TE Vwgh Beschluss 2014/9/10 Ro 2014/08/0047

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Veröffentlicht am 10.09.2014
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Index

E1E;
E3L E05204020;
E3R E05204020;
LI-66 Sozialversicherung Liechtenstein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

12010E045 AEUV Art45;
12010E267 AEUV Art267;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV;
31998L0049 Rentenansprüche-RL Art3;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art1 litl;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art1 litw;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art3;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art30;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art5;
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art9;
Alters- Hinterlassenenversicherung Liechtenstein 1952;
ASVG §73a Abs1;
Personalvorsorge betriebliche Liechtenstein 1987;
VwGG §38b;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2014/0005 21. Januar 2016 * EuGH-Zahl: C-453/14 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: Ro 2014/08/0047 E 7. April 2016 Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2014/08/0064

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel als Richterinnen sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, in den Revisionssachen der Erstrevisionswerberin Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn, vertreten durch die Sutterlüty Klagian Brändle Lercher Gisinger Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Marktstraße 4, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Vorarlberg 1. vom 10. Dezember 2013, Zl. IVb-609-2012/0093 (hg. Zl. Ro 2014/08/0047), und 2. vom 10. Dezember 2013, Zl. IVb- 609-2012/0085 (hg. Zl. Ro 2014/08/0051), sowie des Zweitrevisionswerbers Dr. A K in R, vertreten durch Mag. Jürgen Nagel und Dr. Michael Bitriol, Rechtsanwälte in 6900 Rankweil, Rheinstraße 35, gegen den zu 1. genannten Bescheid (hg. Zl. Ro 2014/08/0064), betreffend Krankenversicherungsbeiträge gemäß § 73a ASVG (mitbeteiligte Partei: R M in M), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wird nach Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit unter Bedachtnahme auf Art. 45 AEUV dahin auszulegen, dass Altersrenten aus einem Rentensystem der beruflichen Vorsorge (das staatlich initiiert und gewährleistet wird, die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen soll, nach dem Kapitalisierungsprinzip funktioniert, grundsätzlich obligatorisch ist, jedoch auch über den gesetzlichen Mindestumfang hinausgehende "überobligatorische" Beiträge und entsprechend höhere Leistungen vorsehen kann, und dessen Durchführung einer vom Arbeitgeber zu errichtenden oder verwendeten Vorsorgeeinrichtung obliegt, wie vorliegend das Rentensystem der "zweiten Säule" in Liechtenstein) und Alterspensionen aus einem gesetzlichen Pensionssystem (das ebenfalls staatlich initiiert und gewährleistet wird, die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen soll, jedoch nach dem Umlageprinzip funktioniert, obligatorisch ist und dessen Durchführung gesetzlich eingerichteten Pensionsversicherungsträgern obliegt, wie vorliegend das Pensionssystem Österreichs) "gleichartig" im Sinn der genannten Bestimmung sind?

Begründung

A. Sachverhalt:

Der Zweitrevisionswerber und die mitbeteiligte Partei wohnen in Österreich und sind als Bezieher einer österreichischen Pension nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) krankenversichert. Auf Grund ihrer früheren Tätigkeit in der Schweiz bzw. in Liechtenstein beziehen sie aus der beruflichen Vorsorge im Rahmen der "zweiten Säule" des liechtensteinischen Pensionssystems von der H. Pensionskasse Altersrenten.

B. Ausgangsverfahren:

1. Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse verpflichtete den Zweitrevisionswerber und die mitbeteiligte Partei gemäß § 58 Abs. 2 vierter Satz iVm § 73a Abs. 1 ASVG, ab Oktober 2011 bis laufend für die von der H. Pensionskasse monatlich bezogenen Pensionsleistungen Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge herabgesetzt. Sie führte begründend aus, die Leistungen der H. Pensionskasse würden auf der liechtensteinischen beruflichen Vorsorge nach dem Gesetz über die betriebliche Personalvorsorge (BPVG) beruhen. Das "Alterskapital" der H. Pensionskasse stamme aus "vorobligatorischen", "obligatorischen" und "überobligatorischen" Beiträgen. Die "obligatorische Versicherung" nach dem BPVG würde in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und damit gemäß § 73a ASVG unter die Beitragspflicht fallen. Hingegen würde der überobligatorische Bereich nach dem BPVG nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 fallen. Daran ändere die Notifizierung des BPVG durch Liechtenstein nichts, weil der überobligatorische Bereich im BPVG inhaltlich nicht näher geregelt worden sei. Beim vorobligatorischen Teil der Vorsorge handle es sich um jenen Teil der Beiträge, die vor Inkrafttreten des BPVG (vor dem 1. Jänner 1989) geleistet worden seien. Er sei rechtlich wie der überobligatorische Teil zu behandeln und falle ebenfalls nicht unter die Beitragspflicht des § 73a ASVG.

3. In den gegen diese Bescheide erhobenen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bringt die revisionswerbende Gebietskrankenkasse vor, das BPVG würde in weiten Teilen sowohl für das sogenannte "Überobligatorium" als auch für das sogenannte "Vorobligatorium" gelten. Das Fürstentum Liechtenstein habe das BPVG ohne Vorbehalt als unter den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 fallend notifiziert, sodass schon deshalb § 73a ASVG auch für das Überobligatorium bzw. das Vorobligatorium zur Anwendung komme. Bis zur Einführung des liechtensteinischen BPVG am 1. Jänner 1989 habe nur ein zwingendes System der staatlichen Pensionsvorsorge nach dem Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) bestanden. Die meisten liechtensteinischen Arbeitnehmer seien bereits vor Inkrafttreten des BPVG einer - freiwilligen - betrieblichen Pensionsvorsorgekasse unterlegen. Würde man hier nun hinsichtlich des davor gelegenen Zeitraumes die damaligen betrieblichen Pensionsvorsorgebeiträge ("Vorobligatorium") überhaupt nicht berücksichtigen, käme es zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von Pensionisten mit reinem "inländischem" Pensionsbezug und sogenannten Grenzgängern, welche vormals als Arbeitnehmer in Liechtenstein tätig gewesen seien. Das Ziel der Sicherung der gewohnten Lebenshaltung, welches in Österreich allein durch die staatliche Pensionsvorsorge gewährleistet werde, könne in Liechtenstein nur dadurch verwirklicht werden, dass neben der staatlichen Pensionsvorsorge ("Säule 1") und dem Obligatorium ("Säule 2a") auch das Überobligatorium bzw. Vorobligatorium ("Säule 2b") mitberücksichtigt werde. Weder beim Überobligatorium noch beim Vorobligatorium sei von einer Abschluss- und Inhaltsfreiheit (Privatautonomie) auszugehen. Die zum Überobligatorium bzw. Vorobligatorium gehörenden Beiträge würden in Liechtenstein steuerlich gleich behandelt wie das Obligatorium. In gleicher Weise seien derartige Beiträge in Österreich als Pflichtbeiträge iSd § 16 Abs. 1 Z 4 lit. h Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) zu werten. Eine unterschiedliche sozialversicherungsrechtliche Behandlung der daraus erwachsenden Pensionen wäre nicht schlüssig. Bei der Auszahlung der Pensionen durch die H. Pensionskasse werde nicht danach unterschieden, ob es sich bei den seinerzeitigen Beitragsleistungen um obligatorische, vorobligatorische oder überobligatorische Beiträge gehandelt habe. Ein "Herausrechnen" des vorobligatorischen und überobligatorischen Anteils einer Pensionsleistung stoße in der Praxis auf große Schwierigkeiten.

Der Zweitrevisionswerber bekämpft den ihn betreffenden Bescheid mit der Behauptung, er schulde keine Krankenversicherungsbeiträge gemäß § 73a ASVG, weil auch der "obligatorische Teil" der Rentenleistungen der H. Pensionskasse nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 falle. Ein unterschiedliches Vorgehen von Lichtenstein und der Schweiz bei der Notifizierung der unter die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 fallenden Rechtsvorschriften könne nicht zur Folge haben, dass ein- und derselbe Sachverhalt innerstaatlich unterschiedlich beurteilt werde. Zudem lasse die in der obligatorischen beruflichen Vorsorge schwach ausgeprägte Solidarität deutlich auf ein nicht in den genannten Anwendungsbereich fallendes ergänzendes Rentensystem schließen. C. Bestimmungen des nationalen Rechts:

§ 73a Abs. 1 ASVG idF des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010 - 2. SVÄG 2010, BGBl. I Nr. 102/2010, lautet:

"§ 73a. (1) Wird eine ausländische Rente bezogen, die vom Geltungsbereich

-

der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 oder

-

der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern und 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 oder

-

eines auch Regelungen über die Krankenversicherung beinhaltenden bilateralen Abkommens über die soziale Sicherheit

erfasst ist, so ist, wenn ein Anspruch des Beziehers/der Bezieherin der ausländischen Rente auf Leistungen der Krankenversicherung besteht, auch von dieser ausländischen Rente ein Krankenversicherungsbeitrag nach § 73 Abs. 1 und 1a zu entrichten. Dieser Beitrag ist in dem Zeitpunkt fällig, in dem die ausländische Rente ausgezahlt wird."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 937 BlgNR 24. GP zum

                 2.       SVÄG 2010 führen zu dieser Bestimmung Folgendes aus:

"Durch die vorgeschlagene Neuregelung sollen die Rechtsgrundlagen für die Einhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auch von ausländischen Pensionen/Renten präzisiert und im Hinblick auf die Belastung der Versicherten mit Krankenversicherungsbeiträgen eine 'Gleichstellung' von Auslands- und Inlandspensionen/renten herbeigeführt werden. Wie vom Vorarlberger Grenzgängerverband und der Vorarlberger Gebietskrankenkasse aufgezeigt, resultiert aus dem Umstand, dass Krankenversicherungsbeiträge bislang zwar von inländischen Pensionen, nicht jedoch auch von vergleichbaren ausländischen Leistungen zu entrichten waren, insofern eine Ungleichbehandlung von Pensionisten mit rein 'inländischem' Pensionsbezug und Pensionisten/Rentnern mit niedrigem Inlands- und hohem Auslandsbezug, als Erstere die Beiträge von der gesamten Pension, Zweitere hingegen nur vom niedrigen inländischen Pensionsanteil zu entrichten hatten. Pensionisten mit niedriger Inlands-, jedoch hoher Auslandspension/rente stand somit der vollen Krankenversicherungsschutz (einschließlich Angehörigenschutz) um nur wenige Euro monatlich zur Verfügung, während Pensionisten mit ausschließlichem Inlandspensionsbezug für den selben Schutzumfang wesentlich höhere Beiträge zu entrichten hatten.

Diese Ungleichbehandlung soll aus Anlass der sich durch das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bietenden Gelegenheit, die ab 1. Mai 2010 die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 im Verhältnis zu den EU-Mitgliedsstaaten ablöst (Art. 5 der VO 883 enthält eine ausdrückliche Gleichstellungsbestimmung), nunmehr beseitigt werden.

(...)"

D. Bestimmungen des Unionsrechts:

              1.       VO (EG) Nr. 883/2004:

Art. 1 lit. l und w der VO (EG) Nr. 883/2004 lautet:

"Artikel 1

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

(...)

              l)       'Rechtsvorschriften' für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit.

Dieser Begriff umfasst keine tarifvertraglichen Vereinbarungen, mit Ausnahme derjenigen, durch die eine Versicherungsverpflichtung, die sich aus den in Unterabsatz 1 genannten Gesetzen oder Verordnungen ergibt, erfüllt wird oder die durch eine behördliche Entscheidung für allgemein verbindlich erklärt oder in ihrem Geltungsbereich erweitert wurden, sofern der betreffende Mitgliedstaat in einer einschlägigen Erklärung den Präsidenten des Europäischen Parlaments und den Präsidenten des Rates der Europäischen Union davon unterrichtet. Diese Erklärung wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht;

(...)

              w)       'Renten' nicht nur Renten im engeren Sinn, sondern auch Kapitalabfindungen, die an deren Stelle treten können, und Beitragserstattungen sowie, soweit Titel III nichts anderes bestimmt, Anpassungsbeträge und Zulagen;"

Art. 3 der VO (EG) Nr. 883/2004 lautet:

"Artikel 3

Sachlicher Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

a)

Leistungen bei Krankheit;

b)

Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft;

c)

Leistungen bei Invalidität;

d)

Leistungen bei Alter;

e)

Leistungen an Hinterbliebene;

f)

Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;

g)

Sterbegeld;

h)

Leistungen bei Arbeitslosigkeit;

i)

Vorruhestandsleistungen;

j)

Familienleistungen.

(2) Sofern in Anhang XI nichts anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung für die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme betreffend die Verpflichtungen von Arbeitgebern und Reedern.

(...)."

Art. 5 der VO (EG) Nr. 883/2004 lautet:

"Artikel 5

Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder

Ereignissen

Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

a) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.

b) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären."

Art. 9 der VO (EG) Nr. 883/2004 lautet:

"Artikel 9

Erklärungen der Mitgliedstaaten zum Geltungsbereich dieser Verordnung

(1) Die Mitgliedstaaten notifizieren der Europäischen Kommission schriftlich die Erklärungen gemäß Artikel 1 Buchstabe l, die Rechtsvorschriften, Systeme und Regelungen im Sinne des Artikels 3, die Abkommen im Sinne des Artikels 8 Absatz 2, die Mindestleistungen im Sinne des Artikels 58 und das Fehlen eines Versicherungssystems im Sinne des Artikels 65a Absatz 1 sowie wesentliche Änderungen. In diesen Notifizierungen ist das Datum anzugeben, ab dem diese Verordnung auf die von den Mitgliedstaaten darin genannten Regelungen Anwendung findet.

(2) Diese Notifizierungen werden der Europäischen Kommission jährlich übermittelt und im erforderlichen Umfang bekannt gemacht."

Art. 30 der VO (EG) Nr. 883/2004 lautet:

"Artikel 30

Beiträge der Rentner

(1) Der Träger eines Mitgliedstaats, der nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften Beiträge zur Deckung der Leistungen bei Krankheit sowie der Leistungen bei Mutterschaft und der gleichgestellten Leistungen bei Vaterschaft einzubehalten hat, kann diese Beiträge, die nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften berechnet werden, nur verlangen und erheben, soweit die Kosten für die Leistungen nach den Artikeln 23 bis 26 von einem Träger in diesem Mitgliedstaat zu übernehmen sind.

(2) Sind in den in Artikel 25 genannten Fällen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der betreffende Rentner wohnt, Beiträge zu entrichten oder ähnliche Zahlungen zu leisten, um Anspruch auf Leistungen bei Krankheit sowie auf Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft zu haben, können solche Beiträge nicht eingefordert werden, weil der Rentner dort wohnt."

2. Art. 30 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lautet:

"Artikel 30

Beiträge der Rentner

Erhält eine Person Renten aus mehr als einem Mitgliedstaat, so darf der auf alle gezahlten Renten erhobene Betrag an Beiträgen keinesfalls den Betrag übersteigen, der bei einer Person erhoben wird, die denselben Betrag an Renten in dem zuständigen Mitgliedstaat erhält."

3. Dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/49/EG des Rates zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern, zu Folge bezieht sich die VO (EWG) Nr. 1408/71 (und gemäß Art. 90 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 883/2004 auch diese) nur auf die dem Koordinierungssystem unterworfenen gesetzlichen Rentensysteme. Dem fünften Erwägungsgrund der genannten Richtlinie zu Folge darf keine Rente oder Leistung sowohl den Bestimmungen dieser Richtlinie als auch den Bestimmungen der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr. 574/72 bzw. der VO (EG) Nr. 883/2004 unterworfen sein.

Gemäß Artikel 3 dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

"a) 'ergänzende Rentenleistungen' die Altersversorgung (...), durch die die in denselben Versicherungsfällen von den gesetzlichen Sozialversicherungssystemen gewährten Leistungen ergänzt oder ersetzt werden;

b) 'ergänzendes Rentensystem' ein nach einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten eingerichtetes betriebliches Rentensystem, beispielsweise ein Gruppenversicherungsvertrag oder ein branchenweit oder sektoral vereinbartes System nach dem Umlageverfahren, ein Deckungssystem oder Rentenversprechen auf der Grundlage von Pensionsrückstellungen der Unternehmen, oder eine tarifliche oder sonstige vergleichbare Regelung, die ergänzende Rentenleistungen für Arbeitnehmer oder Selbständige bieten soll;

c) 'Rentenansprüche' eine Leistung, auf die Anspruchsberechtigte und sonstige Berechtigte im Rahmen der Regelungen eines ergänzenden Rentensystems und gegebenenfalls nach einzelstaatlichem Recht Anspruch haben;

d) 'erworbene Rentenansprüche' Ansprüche auf Leistungen, die erworben sind, nachdem die nach den Regelungen eines ergänzenden Rentensystems und gegebenenfalls nach einzelstaatlichem Recht erforderlichen Bedingungen erfüllt worden sind;

e) 'entsandter Arbeitnehmer' einen Arbeitnehmer, der zum Arbeiten in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird und gemäß Titel II der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 weiterhin den Rechtsvorschriften des Herkunftsmitgliedstaates unterliegt; die Entsendung ist entsprechend zu verstehen;

f) 'Beiträge' Zahlungen, die an ein ergänzendes Rentensystem geleistet werden oder als geleistet gelten."

4. Die Verordnung 883/2004/EG über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gilt seit dem Inkrafttreten ihrer Durchführungsverordnung 987/2009/EG am 1. Mai 2010 in den EU-Mitgliedstaaten und hat die bisher gültigen Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und (EWG) Nr. 574/72 - bis auf wenige Ausnahmen (vgl. Art. 90 VO (EG) Nr. 883/2004) - ersetzt.

Seit dem 1. Juni 2012 gelten die VO (EG) Nr. 883/2004 und deren Durchführungsverordnung VO (EG) Nr. 987/2009 auch in Island, Liechtenstein und Norwegen (Beschluss Nr. 76/2011 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses vom 1. Juli 2011 zur Änderung von Anhang VI (Soziale Sicherheit) und von Protokoll 37 zum EWR-Abkommen, ABl. L 2011/262,33, iVm der Kundmachung vom 26. Juni 2012, Liechtensteinisches LGBl. Nr. 202/2012).

E. Zur Vorlageberechtigung:

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 267 AEUV, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechtes angefochten werden können. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, dass sich bei der Entscheidung über die von ihm zu beurteilenden Krankenversicherungsbeiträge die im gegenständlichen Ersuchen um Vorabentscheidung angeführten und im Folgenden näher erörterten Fragen der Auslegung des Unionsrechts stellen.

F. Erläuterung des Vorlagebeschlusses:

1. § 73a Abs. 1 ASVG soll eine Präzisierung der u.a. in der VO (EG) Nr. 883/2004 enthaltenen Rechtsgrundlagen zur Möglichkeit der Einbehaltung von Krankenversicherungsbeiträgen von Rentenleistungen eines anderen Mitgliedstaates darstellen (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage 937 BlgNr. 24. GP, 1 f.). Er bezieht alle vom zwischenstaatlichen Koordinierungsrecht erfassten Leistungen in die Beitragspflicht ein, ohne die ausländische Leistung an einem Katalog der nach nationaler Systematik der Beitragspflicht in der Krankenversicherung unterliegenden österreichischen Pensionen zu messen. Nicht erfasst werden Leistungen, die nicht den VO (EWG) Nr. 1408/71 oder VO (EG) Nr. 883/2004 bzw. den in diesen Verordnungen angesprochenen Rechtsvorschriften unterliegen (vgl. Spiegel in Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg.), Der SV-Komm, Rz 6, 8 und 13/1 zu § 73a ASVG).

Unionsrechtlich sind dem Anwendungsbereich des § 73a Abs. 1 ASVG jedoch durch Art. 5 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 bzw. durch das allgemeine Diskriminierungsverbot bei Ausübung der Freizügigkeit iSd Art. 45 AEUV (vgl. zur früheren Rechtslage EuGH 18. Juli 2006, C-50/05, Nikula) insofern Grenzen gesetzt, als ein nationaler Gesetzgeber die Entrichtung von Krankenversicherungsbeiträgen vom Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten Leistungen (der sozialen Sicherheit) nur anordnen darf, wenn er die Entrichtung von Krankenversicherungsbeiträgen vom Bezug von (nach den nationalen Rechtsvorschriften gewährten) gleichartigen Leistungen der sozialen Sicherheit anordnet.

2. Ob Leistungen der sozialen Sicherheit verschiedener Mitgliedstaaten als gleichartig iSd Art. 5 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 angesehen werden können, hängt von den Rechtsgrundlagen ab, nach denen sie gewährt werden. Dies ist anhand der gesetzlichen Grundlagen der Rentenbezüge des Zweitrevisionswerbers und des Mitbeteiligten sowie der gesetzlichen Grundlagen österreichischer Alterspensionen zu beurteilen.

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof legt die wichtigsten einschlägigen liechtensteinischen Bestimmungen (Auszug aus der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921, LGBl. Nr. 15; Gesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, LGBl. Nr. 29/1952 idF LGBl. Nr. 541/2011(AHVG); Gesetz über die betriebliche Personalvorsorge, LGBl. Nr. 12/1988 idF LGBl. Nr. 6/2013(BPVG); Gesetz vom 12. Dezember 2006, LGBl. Nr. 16/2007, betreffend die Aufsicht über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (Pensionsfondsgesetz - PFG); Erklärung Liechtensteins gemäß

Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Abl. C 127/35 sowie die Erklärung Liechtensteins gemäß Artikel 9 der VO (EG) Nr. 883/2004) diesem Ersuchen als Anlagen 1 bis 6 bei.

Eine Analyse der rechtlichen Grundlagen des liechtensteinischen Rentensystems, dem die hier zur Rede stehende Rente entstammt, führt zu folgendem Befund:

Das System der Altersversorgung in Liechtenstein beruht auf drei Säulen, der Alters- und Hinterlassenenversicherung (1. Säule), der beruflichen Vorsorge (2. Säule) und der Selbstvorsorge (3. Säule). Die umlagefinanzierten "Alters- und Hinterlassenenversicherungen" der ersten Säule nach dem liechtensteinischen AHVG sind ein koordiniertes Rentensystem im dargestellten Sinn. Die kapitalgedeckte und dauernd zu gewährleistende berufliche Vorsorge der zweiten Säule nach dem liechtensteinischen BPVG knüpft an die Versicherung in der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie an das Arbeitsverhältnis an. Sie ist grundsätzlich obligatorisch (Art. 1 Abs. 1 BPVG) und soll zusammen mit der Alters- und Hinterlassenenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise erlauben. Zu versichern ist der "anrechenbare Lohn" (Art. 6 ff BPVG). Die Durchführung der Altersvorsorge der zweiten Säule obliegt einem vom Arbeitgeber zu errichtenden oder verwendeten Rechtsträger (Vorsorgeeinrichtung nach Art. 3 ff BPVG) bzw. einer Auffangeinrichtung (Art. 4a Abs. 4 BPVG), für die entsprechende Organisationsvorschriften bestehen (Art. 13 ff BPVG). Die Vorsorgeeinrichtungen sind im Rahmen des Gesetzes in der Gestaltung ihrer Leistungen, in deren Finanzierung und in ihrer Organisation frei. Sie unterliegen in Anbetracht der Wahlmöglichkeiten der Arbeitgeber einem gewissen Wettbewerb. Sie können in ihrem Reglement vorsehen, dass Leistungen über die gesetzlichen Mindestbestimmungen hinausgehen ("weitergehende Leistungen" nach Art. 2 Abs. 2 BPVG bzw. Vorsorgeeinrichtungen, die lediglich die freiwillige betriebliche Altersvorsorge durchführen nach Art. 2 Abs. 3 BPVG, wovon die betriebliche Altersversorgung nach dem Pensionsfondsgesetz iSd Art 2a BPVG zu unterscheiden ist). Auch wenn eine Vorsorgeeinrichtung mehr als die Mindestleistungen gewährt ("überobligatorische" berufliche Vorsorge), so gelten die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen dieser Rentensysteme der zweiten Säule in ihren prägenden Aspekten weiter (Art. 2 Abs. 2 und 3 BPVG). Die zur Rede stehenden Rentensysteme der zweiten Säule werden staatlich initiiert und gewährleistet. Sie führen zu differenzierten Solidargemeinschaften, indem sie unterschiedliche Versorgungsträger und die Möglichkeit vorsehen, in regulierten Entscheidungsabläufen innerhalb gesetzlich vorgegebener Grenzen über die obligatorische Mindestabsicherung hinaus eine "überobligatorische" berufliche Vorsorge einzurichten. Gleichwohl wird das zu Grunde liegende Rentensystem der zweiten Säule in seinen wesentlichen (den Charakter als gesetzliches Rentensystem prägenden) Aspekten weitgehend nicht der Eigeninitiative und dem Gestaltungswillen der von den Risiken des Alters betroffenen Personen überlassen.

2.2. Eine Analyse der rechtlichen Grundlagen des österreichischen Pensionssystems (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG) führt zu folgendem Befund:

Die Pensionsversicherung trifft Vorsorge insbesondere für die Versicherungsfälle des Alters (§ 221 ASVG). Sie soll die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise erlauben. Voraussetzung für die Gewährung einer Alterspension ist neben der Erreichung des Regelpensionsalters (§ 253 ASVG) das Vorliegen einer bestimmten Anzahl von Versicherungsmonaten (§ 236 ASVG). Als Versicherungszeiten, die zu Versicherungsmonaten zusammengefasst werden (§ 231 ASVG), gelten gemäß §§ 224 bis 226 ASVG in erster Linie die Zeiten einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung (Beitragszeiten). Pflichtversichert ist grundsätzlich jeder bei einem Dienstgeber über einer Geringfügigkeitsgrenze beschäftigte Dienstnehmer (§ 4 ASVG). Gemäß §§ 227 bis 229b ASVG werden Zeiten der Ausbildung, der Arbeitslosigkeit, der Krankheit oder der Kindererziehung als weitere Versicherungszeiten anerkannt (Ersatzzeiten). Die Bemessungsgrundlage für die Leistungen aus der Pensionsversicherung richtet sich nach den monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen (§§ 238 und 242 ASVG). In der Pensionsversicherung Pflichtversicherte haben die Möglichkeit, sich zur Erlangung eines besonderen Steigerungsbetrages über die für sie in Betracht kommende Beitragsgrundlage hinaus nach freier Wahl höher zu versichern, wobei der jährliche Beitrag das Sechzigfache der Höchstbeitragsgrundlage nicht übersteigen darf (§§ 20, 77 und 248 ASVG). Die Höhe der Alterspension hängt von der Zahl der erworbenen Versicherungsmonate und von der Gesamtbemessungsgrundlage ab (§ 261 ASVG). Die eingezahlten Beiträge werden unmittelbar zur Finanzierung der Leistungen herangezogen (Umlageverfahren). Die Durchführung der Pensionsversicherung obliegt den als hoheitliche Selbstverwaltungskörper eingerichteten Versicherungsträgern (§§ 23 ff ASVG).

3. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes könnte ein Vergleich der geschilderten gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen für Altersrenten bzw. Alterspensionen eher dafür sprechen, dass die genannten Leistungen gleichartig iSd Art. 5 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 sind. Er berücksichtigt dabei die folgenden Gesichtspunkte:

3.1. Zur Vermeidung einer indirekten Diskriminierung (Spiegel, aaO, Rz 29 Vor §§ 1 ff) setzt nach Art. 5 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 die Einhebung von Krankenversicherungsbeiträgen von ausländischen Leistungen die Einhebung von Krankenversicherungsbeiträgen von gleichartigen inländischen Leistungen voraus. Umgekehrt hat das Fehlen einer inländischen Beitragspflicht für gleichartige inländische Leistungen die Unzulässigkeit einer Beitragspflicht für ausländische Leistungen zur Folge.

3.2. Eine nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gewährte Rentenleistung ist zur Gänze entweder einer entsprechenden Leistung gleichartig oder dieser nicht gleichartig. Die Gleichartigkeit ist nach den zur Rede stehenden Pensionsbzw. Rentensystemen als Ganzes anhand deren struktureller Eigenschaften und nicht in Bezug auf die wirtschaftlichen Hintergründe einzelner Leistungskomponenten aus solchen Systemen zu beurteilen. Eine differenzierende Beurteilung einheitlicher Leistungen aus einem Rentensystem (zB nach den Kriterien von "vorobligatorischen", "obligatorischen", "überobligatorischen" oder "freiwilligen" Beiträgen, mit denen ein konkretes "Alterskapital" aufgebaut worden ist) ist ausgeschlossen.

3.3. Ausländische Renten sind als den österreichischen Pensionen gleichartig anzusehen, wenn beide vom zwischenstaatlichen Koordinierungsrecht erfasst sind (was bei österreichischen Pensionen unzweifelhaft der Fall ist). Gegen diesen Grundsatz könnte zwar ins Treffen geführt werden, dass es nach der Gleichstellungsbestimmung des Art. 5 der VO (EG) Nr. 883/2004 auch innerhalb der Gruppe der vom Koordinierungsrecht erfassten Renten relevante Merkmale geben könnte, die eine Verneinung der Gleichartigkeit geboten erscheinen lassen. Die Gleichartigkeit bezieht sich aber nur auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Zweig der sozialen Sicherheit iSd Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/2004. Von daher sind die gegenständlichen Renten an den Zweitrevisionswerber und den Mitbeteiligten und Pensionen, sofern sie dem koordinierten Bereich zugehören, im Hinblick darauf, dass es sich bei beiden um Leistungen bei Alter handelt, von vornherein als gleichartig im Sinn der genannten Regelungen zu qualifizieren.

Bei den von der H. Pensionskasse gezahlten Renten handelt es sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in Anbetracht der geschilderten Rechtsgrundlagen um Leistungen aus einem koordinierten Rentensystem, weil - in Abgrenzung von den Leistungen aus einem "ergänzenden Rentensystem" iSd Art. 3 der Richtlinie 98/49/EG - die Leistungen iSd Art. 1 lit. l und w sowie Art. 3 der VO (EG) Nr. 883/2004 auf Rechtsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates beruhen, die den Zweig bzw. das System der sozialen Sicherheit für Leistungen bei Alter betreffen. Dazu kommt, dass das BPVG vom Fürstentum Liechtenstein in seiner Gesamtheit als vom sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bzw. der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 notifiziert worden ist (Erklärung Liechtensteins gemäß Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 1. Juni 2012).

4. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass das liechtensteinische Rentensystem - ungeachtet seiner durch die genannte Notifikation klargestellten Zugehörigkeit zum Kreis der koordinierten Rentensysteme - in Anbetracht seiner privatautonomen Gestaltungsmöglichkeiten nicht als gleichartig iSd Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 angesehen werden kann bzw. dass die Einbeziehung der gesamten Leistungen aus dem gegenständlichen liechtensteinischen Rentensystem in die Beitragsgrundlage der österreichischen Krankenversicherung unionsrechtlich als unzulässige, die Ausübung der Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV behindernde Maßnahme anzusehen wäre.

5. Da die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht als derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. hierzu das Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache C-283/81, Srl C.I.L.F.I.T. und andere, Slg. 1982, 3415) wird die eingangs formulierte Vorlagefrage gemäß Art. 267 AEUV mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.

Wien, am 10. September 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014080047.J00

Im RIS seit

22.10.2014

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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