TE Vfgh Beschluss 2014/11/20 G202/2014

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Veröffentlicht am 20.11.2014
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Index

32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
GrEStG 1987 §10 Abs2, §11 Abs1

Leitsatz

Unzulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 infolge Zumutbarkeit der Bekämpfung eines Bescheides der Abgabenbehörde

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.              Antragsvorbringen

1. Die Antragstellerin begehrt mit ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG gestützten Individualantrag "§10 Abs2 (1. Satz) GrE[S]tG iVm §11 Abs1 Gr[e]E[S]tG, BGBl 36/2014, zuletzt kundgemacht am 30.05.2014 als verfassungswidrig aufzuheben."

2. Zur Antragslegitimation führt die Antragstellerin wörtlich aus:

"Vorauszuschicken ist, dass ich selbst Steuerberaterin und beeidete Wirtschaftsprüferin bin.

Wie das Bundesfinanzgericht selbst feststellt (S 3 des Beschlusses vom 22.07.2014), ergibt sich aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§§243, 260 BAO), dass nur Bescheide mit Beschwerde bekämpft werden können – Schriftstücke, welche keinen Bescheidcharakter haben, sind als unzulässig zurückzuweisen. Als Adressat dieses 'Informationsblattes' vom 11.03.2014 bin ich deshalb unmittelbar nachteilig betroffen (es wurde bereits eine Zwangsstrafe verhängt) und besteht auch keine andere Möglichkeit, die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Normen anzufechten, mit Ausnahme sie an den VfGH heranzutragen, weshalb meine Antragslegitimation jedenfalls gegeben ist."

3. In der Sache bringt die Antragstellerin unter anderem vor, dass schon der Beschluss des Bundesfinanzgerichtes Innsbruck vom 24. Juli 2014 [wohl richtig: 22. Juli 2014] zur Zahl RV/3100394/2014 verfassungsrechtlich bedenklich sei und ihr "verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Erlassung eines Bescheides durch die Behörde" verletzt werde.

II.              Rechtslage

4. §10 Abs2 Grunderwerbsteuergesetz 1987 in der Fassung BGBl I 112/2012 lautet (die angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"Abgabenerklärung

§10. (1) […]

(2) Die Abgabenerklärung ist durch einen Parteienvertreter im Sinne des §11 vorzulegen und elektronisch zu übermitteln. In den Fällen des §3 Abs1 Z4 und 5 kann die Abgabenerklärung auch durch die in §9 genannten Personen vorgelegt und elektronisch übermittelt werden. Ist über den in der elektronischen Abgabenerklärung enthaltenen Erwerbsvorgang eine Urkunde errichtet worden, die in ein durch Bundesgesetz vorgesehenes Urkundenarchiv aufgenommen wurde, so ist der Abgabenbehörde der Zugriffscode zu dieser Urkunde bekannt zu geben. Die Abgabenbehörden sind berechtigt, auf diese Urkunden lesend zuzugreifen. Abweichend von Abs1 ist die Schrift nur über Verlangen der Abgabenbehörde vorzulegen; auf der Schrift ist der im automationsunterstützten Verfahren vergebene Ordnungsbegriff (Erfassungsnummer) anzugeben. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Übermittlung der elektronischen Abgabenerklärung mit Verordnung näher zu regeln.

(3) […]"

5. §11 Abs1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 in der Fassung BGBl I 111/2010 lautet:

"Befugnis zur Selbstberechnung

§11. (1) Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) sind nach Maßgabe der §§12, 13 und 15 befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge, die diesem Bundesgesetz unterliegen, als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen, wenn die Selbstberechnung innerhalb der Frist für die Vorlage der Abgabenerklärung (§10) erfolgt. Die Anwendung des §17 ist von der Selbstberechnung ausgenommen.

(2) […]"

III.              Erwägungen

Der Antrag ist unzulässig.

6. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

1.1.              Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

1.2.              Die Antragstellerin ist auf Grund des Art140 Abs1 Z1 litc B-VG nicht zur Antragstellung legitimiert, denn sie hat die Möglichkeit mittels einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten. Das ist der Antragstellerin auch zumutbar, weil das Finanzamt bereits einen Bescheid zur Festsetzung einer Zwangsstrafe gegen die Antragstellerin erlassen hat.

1.3.              Die Antragstellerin hat bereits am 9. September 2014 zur Zahl E1229/2014 eine Beschwerde gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 22. Juli 2014 eingebracht, RV/3100394/2014, die jedoch wegen nicht behobenen Mangels formeller Erfordernisse mit hg. Beschluss vom 20. November 2014, E1229/2014, zurückgewiesen wurde.

1.4.              Damit erübrigt sich zu behandeln, ob der Antrag allenfalls auch aus anderen Gründen zurückzuweisen gewesen wäre.

IV.              Ergebnis

7. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass das Vorliegen der übrigen Prozessvoraussetzungen näher zu prüfen ist.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grunderwerbsteuer, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G202.2014

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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