TE Vwgh Erkenntnis 2014/6/27 2012/02/0129

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Veröffentlicht am 27.06.2014
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Index

L87907 Straßenverkehr Geschwindigkeitsbeschränkung Nachtfahrverbot
Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

Fahrverbot LKW Fernpaß Straße B179 2010 §1;
Fahrverbot LKW Fernpaß Straße B179 2010 §2 litb;
StVO 1960 §52 lita Z7a;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger, die Hofräte Mag. Dr. Köller, Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des S in R, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 24. April 2012, Zl. uvs-2011/13/0351-5, betreffend Übertretung der StVO (weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zu einer konkreten Tatzeit an einem konkreten Tatort als Lenker eines näher angeführten Sattelkraftfahrzeuges, bestehend aus einem dem Kennzeichen nach bestimmten Sattelzugfahrzeug mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t und einem ebenfalls dem Kennzeichen nach bestimmten Sattelanhänger, entgegen den Bestimmungen des § 52 lit. a Z 7a StVO iVm § 1 der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 1. Dezember 2009, LGBl. Nr. 95/2009, die Fernpass-Straße B 179 trotz des zwischen km 0,00 im Gemeindegebiet von Nassereith und km 47,957 in der Stadtgemeinde Vils bestehenden Fahrverbotes für Lastkraftzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t befahren, obwohl die gegenständliche Fahrt von den Ausnahmebestimmungen der angeführten Verordnung nicht erfasst gewesen sei.

Dadurch habe der Beschwerdeführer die Bestimmung des § 52 lit. a Z 7a StVO iVm der zitierten Verordnung verletzt, weswegen über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 218,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Berufung des Beschwerdeführers sowie seines vorbereitenden Schriftsatzes zu der vor der belangten Behörde durchgeführten Verhandlung im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer, der in Rot an der Rot (Deutschland) wohnhaft sei, habe am Tatort zur Tatzeit das näher umschriebene Sattelfahrzeug auf der B 179 an einer bestimmten Stelle im Gemeindegebiet von Musau gelenkt. Er habe dabei ca. 11.025 kg Leergestelle geladen gehabt, welche in Burtenbach in Deutschland aufgenommen worden und für Brescia in Italien bestimmt gewesen seien. Desweiteren sei ein Paket mit einer Länge, Breite und Höhe von jeweils 50 cm, in welchem ein ca. 2,5 m langer Spiralplastikschlauch mit einem Durchmesser von ca. 90 mm und einem Gewicht von ca. 2 kg aufbewahrt worden sei, von Rot an der Rot nach Casto bei Brescia transportiert worden.

Nach Wiedergabe der tragenden rechtlichen Bestimmungen (Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 1. Dezember 2009, mit der auf der B 179 Fernpass-Straße ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge erlassen wird, und § 52 lit. a Z 7a StVO) begründete die belangte Behörde zunächst ausführlich, warum das vom Beschwerdeführer gelenkte Sattelkraftfahrzeug unter das Verbot des § 1 der Verordnung iVm § 52 lit. a Z 7a StVO falle, und hielt dann fest, dass entgegen dem Berufungsvorbringen für den betreffenden Transport eine für den Ziel- und Quellverkehr geltende Ausnahme nach § 2 der Verordnung nicht vorgelegen sei.

Der "Ziel- und Quellverkehr" sei nicht gesetzlich definiert. Soweit daher in den jeweiligen Verordnungen keine Begriffsbestimmungen vorgenommen worden seien, könne der wahre Inhalt der Ausnahme für den Ziel- oder Quellverkehr nicht aus dem Wortlaut der Bestimmung erschlossen werden, sondern müsse teleologisch interpretiert werden. Die gegenständliche Verordnung stütze sich auf § 43 Abs. 1 lit. b Z 1 StVO (Beschränkungen zur Sicherung der Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs); von dieser Anordnung vorgesehene Ausnahmen müssten dem Sachlichkeitsprinzip entsprechen und dürften daher weder zu weit gefasst sein, damit die Wirksamkeit der Anordnung als solche nicht in Frage gestellt werde, noch eine unsachliche Bevorzugung bestimmter Wirtschaftskreise bewirken. Aus einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise seien Ausnahmebestimmungen restriktiv auszulegen; ihr Zweck bestehe nämlich darin, trotz bestehender Beschränkungen unvermeidbaren Verkehr weiterhin zuzulassen.

Im vorliegenden Fall aber seien mit einem Sattelkraftfahrzeug 11.025 kg Leergestelle von Burtenbach nach Brescia transportiert und zusätzlich von Rot an der Rot nach Casto bei Brescia ein 2,5 m langer Spiralschlauch mit einem Gewicht von 2 kg befördert worden. Das Befördern eines gewichtsmäßig völlig unterzuordnenden Transportgutes würde der auch im Zuge einer verfassungskonformen Interpretation gebotenen Vorgabe, dass der Umfang der Ausnahme sachlichen und nachvollziehbaren Kriterien entsprechen müsse, zuwiderlaufen. Anderenfalls läge es in der Disposition des Transporteurs, durch das Zu- oder Abladen einer im Vergleich zum Transportgut untergeordneten Warenmenge im Gebiet des Ziel- oder Quellverkehrs den Ausnahmetatbestand vom Fahrverbot zu begründen und somit zu bestimmen, welche Fahrten auf der jeweiligen Strecke stattfinden könnten und welche nicht.

Der Sachverhalt sei daher nicht ausschließlich nach den äußeren Umständen zu beurteilen, sondern es sei der jeweilige tatsächliche Zweck der Zu- bzw. Abladung entscheidend. Wenn der tatsächliche Zweck der Zuladung im Quellverkehr darin bestehe, das Fahrverbot damit zu umgehen, könne von Quellverkehr keine Rede mehr sein. Im vorliegenden Fall sei bei einer Gesamtbetrachtung die Zuladung des Spiralschlauchs, der bei allen Fachmärkten in Europa verfügbar sei und auch online hätte bestellt werden können, und einen Warenwert von ca. EUR 10,-- habe, nur erfolgt, um das Fernpass-Fahrverbot zu umgehen, weil ansonsten eine längere Fahrtroute hätte gewählt werden müssen, was einen erheblichen Mehraufwand an Zeit, Treibstoff und Mautkosten nach sich gezogen hätte. Die Ansicht des Beschwerdeführers, wonach durch die Zuladung des Spiralschlauchs eine partielle Leerfahrt hätte vermieden werden können, könne nicht geteilt werden. Der Beschwerdeführer könne daher die Ausnahmebestimmung des § 2 der Verordnung, LGBl. Nr. 95/2009, nicht für sich in Anspruch nehmen.

Zwar unterliege durch das Inkrafttreten der Verordnung LGBl. Nr. 95/2009 mit 1. Jänner 2010 die Ware, welche im Rahmen des Ziel- oder Quellverkehrs befördert werde, keiner quantitativen Beschränkung mehr, sofern der Bestimmungsort in den güterbeförderungsrechtlichen Frachtdokumenten oder in den Lieferscheinen nachvollziehbar dargestellt sei; dies gelte jedoch nur, wenn durch die Ladetätigkeit keine Scheinladungen vorgenommen würden. Somit seien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch die beschriebenen weiteren Grundsätze zu beurteilen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Die Verordnung LGBl. Nr. 95/2009 (im Folgenden: Verordnung) lautet auszugsweise:

"Verordnung der Landesregierung vom 1. Dezember 2009, mit der auf der B 179 Fernpass-Straße ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge erlassen wird

Aufgrund des § 43 Abs. 1 lit. b Z. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 93/2009, wird verordnet:

§ 1

Auf der B 179 Fernpass-Straße zwischen Straßenkilometer 0,00 in der Gemeinde Nassereith und Straßenkilometer 47,957 in der Stadtgemeinde Vils ist das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten.

§ 2

Vom Verbot nach § 1 sind ausgenommen:

a) Fahrten mit Fahrzeugen des Straßendienstes, des Bundesheeres, des Pannenhilfsdienstes, des Abschleppdienstes sowie des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Fahrten mit Fahrzeugen, die dem Einsatz in Katastrophenfällen oder unaufschiebbaren Reparaturen an Energieversorgungsanlagen dienen, sowie Fahrten mit Schulfahrzeugen im Rahmen der Ausbildung und Prüfung von Bewerbern um eine Lenkberechtigung;

b) Fahrten im Ziel- oder Quellverkehr betreffend die Gebiete der Bezirke Imst, Innsbruck-Land, Innsbruck- Stadt, Landeck, Reutte; der Landkreise Biberach, Garmisch- Partenkirchen, Lindau, Oberallgäu, Ostallgäu, Ravensburg, Unterallgäu, Weilheim-Schongau;

der Städte Kaufbeuren, Kempten, Memmingen; der Gemeinde Samnaun;

der Bezirks- und Talgemeinschaften Burggrafenamt, Vinschgau.

§ 3

Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2010 in Kraft."

In den Materialien zur Verordnung (begründeter Regierungsantrag der Tiroler Landesregierung vom 23. November 2009, GZ IIb2-2-2-3-20/313) wird zu dieser Bestimmung ausgeführt:

"Der Begriff 'Ziel- oder Quellverkehr' umfasst Fahrten zum Zwecke der Durchführung von Be- oder Entladungen in den dort angeführten Regionen sowie jene Fahrten, die dort den Ausgangs- oder Endpunkt haben, somit Fahrten, die in einer der im § 2 lit. b) genannten Regionen beginnen oder dort enden."

Ergänzend wird (demonstrativ) ausgeführt, welche Fahrten nicht umfasst seien:

"Folgende beispielsweise genannten Tätigkeiten und Dispositionen gelten jedenfalls nicht als 'Ziel- oder Quellverkehr' im Sinne der Ausnahmebestimmung gemäß § 2 lit.b der Fahrverbotsverordnung:

-

Abgabe und Übernahme von Frachtdokumenten am Firmenstandort

-

Übernahme neuer Transportaufträge

-

Betankung des Fahrzeuges

-

Durchführung von Service- und Reparaturarbeiten"

Zunächst ist festzuhalten, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter Quellverkehr jener Verkehr zu verstehen ist, der seinen Ausgangspunkt innerhalb der in der Verordnung genannten Gebiete hat und aus diesen hinausführt. Zielverkehr ist jener Verkehr, der von außerhalb der in der Verordnung genannten Gebiete kommt und sein Ziel innerhalb dieser Gebiete hat.

Anders als nach der im hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2012, Zl. 2010/07/0094, zu beurteilenden Rechtslage enthält die hier maßgebliche Verordnung auch keine Ausnahme für Fahrten mit Kraftfahrzeugen, die in den in der Verordnung genannten Gebieten be- oder entladen werden.

Nach den Materialien zu dieser Verordnung sollen vom Begriff "Ziel- oder Quellverkehr" dennoch auch "Fahrten zum Zwecke der Durchführung von Be- oder Entladungen" in den betroffenen Regionen umfasst sein. Ausgehend von einem derart erweiterten Verständnis des Begriffs "Quellverkehr" kann von einer "Beladung" in diesem Sinne jedenfalls nur ausgegangen werden, wenn eine Last oder Ladung aufgenommen wird, deren Ausmaß und Gewicht nicht bloß geringfügig ist (vgl. zum Ladungsbegriff iZm § 62 StVO die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1991, Zl. 90/03/0257, und vom 30. September 1999, Zl. 98/02/0057; im zuletzt genannten Erkenntnis wurden "zwei bis drei Kartons im Ausmaß von 40x28x5 cm" (mit Brötchen, Kuchen und anderem Süßgebäck) als eine nicht das geringfügige Ausmaß übersteigende Ladung beurteilt, da nach den Erfahrungen des täglichen Lebens der Transport solcher Kartons infolge ihres geringen Gewichtes für jedermann leicht und ohne größere Mühen zu bewerkstelligen ist). Die im Beschwerdefall maßgebliche Verordnung bezieht sich auf Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t, was bei der Beurteilung der Geringfügigkeit einer Beladung zu berücksichtigen ist. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde im hier vorliegenden Fall im Quellgebiet von einem Sattelzug, der bereits am Ausgangspunkt der Fahrt mit einer Fracht mit einem Gewicht von über 11 t beladen worden war, lediglich ein Paket mit einer Länge, Breite und Höhe von jeweils 50 cm und einem Gewicht von ca. 2 kg aufgenommen. Es kann daher keine Rede davon sein, dass damit eine für ein Lastkraftfahrzeug mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 t mehr als geringfügige Beladung durchgeführt worden wäre.

Der belangten Behörde kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden.

Da sich Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 27. Juni 2014

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2012020129.X00

Im RIS seit

01.08.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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