TE Vfgh Beschluss 2007/10/11 A26/06

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Veröffentlicht am 11.10.2007
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art137 / Allg
ElWOG §68a Abs5 idF BGBl I 63/2004, §69 Abs6 idF BGBl I 106/2006
Stranded Costs-VO II, BGBl II 354/2001 idF BGBl II 311/2005 §10 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung der Klage eines Netzbetreibers gegen den Bund aufRückzahlung der (von Rechtsvorgängern) erbrachten StrandedCosts-Beiträge mangels Aktivlegitimation der klagenden Partei infolgegesetzlich angeordneter Übertragung der Konzession zumVerteilernetzbetrieb auf eine andere Gesellschaft im Wege derGesamtrechtsnachfolge

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit der auf Art137 B-VG gestützten, gegen den Bund gerichteten Klage begehrt die Steweag Steg GmbH die Fällung nachstehenden "Urteils":

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei € 1.133.394,55 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen gemäß §1333 Abs2 ABGB seit dem 29.9.2005, sowie hieraus 4 % Zinseszinsen ab Streitanhängigkeit sowie die Kosten dieses Rechtsstreites gemäß §19a RAO zu Handen der ausgewiesenen Rechtsvertretung binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

Die klagende Partei bringt vor, dass die Steiermärkische Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (in der Folge: STEG) an Stranded Costs-Beiträgen für den Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 insgesamt € 1.708.856,17 an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit oder an die Energie-Control GmbH abgeführt habe. Davon habe sich nur ein Betrag in der Höhe von € 596.157,16 auf Strommengen bezogen, die an Endverbraucher abgegeben wurden, die selbst zugelassene Kunden waren. In seinem Erkenntnis betreffend die Aufhebung des §10 Abs1 der Stranded Costs-Verordnung II, VfSlg. 17.210/2004, habe der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich ausgesprochen, dass eine gesonderte Verrechnung von Stranded Costs-Beiträgen gegenüber nicht zugelassenen Kunden gesetzwidrig war. Die klagende Partei habe daher einen Betrag von € 1.112.699,01 zu Unrecht entrichtet. Weiters hätten die GKB-Bergbau GmbH sowie die Gemeinde Hieflau ebenfalls Stranded Costs-Beiträge in der Höhe von € 18.148,28 bzw. € 2.547,26 an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit oder an die Energie-Control GmbH abgeführt, obwohl diese wie die STEG keine zugelassenen Kunden waren.

Die klagende Partei sei Rechtsnachfolgerin der STEG, der GKB-Bergbau GmbH betreffend den Teilbetrieb "Elektrizitätsversorgung" sowie des Energieversorgungsunternehmens der Gemeinde Hieflau, sodass auch deren Rückforderungsanspruch von der klagenden Partei geltend gemacht wird. Damit sei von den Rechtsvorgängern der klagenden Partei ein Betrag von insgesamt € 1.133.394,55 rechtsgrundlos an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit abgeführt worden.

Trotz mehrfacher Aufforderung und Mahnung an die Energie-Control GmbH seien die zu Unrecht abgeführten Beträge nicht zurückbezahlt worden.

Da die Rechtsvorgänger der klagenden Partei die genannten Beträge abgeführt hätten, obwohl sie selbst weder zugelassene Kunden waren noch zugelassene Kunden beliefert haben, stehe der klagenden Partei der eingeklagte Rückforderungsanspruch zu. Der Verfassungsgerichtshof habe die Geldleistungsverpflichtung der Netzbetreiber gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und der Energie-Control GmbH als öffentlich-rechtliche (elektrizitätswirtschaftliche) Geldleistungsverpflichtung bezeichnet. Da auch ein Antrag an die Energie-Control GmbH gesetzlich nicht vorgesehen sei und auch sonst keine Möglichkeit zur bescheidmäßigen Erwirkung der Rückzahlung besteht, stehe der Netzbetreiberin kein anderer Rechtsweg zur Verfügung als eine Klage an den Verfassungsgerichtshof. Die Energie-Control GmbH sei vom Gesetz bloß als Treuhänder (§69 Abs6 ElWOG) eingesetzt, weshalb die Geldleistung nicht ihr, sondern dem Bund zuzurechnen sei. Diese treuhändische Tätigkeit beruhe wie der zugrunde liegende Anspruch auf dem öffentlichen Recht und sei keine bürgerliche Rechtssache, weshalb eine Klagsführung gegen die Energie-Control GmbH vor den ordentlichen Gerichten gemäß §1 JN ausgeschlossen sei.

2. Der Bund erstattete eine Gegenschrift, in der er zunächst außer Streit stellte, dass die klagende Partei (Gesamt-)Rechtsnachfolgerin der STEG und der Gemeinde Hieflau Elektrizitätsversorgung GmbH ist. Vom Bund bestritten wird die behauptete Rechtsnachfolge der klagenden Partei hinsichtlich des Teilbetriebes "Elektrizitätsversorgung" der GKB-Bergbau GmbH, da sich weder aus dem Firmenbuchauszug der GKB noch dem der klagenden Partei irgendwelche Hinweise auf einen derartigen Rechtsübergang ergeben und auch sonst bislang keine Nachweise für einen derartigen Rechtsübergang erbracht worden seien.

Ausdrücklich bestritten werde auch, dass die klagende Partei überhaupt (noch) zur Geltendmachung des Klagsanspruches aktivlegitimiert ist, da sich aus ihrem Firmenbuchauszug ergibt, dass mit Einbringungsvertrag vom 27. Februar 2006 der Teilbetrieb "Verteilernetzbetrieb - Netzmanagement" im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß §68a Abs5 ElWOG an die Stromnetz Steiermark GmbH übertragen wurde, womit unzweifelhaft auch die Berechtigung zur Geltendmachung von allfälligen Bereicherungsansprüchen, die im Zusammenhang mit dem Verteilernetzbetrieb standen bzw. stehen, mitübertragen worden sei.

3. Die zur Erstattung einer Stellungnahme eingeladene Energie-Control Kommission merkt an, laut Firmenbuchauszug sei die Übernahme des Teilbetriebes der klagenden Partei "Verteilernetzbetrieb - Netzmanagement" durch die Stromnetz Steiermark GmbH gemäß §68a Abs5 ElWOG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erfolgt. Da die Einhebung und in weiterer Folge die Abführung von Stranded Costs-Beiträgen durch die Netzbetreiber zu erfolgen habe (§69 Abs6 ElWOG), sei fraglich, ob die in diesem Verfahren geltend gemachten Forderungen womöglich auf die Stromnetz Steiermark GmbH "im Wege der Gesamtrechtsnachfolge" übergegangen sind, was zur Folge hätte, dass der Klägerin die aktive Klagslegitimation gänzlich fehlen würde.

4. Die klagende Partei erstattete eine Replik, in der sie insbesondere ausführt:

"Es ist richtig, dass mit dem Einbringungsvorgang vom 27.2.2006 der Teilbetrieb 'Verteilernetzbetrieb Netzmanagement' im Wege der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge iSd §68a Abs1 ElWOG an die Stromnetz Steiermark GmbH übertragen wurde. Die klagsgegenständlichen Ansprüche waren aber niemals Bestandteil des Teilbetriebs 'Verteilernetzbetrieb - Netzmanagement'.

Die Berechtigung zur Geltendmachung von allfälligen Bereichungsansprüchen wegen der unrichtigen Zahlung von Stranded-Costs-Beiträgen und die Ansprüche selbst wurden daher nicht auf die Stromnetz Steiermark GmbH übertragen.

Es ist zunächst zu betonen, dass es sich hier nicht um 'Bereicherungsansprüche' handelt, die 'im Zusammenhang mit dem Verteilernetzbetrieb standen bzw. stehen', sondern vielmehr um Forderungen, die daraus resultieren, dass die Rechtsvorgänger der klagenden Partei die klagsgegenständlichen Beträge in ihrer vermeintlichen Eigenschaft als zahlungspflichtige Unternehmen und in der vermeintlichen Befolgung des öffentlich rechtlichen Aufbringungsmechanismus für Stranded Costs direkt an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit abgeführt haben.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des OGH vom 15.02.2006, 3 Ob 91/05m ... hinzuweisen, wo der OGH im Anschluss an 6 Ob 100/05g bereits unmissverständlich ausgesprochen hat, dass Zuschläge zum Systemnutzungstarif (wie zB Stranded-Costs-Beiträge, Öko- und KWK-Zuschläge) nicht zum Bereich des Netzbetriebs zählen (und daher auch kein Bestandteil des Vertragssynallagmas zwischen Netzbetreiber und Netzbenutzer sind). ...

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass mit der Einbringung die in Frage stehenden Forderungen (Bereicherungsansprüche) eben gerade nicht übertragen wurden. Mit anderen Worten waren diese Forderungen von der partiellen Gesamtrechtsnachfolge schlicht nicht erfasst. Die Forderungen (Bereicherungsansprüche) stehen auch gar nicht im Zusammenhang mit dem Geschäftszweck der Stromnetz Steiermark GmbH. Die Forderungen sind daher weder Bestandteil des Einbringungsvertrages noch Bestandteil der Einbringungsbilanz, zumal diese auf Grund der nicht eindeutigen Werthaltigkeit auch gar nicht bilanzierungsfähig gewesen wären (handelsrechtliches Vorsichtsprinzip).

Zur Illustration ist darauf hinzuweisen, dass weder im Einbringungsvertrag vom 13.12.2005 noch im Einbindungsvertrag vom 27.2.2006 eine Übertragung der klagsgegenständlichen Forderungen festgehalten wird. Die relevanten Vertragsbestimmungen ... sehen dies gerade nicht vor. Auch die für die Vermögensübertragung relevante Einbringungsbilanz vom 31.12.2006 enthält keinerlei Aktiva, welche die gegenständlichen Rückforderungsansprüche umfassen würden."

II. 1. Die Klage ist unzulässig.

Die klagende Partei selbst führt aus, dass mit dem "Einbringungsvorgang vom 27.2.2006 der Teilbetrieb 'Verteilernetzbetrieb - Netzmanagement' im Wege der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge iSd §68a Abs1 [gemeint wohl: Abs5] ElWOG an die Stromnetz Steiermark GmbH übertragen wurde". §68a ElWOG in der Fassung BGBl. I Nr. 63/2004 lautet auszugsweise:

"Übergangsbestimmungen zur Novelle BGBl. I 63/2004

§68a. (1) (Grundsatzbestimmung) Die Ausführungsgesetze haben vorzusehen, dass vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen oder Unternehmen, die zu einem vertikal integrierten Unternehmen im Sinne des §7 Z46 gehören und die am 1. Juli 2004 Träger einer Konzession der in Ausführung des §26 erlassenen landesgesetzlichen Bestimmungen sind, bis spätestens 1. Jänner 2006 der Landesregierung ein Unternehmen zu benennen haben, auf das die Konzession bei Erfüllung der Konzessionsvoraussetzungen zu übertragen ist. Bei Erfüllung der Konzessionsvoraussetzungen hat das benannte Unternehmen einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Konzession in dem zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes bestehenden Umfang. Die Benennung des bisherigen Konzessionsträgers ist zulässig, wenn die gesetzlich vorgesehenen Konzessionsvoraussetzungen erfüllt werden.

...

(2) (Grundsatzbestimmung) Abs1 findet keine Anwendung auf vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen oder Unternehmen, die zu einem vertikal integrierten Unternehmen im Sinne des §7 Z46 gehören, wenn die Anzahl der an das Netz angeschlossenen Kunden 100 000 nicht übersteigt.

...

(5) (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) Die im Zusammenhang mit der Entflechtung durchzuführenden Umstrukturierungen durch Umgründungen jeder Art erfolgen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge; dies gilt insbesondere für Einbringungen. ..."

Der in Abs1 dieser Bestimmung verwiesene §26 ElWOG in der Fassung BGBl. I 63/2004 lautet auszugsweise:

"Ausübungsvoraussetzungen für Verteilernetze

§26. (Grundsatzbestimmung) (1) Der Betrieb eines Verteilernetzes innerhalb eines Landes bedarf einer Konzession.

(2) Die Ausführungsgesetze haben insbesondere die Konzessionsvoraussetzungen und die Parteistellung bei der Konzessionserteilung zu regeln.

(3) Für Verteilernetzbetreiber, an deren Netz mehr als 100 000 Kunden angeschlossen sind, haben die Ausführungsgesetze als Konzessionsvoraussetzung vorzusehen, dass Konzessionswerber, die zu einem vertikal integrierten Unternehmen gehören, zumindest in ihrer Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt unabhängig von den übrigen Tätigkeitsbereichen sein müssen, die nicht mit der Verteilung zusammenhängen. Weiters haben die Ausführungsgesetze vorzusehen, dass im Falle einer Konzessionserteilung insbesondere auch durch entsprechende Auflagen oder Bedingungen sichergestellt wird, dass der Verteilernetzbetreiber hinsichtlich seiner Organisation und Entscheidungsgewalt unabhängig von den übrigen Tätigkeitsbereichen eines vertikal integrierten Unternehmens ist, die nicht mit der Verteilung zusammenhängen. ..."

§69 ElWOG und die darauf gestützten Verordnungen des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit beriefen stets "die Netzbetreiber" zur Einhebung und Abführung der so genannten "Stranded Costs-Beiträge". Auch die zuletzt erlassene solche Verordnung BGBl. II 311/2005 (Neuerlassung des zuvor mit VfSlg. 17.210/2004 aufgehobenen §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II) spricht von Verpflichtungen "der Netzbetreiber" und trifft Regelungen betreffend gerade jenen Zeitraum, für den die klagende Partei ihres Erachtens zu Unrecht entrichtete Beiträge zurückfordert.

Wenn der Gesetzgeber daneben in §68a Abs1 iVm §26 ElWOG integrierte Elektrizitätsunternehmen zur Übertragung der Konzession zum Verteilernetzbetrieb auf andere Gesellschaften verpflichtet und in §68a Abs5 ElWOG für "Umgründungen", die im Zusammenhang mit der "Entflechtung" durchgeführt werden, eine Gesamtrechtsnachfolge anordnet, bedeutet dies, dass die Rechte und Pflichten "der Netzbetreiber" ab der "Umgründung" den nunmehrigen Konzessionsträgern zukommen. Ab diesem Zeitpunkt sind nicht nur eventuelle weitere Bescheide zur Festsetzung von Beitragspflichten gemäß §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II in der Fassung BGBl. II 311/2005 an die nunmehrigen Konzessionsinhaber zu richten. Auch die verfahrensrechtliche Stellung der früheren Konzessionsinhaber in anhängigen Verfahren und davor entstandene Ansprüche und Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Einhebung von Stranded Costs-Beiträgen sind auf die nunmehrigen Konzessionsinhaber übergegangen. Das muss auch für Ansprüche gelten, die nach Art137 B-VG geltend zu machen sind.

Das Vorbringen der klagenden Partei, die geltend gemachten Ansprüche stünden nicht im Zusammenhang mit dem Verteilernetzbetrieb, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen. Dass sie nicht (ausdrücklich) im vorgelegten "Einbringungsvertrag" und im "Einbindungsvertrag" als Teil des übertragenen Vermögens erwähnt werden, kann an der durch unmittelbar anwendbares Bundesrecht angeordneten Gesamtrechtsnachfolge nichts ändern. Die zur Begründung ihrer Aktivlegitimation von der klagenden Partei ins Treffen geführte Argumentation, auch in der "Einbringungsbilanz" seien diese Ansprüche nicht enthalten, widerlegt die klagende Partei selbst durch ihren Hinweis, dass die Forderungen "auf Grund der nicht eindeutigen Werthaltigkeit ... gar nicht bilanzierungsfähig gewesen wären (handelsrechtliches Vorsichtsprinzip)". Das von der klagenden Partei zitierte Urteil des OGH trifft keine Aussagen über die Reichweite der "Gesamtrechtsnachfolge" iSd §68a Abs5 ElWOG.

2. Die Klage war somit schon mangels Aktivlegitimation der klagenden Partei zurückzuweisen, sodass auf andere Prozessvoraussetzungen nicht einzugehen war.

Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Energierecht, Elektrizitätswesen, Übergangsbestimmung,Gesamtrechtsnachfolge

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:A26.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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