückweisung nicht im geltend gemachten Recht auf inhaltliche Entscheidung über diese Beschwerden verletzt werden kann (vgl das hg Erkenntnis vom 2. Dezember 1997, 97/05/0274).

Es fehlt daher mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit in der Sphäre der Sechstrevisionswerberin an deren Revisionslegitimation, weshalb ihre Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen war.

2. Zu den Revisionen der erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien:

Den revisionswerbenden Parteien steht das Recht zur Revisionserhebung zu, weil sie behaupten, die Beschwerden an das Verwaltungsgericht seien in ihrem Namen erhoben worden, die bekämpften Beschlüsse hätten jedoch diese Beschwerden nicht den erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien, sondern der sechstrevisionswerbenden Partei zugerechnet. Dadurch könnten sie in dem geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Recht auf Sachentscheidung verletzt werden (vgl zB die hg Erkenntnisse vom 17. Juni 2009, 2008/17/0227, und vom 20. Oktober 2011, 2008/18/0570, jeweils zur Beschwerdelegitimation nach Art. 131 Abs 1 Z 1 B-VG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle BGBl I Nr 51/2012).

Die Revisionswerber machen als Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG unter Zitierung von hg Judikatur im Wesentlichen geltend, nach den von dieser Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen hätte das Verwaltungsgericht derartige Zweifel an der vorgenommenen Zurechnung haben müssen, dass es sich Klarheit über die jeweils beschwerdeführenden Parteien hätte verschaffen müssen.

Die Revisionen erweisen sich als zulässig. Sie sind auch begründet.

Ein Anbringen ist dem Einschreiter zuzurechnen. Ist zweifelhaft, wem ein Anbringen zuzurechnen ist, verpflichtet dies die Behörde bzw. das Gericht zu entsprechenden Ermittlungen (vgl die bei Ritz, BAO5 § 85 Tz 2, angeführte hg Rechtsprechung).

Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl die bei Ritz, BAO5 § 85 Tz 1, angeführte hg Rechtsprechung).

In den vorliegenden Fällen ist dem Landesverwaltungsgericht Burgenland zuzugestehen, dass die jeweilige Fertigung der Beschwerdeschriftsätze mit dem Namen der Sechstrevisionswerberin, gezeichnet "ppa" von einer namentlich angeführten Steuer- und Unternehmensberaterin, auf eine Zurechnung der Beschwerde an die sechstrevisionswerbende Partei hinweist. Allerdings wird der jeweilige Betreff der Beschwerdeschriftsätze neben der genauen Bezeichnung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich des Datums der Erlassung, der Geschäftszahl und des Betreffs mit den Namen der jeweiligen Bescheidadressaten umschrieben. Zusätzlich beziehen sich die Beschwerden in ihrer Einleitung jeweils auf die Festsetzung des endgültigen Kanalanschlussbeitrages hinsichtlich einer genau angeführten Liegenschaft. Unter Berücksichtigung des Burgenländischen Kanalabgabegesetzes, das als Abgabenschuldner die Eigentümer der Anschlussflächen bzw der darauf befindlichen Bauten festlegt, und des Verfahrenszwecks der Bekämpfung der hinsichtlich der im Eigentum der erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien stehenden Grundstücke erfolgten Abgabenfestsetzung musste schon die ausdrückliche Bezugnahme auf die namentlich genannten Adressaten und deren Grundstücke Zweifel an der Zurechnung der Beschwerden begründen.

Bei dieser Sachlage durfte das Verwaltungsgericht Burgenland nicht von einer zweifelsfreien Zurechnung der Beschwerden an die sechstrevisionswerbende Partei ausgehen. Vielmehr wäre es nach der hg Rechtsprechung Aufgabe des Verwaltungsgerichts gewesen zu ermitteln, in wessen Namen die Beschwerden tatsächlich erhoben worden sind.

Die angefochtenen Beschlüsse sind daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb sie - ohne Auseinandersetzung mit dem weiteren Revisionsvorbringen - gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG spruchgemäß aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Gemäß § 53 Abs 1 VwGG ist bei Anfechtung eines Erkenntnisses oder Beschlusses durch mehrere Revisionswerber in einer Revision die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, als ob die Revision nur vom erstangeführten Revisionswerber eingebracht worden wäre. Diese Bestimmung gilt jedoch nur für den Fall, dass die Revisionen aller Revisionswerber dasselbe Schicksal teilen. Trifft dies nicht zu, so sind die Revisionen der einzelnen Revisionswerber, auch wenn sie in einem Schriftsatz enthalten sind, hinsichtlich der Aufwandersatzpflicht gesondert zu behandeln (vgl zB die hg Erkenntnisse vom 27. Mai 2004, 2003/07/0119, und vom 6. Oktober 2009, 2009/04/0017). Da die Revisionen, soweit sie von der sechstrevisionswerbenden Partei eingebracht wurden, zurückgewiesen wurden, ist die Frage des Anspruchs auf Aufwandersatz gemäß § 51 VwGG insoweit so zu beurteilen, als ob die Revisionen abgewiesen worden wären. Die erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien haben hingegen als obsiegende Parteien Anspruch auf Aufwandersatz, wobei hinsichtlich der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien und der viert- und fünftrevisionswerbenden Parteien aufgrund der gemeinsamen Anfechtung in jeweils einer Revision und des gemeinsamen rechtlichen Schicksals dieser Revisionen § 53 Abs 1 VwGG zur Anwendung kommt.

Von der von den Revisionswerbern beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur über die Zulässigkeit eines Antrags abgesprochen wird, nicht aber über die Sache selbst, ist jedenfalls im hier gegebenen Zusammenhang keine (inhaltliche) Entscheidung über "eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl aus jüngerer Zeit das hg Erkenntnis vom 23. April 2014, 2013/07/0228, mwN).

Wien, am 30. Jänner 2015

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014170025.L00

Im RIS seit

04.03.2015

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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