TE Vfgh Erkenntnis 2014/10/8 B874/2013

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Veröffentlicht am 08.10.2014
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Anlassfall

Spruch

I.              Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II.              Das Land Niederösterreich ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren

1. Die beiden Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks Nr 627, KG Eichgraben. Für einen Teil dieses Grundstücks ist seit der durch Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 13. August 2008, Tagesordnungspunkt 2a der Gemeinderatssitzung, erfolgten Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes (in der Folge: ÖRP) die Widmung "Grünland-Grüngürtel" ("Ggü") mit der Funktionsfestlegung "Bachbegleitgrün" festgesetzt. Zuvor war dieses Grundstück der Beschwerdeführer zur Gänze mit der Widmung "Bauland-Wohngebiet" ("BW") ausgewiesen.

2. Am 19. Dezember 2008 stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung, dass es sich bei dem als Grünland gewidmeten Teil ihres Grundstücks nicht um Wald iSd Bundesgesetzes vom 3. Juli 1975, mit dem das Forstwesen geregelt wird (Forstgesetz 1975), BGBl 440 idF BGBl I 55/2007, handle, was von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten mit Bescheid vom 17. März 2009 antragsgemäß festgestellt wurde. In der Folge wurde die bis dahin bestehende "Wald"-Kennzeichnung des relevanten Grundstückteils der Beschwerdeführer aus der Digitalen Katastralmappe (DKM) ausgetragen.

3. Der im Jahr 2012 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Individualantrag der nunmehrigen Beschwerdeführer, mit welchem die Aufhebung des ÖRP im Hinblick auf die Umwidmung ihres o.a. Grundstückteils in "Grünland-Grüngürtel" mit der Funktionsfestlegung "Bachbegleitgrün" angestrebt wurde, wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 2012 zu V58/2012 zurückgewiesen, weil ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Verordnung im Verfahren zur Bauplatzerklärung bestanden habe.

4. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eichgraben vom 4. Dezember 2012 wurde der Antrag der Beschwerdeführer, jenen Teil des o.a. Grundstücks, der als "Grünland-Grüngürtel" mit der Funktionsfestlegung "Bachbegleitgrün" gewidmet ist, zum Bauplatz zu erklären, abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Gemeindevorstand der Marktgemeinde Eichgraben mit Bescheid vom 5. Juni 2013 abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Juli 2013 abgewiesen. Eine Bauplatzerklärung komme auch für eine Teilfläche eines Grundstücks nur dann in Betracht, wenn diese im Bauland liege.

5. In der gegen den letztgenannten Bescheid gemäß Art144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des ÖRP, und die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) geltend gemacht. Die Beschwerde führt u.a. aus, dass nach §22 Abs1 Z2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (NÖ ROG 1976), LGBl 8000-23, das Raumordnungsprogramm nur bei Vorliegen von wesentlichen Änderungen der Grundlagen hätte geändert werden dürfen.

6. Die Niederösterreichische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den in der Beschwerde geäußerten Bedenken entgegentritt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

7. Die Marktgemeinde Eichgraben brachte die Verordnungsakten in Vorlage und erstattete eine kurze Äußerung.

8. Aus Anlass der unter Pkt. I.5. angeführten Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof am 11. Juni 2014 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Eichgraben in der vom Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben am 13. August 2008 unter Tagesordnungspunkt 2a beschlossenen Fassung, soweit dieses für einen Teil des Grundstücks Nr 627, KG Eichgraben, die Widmung "Grünland-Grüngürtel", Funktionsfestlegung "Bachbegleitgrün", vorsieht, ein. Mit Erkenntnis vom 25. September 2014, V65/2014, hob der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Verordnung insoweit auf.

II. Erwägungen

Die Beschwerde ist begründet:

1. Die Niederösterreichische Landesregierung hat die als verfassungswidrig erkannte Verordnung angewendet (s. oben unter Pkt. I.4.). Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass die den angefochtenen Bescheid erlassende Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn sie die Verordnung nicht angewendet hätte.

2. Die Beschwerdeführer wurden somit durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr in der Höhe von € 240,– enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:B874.2013

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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