TE Vwgh Erkenntnis 2014/8/21 2014/11/0005

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Veröffentlicht am 21.08.2014
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1998 §117b Abs1 Z18;
ÄrzteG 1998 §125 Abs4;
ÄrzteG 1998 §59 Abs1 Z1;
ÄrzteG 1998 §59 Abs3;
B-VG Art19;
B-VG Art20 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des J L in L, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner, Rechtsanwalt in 3390 Melk, Bahnhofplatz 4/DG, gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 21. Oktober 2013, Zl. 201310-106, betreffend Streichung aus der Ärzteliste (weitere Partei: Bundesminister für Gesundheit), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Die Österreichische Ärztekammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid verfügte die belangte Behörde gemäß § 59 Abs. 3 erster Satz des Ärztegesetzes 1998 die Streichung des Beschwerdeführers aus der Ärzteliste und stellte fest, dass seine Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 59 Abs. 1 Z. 1 ÄrzteG 1998 erloschen sei, weil die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers als eine im Sinne des § 4 Abs. 2 Z. 3 ÄrzteG 1998 für die ärztliche Berufsausübung erforderliche Voraussetzung weggefallen sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die zur hg. Zl. 2013/11/0252 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Aus Anlass der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bestimmungen entstanden. Mit Beschluss vom 27. Mai 2014, Zl. A 2014/0004-1 (2013/11/0252), stellte der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof, näher bezeichnete Bestimmungen des ÄrzteG 1998 als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 23. Juni 2014, G 99/2013-13 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof (aufgrund weiterer Gesetzesprüfungsanträge des Verwaltungsgerichtshofes) unter Pkt. I.1. näher bezeichnete Bestimmungen des ÄrzteG 1998 als verfassungswidrig auf und wies unter Pkt. II den obgenannten Gesetzesprüfungsantrag vom 27. Mai 2014 zurück. Gleichzeitig sprach der Verfassungsgerichtshof unter Pkt. I.5. dieses Erkenntnisses wie folgt aus:

"5. Die aufgehobene Zeichenfolge '1,' in § 59 Abs. 3 erster Satz und die aufgehobene Wortfolge 'und Austragung aus der Ärzteliste' in § 117b Abs. 1 Z 18 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169, jeweils idF BGBl. I Nr. 144/2009, sowie die aufgehobene Wortfolge 'und § 59 Abs. 3' in § 125 Abs. 4 zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169, idF BGBl. I Nr. 80/2012 sind in der beim Verwaltungsgerichtshof zu

Z 2013/11/0252 anhängigen Rechtssache nicht mehr anzuwenden."

Zum zitierten Ausspruch führte der Verfassungsgerichtshof unter Pkt. IV.6. seiner Entscheidungsgründe aus, er habe beschlossen, von der ihm gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und die Anlassfallwirkung auch auf die beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 2013/11/0252 anhängige Rechtssache auszudehnen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist anzumerken, dass auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG, da durch das VwGbk-ÜG nicht anderes bestimmt ist, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Der (am 29. Oktober 2013 erlassene) angefochtene Bescheid stützt sich insbesondere auf folgende Bestimmungen des ÄrzteG 1998 (§ 59 Abs. 1 und 3 sowie § 117b ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idF BGBl. I Nr 144/2009, §125 Abs. 4 zweiter Satz ÄrzteG 1998 idF BGBl I Nr 80/2012). Die vom Verfassungsgerichtshof mit obzitiertem Erkenntnis, G 99/2013-13 u.a., nunmehr aufgehobenen Zeichen- bzw. Wortfolgen dieses Gesetzes sind unterstrichen:

"Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung, Streichung aus der Ärzteliste

§ 59. (1) Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erlischt:

     1.        durch den Wegfall einer für die ärztliche

Berufsausübung erforderlichen         Voraussetzung,

             ...

(3) In den Fällen des Abs. 1 Z 1, 2 und 5 sowie im Fall des Abs. 1 Z 4, wenn die Berufsausübung für eine Frist von mehr als drei Monaten untersagt worden ist, hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer die Streichung aus der Ärzteliste durchzuführen und mit Bescheid festzustellen, dass eine Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht besteht.

...

Eigener Wirkungsbereich

§ 117b. (1) Die Österreichische Ärztekammer ist berufen, im eigenen Wirkungsbereich insbesondere folgende Aufgaben wahrzunehmen:

...

18. Durchführung von Verfahren zur Eintragung in die Ärzteliste und Austragung aus der Ärzteliste, mit Ausnahme von Verfahren gemäß ....

...

Präsident und Vizepräsidenten

§ 125. (1) ...

...

(4) Der Präsident leitet die Geschäfte und fertigt die Geschäftsstücke. Er entscheidet mit Bescheid als erste und letzte Instanz in den Verfahren gemäß § 15 Abs. 6, § 27 Abs. 10 und 11 und § 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998 sowie gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 ÄsthOpG. ..."

Die Aufhebung der gekennzeichneten Teile der zitierten Bestimmungen des ÄrzteG 1998 wurde vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis, G 99/2013-13 u.a., in Übereinstimmung mit der in den entsprechenden Gesetzesprüfungsanträgen des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung damit begründet, es sei verfassungsrechtlich unzulässig, die Entscheidung über das Erlöschen einer Berufsberechtigung (Austragung aus der Ärzteliste) dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer im eigenen Wirkungsbereich, somit ausgenommen "von dem verfassungsrechtlich gebotenen Weisungszusammenhang mit den obersten Organen der Vollziehung (Art 19 iVm 20 Abs. 1 B-VG)" (vgl. Pkt. 2.4.4.2. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses G 99/2013-13 u.a.) zu übertragen.

Angesichts der vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis, G 99/2013-13 u.a., verfügten Ausdehnung der Anlassfallwirkung und damit Nichtanwendbarkeit der von ihm aufgehobenen Bestimmungen im gegenständlichen, zur hg. Zl. 2013/11/0252 protokollierten Beschwerdeverfahren ist für den Beschwerdefall davon auszugehen, dass der belangten Behörde, dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, keine Zuständigkeit zukam, die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Streichung des Beschwerdeführers aus der Österreichischen Ärzteliste vorzunehmen und festzustellen, dass dessen Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erloschen sei (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2012, B 1000- 11 u.a.).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. August 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2014110005.X00

Im RIS seit

06.10.2014

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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