TE Vwgh Erkenntnis 2015/1/30 Ra 2014/02/0116

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Veröffentlicht am 30.01.2015
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E06202025;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/06 Wertpapierrecht;

Norm

32004L0039 MiFID;
32006L0073 MiFIDDV Art8;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WAG 2007 §20 Z1;
WAG 2007 §20;
WAG 2007 §53 Abs3 Z2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2014/02/0117 E 30. Januar 2015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Mag. Dr. Köller, Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision 1. des S und 2. der d AG, beide in S und beide vertreten durch die HOSP, HEGEN Rechtsanwaltspartnerschaft in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 9a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Juli 2014, Zl. W148 2000427-1/13E, betreffend Übertretungen des WAG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG:

Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich Spruchpunkt

"A) Zu Spruchpunkt I.1." (entspricht Spruchpunkt I.1. des Straferkenntnisses vom 8. Mai 2013) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen (hinsichtlich der Spruchpunkte "A) Zu Spruchpunkt I.2." und "A) Zu Spruchpunkt I.4." (entspricht den Spruchpunkten I.2 und I.4. des Straferkenntnisses vom 8. Mai 2013) wird die Revision zurückgewiesen.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 8. Mai 2013, Zl. FMA-KL 235147.100/00004-LAW/2012, wurde dem Erstrevisionswerber - soweit für das vorliegende Verfahren noch von Bedeutung - Folgendes vorgeworfen (Unterstreichungen im Original):

"I. Sie waren vom 01.11.2009 bis 31.11.2011 Mitglied des Vorstandes der (zweitrevisionswerbenden Partei), eines konzessionierten Kreditinstitutes gem. § 1 Abs. 1 BWG und Rechtsträger gemäß § 15 Abs. 1 WAG 2007 ... In dieser Funktion als gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) zur Vertretung nach außen Berufener haben Sie Nachstehendes zu verantworten:

1. Die (zweitrevisionswerbende Partei) hat es als Rechtsträger unterlassen, im Zeitraum vom 01.01.2010 bis 30.11.2011 ein Revisionsprogramm zu erstellen und dauerhaft umzusetzen mit dem Ziel, die Angemessenheit und Wirksamkeit der Systeme, internen Kontrollmechanismen und Vorkehrungen des Rechtsträgers zu prüfen und zu bewerten;

dies insofern als in Bezug auf die Prüffelder 'Compliance-Funktion gemäß § 18 WAG 2007' und 'Vorkehrungen hinsichtlich persönlicher Geschäfte gem. §§ 23 ff WAG' statt einer jährlichen Prüfung ein Prüfintervall von zwei Jahren (24 Monate) vorgesehen war. Die jährliche Prüfung in Bezug auf diese Prüffelder wurde erst ab dem Innenrevisions-Jahresplan 2012 sichergestellt. Die letzte Prüfung der internen Revision bezogen auf diese beiden Prüffelder fand im Jahr 2009 statt. Die beiden Prüffelder wurden weder im Jahr 2010 noch im Jahr 2011 geprüft. 2011 wurde rechtswidrig wegen der Vorortprüfung der FMA von einer neuerlichen Überprüfung Abstand genommen.

2. Die (zweitrevisionswerbende Partei) hat es als Rechtsträger unterlassen, im Zeitraum vom 27.05.2011 bis 13.06.2011 vor der Entgegennahme von Wertpapierorders über die iPhone Applikation 'direktanlage mobil' eine Beurteilung hinsichtlich der Angemessenheit von Wertpapierdienstleistungen vorzunehmen und die Kunden zu warnen, wenn sie aufgrund der erhaltenen Information über Kenntnisse und Erfahrungen des gewünschten Produkts zu der Auffassung gelangen hätten müssen, dass dieses nicht angemessen war. Der Mangel wurde am 13.06.2011 behoben.

...

4. Die (zweitrevisionswerbende Partei) hat es als Rechtsträger unterlassen, im Zeitraum ab Beginn der Vorortprüfung durch die FMA am 23.05.2011 bis zum 03.11.2011 in ihrer Durchführungspolitik gemäß § 52 Abs. 1 WAG 2007 die Einrichtungen zu nennen, an die sie Kundenaufträge zur Ausführung übermittelte oder bei denen sie Aufträge platzierte;

Die Durchführungspolitik der (zweitrevisionswerbenden Partei) enthielt bis zum 03.11.2011 keine Informationen darüber, zu welchen Börsen eine direkte Anbindung besteht und somit durch den Rechtsträger Kundenaufträge selbst ausgeführt werden können, und an welche Einrichtungen Kundenaufträge zur Ausführung weitergeleitet werden. Die Einrichtungen gemäß § 52 Abs. 3 Z 2 WAG 2007 wurden in der Durchführungspolitik nicht namentlich erwähnt.

II. Die (zweitrevisionswerbende Partei) haftet gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Beschuldigten verhängte Verwaltungsstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Sie haben dadurch betreffend Spruchpunkt I. folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 20 Abs. 1 Z 1 WAG 2007 BGBl. I 2007/60 idF BGBl. I 37/2010 iVm § 95 Abs. 2 zweiter Strafsatz WAG 2007, BGBl. I 60/2007 idF BGBl. I 37/2010

2. § 45 WAG 2007 BGBl. I 2007/60 iVm § 95 Abs. 2 zweiter Strafsatz WAG 2007, BGBl. I 60/2007 idF BGBl. I 37/2010

...

4. § 52 WAG 2007 BGBl. I 60/2007 iVm § 95 Abs. 2 zweiter Strafsatz WAG 2007 BGBl. I 60/2007 idF BGBl. I 37/2010

...

Wegen der ... Verwaltungsübertretungen I.1., I.2. und I.4.

werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

Ad I.1.

2.500 Euro

15 Stunden

§ 95 Abs. 2 zweiter Strafsatz und

Ad I.2.

1.000 Euro

6 Stunden

§ 95 Abs. 2 erster Strafsatz

Ad I.4.

1.000 Euro

6 Stunden

§ 95 Abs. 2 zweiter Strafsatz"

Der gegen dieses Straferkenntnis von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerde hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis - neben hier nicht weiter wesentlichen Modifikationen der Strafnormen - hinsichtlich der Spruchpunkte I.1. und I.4. keine, hinsichtlich Spruchpunkt I.2. insoweit Folge gegeben, als es die Strafe auf EUR 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Stunden) herabgesetzt hat. Im Spruchpunkt B) hat es die Revision für unzulässig erklärt.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sowie den Inhalt der dagegen erhobenen Beschwerde wieder und stellte fest, der Erstrevisionswerber sei vom 1. November 1999 bis zum 30. November 2011 eines von zwei Mitgliedern des Vorstandes der zweitrevisionswerbenden Partei gewesen. Diese sei in Österreich auf dem Markt für online brokerage marktführend und daneben in der Anlageberatung und der Portfolioverwaltung tätig und sei auch Depotbank und Abwicklungsplattform für externe Vermögensberater bzw. -verwalter. In den Jahren 2010 und 2011 seien rund 125 bis 130 Mitarbeiter beschäftigt gewesen, davon rund 100 in den sieben Filialen, der Rest in der Zentrale. Die Bilanzsumme habe zum Stichtag 31.12.2010 565,5 Mio. Euro betragen, zum 31. März 2011 habe das Unternehmen knapp 60.000 Kunden mit einem Gesamtportfoliovolumen von 3,7 Mrd. Euro gehabt. Davon seien 58,5 % auf den Bereich Brokerage-Kunden, 35,5 % auf externe Vermögensberater bzw. -verwalter, 4,3 % auf Sparbücher, 3,4 % auf Beratungskunden und 2,5 % auf Vermögensverwaltungskunden entfallen. Die zweitrevisionswerbende Partei betreibe keinen Eigenhandel mit Wertpapieren und kein Investmentbanking. Sämtliche Orders (bzw. 99,9 %) liefen vollautomatisch an diversen Börsen und über Partner (Intermediäre) ab. Die Tätigkeit der internen Revision der zweitrevisionswerbenden Partei beruhe auf einem Prüfplan, der wiederum auf einer Prüflandkarte aufsetze. Die Häufigkeit (Intervalle) der einzelnen Prüfungen richte sich nach Risikokennziffern der einzelnen Prüffelder (z.B. die Prüffelder "Compliance" und "Mitarbeitergeschäfte"). Die Bemessung und Evaluierung der einzelnen Risiken der Prüffelder werde nach einer Berechnungsmethode der Konzerngruppe - die zweitrevisionswerbende Partei stehe zu 100 % im Eigentum der D Bank AG, welche wiederum ein Tochterunternehmen der U Bank AG sei - vorgenommen und "Risk Scoring Model" genannt. Auf Grund der Vorgaben und des Modells der Konzerngruppe habe der zuständige Mitarbeiter der zweitrevisionswerbenden Partei die einzelnen Risikokennziffern der einzelnen Prüfbereiche errechnet. Für die beiden fraglichen Prüffelder "Compliance" und "Mitarbeitergeschäfte" sei von der internen Revision ein zweijähriges Prüfintervall errechnet worden. Vom 1. Jänner 2010 bis zum 31. Dezember 2011 habe es gelegentlich Überprüfungen in einigen Teilbereichen der beiden Prüffelder durch die interne Revision gegeben, allerdings nicht in der Zentrale, in der das Hauptgeschäft abgewickelt werde.

Hinsichtlich Spruchpunkt I.2. hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass dem beauftragten externen Dienstleister ein Programmierfehler unterlaufen sei. Dieser Fehler sei erst im Echtbetrieb aufgefallen, weil vor Liveschaltung ein notwendiger Testbetrieb unterblieben sei. Der Fehler, der kurz nach Livestellung der iPhone-Applikation am 31. Mai 2011 einem vor Ort befindlichen FMA-Mitarbeiter aufgefallen sei, habe zur Auswirkung gehabt, dass der gesetzlich zwingende Hinweis nach § 45 WAG 2007 an Kunden nicht erfolgt sei, bei 13 von 100 im Zeitraum 27. Mai bis 13. Juni 2011 getätigten Orders sei der WAG-Hinweis unterblieben. Durch die fehlerhafte Applikation sei es zu keinen konkreten Schäden gekommen. Alle betroffenen Kunden seien telefonisch nachinformiert worden und hätten ihre Orders kostenlos stornieren können. Der Fehler wäre trotz unterlassenem Testbetrieb im Unternehmen spätestens binnen einer Woche aufgefallen, nämlich bei einem späteren Echttestbetrieb.

Zu Spruchpunkt I.4. traf das Verwaltungsgericht die Feststellung, dass vom 23. Mai bis zum 3. November 2011 in der Durchführungspolitik für Kunden keine Informationen enthalten gewesen seien, zu welchen Börsen eine direkte Anbindung bestehe und damit Kundenaufträge von der zweitrevisionswerbenden Partei selbst ausgeführt werden könnten und an welche Einrichtungen (Intermediäre) Kundenaufträge zur weiteren Ausführung weitergeleitet würden. Diese Intermediäre seien zwar in internen Systemen hinterlegt, nicht jedoch nach Außen kommuniziert worden. Trotz spezieller Kundenweisungen hinsichtlich bestimmter Einrichtungen habe es immer wieder Kunden gegeben, die keine solchen speziellen Weisungen erteilt hätten. Mit 3. November 2011 seien die Namen der Einrichtungen (Intermediäre), über die indirekt Kundenaufträge zur Ausführung weitergeleitet würden, genannt worden. Die zweitrevisionswerbende Partei sei nicht Mitglied bei sämtlichen Börsen und bediene sich deshalb anderer Einrichtungen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt I.1. nach Wiedergabe von § 20 Z 1 WAG 2007 aus, die Vorgaben der Konzernrevision der Muttergesellschaft der zweitrevisionswerbenden Partei, die von der internen Revision übernommen worden seien, hätten an Hand von verschiedenen Kennzahlen und auf Grund eigener interner Analysen und Bewertungen eine Prüfung durch die interne Revision alle zwei Jahre vorgesehen. Es gebe hinsichtlich der Prüfhäufigkeit im Gesetz keine ausdrückliche Anordnung, jedoch hätte eine Prüfung so oft stattzufinden, dass es dem jeweiligen Risiko angemessen sei. Die konkrete Bewertung, wie häufig zu prüfen sei (Intervall), obliege nach dem WAG 2007 der unternehmenseigenen Beurteilung. Die beiden Prüffelder "Compliance" und "Mitarbeitergeschäfte" seien zentrale Bereiche der Prüfung durch die interne Revision. Unter dem Begriff "Compliance" verstehe das WAG 2007 eine allgemeine Risikovermeidung im Hinblick auf die Nichteinhaltung des WAG. Ebenso sei das Prüffeld "Mitarbeitergeschäfte" von großer Wichtigkeit bei der Prüfung durch die interne Revision, darunter verstehe man persönliche Geschäfte, bei denen die Gefahr von Insiderhandel und Marktmanipulation bestehe oder sonstige Geschäfte, die mit dem Missbrauch oder der gesetzwidrigen Weitergabe von vertraulichen Informationen einhergingen. Die "FMA-Mindeststandards für die interne Revision" vom 18. Februar 2005 grenzten risikoreiche Bereiche, die häufiger zu prüfen seien, von anderen (etwa Hilfsbereichen) ab, die weniger häufig zu prüfen seien. Die beiden hier in Rede stehenden Prüffelder seien von hoher Wichtigkeit für die Prüfung durch die interne Revision. Die Prüfung durch die interne Revision habe unabhängig und getrennt zu erfolgen, sodass Prüfungen durch die Compliance-Abteilung nicht als solche der internen Revision angesehen werden könnten. Dass die zweitrevisionswerbende Partei den selbst als angemessen und risikoadäquat festgestellten zweijährigen Prüfungszeitraum ohne Grund nicht eingehalten habe, sei ein Verhalten, das grobe objektive Sorgfaltswidrigkeit und Fahrlässigkeit impliziere.

Hinsichtlich Spruchpunkt I.2. führte das Verwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung nach Wiedergabe des § 45 WAG 2007 aus, der fehlerhaften iPhone-Applikation (keine Warn- bzw. Informationshinweise bei Orders) sei nicht nur eine fehlerhafte Programmierung des externen Dienstleisters der zweitrevisionswerbenden Partei zu Grunde gelegen, sondern auch eine unterlassene Überprüfung durch die Fachabteilung, bevor die Applikation in Betrieb genommen worden sei (Livestellung). Dabei hätten sowohl die Fachabteilung, die die Software dem externen Dienstleister abgenommen und die Software freigeschalten habe, sorgfaltswidrig gehandelt als auch der Vorstand, der für die Überwachung der Fachabteilungen und deren Tätigkeit Sorge zu tragen habe. Es hätte zumindest eine Überprüfung der Fachabteilung stattfinden müssen. Bei einem ordentlich durchgeführten Testbetrieb wäre der Fehler aufgefallen.

Zu Spruchpunkt I.4. führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des § 52 WAG 2007 aus, es gebe bei der zweitrevisionswerbenden Partei Kunden, die vor die Wahl der Intermediäre zu stellen gewesen bzw. darüber zu informieren gewesen wären, dass mehrere Einrichtungen zur Verfügung stünden. Unabhängig davon wie oft Kunden Weisungen hinsichtlich der Einrichtungen konkret erteilten, sei eine Durchführungspolitik nach § 52 Abs. 1 und 3 Z 2 WAG 2007 zu erstellen, weil diese Weisungen auf informierter Basis erfolgen sollten. Konkret seien die Kunden nicht dem Gesetz entsprechend informiert worden bzw. es seien ihnen die Wahlmöglichkeiten nicht offengelegt worden.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Revision.

Das Verwaltungsgericht hat die Verfahrensakten vorlegt. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde hat die Revision beantwortet und die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu Spruchpunkt: A) Zu Spruchpunkt I.1. des angefochtenen Erkenntnisses (Spruchpunkt I.1. des Straferkenntnisses vom 8. Mai 2013):

Die Revision ist - soweit sie die Bestrafung des Revisionswerbers wegen Unterlassung der Erstellung eines zielgerichteten Revisionsprogramms betrifft - zulässig und auch begründet.

§ 20 Z 1 WAG 2007 lautet:

"Interne Revision

§ 20. Ein Rechtsträger hat eine von seinen übrigen Funktionen und Tätigkeiten getrennte und unabhängige interne Revision dauerhaft einzurichten, soweit dies angesichts der Art, dem Umfang und der Komplexität seiner Geschäftstätigkeit sowie der Art und dem Umfang der erbrachten Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten angemessen und verhältnismäßig ist. Diese hat folgende Aufgaben:

1. Die Erstellung und dauerhafte Umsetzung eines Revisionsprogramms mit dem Ziel, die Angemessenheit und Wirksamkeit der Systeme, internen Kontrollmechanismen und Vorkehrungen des Rechtsträgers zu prüfen und zu bewerten"

Diese Bestimmung sieht als zentrale Aufgaben der internen Revision einerseits die Erstellung und andererseits die dauerhafte Umsetzung eines Revisionsprogramms vor. Als Straftatbestände kommen demnach die Unterlassung sowohl der Erstellung als auch der dauerhaften Umsetzung eines den genannten Zielen entsprechenden Revisionsprogramms als jeweils selbständig zu beurteilende Delikte in Frage.

Das Revisionsprogramm selbst als auch dessen Umsetzung sind gemäß § 20 Z 1 WAG 2007 so einzurichten, dass die Angemessenheit und Wirksamkeit aller organisatorischen Einrichtungen und Abläufe des Rechtsträgers geprüft und bewertet werden können. Der Maßstab für die Beurteilung der Tauglichkeit des Revisionsprogrammes zur Prüfung und Bewertung von Angemessenheit und Wirksamkeit der einzelnen Bereiche kann nur das mit dem konkreten Bereich verbundene Risiko sein. Solche risikobasierten Betrachtungen bei der Erstellung und Umsetzung müssen die konkreten Umstände des Unternehmens (Rechtsträgers) im Auge haben und dürfen sich nicht in allgemeinen Überlegungen grundsätzlich bestehender Risiken erschöpfen. Entsprechend des vom Rechtsträger ermittelten konkreten Risikos für einen Bereich sind die Instrumente zur Prüfung und Bewertung zu wählen, wozu auch die Häufigkeit von Prüfungen zählt. Je risikoreicher ein Bereich eingeschätzt wurde, umso öfter ist er zu prüfen. Auch die Prüfhäufigkeit ist Ausdruck der Wirksamkeit des Revisionsprogrammes.

Weder § 20 WAG 2007 oder die Erläuternden Bemerkungen dazu (vgl. RV 143 BlG XXIII. GP) noch Art. 8 der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Finanzinstrumente- und -märkte-Richtlinie (MIFID)), der durch § 20 WAG 2007 umgesetzt wurde, enthalten konkrete Regelungen, in welchen Abständen die interne Revision das Revisionsprogramm umzusetzen hat. Die vom Verwaltungsgericht als Maßstab für die Jahresfrist herangezogenen "FMA-Mindeststandards für die interne Revision" können lediglich Anhaltspunkte liefern, sind jedoch keine allgemein verbindlichen Normen und ersetzen nicht die Prüfung im Einzelfall.

Das Verwaltungsgericht hat den Spruch des Straferkenntnisses der Finanzmarktaufsichtsbehörde übernommen, in dem im Spruchpunkt I.1. in Konkretisierung der Tathandlung zunächst der Vorwurf enthalten ist, im Revisionsprogramm sei "statt einer jährlichen Prüfung ein Prüfintervall von zwei Jahren (24 Monate)" vorgesehen. Dieser Vorwurf betrifft die Erstellung des Revisionsprogramms, somit den ersten Tatbestand von § 20 Z 1 WAG 2007.

Nach der wesentlichen Begründung zu diesem Spruchpunkt nahm das Verwaltungsgericht zunächst an, die konkrete Bewertung, wie häufig zu prüfen sei, obliege nach dem WAG 2007 der unternehmenseigenen Beurteilung, verwies jedoch im Folgenden auf die oben wiedergegebenen FMA-Mindeststandards und allgemein auf den Umstand, dass die hier thematisierten Prüffelder "Compliance" und "Mitarbeitergeschäfte" mit Sicherheit nicht bloß Hilfsbereiche eines Rechtsträgers seien, sondern von hoher Wichtigkeit für die Prüfung durch die interne Revision.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass schon dem Wortlaut des Gesetzes folgend sowohl bei der Einrichtung der internen Revision als auch bei der Erstellung und Umsetzung des Revisionsprogramms auf die individuellen Verhältnisse des Rechtsträgers abzustellen ist. Genau diesem Umstand hat das Verwaltungsgericht jedoch bei der Begründung der Notwendigkeit eines einjährigen Prüfungsintervalls im vorliegenden Fall keine Beachtung geschenkt, sondern lediglich in allgemeiner Weise auf die Wichtigkeit der in Rede stehenden Prüfbereiche hingewiesen.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die revisionswerbenden Parteien zur Prüfhäufigkeit in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht (im Übrigen auch schon in der Stellungnahme der revisionswerbenden Parteien vom 20. Dezember 2011) die Besonderheiten der Geschäftstätigkeit der zweitrevisionswerbenden Partei dargestellt haben. Dort ist unter anderem die Rede davon, dass ein nur äußerst eingeschränkter Eigenhandel und kein Investmentbanking betrieben werde, dass fast 100 % der Kundenorders vollelektronisch weitergeleitet würden, die Mitarbeiter nur in Einzelfällen Kenntnis über die Orderlage hätten, zudem wurden nähere Angaben zum Volumen der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung gemacht. Mit diesem Vorbringen hat sich das Verwaltungsgericht nicht auseinander gesetzt.

Nachdem der Vorwurf der Unterlassung der Erstellung eines den genannten Zielen entsprechenden Revisionsprogramms wegen der Festlegung eines zweijährigen Prüfintervalls nur auf der Grundlage allgemeiner Überlegungen zu den beiden in Rede stehenden Bereichen erhoben wurde, erweist sich die Bestrafung in diesem Punkt als rechtswidrig. Dadurch kann auch die Bestrafung des Erstrevisionswerbers wegen der Unterlassung der dauerhaften Umsetzung des Revisionsprogramms, also wegen Übertretung des zweiten in § 20 Z 1 WAG 2007 enthaltenen Tatbestandes, keinen Bestand haben, weil zunächst feststehen muss, dass das erstellte Revisionsprogramm den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Spruchpunkt "A) Zu Spruchpunkt I.1." des angefochtenen Erkenntnisses war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Was die Spruchpunkte A) Zu Spruchpunkt I.2. und A) Zu Spruchpunkt I.4. (entspricht den Spruchpunkten I.2 und I.4. des Straferkenntnisses vom 8. Mai 2013) betrifft, werden in der Revision keine Rechtsfragen dargelegt, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Zu Spruchpunkt A) Zu Spruchpunkt I.2. haben die revisionswerbenden Parteien zu ihrer Behauptung des Fehlens des Verschuldens des Erstrevisionswerbers kein dafür erforderliches Vorbringen zu einem im Unternehmen installierten Kontrollsystem erstattet (vgl. zu den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem aus der ständigen hg. Rechtsprechung das Erkenntnis vom 30. September 2014, Zl. Ra 2014/02/0045).

Zu Spruchpunkt A) Zu Spruchpunkt I.4. ist das Verwaltungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, zumal § 53 Abs. 3 Z 2 WAG keine Differenzierungen oder Ausnahmen im Hinblick auf die jeweilige Geschäftspraxis zulässt, sondern davon unabhängig in der Durchführungspolitik das Anführen der dort näher genannten Informationen vorschreibt (vgl. zu den maßgeblichen Gesichtspunkten, unter denen die von § 53 Abs. 3 Z 2 WAG aufgestellten Anforderungen als erfüllt anzusehen sind das hg. Erkenntnis vom 21. November 2014, Zl. Ro 2014/02/0054).

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Revision hinsichtlich der Spruchpunkte A) Zu Spruchpunkt I.2. und A) Zu Spruchpunkt I.4. (entspricht den Spruchpunkten I.2 und I.4. des Straferkenntnisses vom 8. Mai 2013) gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 30. Jänner 2015

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014020116.L00

Im RIS seit

19.02.2015

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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