TE Vwgh Beschluss 2014/12/16 Ra 2014/16/0033

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Veröffentlicht am 16.12.2014
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §256 Abs3;
BAO §261;
BAO §284 Abs2;
BAO §284 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2014/17/0045 B 17. April 2015 Ra 2014/16/0034 B 16. Dezember 2014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, in der Revisionssache des Dr. W S in O, vertreten durch Mag. Claus-Peter Steflitsch, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Hauptplatz 14, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 29. September 2014, Zl. E 224/05/2014.002/009 und E G04/06/2014.009/008, betreffend Säumnisbeschwerde und Fristverlängerung in einer Angelegenheit u.a. der Grundsteuer, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. September 2013 setzte der Bürgermeister der Stadtgemeinde O u.a. die Grundsteuer für ein näher genanntes Objekt für das Jahr 2008 gegenüber dem Revisionswerber fest.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 Berufung an "die Stadtgemeinde O".

Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2014 richtete der Revisionswerber an "die Stadtgemeinde O" eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde O. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde O legte die Säumnisbeschwerde mit Begleitschreiben vom 16. Juni 2014 dem Landesverwaltungsgericht Burgenland vor.

Mit Verfügung vom 25. Juni 2014 trug das Landesverwaltungsgericht Burgenland dem Gemeinderat der Stadtgemeinde O auf, bis längstens 15. September 2014 den Bescheid über die am 14. Oktober 2013 vom Revisionswerber eingebrachte Berufung zu erlassen sowie eine Abschrift des Bescheides dem Landesverwaltungsgericht vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliege.

Mit Erledigung vom 15. Juli 2014 bewilligte das Landesverwaltungsgericht Burgenland dem Gemeinderat der Stadtgemeinde O einen "Antrag auf Fristerstreckung bis 1. Oktober 2014".

Mit Bescheid vom 19. September 2014 wies der Gemeinderat der Stadtgemeinde O die Berufung des Revisionswerbers vom 14. Oktober 2013 als unbegründet ab.

Das Landesverwaltungsgericht Burgenland erklärte mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss die Säumnisbeschwerde vom 8. Mai 2014 als gegenstandslos, stellte das Säumnisbeschwerdeverfahren ein und sprach aus, dass gegen diesen Beschluss eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG unzulässig sei.

Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 erhob der Revisionswerber eine außerordentliche Revision einerseits gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 29. September 2014 und "damit einhergehend" gegen "den nicht abgesondert anfechtbaren verfahrensleitenden Beschluss vom 15.07.2014, Zlen ......., mit dem das Landesverwaltungsgericht Burgenland gemäß § 284 Abs 2 BAO die Entscheidungsfrist bis 01.10.2014 verlängert hat".

Der Revisionswerber erachtet sich im Recht auf "Erhalt einer Sachentscheidung durch das Landesverwaltungsgericht Burgenland mittels Erkenntnisses" und im Recht auf "Unterbleiben einer Verfahrenseinstellung und Gegenstandsloserklärung" verletzt.

Das Landesverwaltungsgericht Burgenland legte die außerordentliche Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

Eingangs ist festzuhalten, dass im Revisionsfall gemäß § 2a der Bundesabgabenordnung (BAO) vom Landesverwaltungsgericht die BAO und nicht das VwGVG anzuwenden war (vgl. auch Ritz, BAO5, § 2a Tz 1 bis 3).

Die BAO enthält im siebten Abschnitt (Rechtsschutz) Unterabschnitt A (ordentliche Rechtsmittel) das Kapitel 21 "Säumnisbeschwerde", worin § 284 BAO lautet:

"§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und .....

(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

(7) Sinngemäß sind anzuwenden:

a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),

.....

g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),

....."

Gemäß § 256 Abs. 3 BAO ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären, wenn sie zurückgenommen wurde.

Gemäß § 261 Abs. 1 BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wird in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid oder in einem den angefochtenen Bescheid abändernden oder aufhebenden Bescheid.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision hängt nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage ab, wenn sich die Rechtsfrage innerhalb des Revisionspunktes, des vom Revisionswerber selbst definierten Prozessthemas, stellt (vgl. auch den hg. Beschluss vom 28. Februar 2014, Ro 2014/16/0014).

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

Die vorliegende außerordentliche Revision erblickt ihre Zulässigkeit iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG darin, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht entschieden sei, ob der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über ein Fristverlängerungsgesuch nach § 284 Abs. 2 BAO zwingend die Einräumung von Parteiengehör zugunsten des Beschwerdeführers voranzugehen habe. Grundsätzliche Bedeutung komme der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Revisionsfall aber auch wegen einer krassen Fehlbeurteilung der Bewilligbarkeit des Fristverlängerungsantrages vom 9. Juli 2014 zu. Eine Fristverlängerung nach § 284 Abs. 2 BAO wegen einer (in der Gemeindeordnung nicht vorgesehenen) "Sommerpause" des Gemeinderates stelle eine krasse rechtliche Fehlbeurteilung des Landesverwaltungsgerichtes dar.

Nun mag auch die sinngemäße Anwendung des § 261 BAO in der Aufzählung des § 284 Abs. 7 leg. cit. nicht enthalten sein, doch ist diese planmäßige Lücke des Gesetzgebers durch Analogie zu schließen und die Säumnisbeschwerde ist dann als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Begehren der Säumnisbeschwerde Rechnung getragen wurde, indem die Abgabenbehörde, deren Säumnis bekämpft wurde, ihren Bescheid erlassen hat. Unschädlich ist dabei auch, wenn das Verwaltungsgericht in den Spruch seines Beschlusses aufnimmt, dass das Verfahren eingestellt wird (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2014, Ro 2014/13/0035).

Ist der Bescheid der Abgabenbehörde nach Erheben der Säumnisbeschwerde wirksam erlassen worden, so ist dem Rechtschutzbedürfnis des Säumnisbeschwerdeführers damit Rechnung getragen; die von ihm mit Säumnisbeschwerde begehrte Entscheidung über seinen Antrag (im Revisionsfall: über seine Berufung) liegt vor.

Die Rechtmäßigkeit eines solcherart wirksam erlassenen Bescheides ist dabei nicht zu prüfen. Deshalb hängt der Beschluss des Verwaltungsgerichtes, womit eine nach § 284 f BAO erhobene Säumnisbeschwerde als gegenstandslos erklärt wird, etwa nicht davon ab, ob die in § 284 Abs. 2 BAO genannte Frist wirksam und rechtmäßig verlängert wurde oder ob der Bescheid der Abgabenbehörde innerhalb der Frist des § 284 Abs. 2 BAO ergangen ist und die Abgabenbehörde zur Erlassung des Bescheides noch zuständig war.

Da somit das Landesverwaltungsgericht Burgenland auf Grund der unstrittigen Wirksamkeit des Bescheides des Gemeinderates der Stadtgemeinde O vom 19. September 2014 nicht mehr in der Sache entscheiden durfte und in analoger Anwendung des § 284 Abs. 7 lit. a iVm § 256 Abs. 3 BAO die Säumnisbeschwerde für gegenstandslos zu erklären hatte, hängt die Revision dagegen von den vom Revisionswerber aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der Fristverlängerung nicht ab.

Durfte das Landesverwaltungsgericht aber nach wirksamen Erlassen des Bescheides des Gemeinderates der Stadtgemeinde O vom 19. September 2014 nicht mehr in der Sache entscheiden, stellen sich im Rahmen des Revisionspunktes ("Recht auf Sachentscheidung ... durch Erkenntnis") auch in Bezug auf die bekämpfte Verfügung des Landesverwaltungsgerichtes vom 15. Juli 2014 betreffend Fristverlängerung die vom Revisionswerber in den gesonderten Gründen für die Zulässigkeit der Revision aufgeworfenen Fragen nicht.

Es bedarf im Revisionsfall daher keiner näheren Auseinandersetzung mit der rechtlichen Qualifikation einer Fristverlängerung iSd § 284 Abs. 2 BAO und keiner Erörterung des Rechtschutzes eines Säumnisbeschwerdeführers gegen eine nach behaupteter rechtswidriger oder gar unwirksamer Fristverlängerung weiterhin bestehende Untätigkeit einer Abgabenbehörde oder eines Verwaltungsgerichtes.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2014

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:RA2014160033.L00

Im RIS seit

07.04.2015

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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