TE Vfgh Erkenntnis 1998/3/5 B2419/97

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Veröffentlicht am 05.03.1998
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
KStG 1988 §24 Abs4
KStG 1988 §26a Abs7

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Berechnung der Mindestkörperschaftsteuer vom Mindestgrund- bzw -stammkapital bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung sowie unter Gesichtspunkten der Verwaltungsökonomie; keine Verfassungswidrigkeit der überproportionalen Ertragsbesteuerung bestimmter Kapitalgesellschaften; hingegen Anlaßfallwirkung der Aufhebung der rückwirkenden Inkraftsetzung einer Neuregelung der Mindestkörperschaftsteuer nach dem ersten aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen des Beschwerdevertreters die mit S 20.500,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft betreibt ein Versicherungsunternehmen und ist gemäß §1 Abs2 KStG 1988 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Zwischen ihr als Organträger und der Ersten Allgemeinen Versicherungs AG besteht ein Gewinnabführungs- und Verlustausschließungsvertrag.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wurde der Gesellschaft gemäß §24 Abs4 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 - KStG 1988, BGBl. 401, (künftig: KStG) idF des ArtI Z1 des Bundesgesetzes BGBl. I 70/1997 (künftig: KStG idF 1997) iVm §9 KStG vorgeschrieben, Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1997 und die Folgejahre in der Höhe von je S 150.000,-- zu leisten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der eine Rechtsverletzung wegen Anwendung der für verfassungswidrig erachteten Bestimmungen des §24 Abs4 und des §26a Abs7 KStG idF 1997 sowie die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Erwerbsausübungsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Finanzlandesdirektion hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt, die Verfassungsmäßigkeit der von der Beschwerde für bedenklich erachteten Gesetzesbestimmungen verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfGH 11.12.1997, G441-449/97) - Beschwerde erwogen:

1. Nach §1 Abs1 und 2 KStG sind juristische Personen des Privatrechts, Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie unter bestimmten, in §3 leg.cit. genannten Voraussetzungen auch andere Einrichtungen körperschaftsteuerpflichtig. Sie sind, wenn sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Bei solchen unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Personen wird die Körperschaftsteuer nach dem Einkommen bemessen; sie beträgt seit 1. Jänner 1994 gemäß §22 Abs1 KStG idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818, 34 %.

Unabhängig von der sich aus diesen Regeln ergebenden Höhe der Steuerschuld haben alle unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften eine Mindeststeuer zu entrichten.

Diesbezüglich sieht §24 Abs4 KStG idF 1997 folgendes vor:

"(4) Für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften gilt folgendes:

1. Es ist für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine Mindeststeuer in Höhe von 5 % eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (§7 des Aktiengesetzes 1965, §6 des GmbH-Gesetzes)

zu entrichten. Ändert sich die für die Mindeststeuer maßgebliche Rechtsform während eines Kalendervierteljahres, so ist dafür die am Beginn des Kalendervierteljahres bestehende Rechtsform maßgeblich.

2. Liegt der letzten Veranlagung zur Umsatzsteuer ein Umsatz im Sinne des §1 Abs1 Z1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 von mehr als 50 Millionen Schilling zugrunde oder ist die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ein Kreditinstitut oder ein Versicherungsunternehmen, so erhöht sich die Mindeststeuer für jedes volle Kalendervierteljahr auf 18 750 S. Maßgebend sind dabei die Verhältnisse zum 30. September.

3. Abweichend von Z1 und 2 beträgt die Mindeststeuer für die ersten vier Kalendervierteljahre ab Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht für jedes volle Kalendervierteljahr 3 750 S.

4. Die Mindeststeuer ist in dem Umfang, in dem sie die tatsächliche Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wie eine Vorauszahlung im Sinne des §45 des Einkommensteuergesetzes 1988 anzurechnen. Die Anrechnung ist mit jenem Betrag begrenzt, mit dem die im Veranlagungsjahr oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen entstehende tatsächliche Körperschaftsteuerschuld den sich aus den Z1 bis 3 für diesen Veranlagungszeitraum ergebenden Betrag übersteigt."

Anders als nach der Rechtslage aufgrund des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 201, sind nunmehr Organgesellschaften im Sinne des §9 Abs2 KStG (d.s. solche Gesellschaften, "die dem Organträger nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch derart untergeordnet sind, daß sie keinen eigenen Willen haben") nicht mehr von der Regelung über die Mindestkörperschaftsteuer ausgenommen. Der steuerliche Gewinn solcher Gesellschaften ist nach §9 Abs1 erster Satz KStG dem Organträger dann zuzurechnen, wenn zwischen diesen Gesellschaften ein Ergebnisabführungsvertrag besteht.

Hinsichtlich des Wirksamkeitsbeginns der eben wiedergegebenen Bestimmung des §24 Abs4 KStG idF 1997 normiert der durch ArtI Z3 des Bundesgesetzes BGBl. I 70/1997 dem §26a KStG angefügte Abs7:

"(7) §24 Abs4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 70/1997 ist erstmals für Zeiträume nach dem 31. Dezember 1996 anzuwenden. Die am 1. Jänner 1997 bestehenden der Mindeststeuer unterliegenden unbeschränkt Steuerpflichtigen haben die für das erste Quartal maßgebenden Beträge am 15. August 1997 nachzuentrichten."

(Das diese Novellierung enthaltende Bundesgesetz BGBl. I 70/1997 wurde am 11. Juli 1997 ausgegeben.)

2. a) §24 Abs4 Z1 KStG idF 1997 ordnet an, daß Kapitalgesellschaften eine Mindeststeuer von 5 % der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals p.a. zu entrichten haben. Dies entspricht einer Mindeststeuer von S 50.000,-- p.a. für Aktiengesellschaften und von S 25.000,-- p.a. für Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Mindeststeuer ist dabei unabhängig davon zu entrichten, ob das tatsächliche Grund- oder Stammkapital höher als das gesetzlich geforderte Mindestkapital (S 1,000.000,-- für Aktiengesellschaften und S 500.000,-- für Gesellschaften mit beschränkter Haftung) ist, sowie unabhängig davon, ob das Mindestkapital voll oder nur teilweise geleistet ist.

Nach §24 Abs4 Z2 KStG idF 1997 beträgt die Mindeststeuer bei Kapitalgesellschaften, die ein Versicherungsunternehmen betreiben, nunmehr S 75.000,-- p.a.

b) Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis zu B2195/97 ua. vom heutigen Tage - auf das er im Interesse der Vermeidung von Wiederholungen verweist - näher dargelegt hat, hegt er keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des §24 Abs4 Z1 KStG idF 1997, mit der die Mindestkörperschaftsteuer für Kapitalgesellschaften in der Höhe von 5 % der gesetzlichen Mindesthöhe des Grund- bzw. Stammkapitals festgelegt wird. Auch hat er aus den im genannten Erkenntnis angeführten allgemeinen Erwägungen über die zulässige Höhe einer Mindest-Körperschaftsteuer in Relation zum Mindest-Eigenkapital angesichts der versicherungsaufsichtsrechtlichen Sonderbestimmungen über die Höhe der Eigenmittel von Versicherungsunternehmungen (vgl. §73f VAG und die Anlage D in diesem Gesetz) keine Bedenken dagegen, daß für Versicherungsunternehmungen eine höhere Mindestkörperschaftsteuer vorgesehen ist.

Keine Bedenken bestehen schließlich dagegen, daß §24 Abs4 KStG idF 1997 an die Rechtsform der Kapitalgesellschaft anknüpft (vgl. hiezu die Entscheidung des VfGH vom 24.1.1997, G388-391/96) und Organgesellschaften nicht freistellt, zumal durch entsprechende Disposition bei der Wahl dieser gesellschaftsrechtlichen Konstruktion auch steuerliche Aspekte mitbedacht werden können (vgl. in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung zur Bedeutung des Wahlrechts im Steuerrecht, zB VfSlg. 8942/1980, 11260/1987, sowie den zur Mindestkörperschaftsteuer in der Rechtslage nach dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. 818, ergangenen Ablehnungsbeschluß vom 29.8.1994, B1386/94 ua., auf den in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 24.1.1997, G388-391/96, Bezug genommen wurde).

3. a) Der Verfassungsgerichtshof leitete jedoch aus Anlaß ua. dieser Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §26a Abs7 KStG idF 1997 ein, mit dem §24 Abs4 dieses Gesetzes rückwirkend in Geltung gesetzt worden war. Mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1997, G441-449/97, hob er die in Prüfung gezogene Bestimmung als verfassungswidrig auf.

Die belangte Behörde hat bei Erlassung des bekämpften Bescheides, der sich auch auf diese Bestimmung stützt, eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewandt. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war.

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

b) Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer von S 3.000,-- sowie der Ersatz der entrichteten Gebühr gemäß §17 a VerfGG von S 2.500,-- enthalten.

Schlagworte

Körperschaftsteuer, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2419.1997

Dokumentnummer

JFT_10019695_97B02419_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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