TE Vfgh Erkenntnis 2014/11/24 G101/2014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2014
beobachten
merken

Index

L1030 Gemeindestruktur

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art115 Abs2, Art116 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Stmk GemeindestrukturreformG §1, §3, §4
Stmk GdO 1967 §6 Abs2

Leitsatz

Abweisung weiterer Individualanträge von Gemeinden auf Aufhebung von Bestimmungen des Stmk GemeindestrukturreformG betreffend Gemeindefusionen; keine Unsachlichkeit der bekämpften Vereinigungen

Spruch

I. Der Antrag wird insoweit abgewiesen, als er sich gegen §3 Abs4 Z4 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 über die Neugliederung der Gemeinden des Landes Steiermark (Gemeindestrukturreformgesetz – StGsrG), LGBl für die Steiermark Nr 31/2014 (berichtigt durch LGBl für die Steiermark Nr 36/2014), richtet.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.              Antrag und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art140 B-VG begehrt die antragstellende Gemeinde Nestelbach im Ilztal, das Stmk. Gemeindestrukturreformgesetz (StGsrG), LGBl 31/2014 (berichtigt durch LGBl 36/2014), zur Gänze, in eventu §3 Abs4 Z4 leg. cit. als verfassungswidrig aufzuheben.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"4.1. Bestandsgarantie der Institution Gemeinde

[…]

4.1.3. Nach Rechtsprechung des VfGH enthält das B-VG […] eine Bestandsgarantie für die Gemeinde als Institution[;] somit ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt, anstelle der Gemeinde eine andere Art von (kleinster) Organisationsstruktur zu schaffen.

Durch die umfassenden Gemeindezusammenlegungen aufgrund des StGsrG und die Reduzierung der Anzahl der Gemeinden um rund 47 % wird im Ergebnis ein völlig anderes Bundesland Steiermark geschaffen. Denn eben diese kleinste Organisationsstruktur der Ortsgemeinde wird weitgehend aufgehoben und durch den (weiteren) Regelfall der 'Großgemeinde' ersetzt. Auch wenn der […] Landesgesetzgeber die Begrifflichkeiten der GemO und des B-VG beibehält, ändert dies nichts daran, dass die Institution / das Prinzip der Ortsgemeinde verfälscht wird. Durch das StGsrG wird die Rechtsnatur der 'Gemeinde' flächendeckend geändert und der Verband mehrerer ehemals selbstständiger Ortschaften – wenn auch unter dem Legalbegriff 'Gemeinde' – wird zum Regelfall. Dass der […] Landesgesetzgeber einen – über den Einzelfall hinausgehenden – umfassenden Eingriff in die Institution der Gemeinde beabsichtigt, zeigte sich bereits anhand der – im thematischen Zusammenhang mit der Gemeindestrukturreform erfolgten – Novelle zur GemO 2012[…], mit der die Bestimmung der Bestellung eines Ortsteilbürgermeisters neu in die GemO eingefügt wurde. […] Werden diese […] flächendeckend anstelle der bisherigen Bürgermeister eingesetzt, stellt sich die Gemeindeorganisation in der Steiermark faktisch so dar, dass auf unterster Ebene (anstelle der verfassungsrechtlich vorgesehenen Ortsgemeinde) eine ehemals selbstständige Ortsgemeinde als Ortsverwaltungsteil mit eigenem Ortsteilbürgermeister besteht, die der 'Großgemeinde' als nächsthöhere Verwaltungseinheit ungeordnet [sic!] ist. [… D]ie vorgesehenen 'Großgemeinden' [entsprechen] nicht dem verfassungsrechtlich vorgesehene[n] Regelfall der Ortsgemeinde und nähern sich dem Konzept des Art120 B-VG an.

4.1.4. Folgt man der Rechtsansicht des […] Landesgesetzgebers[,] könnte – überspitzt formuliert – auch dann eine Ortsgemeinde iSd Art115 B-VG vorliegen, wenn sämtliche Gemeinden der Steiermark (mit Ausnahme der Statu[t]arstadt Graz) in eine einzige Gemeinde vereinigt werden würden (die 'Gemeinde Steiermark'), wenn es lediglich darauf ankommt, dass der Formalbegriff der Gemeinde weiterverwendet wird. Für die ehemaligen Gemeinden könnten zur Herstellung einer engeren Verbindung zwischen der Bevölkerung und den Organen und Einrichtungen der Gemeinde Ortsteilbürgermeister im Sinne des §48 GemO bestellt werden, die finanziellen Ersparnisse aufgrund von Personalabbau und Reduzierung des Verwaltungsaufwandes wären (vermutlich) enorm. Ein[…] sich diesem Extrem annähender Fall ist aber bereits durch das StGsrG gegeben, da der […] Landesgesetzgeber in das Wesen der Institution Gemeinde eingreift.

Darüber hinaus wird durch die beinahe durchgehende Gliederung der Steiermark in Großgemeinden eine Struktur geschaffen, welche die Strukturierung durch Gebietsgemeinden iSd Art120 B-VG durch den Bundesgesetzgeber vorwegnimmt. Die Neugliederung der Steiermark ist demnach ein verfassungsgesetzlich verbotener Vorgriff auf das Verfassungsprogramm der Bildung von Gebietsgemeinden, welches dem Bundesgesetzgeber vorbehalten bleibt.

4.1.5. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass durch das bekämpfte Gesetz in Wahrheit keine Gemeindereform im Sinne von reinen Gemeindevereinigungen herbeigeführt wird, sondern auch – unzulässigerweise – eine Reform der politischen Struktur der Steiermark erfolgt. Gemäß Art117 Abs2 B-VG wird der Gemeinderat auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes der männlichen und weiblichen Staatsbürger, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Die politische Zugehörigkeit der Gemeinde ist also Ausdruck des aktiven Wahlrechts der Gemeindebevölkerung.

Der […] Landesgesetzgeber bewirkt mit seiner umfassenden Neuordnung des Bundeslandes Steiermark einen umfassenden Eingriff in das ausgeübte Wahlrecht der Bevölkerung sämtlicher (zwangsweise) zusammengelegter Gemeinden. Durch die Reduzierung der Anzahl der Gemeinden um rund 47 % wird im Ergebnis – auch politisch – ein völlig anderes Bundesland Steiermark geschaffen, da das Ergebnis d[er] letzte[n] Gemeinderatswahl konterkariert wird. Folgt man der Vorgehensweise der […] Landesregierung[,] könnte jeder Landesgesetzgeber ein politisch ungewolltes Ergebnis einer Gemeinderatswahl 'beseitigen', indem er Gemeinden so zusammenlegt, dass eine politisch gewollte Gemeindelandschaft entsteht. Hätte der […] Landesgesetzgeber einen solch gravierenden Eingriff in die politische Landschaft der Steiermark rechtmäßig durchführen wollen, hätte er ein Landesverfassungsgesetz erlassen müssen.

Dass politische Beweggründe für die gegenständlichen Gemeindevereinigungen eine maßgebliche Rolle gespielt haben, lässt sich klar daran erkennen, dass eine nach außen hin nahezu willkürli[ch] erscheinende Auswahl getroffen wurde, welche Gemeinden vereinigt werden sollen und welche nicht. […]

4.2. Verletzung des Gleichheitssatzes

4.2.1. Verletzung des Sachlichkeitsgebots

[…]

4.2.1.1.4. In §1 Abs1 und 2 StGsrG werden die Ziele des StGsrG angeführt. […]

[…]

4.2.1.2. Verbesserung der Gemeindestruktur

[…]

4.2.1.2.2. Wenngleich der […] Landesgesetzgeber [in den Erläuternden Bemerkungen zum StGsrG] auf eine Abwägung der Vor- und Nachteile hinweist, gab er – auch gegenüber den betroffenen Gemeinden – keine Informationen preis, die eine nachvollziehbare Überprüfung möglich machen würde[n]. Auch hinsichtlich des entwickelten Leitbildes gibt es keine konkreten Informationen darüber, inwiefern dieses auf die Antragstellerin angewendet worden sein soll und zu der Entscheidung über die Gemeindevereinigung geführt hat.

4.2.1.2.3. Die im Leitbild angeführten Entscheidungskriterien (räumliche Situation, Bevölkerungsentwicklung, finanzielle Situation, Gemeinde-Infrastruktur), die dazu führen, dass jeweils nur 'zentrale Orte' gestärkt werden ('Lebensrealitäten – Zentrale-Orte-Konzept'[…]), [sind] aber bereits dem Grundgedanken nach unsachlich. Folgt man der Ansicht des […] Landesgesetzgebers, dass es auf eine Stärkung des Funktionszentrums der neuen Gemeinde ankomme, wird klar, dass die Interessen des 'Nebenortes' gar nicht adäquat berücksichtigt werden und eine Verbesserung der Gesamtsituation in der 'aufnehmenden Gemeinde' auf Kosten einer Verschlechterung der Gesamtsituation in der 'eintretenden Gemeinde' bewusst in Kauf genommen wird.

4.2.1.2.4. Auch die im Leitbild angeführten Kriterien treffen auf den Einzelfall der Antragstellerin nicht zu:

- Räumliche Situation: Die Ortskerne der beiden Ortschaften sind ca. 5 Kilometer voneinander entfernt, einzelne Ortsteile der Antragstellerin sind mehr als 8 Kilometer vom Ortskern der Marktgemeinde Ilz entfernt; eine durchgehende Siedlungsstruktur besteht nicht. […]

- Bevölkerungsentwicklung: Die Bevölkerung der Antragstellerin ist in den letzten Jahrzehnten (von 1981 bis 2013) um insgesamt 4,6 % gestiegen. […]

- Finanzielle Situation: Die Antragstellerin kann eine äußerst geringe Verschuldung und eine kosteneffiziente Finanzgebarung aufweisen. Der […] Landesgesetzgeber erkennt eine geordnete Haushaltsführung. […]

- Gemeinde-Infrastruktur: Dem Leitbild nach wurde die Gemeinde-Infrastruktur mit einem Punktesystem bewertet[.] […] Diese Bewertungsmethode ist jedoch höchst unschlüssig und willkürlich und sie ist nicht geeignet, als sachliches Kriterium für die Zulässigkeit der Gemeindevereinigung zu dienen. So werden etwa für ein Pfarramt 10 Punkte vergeben, obwohl eine Gemeindevereinigung für den Pfarrsprengel keine Auswirkungen entfaltet. Freizeit-, Sport- und Kultureinrichtungen werden überhaupt nicht bewertet, obwohl gerade diese maßgeblich dafür sind, wo sich die Gemeindebevölkerung in ihrer Freizeit aufhält. Für die Rettung findet eine Punktevergabe statt, nicht jedoch für die Feuerwehr (oder Polizei). Wesentliche Infrastruktur wie Abwasser- und Abfallwirtschaft oder Tankstellen werden gänzlich außer Acht gelassen. Auf Grund der positiven Schülerzahlenentwicklung steht bereits fest, dass die Volksschule Nestelbach künftig wieder vierklassig wird. Auch bei der Nahversorgung wurden die vorhandenen örtlichen Nahversorgungsbetriebe nicht entsprechend berücksichtigt. […]

4.2.1.2.5. Das Leitbild ist folglich nicht geeignet, als Grundlage für die Beurteilung der Gemeindevereinigung zu dienen. Stattdessen muss jeweils im Einzelfall, konkret auf die betroffenen Gemeinden bezogen, eine Abwägung der zu erwartenden Vorteile und Nachteile vorgenommen werden und müsste nachvollziehbar dargelegt werden, welche volkswirtschaftlichen und kommunalwirtschaftlichen Vorteile sich konkret für die Bevölkerung der Antragstellerin durch eine Zusammenlegung ergeben würden. Es wäre weiters da[r]zulegen, warum eine Zusammenlegung mit einer anderen Nachbargemeinde nicht vorteilhaft(er) wäre und warum eine Zusammenlegung der Antragstellerin mit der Marktgemeinde Ilz die einzig sinnhafte Form einer gesicherten kommunalen Entwicklung sein kann. Dies insbesondere auch deshalb, da ein ursprünglicher Vorschlag der Zusammenlegung der Gemeinden 'Ilz-Nestelbach-Hainersdorf' ohne jegliche Erklärung verworfen wurde.

4.2.1.3. Vom […] Landesgesetzgeber festgelegte Kriterien der Gemeindezusammenlegung

(i) Allgemeine Grundsätze

Oberstes Ziel der Gemeindestrukturreform ist die Stärkung der zukünftigen Leistungsfähigkeit der Gemeinden zur sachgerechten und qualitätsvollen Erfüllung der eigenen und übertragenen Aufgaben und Funktionen zum Wohle der Bevölkerung.

Dieses oberste Ziel ist bereits ohne Zusammenlegung erreicht und die Gemeindevereinigung führt zu keiner Verbesserung. Die Antragstellerin konnte bereits bisher den oben erwähnten Bedürfnissen der Bevölkerung bestens nachkommen und es bestehen keine Anzeichen und insbesondere keine konkreten Angaben darüber, dass die angestrebte Großgemeinde diese Aufgaben besser erfüllen können wird. Demgegenüber stehen erhebliche Nachteile, die der Antragstellerin und ihrer Gemeindebevölkerung durch die Gemeindevereinigung drohen.

(ii) Wirtschaftliche und leistungsfähige Gemeinden

[…]

(1) Funktionales Arbeits- und Dienstleistungszentrum Nestelbach im Ilztal

[…]

Der […] Landesgesetzgeber übersieht […], dass die Antragstellerin selbst ein Arbeits- und Dienstleistungszentrum darstellt. In den letzten zehn Jahren sind mehr als 80 neue Arbeitsplätze durch Betriebsansiedlungen entstanden. Die Antragstellerin hat derzeit 35 Gewerbebetriebe mit ca. 200 Beschäftigten. Mehr als die Hälfte der Betriebe sind in den letzten 15 Jahren entstanden. Bestehende Betriebe haben sich überwiegend gut behauptet und vergrößert. Im Rechnungsabschluss 2013 überschritt[en] die Kommunalsteuereinnahmen erstmals die Grenze von EUR 130.000,–; dagegen betrug die Kommunalsteuerleistung im Jahr 1989 umgerechnet lediglich EUR 15.700,–.

Die im Ortsgebiet der Antragstellerin niedergelassenen Dienstleistungsunternehmen können weitreichende Bedürfnisse des täglichen Lebens abdecken und diese gehen weit über eine bloße Grundversorgung hinaus; darunter fallen: Gastronomie (Gasthaus, Pizzeria), eine Bank, Körperpflege/Gesundheit […], Handwerker […], Tankstelle/Lebensmittelhandel, ein KFZ-Händler, ein Holz- und Reifenhändler, zwei Autowaschanlagen, ein Estrichunternehmen, ein Ziviltechnikerbüro, ein Energietechnikunternehmen, ein Arbeitskräfteverleihunternehmen, ein Brandschutztürentechnikunternehmen, ein Sandstrahlunternehmen, ein Kunststofftechnikunternehmen, ein Tortechnikunternehmen uvm.

(2) Kosten und Einsparungen

Auf Basis des Gesetzes und der Erläuternden Bemerkungen ist nicht ersichtlich, dass durch die Gemeindevereinigung Kosten vermieden und Einsparungen vorgenommen werden könnten. Der […] Landesgesetzgeber verweist auf allgemeine Überlegungen, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Diese wären aber notwendig gewesen, um eine nachvollziehbare Prognose über finanzielle Vorteile anstellen zu können.

Dazu hat auch der Rechnungshof in seinem Bericht vom 29.10.2013 […] wie folgt ausgesprochen:

'Zusammenfassend hält der RH fest, dass eine zumindest näherungsweise numerische Darstellung der finanziellen Auswirkungen geboten und wohl auch möglich gewesen wäre. Dies umso mehr, als die Erläuterungen auf Seite 6 anführen, dass während der Verhandlungsphase des Reform-Prozesses die relevanten Tätigkeitsbereiche der Gemeinden analysiert, u.a. Finanzanalysen vorgenommen und die Auswirkungen der Gemeindevereinigungen aufgezeigt worden wären. Dazu fehlen aber jegliche Berechnungen, es finden sich in den Erläuterungen nicht einmal jene Annahmen bzw. Parameter, auf die diese Aussagen aufbauen.

Die Erläuterungen zu den finanziellen Auswirkungen entsprechen daher insofern nicht den Anforderungen des §18 Abs3 GeoLT 2005, weshalb eine abschließende Beurteilung der vorgeschlagenen Maßnahmen insbesondere in finanzieller Hinsicht nicht möglich ist' […].

Darüber hinaus hat der VfGH ausgesprochen, dass – selbst wenn ein solches gegeben wäre – das alleinige Bewirken einer Erhöhung der Finanzkraft nicht geeignet ist, eine Gemeindevereinigung sachlich zu rechtfertigen[.]

[…]

Darüber hinaus hat sowohl die Antragstellerin als auch die beabsichtigte Großgemeinde in Summe weniger als 10.000 Einwohner, sodass sich im abgestuften Bevölkerungsschlüssel nichts ändert.

(3) Finanzsituation der Antragstellerin

[…]

Wenn der […] Landesgesetzgeber [in den Erläuternden Bemerkungen zum StGsrG] auf den ordentlichen Haushalt der Jahre 2009 und 2010 hinweist und unterstellt, dass eine mangelhafte Finanzgebarung der Antragstellerin vorgelegen sei, ist dem zu entgegnen, dass der […] Landesgesetzgeber den Einbruch der weltweiten Konjunktur aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 außer Acht lässt. Diese entfaltete – neben Auswirkungen beim Bund und beim Land Steiermark selbst – auch Auswirkungen auf die Antragstellerin. Darüber hinaus wurden die Sozialausgaben für die Gemeinden durch das Land Steiermark erhöht und es gab überdurchschnittliche Katastrophenereignisse (Unwetter), die auch die Antragstellerin betrafen. Aus diesem Grund musste die Antragstellerin eine Vorfinanzierung leisten, da Katastrophenfondsmittel mit Verzögerung von einem Jahr ausbezahlt werden. 2010 wurden zudem die Ertragsteile des Bundes nicht an die Gemeinden ausgezahlt. Daraus folgt, dass gerade die für den Betrachtungszeitraum herangezogenen Jahre 2009 und 2010 von besonderen, außergewöhnlichen Umständen negativ beeinflusst waren, die nicht von der Antragstellerin beeinflusst oder abgewendet werden konnten, die ihr aber nunmehr vom […] Landesgesetzgeber negativ zugerechnet werden.

Seit 2011 ist eine positive Entwicklung der Finanzsituation gegeben. Im Rechnungsabschluss 2013 ist im Ordentlichen Haushalt eine Freie Finanzspitze in Höhe von EUR 211.193,– ausgewiesen. Im Voranschlag 2012 konnte ein Anteilsbetrag von EUR 89.000,– veranschlagt werden; der Anteilsbetrag 2013 beträgt EUR 126.000,– und Anteilsbetrag 2014 EUR 140.000. Auch im weiteren mittelfristigen Finanzplan 2014 - 2018 sind ähnliche Anteilsbeträge veranschlagt. In den nächsten Jahren wird sich auch das Kommunalsteuersplitting der Impulsregion Fürstenfeld im Bereich der Impulsregion und des Gründer- und Servicezentrums positiv auf die Gemeindefinanzen auswirken.

Die freie Finanzspitze der Antragstellerin beträgt durchschnittlich 8-10 % des ordentlichen Haushaltes und ist mit wenigen Gemeinden in der Region vergleichbar. Auch der Verschuldungsgrad mit derzeit 2,32 % (2013) stellt ein äußerst positives Zeugnis aus. Aus der Entwicklung der Kommunalsteuer ist zu ersehen, dass sich die jährlichen Betriebsansiedlungen bereits positiv auswirken.

Bei der Entwicklung der Gesamtschulden der Gemeinde wird im interkommunalen Vergleich die positive Finanzgebarung der Antragstellerin deutlich.

[…]

Die Finanzsituation der Antragstellerin ist somit von einer positiven Entwicklung gezeichnet. Da auch der […] Landesgesetzgeber eine geordnete Haushaltsführung erkennt, ist auch aus finanzieller Sicht keine Notwendigkeit einer Gemeindevereinigung gegeben und eine solche würde zu keiner Besserung der Finanzsituation beitragen. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten erweist sich eine Gemeindevereinigung der Antragstellerin mit ihrer Nachbargemeinde daher als unsachlich.

(4) Personalaufwand der Antragstellerin / Aufwand für Gemeindemandatare

[…]

Auch in diesem Fall gehen die Erläuterungen des […] Landesgesetzgebers über Allgemeinfeststellungen nicht hinaus; sämtliche konkreten Ermittlungen fehlen. Es gibt keine Informationen, welche eine kurz-, mittel- oder langfristige Einsparung erkennen lassen. Auch auf die Frage hin, welche Aufwendungen welche Kosten verursachen, gibt es keinerlei nachvollziehbar[e] Zahlen.

Der Personalaufwand der Antragstellerin ist sowohl im Innendienst als auch im Außendienst äußerst gering gehalten. Im Innendienst sind bei rund 1.150 Einwohnern lediglich zwei Mitarbeiter sowie eine Reinigungskraft (zu 50 %) beschäftigt. Der Außendienst (inklusive Wasser-, Kanal- und Abfallwirtschaft) wird mit lediglich 1,80 Dienstposten bewältigt. Mit diesem Fachpersonal werden alle Verwaltungstätigkeiten professionell durchgeführt. Das Land Steiermark kann keinerlei Beanstandungen vorweisen.

Mit dem Personal der Antragstellerin werden neben den Pflichtaufgaben zahlreiche Serviceleistungen für die Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger angeboten und erledigt. Gerade ältere Menschen sind wegen fehlendem Internetzugang bzw fehlenden Kenntnissen auf die Serviceleistung im Gemeindeamt angewiesen und es besteht eine hohe Zufriedenheit der Bevölkerung mit dem Personal der Antragstellerin. Um den Informationsfluss zu allen Bürgerinnen und Bürgern aufrecht zu halten, wird vierteljährlich eine Gemeindezeitung mit dementsprechenden Informationen an jeden Haushalt versendet.

Bei der Anzahl der Gemeindebediensteten und den Personalausgaben pro Einwohner werden im interkommunalen Vergleich die geringen Personalkosten der Antragstellerin deutlich.

[…]

Die Antragstellerin ist somit in der Lage, mit dem von ihr beschäftigten Personal, sämtliche Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit der Bevölkerung bei äußerst geringen Personalkosten zu erfüllen.

Neben den dargestellten Personalkosten sind auch hinsichtlich der Gemeindemandatare keine Kosteneinsparungen aufgrund einer Gemeindevereinigung zu erwarten. Bei größeren Gemeindeeinheiten fällt die Aufwandsentschädigung der jeweiligen Mandatare in eine wesentlich höhere Besoldungsklasse. Zudem wurde vom […] Landesgesetzgeber beschlossen, mit 1.1.2014 die Bezüge der Steirischen Mandatare zu erhöhen. Nach §6 Steiermärkische[s] Gemeinde-Bezügegesetz[…] gebührt Bürgermeistern ein festgelegter Prozentsatz eines Ausgangsbetrages, der nach Gemeindegröße gestaffelt ist. Mit Wirksamkeit vom 1.1.2014 wurde der Bezug bei Gemeinden von 1.000 bis 2.000 Einwohner um 53 % erhöht, mit 1.1.2015 sollen die aufgezwungenen Gemeindevereinigungen erfolgen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass es zwar weniger Bürgermeister gibt, diese jedoch höhere Bezüge lukrieren werden; mit anderen Worten: statt dass Mehrere weniger erhalten, erhalten Wenige mehr. Die Kosten für die Mandatare der angestrebten neuen Gemeinde werden insgesamt ca. EUR 30.000,– mehr betragen[…] als noch im Rechnungsabschluss 2013.

Dies alles lässt erkennen, dass es dem […] Landesgesetzgeber nicht (nur) darauf ankommt, durch eine Senkung der Kosten der Gemeindemandatare wesentliche Einsparungen vorzunehmen.

Da durch die Gemeindevereinigung keine wesentlichen Einsparungen erzielt werden können und die Antragstellerin äußerst geringe Personalkosten aufweisen kann, ist eine Gemeindevereinigung auch aus diesem Grund unsachlich.

(5) Finanzausgleich und Stabilitätspakt

[…]

Der […] Landesgesetzgeber übersieht […], dass die Fusionsprämie nur der neuen Gemeinde zusteht, welche über den neu zu wählenden Gemeinderat über die neu gebildete Gemeinde verteilt wird. Dadurch ist aber keinesfalls sichergestellt, dass die Bevölkerung der Antragstellerin davon profitieren würde, steht es doch gerade im Sinne des […] Landesgesetzgebers, lediglich den 'Zentral-Ort' Ilz zu stärken.

Darüber hinaus ist auch eine Berufung auf das Finanzausgleichgesetz 2008[…] und den darin festgelegten abgestuften Bevölkerungsschlüssel ungeeignet, als Begründung für eine Gemeindevereinigung zu dienen. Der VfGH hat bereits ausgesprochen, dass eine andere Verteilung der den Gemeinden zukommenden Ertragsteile keine sachliche Rechtfertigung einer Gemeindevereinigung darstellt.[…] Zudem tritt das Finanzausgleichsgesetz 2008 gemäß §25 Abs1 FAG 2008 mit 31.12.2014 außer Kraft. Demzufolge wird das Land Steiermark in der kommenden Finanzausgleichsverhandlung mit dem Bund die Möglichkeit haben, andere Berechnungsmodelle als bisher für die Aufteilung der Ertragsteile auf die Gemeinden auszuverhandeln. Als Bemessungsgrundlage könnten etwa die Einwohnerzahlen der Kleinregionen herangezogen werden.

Weiters werden die Kriterien des Maastricht-Saldos und deren Feststellungen (Schulden und Haftungen) schon bisher von der Antragstellerin eingehalten und kann die Antragstellerin im Jahr 2013 ein positives Maastrichtergebnis von EUR 57.351,16 im Rechnungsabschluss vorweisen. Darüber hinaus fand in den letzten Jahrzehnten auch kein Bevölkerungsrückgang, sondern vielmehr eine Steigerung von 4,4 % statt.

(iii) Infrastruktur und Demografische Entwicklung

[…]

(1) Infrastruktur

In den Erläuternden Bemerkungen wird lediglich festgehalten, dass 'eine effizientere Nutzung der örtlichen Infrastruktur mit einer höheren Auslastung und Effizienz […] zu erwarten [ist]'.[…]

Inwiefern eine konkrete Verbesserung erreicht werden soll, lässt sich lediglich aufgrund einer derartigen Allgemeinfeststellung nicht nachvollziehen.

Die Infrastruktur der Antragstellerin wird bereits derzeit effizient genutzt und wurde in den letzten Jahren ohne Neuverschuldung auf neuesten Stand gebracht:

- Das Kindergartengebäude wurde 2011 umfangreich saniert […]. Den eingruppigen Kindergarten besuchen derzeit 27 Kinder. Im Kindergarten angeschlossen ist eine Nachmittagsbetreuung, in welcher zur Zeit durchschnittlich 8-10 Kinder betreut werden. Die Auslastung des Kindergartens beträgt im Durchschnitt 90 [%].

- Auch die Volksschule wurde 2010 und 2011 umfangreich saniert. Die Volksschule wird derzeit 3-klassig geführt. Im laufenden Schuljahr 2013/2014 besuchen 51 Kinder die Volksschule. Die Schüleranzahl ist in den letzten Jahren steigend; daher wird die Volksschule künftig wieder 4-klassig geführt werden.

- Alle Freizeiteinrichtungen, zB Fußball-, Eisschützen-, Tennis- und Spielplätze sind in den letzten Jahren ohne Schulden adaptiert worden.

- Es gibt eine private Musikschule für Erwachsene, die mit durchschnittlich 120 Musikschülern hervorragend ausgelastet ist.

- Für das Kulturleben steht ein entsprechendes Gebäude (Galerie Nestelbach) mit hervorragender Auslastung zur Verfügung.

- Das Feuerwehrhaus wurde im Jahr 2002 neu eröffnet; auch die Ausstattung der Fahrzeuge und Gerätschaften wurde erneuert. Eine Besonderheit des Feuerwehrhauses ist die Mehrfachnutzung für Feuerwehr, Freizeit und Kultur. […] Die Ausrüstung entspricht den erforderlichen Beschaffungsvorgaben des Landesfeuerwehrverbandes. Auch bei der Feuerwehr gibt es keine ausgelagerten Schulden.

- Das gut funktionierende Gemeindezentrum mit Mehrzweckhalle und Dorfplatz konnte 2013 saniert, erneuert und erweitert werden. Die dringend notwendige Erweiterung der Büroräumlichkeiten von lediglich insgesamt zwei Räumlichkeiten für den Bürgermeister und die zwei Gemeindebediensteten zum Zwecke der Verbesserung des Bürgerservice wurde mit Unterstützung von Bedarfszuweisungsmitteln des Landeshauptmannes in Höhe von EUR 56.000,– durchgeführt. Im Falle der Gemeindevereinigung wäre[n] die vom Land Steiermark 2012 gewährten Bedarfszuweisungsmittel von EUR 56.000,– frustriert.

- Das Gemeindegebiet der Antragstellerin ist durch die B 65 […] und die nahe liegenden Anschlussstellen der A2-Südautobahn in Richtung Graz und Wien (5 Minuten Fahrzeit) verkehrsmäßig bestens aufgeschlossen.

- Auf Grund laufender Wegerhaltungsprogramme in den letzten 15 Jahren befindet sich das umfangreiche Gemeindestraßennetz (ca. 48 km) in sehr gutem Zustand. Die Instandhaltung der Gemeindestraßen, Gehsteige und Ortsbeleuchtung kann daher künftig ohne größere Investitionen (jährliches Sanierungsprogramm wie bisher) bewältigt werden.

- Die Wasserversorgung der Gemeinde verfügt über zwei Standbeine: Einerseits erfolgt die Trinkwasserversorgung aus dem gemeindeeigenen Tiefbrunnen und andererseits wird der Spitzenbedarf über die Transportleitung des Wasserverbandes Grenzland-Südost abgedeckt. Die Überschussmenge aus dem eigenen Tiefbrunnen wird gemäß einer Vereinbarung an den Wasserverband verkauft.

- Mit der neu fertiggestellten Abwasserentsorgung wird das gesamte Gemeindegebiet abgedeckt. Die Entsorgung der Abwässer erfolgt in die Kläranlage des Abwasserverbandes Raum Fürstenfeld in Fürstenfeld. Aufgrund dieser Lösung wird die Antragstellerin nur mit äußert geringen Betriebskosten belastet.

[…]

In allen oben erwähnten Bereichen ist eine sehr gute Auslastung der Infrastruktur gegeben. Aufgrund der Neuwertigkeit der Infrastruktur ist auch kurz- und mittelfristig mit keinen besonderen finanziellen Aufwendungen in diesen Bereichen zu rechnen.

Insofern ist auch keine Effizienzsteigerung durch die Gemeindevereinigung gegeben, da die Auslastung der bisherigen, gut ausgestatteten Infrastruktur äußerst positiv ist. Der Zustand der Infrastruktureinrichtungen ist auf neuestem Stand, sodass lediglich die Betriebskosten anfallen. Bei einer Stilllegung im Falle einer Gemeindevereinigung würde der große Wertbestand nicht mehr seinem Errichtungszweck zugeführt werden können, und es müssten verschiedene Infrastruktureinrichtungen im neuen Zentralort angepasst und erweitert werden (Bsp. Kindergarten, Schule, Gemeindezentrum), wodurch erneut Kosten verursacht werden würden. Andererseits besteht aufgrund der weitreichenden Versorgung der Gemeindebevölkerung der Antragstellerin sowie der weitreichenden Entfernung von Ortsteilen der Antragstellerin zum Ortszentrum der Marktgemeinde Ilz (bis zu 8 km) auch keine Veranlassung, Versorgungseinrichtungen (Wasser, Kanal, Fernwärme) zwischen den beiden Gemeinden herzustellen. Bei infrastruktureller Betrachtung der Gemeindevereinigung erweist sich diese somit als unsachlich.

(2) Gemeindegröße und Demografische Entwicklung

[…]

Die Bevölkerungsentwicklung der Antragstellerin ist in den letzten Jahrzehnten durchaus positiv verlaufen, und der […] Landesgesetzgeber erkennt eine Steigerung der Bevölkerungszahlen von 1981 bis 2013 um 4,4 %. Seit der Erhebung der […] Landesregierung ist die Bevölkerungsanzahl weiter gestiegen und liegt derzeit (Stand: 17.4.2014) bei 1.137 Einwohnern. Die Entwicklung der letzten Jahre lässt somit auf eine länger andauernde Bevölkerungszahl von deutlich über 1.100 Einwohner[n] schließen. Zudem hat die Antragstellerin mit ihren Bemühungen im Geschosswohnbaubereich weitere Maßnahmen gesetzt, um für eine weitere positive Bevölkerungsentwicklung zu sorgen. Demgegenüber haben sich die von der […] Landesregierung […] erstellten Prognosen wiederholt als falsch erwiesen. In einer ersten Prognose wurde der Bevölkerungsrückgang der Antragstellerin noch mit 9,1 % angegeben, aufgrund weiterer Nachfragen der Antragstellerin wurde dieser Wert dann auf die in den Erläuternden Bemerkungen angegebenen 4,6 % abgeändert. Die Kriterien, nach denen diese Prognose erstellt wurde, wurden der Antragstellerin nicht mitgeteilt.

Selbst wenn sich die Prognose der Bevölkerungssenkung bis 2030 um 4,6 % bewahrheiten sollte und die Antragstellerin 2030 eine Bevölkerung [von] 1.082 Einwohnern aufweisen sollte, liegt dieser Wert immer noch über dem nach Rechtsprechung des VfGH festgelegten Schlüsselwert von 1.000 Einwohnern.[…]

Kettiger führt in seinem Artikel 'Die richtige Größe einer Gemeinde', Untertitel 'Die Gemeindegröße allein ist kein Fusionskriterium' wie folgt aus:

'Soziodemografische Sicht

Eine Gemeinde ist nicht nur ein Betrieb[,] sondern ein gesellschaftliches [Subs]ystem – ein lebender Organismus mit einer bestimmten Geschichte und Kultur. Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage der optimalen Gemeindegröße anders. Maßgeblich ist, ob das System Gemeinde nachhaltig aus sich heraus funktionieren kann. Dies bedingt, dass die Bevölkerungsstruktur mittelfristig in etwa erhalten bleibt, dies sowohl zahlenmäßig wie auch bezüglich der Altersstruktur. Probleme stellen diesbezüglich hohe Abwanderungsraten ebenso wie zu hohe Zuwachsraten [dar]. Ein Problem kann auch darin bestehen, die notwendigen ehrenamtlichen Gemeindebehörden nicht mehr besetzen zu können; ein Problem, das sich zwar zunehmend in kleinen Gemeinde[n], aber nicht nur dort zeigt. Das Funktionieren einer Gemeinde bedingt ein relativ homogenes Kulturverständnis der gesamten Bevölkerung. Dies betrifft auch die politische Kultur. Es nützt beispielsweise wenig, wenn eine Gemeinde aus betrieblicher Sicht eine optimale Größe aufweist, wenn die notwendigen Führungsentscheide nicht rechtzeitig gefällt werden können, weil sich in der Exekutive Ortsteilvertretungen ständig gegenseitig blockieren. Aus sozi[o]demografischer Sicht gilt es weiter zu bedenken, dass nicht in allen Gemeinden in gleichem Maße soziale und interkulturelle Integrationsaufgaben anfallen' […].

Eine demographische Entwicklung ist für sich allein gesehen kein hinreichender Grund für eine Gemeindezusammenlegung, wenn andere Faktoren, wie die politische Kultur[,] außer Acht gelassen werden. Dass sich eine solche positiv entwickeln wird, ist aufgrund der Ablehnung der Gemeindevereinigung durch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Antragstellerin nicht zu erwarten […]. Die Gemeindegröße der Antragstellerin rechtfertigt nach Rechtsprechung des VfGH selbst bei einer Bevölkerungssenkung von 4,6 % bis 2030 keine Gemeindevereinigung. Denn selbst wenn die Bevölkerungszahlen auf 1.082 Einwohner herabfallen sollten, ist eine Gemeindebevölkerung gegeben, die sämtliche Aufgaben erfüllen kann […].

Darüber hinaus zeigt sich aus der Alterspyramide der Einwohnerstatistik, dass die Antragstellerin über eine ausgewogene Bevölkerung sämtlicher Altersklassen verfügt. Aus diesem Grund ist eine Gemeindevereinigung aus demographischer Sicht nicht geboten und erweist sich auch aus diesem Grunde als unsachlich.

(iv) Raumplanung und Siedlungsverflechtungen

[…]

(1) Raumplanung

[…]

[… Die Erläuterungen] beschränken sich […] auf Allgemeinaussagen. Folgt man den Ausführungen des […] Landesgesetzgebers, so müssten sämtliche Gemeinden vereinigt werden, wenn ausschließlich durch diese Maßnahme eine koordinierte Standortentwicklung erreicht werden könnte. Dass eine größere Verwaltungseinheit besser in der Lage ist, eine strategische und räumlich abgestimmte Standortentwicklung zu gewährleisten[,] ist nicht zwangsläufig gegeben. Zudem kann auch im Bereich der Raumplanung ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Nachbargemeinden vereinbart werden oder es kann einem Gemeindeverband die Kompetenz zur Erstellung eines gemeinsamen örtlichen Entwicklungskonzepts übertragen werden.[…]

Darüber hinaus zeigt sich, dass aufgrund der erfolgreichen bisherigen Raumplanung der Antragstellerin eine positive Entwicklung sowohl bei der Einwohnerzahl als auch bei den Betriebsansiedlungen verzeichnet werden konnte.

Die bisherige Raumordnung wurde von der Antragstellerin ausgesprochen sorgfältig wahrgenommen, und es konnte sowohl eine entsprechende Bevölkerungsentwicklung erzielt werden[…] als auch in allen Gemeindegebieten die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung errichtet werden. Im Zuge dieser Errichtungen wurden auch die Gemeindestraßen mit ihren Nebenanlagen (Gehsteige und Ortsbeleuchtung) hergestellt.

Die Antragstellerin weist, wie im Flächenwidmungsplan ersichtlich, die viertgrößte Industrie- und Gewerbefläche (mehr als 15 ha) des ehemaligen Bezirkes Fürstenfeld auf. Bei einer Vereinigung würden diese Gewerbeflächen zugunsten eines 'Zentral-Ortes' Ilz in Frage gestellt werden. Derzeit beträgt ein Gewerbeflächenpreis durchschnittlich EUR 30,–. Sollte eine Rückführung in Freilandflächen erfolgen, würde der Quadratmeterpreis lediglich rund EUR 2,50 betragen. Die Widmungsflächen für Bauland würden auf Grund des Zentralisierungsgedankens und der im Gesetz vorgesehenen Stärkung der Marktgemeinde Ilz (auf Kosten der Bevölkerung der Antragstellerin) auf ein Minimum zurückgeführt werden.

Damit würde sich der prognostizierte Bevölkerungsrückgang mit großer Wahrscheinlichkeit noch verstärken und in weiterer Folge wohl auch dazu führen, dass bereits bestehende (erfolgreiche) Dienstleister ihr Angebot nicht mehr aufrecht erhalten könnten. Sämtliche Bemühungen der letzten Jahre und das Zur-Verfügung-Stellen von voll aufgeschlossenem Bauland wären umsonst gewesen.

Daraus ergibt sich, dass ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort nachhaltig geschädigt werden würde. Die Raumordnung konnte von der Antragstellerin stets erfolgreich ausgeübt werden. Eine Verbesserung durch die Gemeindezusammenlegung ist nicht gegeben.

(2) Siedlungsverflechtungen

[…]

In seinen Erläuterungen lässt der […] Landesgesetzgeber Überlegungen vermissen, weswegen die Bevölkerung der Antragstellerin besondere Verbindungen zur Marktgemeinde Ilz pflegen soll, die gegenüber der Marktgemeinde Sinabelkirchen in den Vordergrund treten. Der Teil der Gemeindebevölkerung, der nicht im Ort beschäftigt ist, pendelt überwiegend nach Gleisdorf, Graz bzw Weiz aus und nützt folglich den Verkehrsknotenpunkt Sinabelkirchen. Daraus folgt, dass – wenn überhaupt – lediglich eine überdurchschnittliche Beziehun[g] mit dem Nachbarort Sinabelkirchen besteht. Ob ein Ort in einem Regionalen Entwicklungskonzept als Teilregionales Versorgungszentrum festgelegt ist oder nicht, ändert nichts daran, wie sehr er von der Bevölkerung frequentiert wird.

Durch die mehr als 35 Betriebe im Gemeindegebiet der Antragstellerin wird die Grundversorgung der Bevölkerung abgedeckt. Die Gastronomie, Bank, Körperpflege/Gesundheitseinrichtungen, Handwerksbetriebe und die Tankstelle/Lebensmittelhandel werden von der Bevölkerung stark frequentiert und ermöglichen eine weitestgehende Versorgung unabhängig von der Marktgemeinde Ilz. Auch die übrigen Dienstleistungen werden zumeist in anderen Orten, insbesondere in Sinabelkirchen, bezogen; auch die Haupschulschulsprengel verteilen sich auf andere Orte.

Somit bestehen keine besonderen Siedlungsverflechtungen zwischen der Antragstellerin und der Marktgemeinde Ilz, die eine Gemeindevereinigung rechtfertigen würden. In Hinblick auf etwaige Siedlungsverflechtungen aufgrund von Dienstleistungen führt eine Gemeindevereinigung zu keiner Verbesserung für die Gemeindebevölkerung, da es für die Gemeindebevölkerung als Konsumenten dieser Dienstleistungen unerheblich ist, ob diese in der eigenen Gemeinde oder einer Nachbargemeinde bezogen werden; denn ob ein Supermarkt, eine Drogerie, eine Apotheke, etc aufgrund einer Gemeindevereinigung im 'eigenen' Ort ist oder im vormaligen Nachbarort bleibt, hat naturgemäß keine Auswirkung auf die Qualität der Dienstleistung oder die Entfernung von Wohnadresse und Dienstleistungsadresse. Dass Wohnung und Supermarkt im selben Ort sind, ändert nichts an deren Entfernung zueinander und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass etwa Bevölkerung eines Nachbarorts bei Bezug der Dienstleistung anders behandelt wird[…] als die Bevölkerung des Dienstleistungsorts. Bestehende zentrale Einrichtungen eines Ortes können auch von der Bevölkerung des Nachbarortes genutzt werden, gleichgültig, ob die Gemeinden selbstständig sind oder nicht. Ein Vorteil für die Gemeindebevölkerung wird nach Rechtsprechung des VfGH dadurch nicht herbeigeführt.[…]

Damit scheidet der Bezug von Dienstleistung aber als Begründung für eine Gemeindezusammenlegung aus, wenn man – wie der VfGH – eine Verbesserung für die Gemeindestruktur als Zulässigkeitskriterium heranzieht.

(v) Kulturelle Faktoren

Daneben sollen auch die örtlichen Zusammenhänge, insbesondere naturräumliche und kulturelle Verhältnisse, wie auch historische Verbundenheiten sowie lokales Handeln für das Gemeinwohl und Ausüben von Ehrenämtern berücksichtigt werden.

Der […] Landesgesetzgeber enthält sich jeglicher Aussagen darüber, inwiefern dieser Punkt bei der gegenständlichen Gemeindevereinigung berücksichtigt wurde.

Die Antragstellerin kann ein umfangreiches kulturelles Programm aufweisen, das in der Gemeinde angeboten wird[.]

[…]

Diese kulturelle Eigenständigkeit der Antragstellerin wurde vom […] Landesgesetzgeber gänzlich ignoriert. Hätte der […] Landesgesetzgeber sein Konzept der 'Lebensrealitäten' umgesetzt, hätte er auch kulturelle Einrichtungen und Freizeiteinrichtungen berücksichtigen müssen, da gerade diese entscheidend dafür sind, wo die Gemeindebevölkerung ihre Freizeit verbringt und folglich den 'Lebensmittelpunkt' setzt. Da die Antragstellerin ein umfangreiches Vereinsleben vorweisen kann und der Bevölkerung ein großes Angebot an Freizeiteinrichtungen zur Verfügung stellen kann, sind auch keine kulturellen Faktoren gegeben, die für eine Gemeindevereinigung sprechen würden.

Kulturelle örtliche Zusammenhänge mit der Marktgemeinde Ilz bestehen ebensowenig wie historische Verbundenheiten. Aus historischer Sicht wäre vielmehr zu berücksichtigen gewesen, dass der Ort Nestelbach bereits auf eine Ansiedlung im 12. Jahrhundert zurückzuführen ist und 1342 erstmals als eigener, unabhängiger Ort 'Nestelpach' urkundlich erwähnt wurde.

Hätte der […] Landesgesetzgeber die von ihm aufgestellten Kriterien der Berücksichtigung von kulturellen und historischen Bedingungen befolgt, hätte er eine Gemeindevereinigung nicht aussprechen dürfen, da sich diese auch aus kultureller und historischer Sicht als unsachlich erweist.

4.2.1.4. Weitere Kriterien der Sachlichkeit

4.2.1.4.1. Distanz

Das Ortszentrum der Antragstellerin ist 5 Kilometer vom Ortszentrum der Marktgemeinde Ilz entfernt. Ein in sich geschlossenes Siedlungsgebiet zwischen den beiden Gemeinden besteht nicht. Die Wohnorte von Gemeindebürgern der Antragstellerin sind mehr als 8 Kilometer vom Gemeindeamt der Marktgemeinde Ilz entfernt. Die bisherige Katastralgemeinde Eichberg ist hingegen nur 3 Kilometer vom Gemeindeamt der Nachbargemeinde Markt Hartmannsdorf und die Katastralgemeinde Nestelberg nur weniger als 4 Kilometer vom Gemeindeamt der Nachbargemeinde Sinabelkirchen entfernt. Der […] Landesgesetzgeber nimmt auf diese peripheren Ortsteile jedoch keinerlei Rücksicht. Auch wenn es – folgend der bisherigen Rechtsprechung des VfGH zu Gemeindevereinigungen – eine steigende Mobilität der Bevölkerung geben sollte, werden die Nachteile für jenen Teil der Bevölkerung mit schlechterer Mobilität verstärkt. Gerade für den älteren Teil der Bevölkerung ist die Zurücklegung größerer Wegstrecken schwieriger. Wenn der […] Landesgesetzgeber eine Überalterung der Gesellschaft als Begründung der Gemeindevereinigungen anführt, ist ihm entgegenzuhalten, dass gerade für diese Bevölkerungsgruppe die negativen Auswirkungen der Gemeindevereinigungen besonders stark ausfallen.

Somit kann durch eine Gemeindevereinigung keine Verbesserung für die Gemeindebevölkerung erwartet werden.

4.2.1.4.2. Zugehörigkeitsgefühl zur vereinigten Gemeinde

4.2.1.4.2.1. Die Verantwortlichen der Antragstellerin haben bereits im September 2011 kurz nach Bekanntgabe der gegenständlichen Gemeindevereinigung vehement gegen eine solche angekämpft. Gemeinsam mit 13 anderen Bürgermeistern des ehemaligen Bezirkes Fürstenfeld wurde ein Manifest erarbeitet, das die Standpunkte der Bürgermeister deutlich machte und klar darstellte, dass keine wirtschaftliche Notwendigkeit für eine zwangsweise Gemeindevereinigung bestand und diese so nicht hingenommen werden würde.

4.2.1.4.2.2. Darüber hinaus führte die Antragstellerin am 21. Oktober 2012 eine Volksbefragung durch, um die Gemeindebürger als unmittelbar Betroffene der Gemeindevereinigung darüber abstimmen zu lassen, in welcher Gemeinde sie leben möchten. Bei einer Wahlbeteiligung von 74,92 % stimmten 93,90 % der Wahlberechtigten gegen die vom […] Landesgesetzgeber oktroyierte Gemeindevereinigung. An der ablehnenden Haltung der Bevölkerung hat [sich] in den 1 ½ Jahren seit der Volksbefragung nichts geändert, und die Einbringung des gegenständlichen Individualantrages ist deutlichstes Zeichen für den allgemeinen, anhaltenden Widerstand gegen die Gemeindevereinigung.

[…]

4.2.1.4.2.4. Neben diesem demokratiepolitischen Mangel kann, ausgehend vom Ergebnis der Volksbefragung (im Sinne einer Prognoseentscheidung), nicht davon ausgegangen werden, dass ein Zugehörigkeitsgefühl der Bevölkerung zu der vereinigten Gemeinde entstehen wird. […]

Die Gemeindebevölkerung hat sich deutlich gegen die Gemeindevereinigung ausgesprochen und die Gemeindevereinigung ist auch aus dem Grund des fehlenden Zugehörigkeitsgefühls der Bevölkerung unsachlich.

4.2.1.4.3. Zahlreiche schwere Begründungsmängel

Insgesamt wird in den Erläuternden Bemerkungen nicht nachvollziehbar dargelegt, auf welchen Informationen und Daten die Gemeindevereinigung der Antragstellerin mit ihrer Nachbargemeinde beruht.

Zur Beurteilung der Sachlichkeit hätte der […] Landesgesetzgeber jedoch darlegen müssen, welche Vorteile angeblich konkret durch die Gemeindevereinigung herbeigeführt werden können[,] und hätte er diese mit überprüfbaren Zahlen belegen müssen.

Die Erläuternden Bemerkungen beschränken sich großteils auf Allgemeinfeststellungen und das pauschale Zitieren von 'Stehsätzen', ohne dass auf den Einzelfall der Antragstellerin hinreichend Bezug genommen wird. Somit kann für die konkrete Gemeinde keine spezifische Notwendigkeit für eine Gemeindevereinigung abgeleitet werden. Auch nach Prüfung der vom […] Landesgesetzgeber aufgestellten Ziele der Reform wird ersichtlich, dass diese entweder bereits gegeben sind, oder dass durch die Gemeindevereinigung keine Verbesserung der Ist-Situation in Bezug auf ebendiese Ziele erreicht werden kann.

Dies wiegt umso schwerer, als dass sich die Antragstellerin in den Jahren seit erstmaliger Bekanntmachung der Absicht zur Gemeindevereinigung bis zur Gesetzeskundmachung intensiv darum bemüht hat, die Gründe der Vereinigung in Erfahrung zu bringen[.]

[…]

Da die Erläuterungen zum Gesetz, wie ausführlich dargelegt, jedoch selbst mangelhaft sind und sich jeglicher konkreter Begründung enthalten, bleibt das Gesetz unbegründet und ist auch aus diesem Grunde unsachlich und damit verfassungswidrig.

4.2.2. Ungleichbehandlung vergleichbarer Gemeinden

4.2.2.1. Über die bisher angeführten Gründe hinaus hat es der […] Landesgesetzgeber, in offenkundiger Verletzung des Gleichheitsgebots, unterlassen, aufgrund der in §1 StGsrG angeführten Ziele, weitere Gemeindevereinigungen anzuordnen.

4.2.2.2. Der […] Landesgesetzgeber führt in den Erläuterungen zu sämtlichen Gemeindevereinigungen im Wesentlichen die gleichen Gründe an, die sich überwiegend auf Infrastruktur/Dienstleistungen ('Unterversorgung'), Demographie und finanzielle Auswirkungen beschränken. Die dabei angestellten Überlegungen lassen sich aber auf eine große Anzahl an weiteren Gemeinden umlegen, die aber aus politischen Gründen, welche nicht öffentlich gemacht wurden, vor einer zwangsweisen Gemeindevereinigung verschont wurden.

Die[se] Gemeinden weisen teils eine mit der Antragstellerin vergleichbare, teils eine wesentlich schwächere Gemeindestruktur auf, was die Bevölkerungsanzahl sowie das Angebot an Infrastruktur und Dienstleistungen betrifft; dennoch ordnete der […] Landesgesetzgeber keine Gemeindevereinigung an[.]

[…]

Zusammenfassend wird festgestellt, dass es im Bezirk Leoben nur eine freiwillige Zusammenlegung gibt. Alle anderen Gemeinden blieben von der Strukturreform verschont.

[…]

4.2.2.3. Bezüglich sämtlicher dieser nicht zusammengelegten Gemeinden könnten die gleichen allgemeinen Gründe für eine Gemeindevereinigung angeführt werden, wie jene, die zur Vereinigung der Antragstellerin mit der Marktgemeinde Ilz geführt haben. Dass der […] Landesgesetzgeber eine Zwangsvereinigung [dieser] Gemeinden nicht angeordnet hat, lässt erkennen, dass es andere, politische Gründe gibt, aus denen die[se] Gemeinden vor einer Zwangsvereinigung verschont wurden. Da die im Gesetz angeführten Kriterien für die Bewertung der Zusammenlegungen durch (weitere) unsachliche, ungeschriebene, politische Kriterien erweitert werden, ist das bekämpfte Gesetz schon aus diesem Grunde gleichheits- und damit verfassungswidrig.

4.2.3. Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

4.2.3.1. Wahl des schonendsten Mittels

[…]

4.2.3.1.2. Auch aufgrund der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist §3 Abs4 Z4 StGsrG verfassungswidrig, da eine Gemeindevereinigung nicht das schonendste Mittel ist, um die in §1 StGsrG dargestellten Ziele zu erreichen. […]

Die Auflösung von Gemeinden ist die schwerwiegendste in die Rechte der betroffenen Gemeinden eingreifende Maßnahme. Die Wahl des schärfsten Mittels (Auflösung der Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungseinheit) bei Vorhandensein von gelinderen Mitteln entspricht nicht dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Gemeindezusammenlegungen, welche nicht auf freiwilliger Basis[,] sondern vielmehr unter Zwang erfolgen, sind als nicht zeitgemäß zu betrachten.

4.2.3.1.3. Zudem ist auch aus der Grundkonzeption der GemO erkennbar, dass die zwangsweise Vereinigung von Gemeinden lediglich als ultima ratio zu sehen ist und eine großflächige, landesweite Vereinigung systemwidrig ist. Wie bereits erwähnt, legt §8 Abs4 GemO fest, dass die Vereinigung den vollständigen Übergang der Rechte und Pflichten der betroffenen Gemeinden auf die neue Gemeinde zur Folge hat. Dies kann jedoch nur Rechte und Pflichten öffentlich-rechtlicher Natur betreffen. Ein landesgesetzlich festgelegter Eintritt der neuen Gemeinde in Verträge der Altgemeinde wäre als Verstoß gegen Art10 Abs1 Z6 B-VG zu qualifizieren, da der Vertragspartner der Altgemeinde gezwungen wäre, ein durch Landesgesetz geschaffenes Rechtssubjekt als Vertragspartner annehmen zu müssen ohne ein gesetzliches Widerspruchsrecht oder Kündigungsrecht eingeräumt bekommen zu haben, und der […] Landesgesetzgeber eine Regelung des Zivilrechtswesens getroffen hätte. Folglich ist das StGsrG mit dem Mangel behaftet, eine weitreichende Rechtsunsicherheit herbeizuführen, die sämtliche vom Gesetz unmittelbar betroffene Gemeinden und darüber hinaus sämtliche dere[r] Vertragspartner betrifft.

4.2.3.2. Gemeindeverbände / Kleinregionen

4.2.3.2.1. Die Ziele der Gemeindestrukturreform – sofern diese in Bezug auf die Antragstellerin nicht ohnehin bereits erfüllt sind – können auch mit anderen Mitteln, etwa mit der Bildung von Gemeindeverbänden oder dem Konzept der Kleinregionen, erreicht werden, ohne dass es entgegen den Willen der betroffenen Bevölkerung zur Auflösung von Gemeinden kommt.

Wie in den Erläuternden Bemerkungen festgehalten, bestehen Kooperationen als Teil der Kleinregion 'Fürstenfeld', des Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbandes 'Ilz' und als Teil der 'Impulsregion Fürstenfeld' (Kommunalsteuersplitting über die Gemeinden des ehemaligen Bezirkes Fürstenfeld).[…] Im Bezirk Fürstenfeld bestehen überdurchschnittliche Kooperationen aller 14 Gemeinden. Dadurch gelang es, eine Effizienzsteigerung der Verwaltung und Kosteneinsparungen für die einzelnen Gemeinden zu erzielen. Hervorzuheben ist insbesondere das Kommunalsteuersplitting im Rahmen der Impulsregion und des Gründer- und Servicecenters Fürstenfeld. Die 14 Bürgermeister des ehemaligen Bezirks Fürstenfeld haben in ihrem 'Manifest' bereits kurz nach Bekanntwerden der zwangsweisen Gemeindevereinigungen die bisherige erfolgreiche interkommunale Zusammenarbeit der Gemeinden dargestellt und auch ihre Bereitschaft artikuliert, eine solche Zusammenarbeit zu intensivieren.

Von dieser positiven Entwicklung der Gemeindeverbände ausgehend kann es auch nicht dem Willen des Bundesgesetzgebers entsprechen, dass das Konzept der Gemeindeverbände, das erst mit der B-VG-Novelle zur Stärkung der Gemeinden[…] 2011 umfassend gestärkt wurde, bereits nach kurzer Zeit durch den […] Landesgesetzgeber ausgehöhlt wird. Dieser hat es vielmehr unterlassen, nachvollziehbare Gründe darzustellen, weswegen eine Gemeindeverbandslösung nicht weiter verfolgt wurde.

4.2.3.2.2. In den Erläuternden Bemerkungen[…] wird zu den Gründen, die gegen die Verbandslösung sprechen, angeführt, dass 'Gemeindevereinbarungen im Falle der Besorgung von Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung die Funktion der beteiligten Gemeinden als Selbstverwaltungskörper nicht gefährden' dürfen (Art116a Abs1 Z1 B-VG). Damit verbiete das B-VG eine 'zu verdichtete' Gemeindekooperation, die Gemeinden müssten Selbstverwaltungskörper bleiben. Einer einem Gemeindezusammenschluss vergleichbaren Struktur seien schon damit Grenzen gesetzt.

Worin in der unveränderlichen Konzeption der Gemeinden als Selbstverwaltungskörper ein Nachteil zu sehen sein soll, wird vom […] Landesgesetzgeber nicht ausgeführt.

4.2.3.2.3. Weiters könne 'die finanzielle Leistungskraft durch Gemeindekooperationen zwar gestärkt werden', nicht gesichert sei aber 'die Nachhaltigkeit dieser Stärkung'. Insbesondere könnten die einem Gemeindeverband beigetretenen Gemeinden diesen wieder verlassen. Eine 'Kündigung' einer rechtswirksamen Gemeindevereinigung sei hingegen nicht möglich. […]

Der […] Landesgesetzgeber erkennt somit an, dass Gemeindeverbände eine gleichartige finanzielle Stärkung der Gemeinden zur Folge haben können. Dies entspricht dem obersten Ziel des StGsrG, der Stärkung der Leistungsfähigkeiten der Gemeinden. Wenn die Kündigung des Gemeindeverbandes als wesentlicher Grund für die Ablehnung der Verbandslösung angeführt wird, ist dem entgegenzuhalten, dass der […] Landesgesetzgeber durch eine einfache Änderung der GemO Vorkehrungen schaffen hätte können und – unterstellt man seine (spekulativen) Erwägungen – müssen; etwa durch die Regelung, dass die Mitgliedschaft in Gemeindeverbänden nur aus einem wichtigen (taxativ aufgezählten) Grund beendet werden kann. Eine solche Regelung kann auch schon derzeit im Zuge der Errichtung des Gemeindeverbands vertraglich einvernehmlich von den Parteien festgelegt werden (etwa samt Vereinbarung einer Pönale). Dadurch lässt [sich] der Verbleib im Verband und damit die Nachhaltigkeit der Stärkung der Leistungskraft der Gemeinden sicherstellen, ohne dass Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungseinheit beendet werden.

4.2.3.2.4. Weiters könnten 'Gemeinden in verschiedenen Angelegenheiten mit jeweils anderen Körperschaften unterschiedliche Kooperationen bilden'. Dadurch könne sich ein 'nach Angelegenheiten differenziertes, heterogenes 'Kooperationsnetz' entwickeln, was insbesondere die zentralörtliche Raumplanung erheblich erschweren' könne. Auch unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Gemeindeaufsicht könne sich ein unstrukturiert entwickeltes Kooperationsnetz nachteilig auswirken.

Der […] Landesgesetzgeber lässt hierbei außer Acht, dass gerade das von ihm angeführte Beispiel der Raumplanung im Bereich der örtlichen Raumplanung Sache im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden ist und daher von diesen autonom geregelt werden kann. Eine örtliche Raumplanung wird eine zentralörtliche Raumplanung zu berücksichtigen haben, unabhängig davon, welche Flächengröße eine Gemeinde aufweist und ob sie aus mehreren 'vereinigten Gemeinden' besteht oder nicht. Darüber hinaus kann auch eine 'vereinigte Gemeinde' Kooperationen mit anderen Gemeinden bilden, sodass dieses Ziel des […] Landesgesetzgebers auch durch Gemeindevereinigungen nicht erreicht werden kann.

Der […] Landesgesetzgeber könnte seine Befürchtung hinsichtlich eines unstrukturiert entwickelten Kooperationsnetzes somit nur dadurch entkräften, indem der Gemeindeverband als solches oder die Zuständigkeiten der Gemeinden abgeändert werden würden; dies liegt jedoch im Zuständigkeitsbereich des Bundesgesetzgebers. Eine Gemeindevereinigung hat auf die Bildung von Kooperationsnetzen keine Auswirkungen.

4.2.3.2.5. Zuletzt würde durch eine Verbandslösung der 'generelle Arbeits- und Verwaltungsaufwand erhöht', da eine zusätzliche Verwaltungsebene über den Gemeinden geschaffen wird. Damit könne den Erwartungen in eine funktionierende, kostengünstige Verwaltung in vielen Bereichen nicht entsprochen werden.

Der Aufwand der einzelnen Gemeinden bewegt sich auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau.

4.2.3.2.6. Auch in dem von der […] Landesregierung herausgegebenen Leitbild 'Stärkere Gemeinden – Größere Chancen'[…] wird auf das Projekt 'Regionext', durch das die Steiermark in sieben Regionen und rund 90 Kleinregionen gegliedert wurde[,] Bezug genommen. Das Konzept der Kleinregionen ermöglichte es, 'viele, gut funktionierende Kooperationen […] in den letzten Jahren [aufzubauen]'. Der Weg der thematischen Kooperation solle auch weiterhin in der Steiermark bestritten werden. Einzig die Nachhaltigkeit wird angezweifelt; diese kann aber – wie soeben ausgeführt – durch begleitende Maßnahmen sichergestellt werden.

4.2.3.2.7. Aufgrund der Tatsachen, dass die Gemeindeverbände erst 2011 mit einer Erweiterung ihrer Befugnisse ausgestattet wurden, dass die Gründe, die der […] Landesgesetzgeber bei der Ablehnung der Verbandslösung anführt, nicht zutreffend sind und dass die Ziele des StGsrG auch mit der Bildung von Gemeindeverbänden erreicht werden könnten, widerspricht die angeordnete Gemeindevereinigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und ist damit verfassungswidrig.

4.2.3.2.8. Darüber hinaus ist auch über das Konzept der Kleinregionen gemäß §38a GemO, in denen mehrere Gemeinden Verwaltungsgemeinschaften bilden, welche zentrale, gemeinschaftlich genutzte Stellen zur Besorgung von behördlichen und privatwirtschaftlichen Angelegenheiten erledigen, durch die Novellierung der GemO[…] eine Möglichkeit geschaffen worden, Einsparungen vorzunehmen. Hierzu hätte der […] Landesgesetzgeber auszuführen gehabt, aus welchen Gründen eine Kleinregionenlösung abgelehnt wurde.

4.3. Unzulässigkeit der Gemeindevereinigung

Im Ergebnis verstößt die vom […] Landesgesetzgeber angeordnete zwangsweise Gemeindevereinigung der Antragstellerin mit der Nachbargemeinde der Marktgemeinde Ilz [sic!] gemäß §3 Abs4 Z4 StGsrG gegen die Bestandsgarantie der Institution Gemeinde, das Sachlichkeitsgebot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip und ist damit verfassungswidrig." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

2. Die Stmk. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der die Zulässigkeit des Antrages bestritten und den im Antrag dargelegten Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:

"2.1. Zum Vorbringen bezüglich der 'Bestandsgarantie der Institution Gemeinde' (Punkt 4.1. des Antrages)

[…]

2.1.2. Dem Vorbringen der Verletzung des Rechtes der Gemeinde auf eine Bestandsgarantie wird entgegengehalten, dass die Gliederung des Landesgebietes in Gemeinden (Art116 Abs1 B-VG) sowie die Festlegung der Gemeindegebiete zum Gemeinderecht i.S.v. Art115 Abs2 B-VG gehören und damit zur Landeskompetenz (VfSlg 7830/1976; 8219/1977). Art115 Abs2 1. Satz B-VG legt die Verantwortung über die Gemeindestruktur in die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung, die die Gemeindestruktur, dem Grundsatz der abstrakten Einheitsgemeinde entsprechend, nach politischem Ermessen regeln kann (VfSlg 6697/1972; 7830/1976; 8219/1977[…]). […]

2.1.3. [D]er Vorwurf, dass das StGsrG ein verfassungsgesetzlich verbotener Vorgriff auf das Verfassungsprogramm der Bildung von Gebietsgemeinden sei, trifft weder für die ggst. Gemeindevereinigung noch insgesamt für die Gemeindestrukturreform zu. Auf Grund der Erläuterungen zu Art120 B-VG (639 BlgNR 9. GP 23 […]) ist davon auszugehen, dass unter Gebietsgemeinden vor allem die 'politische Bezirksverwaltung' und damit ein Zusammenschluss von Ortsgemeinden eines politischen Bezirkes[…] zu verstehen sein wird. Auf Grund der freiwilligen und der durch Gesetz vorgenommenen Gemeindevereinigungen werden in der Steiermark mit 1. Jänner 2015 (voraussichtlich) 286 Gemeinden (mit Ausnahme der Stadt Graz) in 12 Bezirkshauptmannschaften bestehen. Damit sind die dem Landesgesetzgeber durch Art120 B-VG gesetzten Schranken nicht berührt.

Angemerkt wird, dass die neue Gemeindestruktur in der Steiermark mit 287 Gemeinden und durchschnittlich rd. 3.290 EinwohnerI

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten