TE Vwgh Erkenntnis 2014/12/16 Ro 2014/16/0071

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Veröffentlicht am 16.12.2014
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §11;
BAO §232 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des H S in B, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 5/DG, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 22. April 2014, Zl. RV/4200018/2014, betreffend Sicherstellungsauftrag für Mineralölsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von 553,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt erließ gegenüber dem Revisionswerber einen Sicherstellungsauftrag vom 5. Dezember 2011 zur Sicherung der Einbringung von Mineralölsteuer für den Zeitraum Juni bis Dezember 2011. Eine international agierende Tätergruppe habe im Zeitraum vom 28. Juni bis 5. Dezember 2011 insgesamt 6,000.000 Liter unversteuertes Mineralöl in das Steuergebiet vorschriftswidrig eingebracht. Der Revisionswerber habe dabei als Tatbeteiligter im Zusammenwirken mit anderen genannten Personen den Tatbestand des Abgabenbetruges gemäß § 39 Abs. 1 lit. a und b Finanzstrafgesetz verwirklicht. Eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Steuerschuld von rund 2,300.000 EUR liege vor, weil zu befürchten sei, dass der Revisionswerber als Mittäter mit einer Abgabenforderung in dieser Höhe zu rechnen habe und Vermögenswerte verschoben würden, weshalb der Zugriff auf diese nicht mehr gesichert sei.

Dagegen berief der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2011 mit der Begründung, sie sei nicht die Abgabepflichtige, sondern nur Gesellschafter der T GmbH, welche die "Geschäfte" geführt habe. Die T GmbH habe ihrerseits die Rechnungen ihrer Zulieferer bezahlt, in denen die in Rede stehenden Abgaben enthalten gewesen seien.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 20. Jänner 2012 wies das Zollamt die Berufung als unbegründet ab. Gegen den Revisionswerber sei ein Finanzstrafverfahren wegen Abgabenbetruges im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Mineralölsteuer anhängig, in welchem eine Hausdurchsuchung, eine Festnahme und eine Einvernahme durchgeführt worden seien, weshalb sich das Zollamt auf § 232 Abs. 3 BAO stütze.

Dagegen erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 20. Februar 2012 eine (Administrativ-)Beschwerde mit der Begründung, es fehle an einem Tatbestand, den der Revisionswerber oder die T GmbH verwirklicht hätte und an den die Abgabenpflicht geknüpft werden könnte.

Mit Bescheid vom 21. Jänner 2013 wies der (damalige) unabhängige Finanzsenat die (Administrativ-)Beschwerde vom 20. Februar 2012 als unbegründet ab.

Die Behandlung der dagegen vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom 13. März 2013, B 259/13-3 und B 267/13-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 28. Februar 2014, 2013/16/0052, (Vorerkenntnis) den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 21. Jänner 2013 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Dem aufgehobenen Bescheid fehlte es an einer zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung und ließ nicht erkennen, von welchem Sachverhalt der (damalige) unabhängige Finanzsenat ausgegangen ist.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

Das Bundesfinanzgericht stellte dabei folgenden Sachverhalt fest:

Die in Rede stehende Ware sei ein in Polen hergestelltes Erzeugnis mit der Bezeichnung O R C, ein Produkt aus 80 % Diesel und 20 % Basis- und Bioöl. Dieses Erzeugnis werde im Bergbau als Flotationsmittel oder auch als Emulsionsmittel eingesetzt und finde unter der Bezeichnung "Schmieröl/Schalungsöl" auch in der Baubranche Anwendung. Im Grenzbereich könne dieses Mineralöl der Unterposition 2710 1999 der Kombinierten Nomenklatur ohne größere Probleme als Dieselersatz verwendet werden.

Diese Ware sei in Polen von einem Unternehmen namens B unter Zollaufsicht hergestellt und an das deutsche Unternehmen B verkauft worden. Die Ware sei im Auftrag von B unter Steueraussetzung von der Erzeugungsstätte in Polen nach F, Deutschland, befördert worden. Dort sei die Ware in einen Erdtank der B entladen worden. Auf dem wegen der nationalen Besteuerung der Ware in Polen eröffneten vereinfachten Begleitdokument und auf dem CMR-Frachtbrief sei jeweils von J K der Erhalt der Ware bestätigt worden.

J K selbst habe keine "operativen Entscheidungen" getroffen, bei ihm habe der Fakturenweg betreffend den O R C geendet.

Kopf der "Malversationen" sei T K gewesen, der in der Gruppierung um ihn die maßgeblichen Entscheidungen getroffen und die im Einzelfall notwendigen Anweisungen gegeben habe, welche die Beteiligten befolgt hätten. Er habe seine Tätigkeit im Wesentlichen darauf beschränkt, aus dem Hintergrund entsprechende Anweisungen an einen A P und die weiteren Beteiligten um ihn zu erteilen, im Hintergrund die Fäden gezogen und eine Handlungsvollmacht der T GmbH gehabt. Einer seiner Spitznamen sei "K2" gewesen.

Die rechte Hand TK sei A P gewesen, welcher die Kontaktstelle zu J K und für den Wareneinkauf und die finanzielle Abwicklung zuständig gewesen sei. Seine Aufgabe habe darin bestanden, nach Eingang des Geldes bei den Banken neue Waren zu kaufen, bestehende Rechnungen zu bezahlen und den übrig gebliebenen Differenzbetrag bei den einzelnen Banken bar abzuholen, an TK zu übergeben und danach über dessen Auftrag die Verteilung der Provisionen an die an den "Malversationen" Beteiligten vor allem in Kuverts zu veranlassen.

Die T GmbH sei eine im Firmenbuch eingetragene Familien GmbH, welche den Mineralölhandel in einem Büro samt Schreibtisch mit Fax, Telephon und Aktenschränken im Einfamilienhaus abgewickelt habe. Sie habe über keinerlei eigene oder angemietete Erdtanks verfügt, sei sohin operativ nicht in der Lage gewesen, Ware in Empfang zu nehmen, zu lagern und sodann wieder körperlich abzugeben, sondern habe über die Waren als Zwischenhändler disponiert.

Der Alleingesellschafter der T GmbH, der Revisionswerber, sei die treibende Kraft, der faktische Geschäftsführer der T GmbH gewesen, während seine Tochter die handelsrechtliche Geschäftsführerin gewesen sei. Er habe tatsächlich die Geschicke der T GmbH gelenkt und sei der eigentliche "Chef im Unternehmen" gewesen. Das Anwerben von Kunden und der Abschluss von Liefer- und Kaufverträgen seien seine Aufgabe gewesen. Er habe Provisionen erhalten. In überwachten E-Mails und SMS sowie Telephongesprächen sei für ihn der Spitzname "Oberfuchs" verwendet worden. Er habe Kontakt vor allem zu TK gehabt.

Die T GmbH habe die in Rede stehende Ware am Papier von einer A Kft., später von einer P GmbH zugekauft. Beide Unternehmen seien im Firmenbuch eingetragene Unternehmen und im Tatzeitraum im Einflussbereich des TK und des AP gestanden. Sie seien als Vehikel, als Puffer zwischen JK und der T GmbH benötigt worden, durch die Inlandsgeschäfte vorgetäuscht worden seien. Bei ihnen habe der Fakturenweg - es habe bei ihnen keine Eingangsrechnungen gegeben - im Hinblick auf "Diesel" begonnen.

Die in Rede stehenden Waren habe die T GmbH der Xgenossenschaft S verkauft. Bei dieser habe der Fakturenweg geendet. Deren Geschäftsführer habe den Bedarf an Diesel (Gasöl) über einen R F bestellt, der das Geschäft über Diesel (Gasöl) Lieferungen zwischen dem Geschäftsführer der Lagerhausgenossenschaft und dem Revisionswerber angebahnt habe.

Der Transport und die Lieferung von F zu den Tankstellen der Lagerhausgenossenschaft im Bundesgebiet sei Sache der T GmbH gewesen. Nach der Bestellung beim Revisionswerber und nach Weitergabe der Bestellung an TK sei O R C wieder unverändert aus dem Erdtank in F entnommen und in Tankwagen des slowenischen Frächters G abgepumpt worden. Diesen slowenischen Frächter habe ein V B über Ersuchen von TK vermittelt. Der Frächter habe den O R C am Betriebsgelände des JK in F, Deutschland, aufgenommen und mit Kraftfahrern auf direktem Weg zu den Tankstellen der Xgenossenschaft in Österreich verbracht.

Bei der Beladung in F seien an die Kraftfahrer der G die für Dieseltransporte erforderlichen Fracht- und Begleitpapiere übergeben worden. Die Fahrer hätten von V B konkrete Anweisungen zum Transport und teilweise ausgefüllte und mit einem Eigentumsvorbehalt zugunsten der T GmbH versehene Lieferscheine ausgefolgt erhalten, teilweise auch Blankolieferscheine der T GmbH sowie eine schriftliche Anweisung, was nach Anlieferung zu geschehen habe. Bei den Tankstellen in Österreich hätten die Kraftfahrer das Erzeugnis in dortige mit Dieselzapfsäulen versehene Treibstofftanks abgeschlaucht und in die teilweise vorausgefüllten Lieferscheine der T GmbH die abgeschlauchte Litermenge mittels des Bordzählwerks eingedruckt. Die so vervollständigten und sodann von ihnen unterfertigten Lieferscheine und die CMR-Frachtbriefe hätten die Fahrer dann u. a. an den Revisionswerber an die Faxnummer der T GmbH gefaxt.

Die T GmbH habe somit durch Rechnungen belegte Diesellieferungen der A Kft. und der P GmbH zugekauft und sodann weiterverkauft. Ein durch Eingangsrechnungen belegter Zukauf der Ware vom B durch die A Kft. und die P GmbH habe nicht stattgefunden. Inhalt der Rechnungen der T GmbH u.a. an die Xgenossenschaft S seien Diesel (Gasöl) - Lieferungen gewesen. Die T GmbH habe die von der X-genossenschaft S für erfolgte Diesellieferungen erhaltenen Rechnungsbeträge nicht auf Konten der A Kft. oder der P GmbH, sondern auf das Konto des J K und auf weitere Konten, auf die A P Zugriff gehabt habe, angewiesen. Die T GmbH und der Revisionswerber hätten die bestellte Ware und die Fracht von F zu den Tankstellen in Österreich vorfinanziert. Aus diesen von der T GmbH auf die genannten Konten überwiesenen Beträgen habe A P die Bezahlung der Rechnungen der B und die Bezahlung der Transportkosten des Frächters G sowie sonst auflaufender Kosten gesorgt.

Gegen den Revisionswerber sei am 5. November 2011 ein Finanzstrafverfahren wegen Abgabenhinterziehung anhängig gewesen. In einem überwachten Telephongespräch vom 20. Oktober 2011 hätten sich J K und A P darüber unterhalten, dass der Revisionswerber "seine Firmen" in Konkurs schicken werde. Bei einem überwachten Telephongespräch ebenfalls vom 20. Oktober 2011 habe der Revisionswerber dem T K Ratschläge und Anweisungen erteilt, wie erwirtschaftetes Geld am besten angelegt werden könne, in ein Haus, das an die Frau oder die Kinder übergeben werde, um es nach einer eventuellen Verhaftung und Gefängnisstrafe noch zur Verfügung zu haben.

Rechtlich folgerte das Bundesfinanzgericht daraus, dass die T GmbH im Rahmen ihres Betriebes die in Rede stehende Ware im Bundesgebiet erstmals zur Verwendung als Treibstoff abgegeben habe, dass die Einbringung der dadurch entstandenen Mineralölsteuer ohne den Sicherstellungsauftrag gefährdet oder wesentlich erschwert wäre und dass der Revisionswerber "potentiell" Haftungspflichtiger iSd § 11 BAO sei.

Der Revisionswerber erachtet sich in der dagegen erhobenen Revision ersichtlich im Recht darauf verletzt, dass kein Sicherstellungsauftrag gegen ihn ergehe.

Das Bundesfinanzgericht legte die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens und der vom Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt mit Schriftsatz vom 20. August 2014 erstatteten Revisionsbeantwortung vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem vorliegenden Revisionsfall liegt derselbe Sachverhalt zu Grunde wie dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2014/16/0070, über die Revision der T GmbH betreffend einen an sie ergangenen Sicherstellungsauftrag für die in Rede stehende Mineralölsteuerschuld. Zur Frage der Entstehung der Mineralölsteuerschuld für die T GmbH wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Gründe jenes Erkenntnisses verwiesen.

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen.

§ 232 Abs. 3 BAO lautet:

"(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden."

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Soweit der Revisionswerber gegen die Anwendung des § 232 Abs. 3 BAO verfassungsrechtliche Bedenken anmeldet, weil eine unsachliche Benachteiligung des gemäß § 11 BAO bloß "potenziell" Haftenden im Verhältnis zum Primärschuldner augenscheinlich sei, ist er darauf zu verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof im erwähnten Beschluss vom 13. März 2013 ausdrücklich ausgeführt hat, dass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles verfassungsrechtliche Bedenken weder gegen § 232 BAO, insbesondere dessen Abs. 3, noch gegen die Auslegung entstanden sind, wonach ein Sicherstellungsauftrag bereits vor Entstehung eines Haftungsanspruches nach § 11 BAO ab Anhängigkeit des Strafverfahrens erteilt werden kann.

Vor diesem Hintergrund hegt auch der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Auslegung, dass in den Fällen eines anhängigen Finanzstrafverfahrens gegen einen im Falle eines späteren Schuldspruches in diesem Verfahren dann nach Eintritt der Rechtskraft dieses Schuldspruches gemäß § 11 BAO Haftenden ein Sicherstellungsauftrag nach § 232 Abs. 3 BAO erlassen werden kann.

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 (VwGH-AufwErsV), BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 16. Dezember 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014160071.J00

Im RIS seit

11.02.2015

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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