TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/26 99/13/0200

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Veröffentlicht am 26.09.2000
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §212a Abs2 litc;
BAO §212a Abs5;
BAO §294;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde der Dkfm. Dr. W GesmbH in Wien, vertreten durch Mag. Erich Stachl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Wien VI, Marchettigasse 2-6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. August 1999, GZ RV/177-07/06/97, betreffend Widerruf der Aussetzung der Einhebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH ist eine Wirtschaftstreuhandgesellschaft.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erliegt ein Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften vom 24. April 1997, mit dem die der Beschwerdeführerin mit Bescheiden vom 3. Mai 1996 und vom 19. November 1996 bewilligte Aussetzung der Einhebung widerrufen wurde. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, das Verhalten der Beschwerdeführerin sei auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere beantragt, die "Gefährdung der Einbringlichkeit und das Verhalten des Steuerpflichtigen" darzustellen.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, "von diversen Betriebsprüfungen" sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin ihr Unternehmen zum 31. Dezember 1992 an eine Schweizer Domizilgesellschaft um S 2,300.000,-- verkauft habe, welche den Betrieb am 27. Jänner 1993 an die G. GmbH in Bruck an der Mur verkauft habe. Es seien im Februar 1996 und im Februar 1997 "entsprechende Bescheide" an die Beschwerdeführerin ergangen. Aus den im Februar 1996 ergangenen Bescheiden habe sich ein Abgabenrückstand in Höhe von S 3,168.377,--, aus dem im Februar 1997 erlassenen Gewerbesteuerbescheid 1992 ein solcher in Höhe von S 432.675,-- ergeben.

Nach der Veräußerung des Klientenstocks habe die Beschwerdeführerin im Jahre 1995 eine Eigentumswohnung (in Leoben) erworben und ausgestattet. Die Beschwerdeführerin habe daraus Mieterlöse erzielt. Weiters habe sie Anteile an der G. Steuerberatungs GmbH in Wien treuhändig gehalten. In der Bilanz zum 31. Dezember 1995 sei als "nennenswertes" Aktivvermögen die Eigentumswohnung samt Ausstattung im Wert von S 2,429.821,-- und das Treuhandeigentum an den Anteilen der G. Steuerberatungs GmbH Wien im Wert von S 1,800.000,-- ausgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe ihre Vermögenssituation dadurch empfindlich geschmälert, dass sie die Eigentumswohnung zum 26. November 1996 an die H. Privatstiftung bloß gegen Übernahme eines Bankdarlehens in Höhe von S 1,495.999,-- verkauft habe. Die nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin beabsichtigte Verschmelzung mit der G. GmbH sei bisher unterblieben, sodass ein erweitertes Haftungsvermögen nicht vorliege.

Gegen die Berufungsvorentscheidung wurde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. In dieser Eingabe wurde zunächst begehrt mitzuteilen, welche Betriebsprüfungen von der Abgabenbehörde mit dem Ausdruck "diverse Betriebsprüfungen" gemeint seien, da bei der Beschwerdeführerin bisher keine Betriebsprüfung durchgeführt worden sei. Da den Abgabenbehörden "scheinbar" der Begriff der "Schweizer Domizilgesellschaft" nicht geläufig sei, werde beantragt, die von der K. GmbH am 17. Jänner 1997 eingebrachte Berufung hinsichtlich der Erläuterung von Schweizer Domizilgesellschaften als "Begründungsteil" der Berufung anzusehen. Die Hintergründe für den Kaufpreis von S 2,300.000,-- seien aus der Berufung gegen die "Wiederaufnahme- und Sachbescheide" 1992 und 1993 ersichtlich. Zur Veräußerung der Eigentumswohnung wurde ausgeführt, diese sei einem erheblichen Wertverfall unterlegen. Außerdem müssten S 300.000,-- von vornherein abgezogen werden. "Dies insofern, als die Wohnungseinrichtung im Betrag von S 0,3 Mio (bilanziert nach dem Vorsichtsprinzip) nicht dem tatsächlichen" entsprochen habe.

Der Wert der Geschäftsanteile der G. GmbH Wien übersteige bei weitem die offenen Abgabenverbindlichkeiten. Der als Kaufpreis einer Steuerberatungsgesellschaft anzusetzende einfache Jahresumsatz habe S 6,000.000,-- betragen.

Auf einen entsprechenden Vorhalt der belangte Behörde wurde in einer Eingabe vom 29. Dezember 1997 ausgeführt, die H. Privatstiftung habe seit mehreren Monaten und über drei Makler vergeblich versucht, die Eigentumswohnung zumindest in Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten zu verkaufen. Sollte sich ein Mehrerlös über die übernommenen Verbindlichkeiten ergeben, würden sofort Gespräche mit der Privatstiftung geführt, dass der Mehrerlös der Beschwerdeführerin zugute kommen solle.

In einer Eingabe vom 17. September 1998 wurde ausgeführt, die S. GmbH in Leoben, die einen Alleinvermittlungsauftrag für die Eigentumswohnung habe, habe mitgeteilt, dass die Eigentumswohnung höchstens um einen Kaufpreis von S 1,306.000,-- verkauft werden könne. Das zweitbeste Angebot liege bei S 1,200.000,-- und das drittbeste bei S 1,000.000,--. Der Eingabe waren Kopien der entsprechenden Angebote angeschlossen.

In den Akten erliegt die Kopie eines Kaufvertrages vom 11. Juni 1999, wonach die Eigentumswohnung um den Kaufpreis von S 1,517.130,-- verkauft worden sei. Aus dem Kaufvertrag ist ersichtlich, dass die in Leoben situierte Eigentumswohnung eine Nutzfläche von 55 m2 aufgewiesen hat.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zu der als Aktivum in den Bilanzen ausgewiesenen Beteiligung an der G. Steuerberatungs GmbH in Wien wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, es sei bekannt, dass der Geschäftsführer Verhandlungen zum Verkauf der Beteiligung führen würde. Es werde über einen Verkaufspreis von S 7,000.000,-- verhandelt. Als Gesprächsbasis werde ein Gutachten von Univ. Doz. H. herangezogen. Nach Auffassung der belangten Behörde seien darin aber keine konkreten Aussagen über den tatsächlichen Wert der Beteiligung enthalten. Die belangte Behörde gehe daher von dem in den Bilanzen ausgewiesenen Wert der Beteiligung in Höhe von S 1,800.000,-- aus.

Die vorgelegten Unterlagen über die Eigentumswohnung hätten den Vorwurf, der Verkauf sei zu "fremdunüblichen" Bedingungen erfolgt, nicht entkräften können. Aus dem (nicht unterfertigten) vorgelegten Entwurf eines Kaufvertrages könne nicht geschlossen werden, dass die Eigentumswohnung tatsächlich um S 1,517.130,-- verkauft worden sei. Es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen konkret darzulegen, aus welchen Gründen die potenziellen Käufer nicht bereit seien, einen entsprechenden Kaufpreis zu bezahlen, woraus auf die ordnungsgemäße Übernahme durch die H. Privatstiftung geschlossen werden könnte. Durch die Veräußerung der Eigentumswohnung habe die Beschwerdeführerin ihren Vermögensstand erheblich geschmälert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist eine Aussetzung der Einhebung dann nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist. Die Wirkung der Aussetzung endet unter anderem mit ihrem Widerruf nach den Bestimmungen des § 294 BAO (vgl. § 212a Abs. 5 BAO).

Nach § 294 Abs. 1 BAO ist eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, nur zulässig, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, die für die Erlassung des Bescheides maßgebend gewesen sind (lit. a), oder wenn das Vorhandensein dieser Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen worden ist (lit. b).

Die Begründung eines Bescheides muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. z.B. das hg Erkenntnis vom 31. März 1998, Zl. 97/13/0021). Diesen Erfordernissen entspricht der angefochtene Bescheid in keiner Weise:

Zunächst kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden, welchen der beiden Zurücknahmetatbestände der lit. a oder lit. b des § 294 Abs. 1 BAO die belangte Behörde durch welchen Sachverhalt als erfüllt angesehen hat.

Der angefochtene Bescheid enthält (im Erwägungsteil) zunächst Ausführungen über den Wert der im Vermögen der Beschwerdeführerin enthaltenen Beteiligung an einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft. Abgesehen davon, dass der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Bescheidausfertigung die Seite 8 fehlt und überhaupt die maßgeblichen Verwaltungsakten nur unvollständig vorgelegt wurden, ist nicht erkennbar, welcher Kausalzusammenhang zwischen dem Wert dieser - nach den vorgelegten Aktenteilen - jedenfalls seit 1995 im Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin befindlichen Beteiligung und einem von der belangten Behörde unterstellten, auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der ausgesetzten Abgaben gerichteten Verhalten der Beschwerdeführerin gegeben sein könnte. Die belangte Behörde hat dazu (im Sinne des § 294 Abs. 1 BAO) weder festgestellt, dass sich hinsichtlich des Wertes der Beteiligung die tatsächlichen Verhältnisse seit der Erlassung der Aussetzungsbescheide geändert hätten, noch dass diesbezüglich auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben die Voraussetzungen der Aussetzung zu Unrecht angenommen worden seien.

Im Übrigen hat sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen über den Wert eines Wirtschaftstreuhandunternehmens nur unzureichend auseinander gesetzt. Die Aussage des angefochtenen Bescheides, die Beschwerdeführerin habe keine konkreten Angaben über den tatsächlichen Wert der Beteiligungen gemacht, ist dabei aktenwidrig. Weiters hat die belangte Behörde verkannt, dass der Buchwert einer Beteiligung keinerlei Rückschlüsse auf den (aktuellen) Verkehrswert zulässt.

Soweit die belangte Behörde offenkundig in der Veräußerung der in Leoben gelegenen Eigentumswohnung ein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtetes Verhalten der Beschwerdeführerin erblickt, entspricht die von ihr vorgenommene Würdigung des Erhebungsergebnisses nicht den Denkgesetzen. Die im Verwaltungsverfahren von der Beschwerdeführerin beigebrachten Beweismittel ließen auf einen Verkehrswert der Eigentumswohnung zwischen S 1,000.000,-- und S 1,500.000,-- schließen. Die Aussagen im angefochtenen Bescheid, die Angebote enthielten keine Angaben von Gründen, warum die potenziellen Käufer nicht bereit seien, einen entsprechenden Kaufpreis zu bezahlen, sowie der erheblich unter dem Buchwert liegende Kaufpreis sei unerklärlich, sind nicht nachvollziehbar. Auch hier verkennt die belangte Behörde offensichtlich, dass aus dem Buchwert keine Rückschlüsse auf den Verkehrswert gezogen werden können. Auch im Hinblick auf den bekannten Preisverfall von in der Obersteiermark gelegenen Immobilien widerspricht die von der belangten Behörde getroffene Annahme, der Wert der eine Nutzfläche von lediglich 55 m2 aufweisenden, in Leoben gelegenen Kleinwohnung sei mit dem Buchwert von S 2,371.143,-- gleichzusetzen, dem in der Lebenserfahrung gedeckten Ermittlungsergebnis. Zur Klarstellung ist dabei darauf zu verweisen, dass die Abgabenbehörden dem im Jahre 1995 erfolgten Erwerb der Eigentumswohnung um den Betrag von S 2,429.821,-- keine Bedeutung aus der Sicht des Gegenstandes des Beschwerdeverfahrens beigemessen haben.

Da die belangte Behörde § 294 Abs. 1 BAO nicht zutreffend angewendet hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Da die aufgezeigten Begründungsmängel und die dadurch gegebene Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften demgegenüber als Aufhebungsgründe zurückzutreten haben, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 417/1994.

Wien, am 26. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999130200.X00

Im RIS seit

15.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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