TE Vwgh Erkenntnis 2014/10/27 2013/04/0140

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Veröffentlicht am 27.10.2014
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Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

LVergRG Wr 2007 §11;
LVergRG Wr 2007 §33 Abs1 Z1;
LVergRG Wr 2007 §33 Abs1 Z2;
LVergRG Wr 2007 §33;
LVergRG Wr 2007 §35 Abs3 Z3;
LVergRG Wr 2007 §37 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2013/04/0141 E 27. Oktober 2014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Dr. Mayr und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der W GmbH in W, vertreten durch die Sundström/Partner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 1190 Wien, Pokornygasse 21/5, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien vom 3. Oktober 2013, Zl. VKS - 537973/13, betreffend Vergabenachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. S in W, 2. B GesmbH in W, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10; weitere Partei:

Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 2. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 9. April 2013, Zl. 2011/04/0207, verwiesen. Demnach hat die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) im Amtsblatt der EU vom 30. Juni 2010 die Durchführung eines offenen Verfahrens im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages (Durchführung des Schulbusbetriebes für Schüler mit Behinderung in allen 23 Wiener Gemeindebezirken für die Dauer von sechs Unterrichtsjahren) nach dem Billigstbieterprinzip bekannt gemacht und mit Schreiben vom 22. Juli 2011 die Zuschlagsentscheidung hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Lose II. bis VI. und VIII. bis XI. (ein Los umfasste jeweils einen oder zwei Wiener Gemeindebezirke) zu Gunsten der zweitmitbeteiligten Partei (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin) bekannt gegeben.

Gegen diese Zuschlagsentscheidung stellte die Beschwerdeführerin gemäß § 20 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2007 (WVRG 2007) einen (auf Nichterklärung gerichteten) Nachprüfungsantrag, den die belangte Behörde (ebenso wie den Antrag auf Pauschalgebührenersatz) mit Bescheid vom 22. September 2011 abwies.

Mit dem zitierten Erkenntnis vom 9. April 2013, Zl. 2011/04/0207, hob der Verwaltungsgerichtshof den genannten Bescheid im dargestellten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde die Akteneinsicht in wesentliche Teile der Schriftsätze dieses Verfahrens verweigert worden war, ohne dass die belangte Behörde eine Abwägung der Interessen iSd § 17 Abs. 3 AVG vorgenommen hatte.

1.2. Mit Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 11. Juli 2013 stellte diese - unter Hinweis auf das zitierte Erkenntnis, das ihr am 8. Mai 2013 zugestellt worden sei - u.a. den (im Titel so bezeichneten) "Antrag auf Feststellung gem. §§ 37 iVm 33 WVRG 2007". Dazu führte sie aus, dass die Auftraggeberin den Zuschlag im genannten Vergabeverfahren noch vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes rechtswirksam erteilt habe und verwies auf § 37 Abs. 2 WVRG 2007, wonach die belangte Behörde auf Antrag der Beschwerdeführerin als vormalige Nachprüfungswerberin festzustellen habe, ob die angefochtene Entscheidung der Auftraggeberin rechtswidrig gewesen sei. Der gegenständliche Antrag sei fristgerecht, weil er innerhalb der Frist von sechs Monaten (§ 37 Abs. 2 leg. cit.) eingebracht worden sei und bedürfe als solcher gemäß § 18 WVRG 2007 keiner Entrichtung der Pauschalgebühr.

Nach Darstellung des Sachverhaltes und der Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit stellte die Beschwerdeführerin im genannten Schriftsatz vom 11. Juli 2013 (soweit im vorliegenden Beschwerdeverfahren maßgeblich) abschließend die Anträge, die belangte Behörde möge

"1. gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 WVRG 2007 feststellen, dass ein Vergabeverfahren betreffend die Lose (wie oben bezeichnet) in rechtswidriger Weise, ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt wurde, und die Verträge gemäß § 36a WVRG 2007 für nichtig erklären;

in eventu

2. gemäß § 33 Abs. 1 Z 3 VWRG feststellen, dass der Zuschlag betreffend die Lose (wie oben bezeichnet) in rechtswidriger Weise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 BVergG 2006 erteilt wurde, und die Verträge gemäß § 36a WVRG 2007 für nichtig erklären;

in eventu

3. gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 WVRG 2007 feststellen, dass wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2006 oder gegen die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag betreffend die Lose (wie oben bezeichnet) nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt wurde."

1.3. Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. Oktober 2013 wurden die zitierten Anträge der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Lose II. bis VI. und VIII. bis XI. zurückgewiesen (Spruchpunkt 1.).

Unter Spruchpunkt 2. wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, Pauschalgebühren in der Höhe von EUR 12.000,-- an das Land Wien zu entrichten (der Spruchpunkt 3., mit dem die Entscheidung über einen weiteren Eventualantrag gemäß § 37 Abs. 2 WVRG 2007 vorbehalten wurde, wird nach dem Inhalt der Beschwerde nicht bekämpft).

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, dass der Zuschlag betreffend die gegenständlichen Lose am 16. Dezember 2011 an die zweitmitbeteiligte Partei erteilt und dass die Zustellung des zitierten hg. Erkenntnisses, Zl. 2011/04/0207, an die Beschwerdeführerin am 8. Mai 2013 erfolgt sei. Zu den obzitierten Feststellungsanträgen vom 11. Juli 2013 habe die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013 u.a. bekannt gegeben, dass diese aufgrund eines Redaktionsversehens Verweise auf § 33 WVRG 2007 enthielten.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, die gegenständlichen Anträge seien sowohl "aufgrund des eindeutigen, keinerlei Zweifel auslösenden" Wortlautes als auch aufgrund des gesamten Aufbaus des Antrages als "primäre Feststellungsanträge" gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 bis 3 WVRG 2007 zu qualifizieren.

Daher bestimme sich die Antragsfrist nach § 36 Abs. 1 und 2 WVRG 2007 und betrage daher sechs Wochen ab möglicher Kenntnis vom Zuschlag, längstens aber sechs Monate ab dem Zuschlag (Feststellungsantrag gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 leg. cit.) bzw. sechs Monate ab dem auf die Zuschlagserteilung folgenden Tag (Feststellungsanträge gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 und 3 leg. cit.).

Gegenständlich sei der Zuschlag am 16. Dezember 2011 erteilt und am 4. Jänner 2012 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Ab dem letztgenannten Tag habe die Beschwerdeführerin Kenntnis vom Zuschlag erlangen können. Die genannte sechsmonatige Frist sei daher bei Antragstellung am 11. Juli 2013 bereits abgelaufen und die Feststellungsanträge seien daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Abgesehen davon seien die genannten Anträge unzulässig, weil sie als "primäre Feststellungsanträge" der Gebührenpflicht gemäß § 18 Abs. 1 WVRG 2007 unterlägen, und weil die Beschwerdeführerin die Vergebührung trotz Aufforderung binnen gesetzter Frist nicht vorgenommen habe. Daher seien einerseits die Feststellungsanträge auch im Grunde des § 35 Abs. 3 Z 3 WVRG 2007 zurückzuweisen und andererseits die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren auszusprechen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und, wie auch die mitbeteiligten Parteien, eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des WVRG 2007 lauten:

"3. Hauptstück

Zuständigkeit und Verfahren

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen Zuständigkeit

§ 11. (1) Der Vergabekontrollsenat ist auf Antrag zur Durchführung der Verfahren nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes zuständig.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung oder Widerrufserklärung ist der Vergabekontrollsenat zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz 2006 oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig

1.

zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie

2.

zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers oder der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller oder von der Antragstellerin innerhalb der Antragsfristen (§ 24) geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) Nach Zuschlagserteilung ist der Vergabekontrollsenat zuständig

1. im Rahmen der vom Antragsteller oder von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte zur Feststellung, ob wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006 oder gegen die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde;

2. auf Antrag des Auftraggebers oder der Auftraggeberin in einem Verfahren gemäß Z 1 zur Feststellung, ob der Antragsteller oder die Antragstellerin auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte;

3. zur Feststellung, ob ein Vergabeverfahren in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde;

4. zur Feststellung, ob der Zuschlag in rechtswidriger Weise ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß den §§ 131 bzw. 272 des Bundesvergabegesetzes 2006 erteilt wurde;

...

Gebühren

§ 18. (1) Für Anträge gemäß den §§ 20, 28 und 33 Abs. 1 und 2 hat der Antragsteller oder die Antragstellerin jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten.

(2) Die Pauschalgebühr ist gemäß den von der Landesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten.

...

4. Abschnitt

Feststellungsverfahren

Antrag

§ 33. (1) Ein Unternehmer oder eine Unternehmerin, der oder die ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des Bundesvergabegesetzes 2006 unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm oder ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass

1. der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, oder

2. die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war, oder

3. die Zuschlagserteilung ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung gemäß den §§ 131 bzw. 272 des Bundesvergabegesetzes 2006 wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war, oder

...

Der Antragsteller oder die Antragstellerin kann in einem Antrag mehrere Feststellungen gemäß § 11 Abs. 3 Z 1, 3 und 4 beantragen. Bei einem Antrag auf Feststellung gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 oder 5 kann der Auftraggeber oder die Auftraggeberin die Feststellung beantragen, dass der Antragsteller oder die Antragstellerin auch bei Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Bei einem Antrag auf Feststellung gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 bis 4 kann der Auftraggeber oder die Auftraggeberin beantragen, von der Nichtigerklärung des Vertrages abzusehen oder den Vertrag frühestens mit dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung aufzuheben.

...

Inhalt und Zulässigkeit

§ 35. ...

(3) Der Antrag ist in folgenden Fällen unzulässig:

1. wenn er nicht innerhalb der im § 36 genannten Fristen gestellt wird,

2. wenn der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nichtigerklärungsverfahrens gemäß § 20 hätte geltend gemacht werden können, oder

3. wenn der Antrag trotz Aufforderung binnen der gesetzten Frist nicht ordnungsgemäß gemäß § 18 vergebührt wurde.

...

Antragsfristen

§ 36. (1) Anträge gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 oder 5 sind binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt einzubringen, in dem der Antragsteller oder die Antragstellerin vom Zuschlag bzw. vom Widerruf Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis hätte erlangen können, längstens jedoch innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, nachdem der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen wurde.

(2) Anträge gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 bis 4 sind binnen sechs Monaten ab dem auf die Zuschlagserteilung folgenden Tag einzubringen. Abweichend vom ersten Satz ist

1. ein Antrag gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 bis 4 - wenn es sich bei dem Antragsteller oder der Antragstellerin um einen im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter oder eine im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin handelt - binnen 30 Tagen ab dem Tag der Absendung der Mitteilung gemäß den §§ 132 Abs. 2 oder 273 Abs. 2 des Bundesvergabegesetzes 2006 bzw.

2. ein Antrag gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 - wenn es sich bei dem Antragsteller oder der Antragstellerin nicht um einen im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter oder eine im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin handelt - binnen 30 Tagen ab dem Tag der Bekanntgabe an die Europäische Kommission gemäß §§ 54 Abs. 6 oder 217 Abs. 7 des Bundesvergabegesetzes 2006 oder binnen 30 Tagen ab der erstmaligen Verfügbarkeit einer Bekanntmachung gemäß den §§ 55 Abs. 6 oder 219 Abs. 6 des Bundesvergabegesetzes 2006 einzubringen.

...

Sekundäre Feststellungsverfahren

§ 37. (1) ...

(2) Wird ein Bescheid des Vergabekontrollsenates vom Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben und wurde vor der Entscheidung des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes der Zuschlag rechtswirksam erteilt oder das Verfahren zur Vergabe von Aufträgen rechtswirksam widerrufen, so ist der Vergabekontrollsenat zuständig, auf Antrag jenes Unternehmers oder jener Unternehmerin, der oder die den Antrag gemäß § 20 gestellt hat, unter Zugrundelegung der Rechtsanschauung des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers oder der Auftraggeberin rechtswidrig war. Ein Antrag auf Feststellung ist spätestens sechs Monate ab Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes zulässig. Unabhängig davon kann ein Antrag auf Feststellung gemäß § 33 gestellt werden.

..."

2.3. Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe die Feststellungsanträge im Schriftsatz vom 11. Juli 2013 rechtswidrig als sog. "primäre Feststellungsanträge" iSd § 33 Abs. 1 WVRG 2007, für welche die Fristen des § 36 leg. cit. gelten, gewertet. Die Beschwerdeführerin habe hingegen schon im Schriftsatz vom 11. Juli 2013 die Anträge als solche "auf Feststellung gem. §§ 37 iVm 33 WVRG 2007" bezeichnet und überdies ausgeführt, dass die belangte Behörde gemäß § 37 Abs. 2 WVRG 2007 festzustellen haben werde, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig gewesen sei. Zudem sei bereits im Antrag auf die Einhaltung der Frist von sechs Monaten gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. hingewiesen worden, und dass diese Anträge gemäß § 18 WVRG 2007 keiner Entrichtung der Pauschalgebühr bedürften, sodass klar gewesen sei, dass es sich um "sekundäre Feststellungsanträge" iSd § 37 WVRG 2007 handle.

Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin über Aufforderung der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013 klargestellt habe, dass für ihre Anträge § 37 Abs. 2 WVRG 2007 maßgeblich sei und dass diese Bestimmung ihren Anträgen zugrunde liege.

Die belangte Behörde habe diese Anträge daher nicht entgegen dem Willen der Beschwerdeführerin als "primäre Feststellungsanträge" einstufen dürfen und hätte Folge dessen die Frage ihrer Rechtzeitigkeit nicht nach § 36 WVRG 2007, sondern nach § 37 Abs. 2 leg. cit. zu beurteilen gehabt.

2.4. Die Beschwerde ist aus folgenden Gründen berechtigt:

2.4.1. Den beiden gegenständlichen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides liegt tragend die Rechtsansicht der belangten Behörde zugrunde, dass die Feststellungsanträge der Beschwerdeführerin nur auf der Rechtsgrundlage des § 33 WVRG 2007 gestellt worden seien (von der belangten Behörde als "primäre Feststellungsanträge" bezeichnet) und nicht auf § 37 WVRG 2007 ("Sekundäre Feststellungsverfahren") beruhen, weil dies sowohl durch den "eindeutigen, keinerlei Zweifel auslösenden Wortlaut" des Antragsschriftsatzes vom 11. Juli 2013 als durch dessen

"Aufbau ... klargestellt" sei.

Dieser Rechtsansicht steht freilich schon der (oben unter 1.2. auszugsweise wiedergegebene) Inhalt dieses aktenkundigen Schriftsatzes ("Antrag auf Feststellung gem. §§ 37 iVm 33 WVRG 2007", Hinweis im Antrag auf den erfolgten Zuschlag vor der Erlassung des hg. Erkenntnisses Zl. 2011/04/0207, weiters ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Behörde die Feststellung der Rechtswidrigkeit gemäß § 37 Abs. 2 WVRG 2007 zu treffen habe und darauf, dass "für den gegenständlichen Antrag gemäß § 37 WVRG keine Pauschalgebühr zu entrichten" sei) entgegen, der deutliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass die genannten Feststellungen aus Anlass des aufhebenden Erkenntnisses, Zl. 2011/04/0207, und auf der Rechtsgrundlage des § 37 Abs. 2 WVRG 2007 (sog. "sekundärer Feststellungsantrag") begehrt werden.

2.4.2. Der belangten Behörde ist zuzugestehen, dass am Ende des Schriftsatzes vom 11. Juli 2013 in den drei hier gegenständlichen (oben unter 1.2. wörtlich wiedergegebenen) Feststellungsbegehren nur § 33 Abs. 1 Z 1 bis 3 WVRG 2007 genannt wird, nicht aber § 37 WVRG 2007.

Vor dem Hintergrund der hg. Judikatur betreffend die Feststellungskompetenz der Vergabekontrollbehörden ist dies aber weder schädlich, noch als Zeichen zu sehen, dass es sich gegenständlich nicht um "sekundäre Feststellungsanträge" iSd § 37 WVRG 2007 handelt:

So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. November 2013, Zl. 2011/04/0034, unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur ausgeführt, dass die in § 11 WVRG 2007 genannten Zuständigkeiten des Vergabekontrollsenates abschließend geregelt sind. Daraus folgt, dass auch durch § 37 Abs. 2 WVRG 2007 keine Zuständigkeit für eine inhaltlich anderslautende Feststellung als in § 11 leg. cit. begründet wird (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 25. September 2012, Zl. 2008/04/0045, dessen Erwägungen - wie im Erkenntnis Zl. 2011/04/0034 ausgeführt wurde - auf das WVRG 2007 übertragbar sind; vgl. jüngst auch das Erkenntnis vom 17. September 2014, Zl. 2013/04/0144, sowie den Beschluss vom 11. Dezember 2013, Zlen. 2012/04/0133, 0134). Da sich die in § 11 WVRG 2007 aufgezählten Feststellungskompetenzen in § 33 WVRG 2007 widerspiegeln (vgl. dazu die Erläuterungen zur Novelle LGBl. Nr. 18/2010, Beilage Nr. 22/2009 LG-00174- 2009/0001), war der gemäß § 37 Abs. 2 WVRG 2007 gestellte Antrag - inhaltlich - zutreffend auf die in § 33 Abs. 1 Z 1 bis 3 WVRG 2007 genannten Feststellungen gerichtet.

Mit anderen Worten: Es änderte gegenständlich nichts am Charakter des gemäß § 37 Abs. 2 WVRG 2007 (somit aus Anlass eines aufhebenden Erkenntnisses der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts) gestellten Feststellungsantrages, dass dieser inhaltlich auf Feststellungen gemäß § 33 Abs. 1 Z 1 bis 3 WVRG 2007 gerichtet war.

2.4.3. Spätestens seit dem klarstellenden Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 16. Juli 2013 hätte die belangte Behörde bei der dargestellten Situation davon ausgehen müssen, dass es sich beim gegenständlichen Antrag zweifelsfrei um einen solchen nach § 37 Abs. 2 WVRG 2007 handelt. In diesem in den Akten befindlichen Schriftsatz führte die Beschwerdeführerin auszugsweise aus:

"Maßgeblich für unsere Anträge ist § 37 Abs. 2 WVRG 2007. Diese gesetzliche Bestimmung wurde unseren Anträgen zu Grunde gelegt.

...

Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass keine - im gegenständlichen Fall als verfristet zu qualifizierenden - 'primären' Feststellungsanträge gemäß § 33 WVRG gestellt werden. Sämtliche im 'Antrag auf Feststellung gem §§ 37 iVm 33 WVRG 2007' betreffend das Verfahren VKS - X/Y und im 'Antrag auf Feststellung gem §§ 37 iVm 33 WVRG 2007" betreffend das Verfahren VKS - Y/Y (jeweils vom 11.07.2013) gestellten Anträge betreffen Feststellungen gemäß § 11 Abs. 3 WVRG 2007 im sekundären Feststellungsverfahren gemäß § 37 Abs. 2 WVRG.

...

Aus diesem Grund werden im Rahmen des sekundären Feststellungsverfahrens gemäß § 37 Abs. 2 WVRG 2007 die in Pkt. 1.10 der Schriftsätze vom 11.07.2013 ausgeführten Feststellungen beantragt.

Im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Gebührenentrichtung weisen wir darauf hin, dass in den gegenständlichen Verfahren keine gebührenpflichtigen Anträge gestellt werden. Vielmehr sind die gestellten Anträge vom sekundären Feststellungsverfahren gemäß § 37 Abs. 2 WVRG 2007 umfasst, durch das keine Gebührenpflicht ausgelöst wird."

2.4.4. Ausgehend von der unzutreffenden rechtlichen Einordnung der gegenständlichen Feststellungsanträge hat die belangte Behörde einerseits zu Unrecht die Verfristung dieser Anträge angenommen (richtigerweise war die sechsmonatige Frist des § 37 Abs. 2 WVRG 2007 ab Zustellung des hg. Erkenntnisses vom 9. April 2013, Zl. 2011/04/0207, bei Einbringung des Antragsschriftsatzes vom 11. Juli 2013 noch nicht abgelaufen), andererseits ist sie rechtswidriger Weise auch davon ausgegangen, die betreffenden Anträge seien zu vergebühren (§ 18 Abs. 1 WVRG 2007 sieht für Anträge gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. - zumal diesen bereits zu vergebührende Nachprüfungsanträge vorausgingen - nicht vor).

3. Der angefochtene Bescheid war daher in seinen durch die Beschwerde bekämpften Spruchpunkten 1. und 2. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 27. Oktober 2014

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013040140.X00

Im RIS seit

08.01.2015

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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