TE Vfgh Erkenntnis 2014/10/7 B905/2013

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Veröffentlicht am 07.10.2014
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §18 Abs1 Z5
StGG Art5, Art15
EMRK Art9
EU-Grundrechte-Charta Art21, Art51 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Nichtberücksichtigung von Vereinsbeiträgen als abzugsfähige Sonderausgaben; keine Unsachlichkeit des Ausschlusses von Beiträgen an nicht anerkannte Religionsgesellschaften vom Sonderausgabenabzug

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Der Beschwerdeführer ist konfessionsfreies Mitglied und Schriftführer des Vereines "Initiative Religion ist Privatsache", der sich nach Angaben des Beschwerdeführers für eine humanistische Weltanschauung ohne Transzendenzbezug einsetzt. Als Mitglied des Vereines bezahlte der Beschwerdeführer im Jahr 2011 einen Betrag von € 50,–, welchen er in seiner Einkommensteuererklärung 2011 zusammen mit einem "Religionsfinanzierungs-Steuerabsetzbetrag" iHv € 47,– als abzugsfähige Sonderausgaben geltend machte.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln, mit welchem diese Beträge nicht als Sonderausgaben berücksichtigt wurden, abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass Zahlungen an Vereine nicht von §18 Abs1 Z5 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) erfasst seien.

2.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG), Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZP EMRK), Vereins- und Versammlungsfreiheit (Art12 StGG, Art11 EMRK) und auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art9 und Art14 EMRK) sowie im Verbot von Diskriminierungen auf Grund einer Weltanschauung nach Art14 EMRK und Art21 GRC behauptet wird. Weiters wird vorgebracht, dass §18 Abs1 Z5 EStG 1988 eine verfassungswidrige Differenzierung zugrunde liege, und die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens angeregt.

Zusammengefasst bringt der Beschwerdeführer vor, dass die Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Ausgaben in §18 Abs1 Z5 EStG 1988 auf verpflichtende Beiträge an Kirchen und gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften eine sachlich nicht begründete Privilegierung gegenüber solchen Vereinen beinhalte, die einer aufgeklärten, humanistischen Weltanschauung verpflichtet seien:

Gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften seien von Verfassungs wegen keinerlei Sonderrechte eingeräumt. Art15 StGG schiebe einer bevorzugten Behandlung von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften einen Riegel vor. Selbst wenn der Gesetzgeber davon ausgehen würde, dass sie durch die Verbreitung religiöser Lehren einen wichtigen demokratiepolitischen und sozialpolitischen Beitrag leisten und deren Finanzierung daher bevorzugt zu behandeln sei, dürfe er damit steuerpflichtige Mitglieder von Vereinen mit anderen "Weltanschauungen" nicht benachteiligen.

Die Rechtsnatur der Mitgliedschaft bei einer Kirche vermöge nicht die Benachteiligung der Mitgliedsbeiträge, die an andere weltanschauliche Vereine geleistet werden, zu rechtfertigen. Der Kirchenbeitrag sei auch nicht auf Grund gesetzlichen Zwanges zu bezahlen; es handle sich um ein privates Finanzierungssystem, bei dem der Mitgliedsbeitrag von der Zugehörigkeit zur gesetzlich anerkannten Kirche abhänge, die jederzeit kündbar sei. Auch die Mittelverwendung rechtfertige die Differenzierung nicht, da die Einnahmen aus solchen Beiträgen – wie der Rechenschaftsbericht der Erzdiözese Wien für das Jahr 2012 exemplarisch zeige – tatsächlich nur zur Abdeckung von Personal- und Sachaufwand und nur zu 1 % für mildtätige Zwecke verwendet würden. Dies sei auch dem Gesetzgeber bewusst, da die Spendenabzugsbegünstigung des §4a EStG 1988 nicht an die Spende an eine Kirche oder Religionsgesellschaft anknüpfe, sondern nur kirchlichen Organisationen mit ausschließlich mildtätigem Zweck offenstehe.

Die Bevorzugung bei der Besteuerung der Bevölkerungsgruppe der "Gläubigen" und die dadurch bedingte Unterscheidung der Bevölkerungsgruppen allein aufgrund unterschiedlicher Mitgliedschaften zu "Gesellschaften", die unterschiedliche Weltanschauungen vertreten, sei sachlich nicht gerechtfertigt und stelle einen diskriminierenden Eingriff und damit eine Verletzung von Art1 1. ZP EMRK iVm Art14 EMRK dar. Eine solche unsachliche Differenzierung verstoße auch gegen Art21 GRC.

3.       Der UFS als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

4.       Der Bundesminister für Finanzen erstattete über Einladung des Verfassungsgerichtshofes eine Stellungnahme, in der den Beschwerdebehauptungen entgegengetreten wird.

II.      Rechtslage

§18 Abs1 Z5 EStG 1988, BGBl 400, lautet in der für das Veranlagungsjahr 2011 geltenden Fassung BGBl I 111/2010 wie folgt:

"Sonderausgaben

§18. (1) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind:

[…]

5. Verpflichtende Beiträge an Kirchen und Religionsgesellschaften, die in Österreich gesetzlich anerkannt sind und ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes haben, höchstens jedoch 200 Euro jährlich."

III.     Erwägungen

1.       Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

2.       Der Beschwerdeführer behauptet die Verfassungswidrigkeit des §18 Abs1 Z5 EStG 1988. Damit wendet er sich gegen die in dieser Bestimmung vorgesehene abgabenrechtliche Begünstigung von an gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften geleisteten Beiträgen insofern, als die gesetzliche Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz die Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit bildet und daher Beiträge an einen Verein – im Konkreten zur Förderung der religiösen Neutralität des Staates –, der diese Voraussetzung nicht erfüllt, nicht abzugsfähig sind.

2.1.    Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner mit VfSlg 9185/1981 beginnenden Rechtsprechung davon aus, dass gegen die Differenzierung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgesellschaften grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, diese vielmehr durch Art15 StGG verfassungsgesetzlich vorgegeben ist (vgl. u.a. VfSlg 17.021/2003). Rechtsvorschriften, die an diese Unterscheidung verschiedene Rechtsfolgen knüpfen, sind allerdings nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die unterschiedliche Behandlung begründbar ist, wenn ferner die Anerkennung nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt und – bei Vorliegen der im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen – auch durchsetzbar ist (vgl. insbesondere VfSlg 11.931/1988).

2.2.    §18 Abs1 Z5 EStG 1988 sieht die Abzugsfähigkeit von Beiträgen an Kirchen und Religionsgesellschaften, die "gesetzlich anerkannt" sind, als Sonderausgaben vor. Damit knüpft der Gesetzgeber an deren gesetzliche Anerkennung nach dem Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften (Anerkennungsgesetz) an.

3.       Bei der Festlegung und Ausgestaltung von Sonderausgabentatbeständen, die privates Handeln im Wege einer einkommensteuerlichen Entlastung fördern, verfügt der Gesetzgeber über einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum. Diesen hat der Gesetzgeber aus folgenden Gründen nicht überschritten:

3.1.    Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 11.931/1988 festgehalten hat, kann dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes nicht entgegengetreten werden, wenn er für die Einräumung abgabenrechtlicher Begünstigungen an das Vorliegen der leicht nachprüfbaren, besonderen Voraussetzung der gesetzlichen Anerkennung als Religionsgesellschaft anknüpft und – schon um einen Missbrauch hintanzuhalten – die bloße Behauptung einer Vereinigung, die Voraussetzungen für die Begünstigung zu erfüllen, nicht genügen lässt.

3.2.    Vor diesem Hintergrund ist eine Regelung, die Beiträge an nicht anerkannte Religionsgesellschaften vom Sonderausgabenabzug des §18 Abs1 Z5 EStG 1988 ausschließt, nicht unsachlich. Dies gilt umso mehr für Beiträge an eine Vereinigung, die nicht als Religionsgesellschaft auftritt.

3.3.    Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man der Auffassung des Beschwerdeführers folgte, dass im vorliegenden Fall Art9 EMRK anwendbar sei: Den Vertragsstaaten der EMRK kommt bei der Regelung der Finanzierung von Kirchen und anerkannten Religionsgesellschaften in Ermangelung gemeinsamer Normen ein weiter Ermessensspielraum zu (EGMR 17.2.2011, Fall W., Appl. 12.884/03). Rechtsvorschriften, die steuerliche Begünstigungen an die Voraussetzung der staatlichen Anerkennung knüpfen, liegen nicht außerhalb dieses Ermessens (EGMR 25.9.2012, Fall Zeugen Jehovas, Appl. 27.540/05).

3.4.    Der Verfassungsgerichtshof hegt daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §18 Abs1 Z5 EStG 1988.

4.       Der Beschwerdeführer behauptet weiters, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Vereins- und Versammlungsfreiheit sowie in den aus Art9 iVm Art14 EMRK erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die belangte Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Keiner dieser Mängel liegt hier jedoch vor: Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass das Ermittlungsverfahren mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel behaftet wäre; auch kann weder von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage noch von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein, zumal sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, das sich nicht auf eine unrichtige Gesetzesanwendung, sondern auf verfassungsrechtliche Bedenken stützte, in ausreichender Weise auseinander gesetzt hat.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen kommt eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums ebenso wenig in Betracht. Ein Eingriff in die Vereins- und Versammlungsfreiheit ist von vornherein ausgeschlossen.

5.       Eine Verletzung des Art21 GRC liegt schließlich schon deshalb nicht vor, da der Beschwerdefall, in dem der Beschwerdeführer die Abzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen an einen im Inland ansässigen Verein als Sonderausgabe iSd §18 Abs1 Z5 EStG 1988 begehrt, nicht in Durchführung des Unionsrechtes (Art51 Abs1 GRC) zu entscheiden ist.

IV.      Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1.       Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Einkommensteuer, Sonderausgaben, Kirchenbeiträge, Religionsgesellschaften, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:B905.2013

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2016
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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