TE Vwgh Erkenntnis 2014/12/18 2012/07/0087

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Veröffentlicht am 18.12.2014
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §73;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger, die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der F GmbH & Co KG in I, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 5. März 2012, Zl. uvs-2012/K6/0250-3, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (LH) vom 28. August 2000 wurde der Beschwerdeführerin die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für die Änderung einer Abfallbehandlungsanlage (CPA-Anlage und Teile des CPO-Anlagenbereichs) durch Errichtung einer Vakuumverdampferanlage sowie der damit zusammenhängenden Einleitung von betrieblichen Abwässern in die Kanalisation des Abwasserverbandes Zirl und Umgebung nach Maßgabe der eingereichten Unterlagen erteilt.

Die wasserrechtlich genehmigte Einleitung in die Kanalisation wurde mit Bescheid vom 10. Dezember 2001 bzw. mit Berichtigungsbescheid vom 11. Jänner 2002 auf eine Jahresfracht von 5.500 m3 (aus der CPA-Anlage 1.500 m3/a und aus der CPO-Anlage 4.000 m3/a) beschränkt.

Mit Eingabe vom 10. August 2010 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung der Indirekteinleitung sowie auf Erhöhung der Indirekteinleitung von

5.500 m3 auf 11.000 m3.

In den Monaten September und Oktober 2010 wurden von der Erstbehörde Unterlagen betreffend die Anträge der Beschwerdeführerin nachgefordert.

In ihrem Schreiben vom 10. November 2010 - gerichtet an die Amtssachverständigen (ASV) aus den Bereichen Abfalltechnik, Emissionen und Sicherheitstechnik sowie chemisch technischer Umweltschutz - ging die Erstbehörde davon aus, dass für die Beurteilung der 100 %-igen Mengenerhöhung der Kapazität der genehmigten Indirekteinleitung Angaben aus den oben bezeichneten Fachbereichen notwendig seien, um abklären zu können, ob die vorgeschalteten Anlagen in der Lage wären, die beantragte Kapazität zu bewältigen. Es wurde einerseits um Stellungnahme zur Nachvollziehbarkeit der Angaben der Beschwerdeführerin und andererseits um rasche Rückmeldung ersucht, sollten die Unterlagen für eine Beurteilung nicht ausreichend erscheinen. Unter Hinweis auf die große Dringlichkeit ersuchte die Erstbehörde um eine möglichst rasche Rückmeldung durch die ASV.

Von den ASV wurden weitere Unterlagen für erforderlich erachtet; dies teilte die Erstbehörde der Beschwerdeführerin mit, die daraufhin Unterlagen (Beschreibung der Vakuumverdampferanlage) vorlegte.

Da sich aus den übermittelten Unterlagen nach Meinung der Erstbehörde ein neuer Fragenkomplex ergab, wurde für den 23. November 2010 eine Besprechung der Erstbehörde mit den ASV vereinbart. Dabei wurde festgehalten, dass die von der Beschwerdeführerin beschriebene Betriebsweise der Vakuumverdampferanlage nicht mit der bescheidgemäßen Situation übereinstimme. Bezüglich weiterer Bedenken der ASV wurde vereinbart, dass diesbezügliche Stellungnahmen so rasch wie möglich erfolgen sollten.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 forderte die Erstbehörde die Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 3 AVG auf, die seitens der ASV geforderten Unterlagen bzw. Beschreibungen in einem überarbeiteten Operat darzustellen und der Behörde bis 15. Februar 2011 zu übermitteln. Ferner wurde um eine Stellungnahme bezüglich des aus den Stellungnahmen der ASV ableitbaren Verdachts einer konsenswidrigen Betriebsweise ersucht.

In weiterer Folge wurden von der Beschwerdeführerin mit E-Mail vom 15. Februar 2011 Ergänzungsunterlagen übermittelt. Die nachfolgenden Stellungnahmen der ASV gingen von der Unmöglichkeit der abschließenden Beurteilung des Sachverhalts auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen aus.

Mit Schreiben vom 10. März 2011 an die Beschwerdeführerin wies die Erstbehörde nochmals darauf hin, dass eine Stellungnahme bezüglich des Verdachts der konsenswidrigen Betriebsweise ausständig sei. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich "eine geänderte Betriebsweise im Hinblick auf die genehmigte Betriebsweise einzelner Anlagenteile". Außerdem sei der Antrag bezogen auf die Indirekteinleitung auch nicht als "Wiederverleihung" eines bestehenden Rechtes anzusehen, sondern es handle sich dabei um einen Antrag auf neue Indirekteinleitung. Aus § 39 AWG 2002 ergäben sich (erforderliche) Nachreichungen bezüglich der Darstellung des geplanten Vorhabens in einem Operat. Für die Übermittlung dieses Operats wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 3 AVG eine Frist bis 30. März 2011 gesetzt.

Mit Eingabe vom 25. März 2011 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme bezüglich des Verdachts auf konsenswidrigen Betrieb. Ferner legte sie einen technischen Bericht zur Schilderung des Sachverhalts bezüglich der Erweiterung der Indirekteinleitung vor.

Nach erneuter Einholung von Stellungnahmen der ASV wies die Erstbehörde mit Bescheid vom 10. Mai 2011 den Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. August 2010 auf Erweiterung der Indirekteinleitung gemäß § 13 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 39 AWG 2002 wegen Mangelhaftigkeit der Unterlagen zurück.

Dieser Bescheid wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 8. September 2011 mit der Begründung behoben, dass die Beschwerdeführerin bei Erteilung der Verbesserungsaufträge nach § 13 Abs. 3 AVG nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten gewesen sei und daher keine den Anforderungen des § 13 Abs. 3 iVm § 13a AVG genügenden Verbesserungsaufträge vorgelegen seien, weil ein Hinweis, dass das Anbringen nach dem fruchtlosen Ablauf der bestimmten Frist zurückgewiesen werde, unterblieben sei.

In weiterer Folge teilte die Erstbehörde mit Verbesserungsauftrag vom 14. September 2011 der Beschwerdeführerin mit, sie sei nach wie vor der Meinung, dass die derzeit vorliegenden Unterlagen für eine Beurteilung der offenen Anträge nicht ausreichten. Auch stelle die übermittelte Beschreibung der Betriebsweise der Behandlungsanlage eine geänderte Betriebsweise im Hinblick auf die genehmigte Betriebsweise einzelner Anlagenteile dar. Dies sei im Operat vom 30. März 2011 jedoch nicht abgebildet. Auch handle es sich bei dem gegenständlichen Antrag um einen Antrag einer neuen Indirekteinleitung. Nach § 39 AWG 2002 ergebe sich somit die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, das geplante Vorhaben in einem Operat darzustellen. Dieses "Gesamtprojekt" habe einen technischen Bericht über alle geplanten Maßnahmen zu enthalten, auch seien die von den ASV geforderten Nachreichungen in dieses Operat einzuarbeiten. Für die Übermittlung wurde gemäß § 13 Abs. 3 AVG eine Frist bis 30. September 2011 eingeräumt.

Am 30. September 2011 langte der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27. September 2011 auf Indirekteinleitung von 11.000 m3 bei der Erstbehörde ein. Dieser Schriftsatz beinhaltete unter Punkt I. eine Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 Z 8 iVm § 38 und § 51 AWG 2002 iVm § 32b und § 114 WRG 1959 sowie § 1 IEV, unter Punkt II. einen Eventualantrag gemäß § 37 Abs. 3 AWG 2002 und unter Punkt III. eine Urkundenvorlage.

Mit Schreiben der Erstbehörde vom 17. November 2011 wurden die ASV abermals um Mitteilung ersucht, ob die nun vorgelegten Unterlagen für eine abschließende Beurteilung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts ausreichten. Die Stellungnahme des ASV aus dem Bereich Umweltschutz langte am 20. Dezember 2011 bei der Behörde ein. Am selben Tag erging auch ein Schreiben an die Behörde, dass der ASV aus dem Bereich Wasserwirtschaft im Lauf des Jahres 2012 in Ruhestand gehen werde und dies eine organisatorische Anpassung der Abteilung erfordere, weswegen es zu Verzögerungen in der Erledigung kommen würde. Eine Stellungnahme des ASV aus dem Bereich Abfallwirtschaft ist mit 27. Jänner 2012 datiert.

Am 30. Jänner 2012 brachte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag ein. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass alle Entscheidungsfristen abgelaufen seien und die Säumigkeit alleine auf das Verschulden der Behörde erster Instanz zurückzuführen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. März 2012 wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe einer eingeholten Stellungnahme der Behörde erster Instanz vom 8. Februar 2012 im Wesentlichen aus, die Anzeige der Beschwerdeführerin vom 30. September 2011 (Anmerkung: Datum des Einlangens) sei als eigenständige Anzeige nach § 37 Abs. 4 Z 8 AWG 2002 anzusehen. Es handle sich damit nicht um die bloße Beibringung ergänzender Unterlagen als Reaktion auf den Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG vom 14. September 2011, sondern vielmehr um einen neuen Antrag auf Indirekteinleitung von 11.000 m3. Der Antrag vom 10. August 2010 sei sohin mit dem gegenständlichen Antrag als konkludent zurückgezogen anzusehen. Die Entscheidungspflicht der Behörde beginne somit erst mit 30. September 2011. Sowohl die in § 51 Abs. 1 AWG 2002 normierte Entscheidungsfrist von drei Monaten, als auch jene von vier Monaten nach § 50 Abs. 3 leg. cit. in Bezug auf den Eventualantrag seien gegenständlich zwar unstrittig abgelaufen, diese Verzögerung sei aber nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Das gegenständliche Anzeigeverfahren erweise sich nämlich nicht nur vom Ausmaß der Anzeige selbst und der beigelegten Unterlagen als äußerst umfangreich und einem durchschnittlichen Genehmigungsverfahren gleichgestellt, sondern auch inhaltlich, sowohl rechtlich als auch technisch, als überaus komplex. Die beantragte Erhöhung der Indirekteinleitung werfe eine Reihe mitunter schwieriger, vor allem verfahrensrechtlicher Fragen auf. Zum einen sei dies die Frage, ob die Erhöhung der Indirekteinleitermenge auch eine Kapazitätserhöhung der Anlage bedinge, zum anderen, ob aufgrund der geänderten Verwendung der Verdampferanlage nicht auch eine geänderte Betriebsweise vorliege. Vor diesem Hintergrund könne die Verfahrensführung durch die Erstbehörde nach Einbringung der gegenständlichen Anzeige am 30. September 2011 keinesfalls als vorwerfbar schleppend bezeichnet werden.

Zunächst sei die Referentin der Erstbehörde mit einer sehr komplexen Anzeige konfrontiert worden. Sie habe Anfragen an insgesamt vier Sachverständige gerichtet, für deren Verfassung ein Zeitraum von ca. sechs bis sieben Wochen jedenfalls einzuräumen sei, um eine qualifizierte Anfrage an Sachverständige zu richten. Dass die Referentin darüber hinaus auch um eine straffe Führung des Verfahrens bemüht gewesen sei, zeige auch die Urgenz vom 21. Dezember 2011. Aber auch den Sachverständigen sei ein bestimmter Zeitraum zur Erledigung der Anfrage einzuräumen. Auch hierfür müsse aufgrund des Umfanges und der Komplexität der Angelegenheit aus Sicht der belangten Behörde mindestens zwei bis drei Monate Gesamterledigungszeit eingeräumt werden. Tatsächlich seien der Erstbehörde bis Ende Jänner 2012 zwei Stellungnahmen und bis 8. Februar 2012 bereits drei Stellungnahmen vorgelegen. Die Qualität dieser Stellungnahmen komme auch formal technischen Gutachten gleich. Hervorzuheben sei, dass seitens des gewerbetechnischen Sachverständigen in seiner Stellungnahme vom 8. Februar 2012 zahlreiche offene Punkte im Projekt bemängelt worden seien. Die Entscheidungsfrist von drei Monaten sei bei bestimmten Fallkonstellationen kaum einzuhalten, um eine sachgerechte Lösung zu erzielen. Insgesamt liege somit kein überwiegendes Verschulden der Erstbehörde an der Verzögerung vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AVG lauten:

"§ 13

(...)

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

(...)

§ 73

(1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. (...)

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(...)"

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sie mit Eingabe vom 30. September 2011 (Anmerkung: Datum des Einlangens bei der Behörde) dem Verbesserungsauftrag der Behörde erster Instanz entsprochen habe. Dazu seien alle erforderlichen Unterlagen nachgereicht und sämtliche nach Meinung der erstinstanzlichen Behörde bestehenden Mängel behoben worden. Gleichzeitig sei auch die Betriebsweise der Anlage umfassend erörtert und ausführlich dargelegt worden, dass und warum durch die Erhöhung der Menge der Indirekteinleitung keine Änderung der Betriebsweise der genehmigten Anlage bewirkt werde. Außerdem sei das ursprüngliche Anliegen rechtlich dahingehend präzisiert worden, dass für die betreffende Erhöhung der Indirekteinleitung ausdrücklich eine begründete Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 Z 8 iVm § 38 und § 51 AWG 2002 iVm § 32b und § 114 WRG 1959 sowie § 1 IEV erstattet und ein Eventualantrag auf Abhandlung im vereinfachten Verfahren gemäß § 37 Abs. 3 AWG 2002 gestellt worden sei. Dies sei lediglich zur Klarstellung erfolgt.

Dem angefochtenen Bescheid liege die unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde, mit der Eingabe vom 30. September 2011 sei der Antrag vom 10. August 2010 konkludent zurückgezogen worden. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten sei es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen einer Partei einem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden könne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedürfe insbesondere die Zurückziehung eines Anbringens einer ausdrücklichen diesbezüglichen Willenserklärung gegenüber der Behörde.

Mit Eingabe vom 30. September 2011 habe die Beschwerdeführerin ausschließlich präzisiert, was die Behörde ohnedies von sich aus machen hätte müssen, denn die Wahl der Verfahrensart ergebe sich unmittelbar aus dem AWG 2002. Der Eingabe vom 30. September 2011 liege auch inhaltlich das gleiche Ansuchen wie bereits dem Antrag vom 10. August 2010 zugrunde. Die in der Eingabe vorgenommene "Anzeige" stelle lediglich eine Präzisierung bzw. eine Klar- und Hilfestellung für die Behörde dar.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob die am 30. September 2011 bei der Erstbehörde eingelangte Eingabe der Beschwerdeführerin einen neuen Antrag oder lediglich eine Ergänzung des ursprünglichen Antrages darstellt, weil das Ergebnis in beiden Fällen dasselbe ist.

§ 73 Abs. 1 AVG geht seinem Wortlaut nach von einem Beginn der Entscheidungsfrist mit dem Einlangen des Antrages aus. Weisen allerdings schriftliche Anbringen Mängel auf, so darf die Behörde solche Anbringen nicht zurückweisen, sondern sie hat vielmehr gemäß § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und sie kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird.

Die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG beginnt grundsätzlich mit dem Einlangen des verbesserten Antrags. Das scheint für jene Fälle gerechtfertigt, in denen der Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG zulässig war und unverzüglich erteilt wurde. Unterlässt es die Behörde nämlich rechtswidrigerweise, den Mängelbehebungsauftrag unverzüglich zu erteilen, so ist darauf bei der Prüfung des Verschuldens iSd § 73 Abs. 2 AVG besonders Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/07/0040, mwN).

Im vorliegenden Fall ist die Erstbehörde während des Verfahrens durchgehend mit den zuständigen Sachverständigen und der Beschwerdeführerin in telefonischem wie auch schriftlichem Kontakt gestanden. Sie hat auch die Beschwerdeführerin immer wieder darauf hingewiesen, dass seitens der ASV noch - im schriftlichen Verkehr genauer bezeichnete - Informationen und Unterlagen für die abschließende Beurteilung des Sachverhalts als erforderlich erachtet wurden.

Die Erstbehörde hat die Stellungnahmen der Sachverständigen jeweils kurz nach deren Einlangen der Beschwerdeführerin übermittelt. Daraus waren für die Beschwerdeführerin die für die Feststellung des relevanten Sachverhalts in Bezug auf die beantragte Erhöhung der Indirekteinleitung fehlenden Informationen und nachzureichenden Unterlagen ersichtlich. Bereits mit Schreiben der Erstbehörde vom 15. Dezember 2010 wurde die Beschwerdeführerin erstmals aufgefordert, die seitens der ASV geforderten Unterlagen bzw. Beschreibungen in einem überarbeiteten Operat darzustellen und der Behörde bis 15. Februar 2011 zu übermitteln. Weitere Aufforderungen der Behörde folgten mit den Erledigungen vom 10. März 2011 und vom 14. September 2011. Eine Zusammenschau der Korrespondenzen zwischen der Erstbehörde und den Sachverständigen sowie zwischen der Erstbehörde und der Beschwerdeführerin ergibt somit insgesamt, dass die erstinstanzliche Behörde Mängelbehebungsaufträge jeweils unverzüglich nach entsprechender Information bezüglich fehlender Information und Unterlagen durch die ASV erteilte.

Ferner wird in der Beschwerde auch nicht konkret vorgebracht, dass der Verbesserungsauftrag der Behörde unzulässig oder inhaltlich nicht gerechtfertigt gewesen wäre.

Die zitierte Judikatur zum Beginn der Entscheidungsfrist bei Verbesserungsaufträgen gilt auch für jene Fälle, in denen Verwaltungsvorschriften eine andere - etwa eine kürzere - Entscheidungsfrist als die sechsmonatige Frist des § 73 AVG anordnen. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die Entscheidungsfrist erst mit Einlangen des verbesserten Antrages am 30. September 2011 begonnen hat.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind Behörden im Allgemeinen zur Entscheidung binnen sechs Monaten verpflichtet, nach Maßgabe des § 51 Abs. 1 AWG 2002 zur Entscheidung über Anzeigen gemäß § 37 Abs. 4 Z 8 AWG 2002 allerdings schon binnen drei Monaten, sowie nach Maßgabe des § 50 Abs. 3 AWG 2002 zur Entscheidung im vereinfachten Verfahren gemäß § 37 Abs. 3 AWG 2002 innerhalb von vier Monaten nach Einlangen eines Antrages. Unabhängig von der bestimmten Verfahrensart nach dem AWG 2002 waren im vorliegenden Fall die kürzeren (kürzer als sechs Monate) Entscheidungsfristen anwendbar. Da im gegenständlichen Verfahren eine Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde jedenfalls nicht innerhalb der kürzeren Fristen erfolgte, war von der belangten Behörde zu prüfen, ob diese Verzögerung auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde erster Instanz zurückzuführen war.

Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang vor, das Ansuchen um Erhöhung der Indirekteinleitung sei der Erstbehörde bereits seit August 2010 bekannt gewesen. Diese habe ab diesem Zeitpunkt auch alle erforderlichen Ermittlungen und Erhebungen unter Beiziehung der Sachverständigen veranlassen können. Es sei sämtlichen Verbesserungsaufträgen entsprochen, und es seien der Behörde alle Unterlagen fristgerecht beigebracht worden. Der Verschuldensbegriff im Zusammenhang mit der Säumnis der Behörde sei als objektives Verschulden zu verstehen. Weder die unnötige Ausdehnung des Ermittlungsverfahrens noch eine generelle Überbelastung der Behörde könne behördliches Verschulden ausschließen. Insbesondere müsse die Behörde bei Überlastungen schon im Vorfeld Vorkehrungen treffen, um alle Anträge fristgerecht zu erledigen. Der Hinweis auf das Vorliegen einer komplexen Materie reiche nicht aus, um das überwiegende Verschulden der Behörde zu verneinen. Überdies sei es Aufgabe der Behörde, Sachverständigengutachten und Ermittlungsergebnisse in angemessener Zeit einzuholen. Würden diese nicht entsprechend geliefert, sei der Behörde ein überwiegendes Verschulden anzulasten. Die von der belangten Behörde herangezogenen, ein Verschulden der Behörde verneinenden Argumente stellten eine reine Scheinbegründung dar.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2008/07/0036, mwN).

Die Tatsache, dass Sachverständigengutachten und Ermittlungsergebnisse erst nach längerer Zeit abgeliefert werden, ist für sich allein nicht geeignet, das Vorliegen eines unüberwindbaren Hindernisses zu begründen. Es ist Aufgabe der Behörde, mit Sachverständigen und anderen in das Verfahren Involvierten sachlich begründete Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2009/06/0192, mwN).

Darüber hinaus haben die Behörden dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist (vgl. nochmals das zur Zl. 2008/07/0036 ergangene Erkenntnis, mwN).

Nach dem Vorgesagten ist entscheidungswesentlich, ob das Verfahren im Zeitraum ab Verbesserung bis zur Stellung des Devolutionsantrags zügig betrieben wurde. Es ist der belangten Behörde darin zu folgen, dass zur Beurteilung des gegenständlichen Antrages der Beschwerdeführerin in einer komplexen Materie technisch und verfahrensrechtlich vielschichtige Fragenstellungen zu beantworten sind.

Der Umstand allein, dass es sich um eine komplexe Materie handelt, kann zwar nicht ausreichen, um vom Vorliegen eines unüberwindlichen, einer im Sinn des § 73 Abs. 1 AVG fristgerechten Entscheidung entgegenstehenden Hindernisses auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2007, Zl. 2006/05/0145). Auch ein personeller Wechsel in einer Sachverständigenabteilung aufgrund einer bevorstehenden Pensionierung, wie im vorliegenden Fall, könnte für sich genommen nicht für ein mangelndes Verschulden der Behörde sprechen.

Die Erstbehörde stellte allerdings nach dem am 30. September 2011 erfolgten Einlangen der nach dem Verbesserungsauftrag von der Beschwerdeführerin übermittelten Unterlagen mit Erledigung vom 17. November 2011 Fragen an die ASV. Dieser Zeitraum von etwa eineinhalb Monate ist nachvollziehbar damit zu erklären, dass sich die Referentin der Erstbehörde zunächst mit dem von der Beschwerdeführerin übermittelten, 40 Seiten und ein Anlagenkonvolut umfassenden Projekt der Fa. C. eingehend zu befassen hatte. Die Notwendigkeit dieser genauen Durchsicht des Projekts durch die Referentin fand ihre Bestätigung u. a. in dem Hinweis an die ASV, dass einige im Operat zitierten Bescheide für den vorliegenden Fall nicht relevant seien. Auch enthielt die Erledigung an die ASV notwendige Erläuterungen aus rechtlicher Sicht sowie spezifische für die Erledigung des Verfahrens relevante Fragestellungen.

Angesichts dessen ist die Beurteilung der belangten Behörde, dass die Erstbehörde nicht unnötig zugewartet, sondern das Verfahren zügig betrieben habe, nicht als unzutreffend zu erkennen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass die Erstbehörde am 21. Dezember 2011 die Erledigung bei den ASV urgierte und einen Erledigungszeitraum von maximal vier Wochen vorschrieb. Bis zur Erhebung des Devolutionsantrages am 30. Jänner 2012 waren bereits zwei Stellungnahmen der ASV bei der Erstbehörde eingelangt. Im Hinblick auf die komplexen Fragestellungen und das neu eingereichte Operat der Fa. C. war auch jenen ASV, die mit dem Verfahren schon vorher betraut waren, ein entsprechender Erledigungszeitraum für ihre Stellungnahmen zuzugestehen. Dass das Verfahren überdies im Zeitpunkt der Einbringung offensichtlich noch nicht entscheidungsreif war, zeigt auch der Umstand, dass in der Stellungnahme des ASV für den Fachbereich "Emissionen, Sicherheitstechnik Anlagen" mehrere offene Punkte im Projekt bemängelt wurden.

Nach dem vorliegenden Verfahrensablauf ist der Erstbehörde somit kein überwiegendes Verschulden im Sinn des § 73 AVG vorzuwerfen. Die Behörde erster Instanz war vielmehr bemüht, das Verfahren zügig zu betreiben. Sie hat insbesondere auch nicht grundlos zugewartet, sondern war durchgehend mit den Sachverständigen und der Beschwerdeführerin in Kontakt, hat auf die Dringlichkeit des Verfahrens hingewiesen und die Stellungnahmen urgiert. Ebenso hat die Erstbehörde organisatorische Vorkehrungen für die Abwicklung dieses Verfahrens getroffen, indem sie konkrete Aufträge an die ASV zur Erstellung von für die Entscheidung notwendigen Stellungnahmen erteilte und mit den Sachverständigen sachlich begründete Termine vereinbarte.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. Dezember 2014

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Verhältnis zu §73 Abs2 letzter Satz AVGVerbesserungsauftrag BejahungPflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages ManuduktionspflichtPflichten bei Erteilung des VerbesserungsauftragesVerschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2012070087.X00

Im RIS seit

11.02.2015

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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