TE Vfgh Beschluss 2014/6/18 A3/2014

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Veröffentlicht am 18.06.2014
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Index

L7200 Beschaffung, Vergabe
97/01 Öffentliches Auftragswesen

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
B-VG Art151 Abs51 Z8
Wr VergaberechtsschutzG 2007 §18, §23, §29
BundesvergabeG 2002 §166, §177

Leitsatz

Zurückweisung einer Klage gegen den Bund auf Rückzahlung entrichteter Pauschalgebühren nach dem Wr VergaberechtsschutzG 2007 als unzulässig; Rückzahlungsanspruch im Verwaltungs(gerichts)weg geltend zu machen

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt und Klagebegehren

1. Die Stadt Wien führte als öffentliche Auftraggeberin ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages betreffend die Prüfung und Dichtstellung von Niederdruck-Gasanlagen in den von ihr verwalteten Wohnobjekten in sämtlichen Wiener Bezirken durch, wobei der Auftrag in drei Losen vergeben wurde. Die klagenden Parteien gaben in diesem Verfahren als Bietergemeinschaft ein Angebot für das Los 2 ab. Der geschätzte Auftragswert für das Los 2 betrug € 17.700.000,--.

Am 19. Juni 2013 übermittelte die Auftraggeberin der Bietergemeinschaft die Widerrufsentscheidung betreffend das Los 2. Daraufhin stellte diese am 28. Juni 2013 beim Vergabekontrollsenat Wien (VKS Wien) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2013 erließ der VKS Wien eine einstweilige Verfügung. Für die Anträge auf Nichtigerklärung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichtete die Bietergemeinschaft eine – für Bauaufträge berechnete – Gebühr von € 9.000,--. Mit Schreiben vom 15. Juli 2013 forderte der VKS Wien die Bietergemeinschaft auf, eine ergänzende Gebühr in Höhe von € 9.000,-- zu entrichten, da es sich bei dem den Verfahrensgegenstand bildenden Auftrag um einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich handle. Die Bietergemeinschaft kam dieser Aufforderung nach.

2. Mit – den klagenden Parteien am 16. August 2013 zugestelltem – Bescheid vom 1. August 2013 wies der VKS Wien den Antrag, die Widerrufsentscheidung der Auftraggeberin vom 19. Juni 2013 für nichtig zu erklären, ab, hob die einstweilige Verfügung vom 2. Juli 2013 auf und sprach aus, dass die Bietergemeinschaft die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe.

3. In ihrer auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen das Land Wien begehren die klagenden Parteien die Rückzahlung jener Pauschalgebühren in der Höhe von € 9.000,-- samt Anhang, zu deren Nachzahlung sie der VKS Wien verhalten hat.

Die Zulässigkeit der Klage begründen die klagenden Parteien damit, dass der Rückforderungsanspruch ein Bereicherungsanspruch sei, der auf einem öffentlich rechtlichen Rechtstitel beruhe und daher nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen sei. Für den vorliegenden Anspruch stehe aber auch kein Verwaltungsverfahren zur Verfügung. Zwar habe nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes jene Behörde, welche die Entrichtung der Pauschalgebühren zu kontrollieren habe, auf Antrag einen Bescheid über zu Unrecht entrichtete Gebühren zu erlassen. Allerdings lasse sich diese Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, weil der VKS Wien mit 31. Dezember 2013 aufgelöst worden sei und das Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 (WVRG 2014), LGBl 37/2013 keine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Wien für die Entscheidung über Pauschalgebühren vorsehe, die in einem bis zum 31. Dezember 2013 abgeschlossenen Vergabeverfahren entrichtet worden seien.

In der Sache führen die klagenden Parteien aus, dass die Aufforderung durch den VKS Wien zur Nachzahlung weiterer Pauschalgebühren bis zu der für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich vorgesehenen Höhe sowie die tatsächliche Zahlung durch die klagenden Parteien ohne Rechtsgrund erfolgt seien. Ausschreibungsgegenstand sei nämlich ein Bauauftrag und kein Dienstleistungsauftrag gewesen, da der Hauptteil der ausgeschriebenen Leistungen als Bauinstallationen bzw. Klempnerei- und Installationsarbeiten zu qualifizieren sei. Außerdem sei die Gebührenbemessung gemäß §2 Wiener Vergabe-Pauschalgebührenverordnung (WVPVO), LGBl 24/2013 unsachlich, sodass die darauf beruhende Aufforderung des VKS Wien zur Nachzahlung zu Unrecht erfolgt sei.

II. Erwägungen

Die Klage ist unzulässig:

1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Art137 B-VG enthält demnach für vermögensrechtliche Ansprüche gegen Gebietskörperschaften eine suppletorische Zuständigkeitsordnung, hat aber nicht den Sinn, neben bereits bestehenden Zuständigkeiten eine konkurrierende Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs einzuführen oder jene abzuändern (vgl. bereits VfSlg 3287/1957).

2. Die klagenden Parteien machen einen vermögensrechtlichen Anspruch geltend, nämlich die Rückzahlung von Pauschalgebühren, die durch den VKS Wien ohne öffentlich rechtlichen Rechtstitel vorgeschrieben worden seien. Ein derartiger Anspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen.

3. Er kann jedoch im Verwaltungsweg geltend gemacht werden:

Zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die klagenden Parteien sahen §18 Abs4 und Abs5 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2007 (WVRG 2007), LGBl 65/2006 idF LGBl 10/2012, vor, dass die Pauschalgebühr ohne bescheidmäßige Vorschreibung zu entrichten war. Wurde ein Antrag auf Nichtigerklärung oder ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht ordnungsgemäß vergebührt, hatte der VKS Wien gemäß §23 Abs2 Z4 WVRG 2007 bzw. §29 Abs4 WVRG 2007 zunächst den Antragsteller aufzufordern, die Gebühr gemäß §18 WVRG 2007 zu entrichten. Eine bescheidmäßige Vorschreibung der Pauschalgebühr war nicht ausdrücklich vorgesehen.

Damit entsprechen die relevanten Gesetzesbestimmungen nach dem WVRG 2007 im Wesentlichen der Gesetzeslage, die nach dem Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2002 – BVergG 2002), BGBl I 99/2002, bestanden hat, dessen §166 Abs2 Z5 und §177 Abs1 und Abs4 ebenfalls keine explizite Regelung über die bescheidmäßige Vorschreibung der Pauschalgebühren enthielten. Zu dieser Rechtslage sprach der Verfassungsgerichtshof bezüglich einer Klage auf Rückzahlung einer Pauschalgebühr wegen nachträglichen Wegfalls des öffentlich rechtlichen Rechtstitels aus, dass sich aus den angeführten Gesetzesbestimmungen eine schlüssige Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes sowohl zur bescheidmäßigen Vorschreibung der Pauschalgebühren als auch zum bescheidmäßigen Abspruch über die Rechtmäßigkeit der Gebührenentrichtung ergebe (VfSlg 18.599/2008).

Diese Rechtsprechung ist auf die Rechtslage nach dem WVRG 2007 übertragbar. Somit war der VKS Wien zuständig, auf Antrag über die Rechtmäßigkeit der Entrichtung der Pauschalgebühr durch die klagenden Parteien mit im Rechtsschutzweg bekämpfbarem Bescheid abzusprechen. Ausweislich des Verfahrensablaufs vor dem VKS Wien (siehe oben Punkt I.1.) war es den klagenden Parteien daher ohne weiteres möglich, einen solchen Antrag zu stellen.

Auch wenn man von der Möglichkeit einer nachträglichen Antragstellung ausgehen würde, weil im in Rede stehenden Verfahren vor dem VKS Wien die Pauschalgebühr bereits entrichtet, über die Rechtmäßigkeit der Entrichtung jedoch noch kein Bescheid erlassen wurde, wäre die diesbezügliche Zuständigkeit mit Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß Art151 Abs51 Z8 B-VG iVm litJ Z8 der Anlage zum B-VG auf das Verwaltungsgericht Wien übergegangen. Zwar bezieht sich der Wortlaut des Art151 Abs51 Z8 B-VG nur auf einen Übergang der Zuständigkeit zur Weiterführung der bei den in der Anlage genannten, aufgelösten Behörden anhängigen Verfahren. Da es sich aber bei dem Verfahren der Überprüfung der entrichteten Pauschalgebühren um ein akzessorisches Verfahren handelt, das ein Vergabekontrollverfahren zwingend voraussetzt, erfasst die genannte Übergangsbestimmung auch die Zuständigkeit zur Führung derartiger akzessorischer Verfahren. Dem Gesetzgeber wäre nicht zuzusinnen, dass er einen Zuständigkeitsübergang zwar für anhängige Vergabekontrollverfahren, nicht aber auch für Verfahren zur Überprüfung der vorgeschriebenen Gebührenvorgesehen hätte.

Über den Rückzahlungsanspruch ist daher im Verwaltungs(gerichts)weg abzusprechen, sodass die Klage schon aus diesem Grund unzulässig ist.

III. Ergebnis

1. Die – nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formerfordernisse hin geprüfte – Klage ist daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Vergabewesen, Gebühr, Behördenzuständigkeit, Verwaltungsgericht, Zuständigkeit, Übergangsbestimmung, VfGH / Klagen, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:A3.2014

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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