TE Vwgh Erkenntnis 2015/1/30 2013/02/0028

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Veröffentlicht am 30.01.2015
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Index

L46109 Tierhaltung Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
TierhalteG Wr 1987 §8 Abs5;
TierhalteG Wr 1987 §8 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Mag. Dr. Köller und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Mag. Wolfgang Winkler, Rechtsanwalt in 8292 Neudauberg, Thermenstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Juli 2012, Zl. UVS-MIX/42/4950/2012- 1, betreffend Aufträge nach § 8 Abs. 5 des Wiener Tierhaltegesetzes (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit darin die sichere Verwahrung der Hunde auf Kosten und Gefahr des Halters angeordnet wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. November 2011 wurde ausgesprochen, dass die gemäß § 8 Abs. 6 iVm § 8 Abs. 5 Wiener Tierhaltegesetz verfügte Abnahme und sichere Verwahrung der vom Beschwerdeführer gehaltenen Hunde gemäß § 8 Abs 5 Wiener Tierhaltegesetz iVm § 57 AVG behördlich bestätigt und die weitere Verwahrung auf Kosten und Gefahr des Beschwerdeführers angeordnet werde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, woraufhin die Bundespolizeidirektion Wien am 14. März 2012 einen Bescheid mit folgendem Spruch erließ:

"1. Ihrer Vorstellung vom 21.11.2011 wird stattgegeben und die Herausgabe der Hunde ab Rechtskraft dieses Bescheides verfügt.

2. Gleichzeitig werden Ihnen gemäß § 8 Abs 5 Wiener Tierhaltegesetz als Halter des Holländischen Schäferhundes 'Hermann', Chip-Nr.: (...), des Altdeutschen Schäferhundes 'Adolf', Chip-Nr.: (...), der Belgischen Schäferhündin 'Johanna', Chip-Nr.: (...), und der Holländischen Schäferhündin 'Magda', Chip-Nr.: (...) für die Haltung in Wien folgende Aufträge erteilt:

(...)

3. Weiters werden Sie dazu verpflichtet, bei Weitergabe der Tiere/des Tieres an einen Halter/eine Halterin in Wien der Bundespolizeidirektion Wien (...) unter Angabe von Name und Adresse des neuen Eigentümers binnen zweier Wochen schriftlich zu melden und ihn mit dem Inhalt dieses Bescheides vertraut zu machen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, wobei er ausführte, dass der Bescheid "dergestalt bekämpft" werde, dass der Spruch im ersten Punkt aufrecht bleibe, insoweit der Vorstellung vom 21. November 2011 stattgegeben wurde und die Herausgabe der Hunde verfügt wurde.

Mit dem aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers erlassenen angefochtenen Bescheid wurden die Spruchpunkte 2 und 3 des angefochtenen Bescheides neu gefasst. Dabei wurden im Wesentlichen in Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Bescheides bereits enthaltene Aufträge im Zusammenhang mit der Hundehaltung (Sicherung des Grundstücks, auf dem die Hunde gehalten werden, durch Umzäunung, Maulkorb- und Leinenpflicht) näher konkretisiert.

Zusätzlich wurde im Spruch des angefochtenen Bescheides ein weiterer Absatz unter dem dritten Spruchpunkt angefügt. Dieser lautet wörtlich:

"Diese Hunde sind weiterhin auf Kosten und Gefahr des Halters solange (etwa im Tierschutzhaus) durch die Behörde sicher zu verwahren, als (vom Beschwerdeführer) nicht nachgewiesen worden ist, dass für einen oder alle dieser Hunde ein den Vorgaben des Spruchpunktes 2) entsprechender Hundezwinger, über welchen (der Beschwerdeführer) ein dauerhaftes Verfügungsrecht verfügt, besteht oder errichtet worden ist, sofern (der Beschwerdeführer) zudem auch glaubhaft machen kann, dass im jeweiligen dieser Zwinger jeweils einer der oa Hunde allein in Hinkunft gehalten wird".

Die belangte Behörde führt in der Begründung aus, aus der Anzeige vom 17. November 2011 gehe hervor, dass die Abnahme und sichere Verwahrung der vier in Rede stehenden Hunde gemäß § 8 Wiener Tierhaltegesetz erfolgt sei. Es handle sich im Sinne dieses Gesetzes um eine Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, welche ausschließlich durch eine Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden könne. Es sei jedoch keine solche Beschwerde eingebracht worden, und es sei die Maßnahme vom 17. November 2011, nämlich die Abnahme und sichere Verwahrung der vier Schäferhunde, in Bestandkraft erwachsen.

Dass die Behörde den Antrag des Berufungswerbers vom 18. November 2011 auf Ausfolgung eines Maßnahmenbescheids als Vorstellung uminterpretiert habe und den Bescheid vom 18. November 2011 gemäß § 57 Abs 1 AVG erlassen habe, entspreche somit nicht der Gesetzeslage, zumal es sich bei der in Rede stehenden Maßnahme um die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gehandelt habe. Zutreffend sei letztlich der erste Spruchpunkt dieses Bescheides von der Erstbehörde wieder behoben worden.

Mit der vorliegenden Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften seinem gesamten Inhalt und Umfang nach kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1.

Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG sind - soweit wie im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist - in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

2. Gemäß § 2 Abs. 1 Wiener Tierhaltegesetz ist Halterin oder Halter derjenige, der im eigenen Namen zu entscheiden hat, wie ein Tier zu betreuen oder zu beaufsichtigen ist.

§ 8 Abs. 5 und 6 Wiener Tierhaltegesetz bestimmen wie folgt:

"(5) Wenn von anderen als den in einer Verordnung gemäß Abs. 2 genannten Tieren oder von Tieren, die in einem Zoo oder einer ähnlichen Einrichtung (§ 8 Abs. 3 Z 2) gehalten werden, eine Gefahr für Menschen oder Artgenossen ausgeht bzw. mit deren Haltung eine Gefährdung oder Belästigung (§ 3) von Menschen verbunden ist, so kann die Behörde zur Beseitigung dieser Gefahr bzw. der Gefährdung oder Belästigung die erforderlichen Aufträge erteilen. Falls erforderlich, ist die Abnahme und sichere Verwahrung des Tieres auf Kosten und Gefahr der Halterin oder des Halters oder nötigenfalls die Tötung gegen Ersatz der Kosten zu verfügen. Bei Wegfall der Voraussetzungen sind angeordnete Maßnahmen aufzuheben oder das abgenommene Tier zurückzustellen.

(6) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt die erforderlichen Maßnahmen (Abs. 5) anzuordnen und erforderlichenfalls auf Kosten und Gefahr der Halterin oder des Halters unverzüglich vorzunehmen. Abs. 5 letzter Satz findet sinngemäß Anwendung."

3. Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, die belangte Behörde habe sich durch Erlass des bereits zitierten letzten Absatzes des dritten Spruchpunktes des angefochtenen Bescheides darüber hinweggesetzt, dass mit dem erstinstanzlichem Bescheid im ersten Spruchpunkt bereits in dem Sinne entschieden worden sei, dass der Vorstellung vom 21. November 2011 stattgegeben und die Herausgabe der Hunde ab Rechtskraft des Bescheides verfügt worden sei. Dieser Spruchpunkt sei mit der Berufung unbekämpft geblieben und folglich in Rechtskraft erwachsen. Nach der klaren Anweisung des rechtskräftigen erstinstanzlichen Bescheides seien die Hunde herauszugeben gewesen. Die Abnahme bzw. Herausgabe der Hunde sei somit nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen. Die belangte Behörde sei daher für eine diesbezügliche Entscheidung nicht zuständig gewesen.

4. In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde (zusammengefasst) dazu aus, der mit 18. November 2011 datierte "Abnahmebescheid im Mandatswege" sei rechtsgrundlos und daher rechtswidrig erlassen worden. Die erstinstanzliche Behörde habe mit diesem Bescheid im Sinne des § 57 AVG gemäß § 8 Abs. 6 Wiener Tierhaltegesetz etwas angeordnet, was gemäß § 8 Abs. 6 Wiener Tierhaltegesetz nur durch einen Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt angeordnet bzw. herbeigeführt werden könne. Die belangte Behörde sei der Ansicht, es liege Unteilbarkeit aller drei Spruchpunkte vor. Die bloße Bekämpfung des zweiten und dritten Spruchpunktes habe nicht bewirkt, dass die Anordnung im ersten Spruchpunkt in Teilrechtskraft erwachsen sei.

5. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war diese nicht befugt, über die weitere Verwahrung der Hunde des Beschwerdeführers abzusprechen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 14. März 2012 wurde einerseits über die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 18. November 2011 abgesprochen (erster Spruchpunkt), andererseits wurden - davon gesondert - Aufträge gemäß § 8 Abs. 5 Wiener Tierhaltegesetz auferlegt. Damit wurden aber zwei verschiedene Angelegenheiten erledigt, die keine untrennbare Einheit bilden. Der Beschwerdeführer konnte daher den zweiten und dritten Spruchpunkt über die Haltung der Hunde getrennt vom ersten Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides vom 14. März 2012 bekämpfen.

Es kann auch dahingestellt bleiben, ob Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides vom 14. März 2012 rechtswidrig ergangen ist, weil er jedenfalls rechtlich in Existenz getreten ist und den Mandatsbescheid vom 18. November 2011 beseitigt hat. Dieser Ausspruch wurde vom Beschwerdeführer ausdrücklich nicht bekämpft.

Gegenstand des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde war daher nur noch die Entscheidung über die im zweiten und dritten Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides verfügten Aufträge hinsichtlich der Haltung der Hunde, nicht jedoch die weitere Verwahrung auf Kosten und Gefahr des Beschwerdeführers. Indem die belangte Behörde eine Verwahrung dennoch anordnete, hat sie die Sache des Berufungsverfahrens überschritten und über eine Angelegenheit entschieden, für die sie nicht zuständig war.

Die belangte Behörde hat damit den angefochtenen Bescheid im dritten Spruchpunkt insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet, als darin im (oben zitierten) letzten Absatz die weitere Verwahrung der Hunde auf Kosten und Gefahr des Beschwerdeführers angeordnet wurde. Der Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

6. Gemäß § 33a VwGG idF BGBl. I Nr. 51/2012 kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen jedoch nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 1.500,-- verhängt wurde.

Die Voraussetzungen sind hier in Bezug auf die Bekämpfung des zweiten und dritten Spruchpunktes des angefochtenen Bescheids mit Ausnahme des letzten Absatzes des dritten Spruchpunktes gegeben. Die belangte Behörde ist diesbezüglich nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. In der vorliegenden Beschwerde werden dazu auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des § 33a VwGG idF BGBl. I Nr. 51/2012 grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der erkennende Senat hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.

7. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

8. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, welche gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist.

Wien, am 30. Jänner 2015

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchBesondere RechtsgebieteBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und Maßnahmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2015:2013020028.X00

Im RIS seit

26.02.2015

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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