TE Vfgh Beschluss 2014/6/5 G62/2013

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Veröffentlicht am 05.06.2014
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Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
VStG §53 Abs1, §54b
StVG §3, §3a

Leitsatz

Unzulässigkeit eines Antrags des UVS Wien auf Aufhebung von Bestimmungen des VStG betreffend den Vollzug von (Ersatz-)Freiheitsstrafen im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren

1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehrt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (in der Folge: UVS Wien), die Wortfolgen "die dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegene Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion um den Strafvollzug zu ersuchen, wenn sie über einen Haftraum verfügt. Kann auch diese Behörde die Strafe nicht vollziehen, so ist" sowie ", soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist" in §53 Abs1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl 52/1991 in der Fassung BGBl I 50/2012, in eventu die Wortfolge "die dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegene Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion um den Strafvollzug zu ersuchen, wenn sie über einen Haftraum verfügt. Kann auch diese Behörde die Strafe nicht vollziehen, so ist" in §53 Abs1 VStG, in eventu §54b Abs2 VStG, in eventu §54b Abs2 erster Satz VStG als verfassungswidrig aufzuheben.

Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Berufungswerber vor dem UVS Wien wurde nach Uneinbringlichkeit mehrerer vom Magistrat der Stadt Wien wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Wiener Parkometergesetz 2006 verhängter Geldstrafen zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe in einem Wiener Polizeianhaltezentrum aufgefordert. In der Folge stellte der Berufungswerber (unter Bezugnahme auf das iZm einer verwaltungsbehördlichen Ersatzfreiheitsstrafe wegen Verstoßes gegen das Finanzstrafgesetz ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.690/2012) einen Antrag auf Strafaufschub zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen iSd §3a Strafvollzugsgesetz (StVG); dieser Antrag wurde vom Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 28. März 2013 zurückgewiesen, weil die vom Verfassungsgerichtshof hinsichtlich verwaltungsbehördlicher Finanzstraftatbestände angestellten Erwägungen auf Bestrafte nach dem VStG nicht zutreffen würden.

2. Beim UVS Wien sind bei Behandlung der gegen den angeführten Bescheid des Magistrates der Stadt Wien erhobenen Berufung Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der bezeichneten Wortfolgen des §53 Abs1 sowie des §54b Abs2 VStG entstanden, weshalb er einen Antrag gemäß Art140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof einbrachte.

2.1. Zur Frage der Präjudizialität wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Berufungswerber die Ersatzfreiheitsstrafe noch nicht angetreten habe; der antragstellende UVS Wien sei zur Erledigung der gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien erhobenen Berufung zuständig und habe in diesem Verfahren §53 Abs1 zweiter Satz sowie §54b VStG anzuwenden.

2.2. In der Sache bringt der UVS Wien unter Hinweis auf das schon erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 19.690/2012) im Kern vor, dass die Bestimmungen der §§3 und 3a StVG auf den Vollzug von Ersatzfreiheits-strafen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren uneingeschränkt zur Anwendung gelangten, im allgemeinen Verwaltungsstrafverfahren gemäß §53d Abs1 VStG hingegen nur in jenen Fällen, in welchen die Freiheitsstrafe nicht im Haftraum jener Behörde, die in erster Instanz entschieden hat (oder welcher der Strafvollzug gemäß §29a VStG übertragen worden ist), sondern (ausnahmsweise) in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder einer Strafvollzugsanstalt vollzogen werde. Der Bestimmung des §53d Abs1 VStG könne jedoch kein von §175 Abs1 dritter Satz Finanzstrafgesetz (FinStrG) abweichender normativer Bedeutungsgehalt beigemessen werden, weshalb (bei Vorliegen der Voraussetzungen des §53 Abs1 VStG) auch nach dem VStG Bestraften im Falle des Vollzuges einer Ersatzfreiheitsstrafe in einem gerichtlichen Gefangenenhaus bzw. einer Strafvollzugsanstalt die Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen an Stelle des Vollzuges einer Ersatzfreiheitsstrafe iSd §3a StVG offen stehen müsse. Die dann gegebene Ungleichbehandlung in Bezug auf ebenfalls nach dem VStG bestrafte Personen, die eine über sie verhängte Ersatzfreiheitsstrafe nicht in einem gerichtlichen Gefangenenhaus, sondern (nach Maßgabe vorhandener Unterbringungsmöglichkeiten) in einem Haftraum der Behörde zu verbüßen haben, sei – da §3a StVG in diesen Fällen nicht zur Anwendung gelange – unsachlich und verstoße gegen Art7 B-VG, zumal diese unterschiedliche Behandlung von bloßen Zufälligkeiten abhänge.

2.3. Den Sitz der Verfassungswidrigkeit ortet der antragstellende UVS Wien in der mit dem Hauptantrag angefochtenen Wortfolge in §53 Abs1 VStG: Während im FinStrG der Vollzug von verwaltungsbehördlich ausgesprochenen Ersatzfreiheitsstrafen ausnahmslos in gerichtlichen Gefangenenhäusern bzw. in Strafvollzugsanstalten stattfinde, normiere §53 Abs1 VStG einen derartigen Haftort nur ausnahmsweise und ohne Antragsmöglichkeit des Bestraften. Durch die Aufhebung der mit dem Hauptantrag angefochtenen Wortfolge in §53 Abs1 VStG würde den Bestraften ein "Wahlrecht" bezüglich des Haftortes eingeräumt; diese hätten es durch die "Wahl" eines gerichtlichen Gefangenenhauses bzw. einer Strafvollzugsanstalt als Vollzugsort der Ersatzfreiheitsstrafe "selbst in der Hand" zu erwirken, dass die Bestimmungen des StVG über die Erbringung gemeinnütziger Leistungen auf sie zur Anwendung gelangten. Die Aufhebung auch des Halbsatzes ", soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist" in §53 Abs1 VStG erachtet der UVS Wien in seinem Hauptantrag für erforderlich, weil dem Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses bei der Entscheidung über einen (von einem Bestraften gestellten) Antrag auf Übernahme des Strafvollzuges "kein weiteres Ermessen" eingeräumt werden dürfe.

2.4. In eventu wird nur die im Hauptantrag erstgenannte Wortfolge des §53 Abs1 VStG angefochten.

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Präjudizialität der mit dem Hauptantrag sowie mit dem ersten Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen des §53 Abs1 VStG verneine, begehrt der antragstellende UVS Wien mit seinem zweiten Eventualantrag die Aufhebung des §54b Abs2 VStG und damit jener Bestimmung, die – seiner Ansicht nach – neben der Vollstreckung von Geldstrafen den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen regle. Die Vorschrift stelle lediglich auf die Einbringlichkeit der Geldstrafe ab, nehme jedoch keinen Bezug darauf, ob der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe in einem gerichtlichen Gefangenenhaus (oder in einer Strafvollzugsanstalt) erfolge und insoweit – unter sinngemäßer Anwendung der §§3 und 3a StVG – durch die Erbringung gemeinnütziger Leistungen substituiert werden könne. Der Umstand, dass §54b Abs2 VStG im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe jedenfalls den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe anordne, führe in Verbindung mit §53 Abs1 und §53d Abs1 VStG im Vergleich zum Bereich des Finanzstrafrechtes zu einem unsachlichen, gegen Art7 B-VG verstoßenden Ergebnis.

Auch in diesem Zusammenhang begehrt der antragstellende UVS Wien eventualiter die Aufhebung lediglich des ersten Satzes des §54b Abs2 VStG.

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag dargelegten Bedenken mit näherer Begründung entgegentritt, primär jedoch die gänzliche Zurückweisung des Antrages begehrt. Zur Zulässigkeit des Antrages bringt die Bundesregierung zusammengefasst vor:

3.1. Weder im Anwendungsbereich des §53 Abs1 VStG noch in jenem des §54b Abs2 VStG sei ein Bescheid zu erlassen. Wo die Freiheitsstrafe zu vollziehen bzw. ob die Ersatzfreiheitsstrafe in Vollzug zu setzen sei oder deren Vollzug zu unterbleiben habe, ergebe sich lediglich indirekt aus den von der gemäß §53a erster Satz VStG zuständigen Behörde in diesem Zusammenhang gesetzten Handlungen. Der Aufforderung zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe komme nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bloß der Gehalt einer Mitteilung ohne eigenständigen normativen Inhalt zu, sei also weder ein Bescheid noch ein Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt und damit unanfechtbar. Da die Vorschriften der §§53 Abs1 und 54b Abs2 VStG insoweit schon ihrem abstrakten Inhalt nach nicht die Rechtsgrundlage für die Erlassung von Bescheiden bilden könnten, sei nicht ersichtlich, wie diese Be-stimmungen für die vom antragstellenden UVS Wien zu treffende Entscheidung über die Berufung gegen die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden "Antrages auf Strafaufschub" in denkmöglicher Weise als präjudiziell angesehen werden könnten.

3.2. Im Hinblick auf den Primärantrag und den ersten Eventualantrag führt die Bundesregierung aus, dass Freiheitsstrafen – vom Fall der in §53 Abs2 VStG besonders geregelten "Anschlusshaft" abgesehen – gemäß §53 Abs1 VStG primär in verwaltungsbehördlichen Hafträumen zu vollziehen seien, in gerichtlichen Gefangenenhäusern hingegen nur dann, wenn dies die einzige Möglichkeit darstelle, die Freiheitsstrafe vollziehen zu können. Mit der vom antragstellenden UVS Wien begehrten Aufhebung würde §53 Abs1 VStG einen völlig veränderten, dem gesetzgeberischen Willen nicht entsprechenden Inhalt erhalten: Diesfalls wäre nämlich jede verwaltungsbehördliche Freiheitsstrafe auf Verlangen des Bestraften in einem gerichtlichen Gefangenenhaus zu vollziehen.

3.3. Mit der im zweiten Eventualantrag begehrten Aufhebung des §54b Abs2 VStG wären nach Ansicht der Bundesregierung Ersatzfreiheitsstrafen im Verwaltungsstrafverfahren überhaupt nicht mehr vollziehbar, womit dem Gesetz ebenfalls ein gänzlich veränderter Inhalt gegeben würde, der mit dem gesetzgeberischen Willen nicht in Einklang stünde. Die angestrebte Gleichbehandlung des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens einerseits und des Verwaltungsstrafverfahrens andererseits in Bezug auf die Haftsubstituierung durch gemeinnützige Leistungen könne mit einer solchen Aufhebung keinesfalls erreicht werden, wären Ersatzfreiheitsstrafen diesfalls doch nur noch im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren (und im gerichtlichen Strafverfahren) vollziehbar.

Davon abgesehen ziele der zweite Eventualantrag auf die generelle Ermöglichung der Abwendung des Vollzuges einer Ersatzfreiheitsstrafe durch die Erbringung gemeinnütziger Leistungen und damit der Sache nach auf einen Akt positiver Gesetzgebung ab. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes könne dieser ein über ein bloß partielles Unterlassen hinausgehendes – gänzliches – Untätigbleiben des Gesetzgebers nicht aufgreifen.

3.4. Der dritte Eventualantrag sei (mit Blick auf VfGH 27.2.2012, G77/11) zu eng gefasst, weil die Ausnahmeregelung des §54b Abs2 zweiter Satz VStG in einem untrennbaren inhaltlichen und systematischen Zusammenhang mit der generellen Anordnung des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe in §54b Abs2 erster Satz VStG stehe.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl 52/1991 in der im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung BGBl I 50/2012, lauten wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Strafen

§10. (1) Strafart und Strafsatz richten sich nach den Verwaltungsvorschriften, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.

(2) Soweit für Verwaltungsübertretungen, insbesondere auch für die Übertretung ortspolizeilicher Vorschriften, keine besondere Strafe festgesetzt ist, werden sie mit Geldstrafe bis zu 218 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen bestraft.

Verhängung einer Freiheitsstrafe

§11. Eine Freiheitsstrafe darf nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Artabzuhalten.

§12. (1) Die Mindestdauer der Freiheitsstrafe beträgt zwölf Stunden. Eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen darf nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist. Eine längere als eine sechswöchige Freiheitsstrafe darf nicht verhängt werden.

(2) Darf nach §11 eine Freiheitsstrafe nicht verhängt werden, so ist die für die Tat neben der Freiheitsstrafe angedrohte Geldstrafe zu verhängen. Ist eine solche nicht vorgesehen, so ist eine Geldstrafe bis zu 2 180 Euro zu verhängen."

"Ersatzfreiheitsstrafe

§16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.

(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf §12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen."

"III. Teil: Strafvollstreckung

Vollzug von Freiheitsstrafen

§53. (1) Die Freiheitsstrafe ist im Haftraum der Behörde zu vollziehen, die in erster Instanz entschieden hat oder der der Strafvollzug gemäß §29a übertragen worden ist. Können diese Behörden die Strafe nicht vollziehen oder verlangt es der Bestrafte, so ist die dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegene Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion um den Strafvollzug zu ersuchen, wenn sie über einen Haftraum verfügt. Kann auch diese Behörde die Strafe nicht vollziehen, so ist der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses, in dessen Sprengel der Bestrafte seinen ständigen Aufenthalt hat, um den Strafvollzug zu ersuchen. Dieser hat dem Ersuchen zu entsprechen, soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist.

(2) Im unmittelbaren Anschluß an eine gerichtliche Freiheitsstrafe, oder wenn andernfalls die Untersuchungshaft zu verhängen wäre, darf die von der Verwaltungsbehörde verhängte Freiheitsstrafe auch sonst in einem gerichtlichen Gefangenenhaus vollzogen werden; mit Zustimmung des Bestraften ist der Anschlußvollzug auch in einer Strafvollzugsanstalt zulässig.

Zuständige Behörde

§53a. Alle Anordnungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe obliegen bis zum Strafantritt der Behörde, die in erster Instanz entschieden hat oder der der Strafvollzug gemäß §29a übertragen worden ist. Mit Strafantritt stehen diese Anordnungen und Entscheidungen, soweit nicht das Vollzugsgericht zuständig ist, der Verwaltungsbehörde zu, der gemäß §53 der Strafvollzug obliegt (Strafvollzugsbehörde).

[…]

Vollzug in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten

§53d. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf den Vollzug von Freiheitsstrafen in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, mit Ausnahme der §§31 Abs2, 32, 45 Abs1, 54 Abs3, 115, 127, 128, 132 Abs4 und 149 Abs1 und 4 sinngemäß anzuwenden, soweit dies nicht zu Anlaß und Dauer der von der Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe außer Verhältnis steht. Die Entscheidungen des Vollzugsgerichtes stehen dem Einzelrichter zu.

(2) Soweit Häftlinge eine Arbeitsvergütung zu erhalten haben, ist ihnen diese nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (§32 Abs2 erster Fall und Abs3 des Strafvollzugsgesetzes) zur Gänze als Hausgeld gutzuschreiben.

(3) Wird eine Freiheitsstrafe nach §53 Abs2 in einer Strafvollzugsanstalt vollzogen, so bleiben die im Strafvollzug gewährten Vergünstigungen und Lockerungen auch für den Vollzug der durch eine Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe aufrecht.

[…]

Vollstreckung von Geldstrafen

§54b. (1) Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind zu vollstrecken.

(2) Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

(3) Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen. "

[Mit BG BGBl I 33/2013 wurden die §§53 und 54b VStG novelliert.]

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl 144/1969 idF BGBl I 2/2013, lauten wie folgt:

"ZWEITER TEIL

Anordnung des Vollzuges der auf Freiheitsstrafe lautenden Strafurteile

Anordnung des Vollzuges

§3. (1) Ist an einem Verurteilten eine Freiheitsstrafe zu vollziehen, so ist der Strafvollzug anzuordnen und die nach §9 zur Einleitung oder Durchführung des Strafvollzuges zuständige Anstalt von der Anordnung zu verständigen. Zugleich mit dieser Verständigung oder so bald wie möglich ist der Anstalt auch eine Ausfertigung des Strafurteiles zu übersenden. Der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe hat jedoch zu unterbleiben, soweit der Verurteilte die ausständige Geldstrafe erlegt, durch eine öffentliche Urkunde nachweist, dass sie gezahlt ist, oder gemeinnützige Leistungen (§3a) erbringt. Darüber ist er in der Aufforderung zum Strafantritt zu informieren, wobei ihm auch das Ausmaß der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen mitzuteilen ist. Eine Gleichschrift dieser Mitteilung ist auch einer in der Sozialarbeit erfahrenen Person (§29b Bewährungshilfegesetz) zu übermitteln. Ist der psychische Zustand des Verurteilten oder sein sonstiger Gesundheitszustand im Zuge des Strafverfahrens durch sachverständige Personen untersucht worden, so ist der Verständigung auch eine Abschrift des Gutachtens anzuschließen.

(2) Tritt ein Verurteilter, der sich auf freiem Fuße befindet, die Strafe nicht sofort an, so ist er schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen einem Monat nach der Zustellung anzutreten. Die Aufforderung hat die Bezeichnung der zuständigen Anstalt und die Androhung zu enthalten, daß der Verurteilte im Falle seines Ausbleibens vorgeführt wird. Kommt der Verurteilte dieser Aufforderung nicht nach, so ist seine Vorführung zum Strafantritt anzuordnen. Die Vorführung ist auch anzuordnen, wenn der Verurteilte versucht, sich dem Vollzuge der Freiheitsstrafe durch die Flucht zu entziehen, wenn begründete Besorgnis besteht, daß er das versuchen werde, oder wenn seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme oder entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder für gefährliche Rückfallstäter angeordnet worden ist.

(3) – (5) […]

Erbringung gemeinnütziger Leistungen

§3a. (1) Gemeinnützige Leistungen sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung (§202 StPO) zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist. Vier Stunden gemeinnütziger Leistungen entsprechen einem Tag der Freiheitsstrafe. Nach vollständiger Erbringung gilt die Strafe als vollzogen. Der Vermittler erarbeitet gemeinsam mit dem Verurteilten den für die Erbringung der gemeinnützigen Leistung benötigten Zeitraum, wobei auf eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung, eine Berufstätigkeit oder eine Verpflichtung aus einer Arbeitsvermittlung Bedacht zu nehmen ist, und unterstützt ihn bei den erforderlichen Eingaben bei Gericht. Der Zeitraum für die Erbringung der gemeinnützigen Leistungen darf nicht länger bemessen werden, als der Verurteilte bei wöchentlich zehn Arbeitsstunden benötigen würde. §202 Abs1 letzter Satz sowie Abs3 bis 5 StPO gilt sinngemäß. Die Erbringung gemeinnütziger Leistungen bei Freiheitsstrafen, die neun Monate oder länger dauern, ist nicht zulässig.

(2) Teilt der Verurteilte innerhalb der Frist des §3 Abs2 dem Gericht mit, dass er sich bereit erkläre, gemeinnützige Leistungen zu erbringen und ist dies rechtlich zulässig, so wird diese Frist gehemmt. Danach muss der Verurteilte innerhalb eines Monats ein Einvernehmen mit einer geeigneten Einrichtung erreichen und dies dem Gericht mitteilen. Wird innerhalb dieser Frist kein Einvernehmen erzielt, so läuft die Frist des §3 Abs2 fort. Teilt der Verurteilte hingegen die erreichte Einigung rechtzeitig mit, so gilt der Strafvollzug mit dem Tag des Einlangens der Mitteilung bei Gericht bis zum Nachweis der Erbringung der gemeinnützigen Leistungen als aufgeschoben.

(3) – (5) […]"

III. Erwägungen

1. Das vom UVS Wien gemäß Art140 B-VG angestrengte und mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verfassungsgerichtshof anhängige Gesetzesprüfungsverfahren ist gemäß Art151 Abs51 Z9 iVm Art140 Abs1 lita B-VG in der ab 1. Jänner 2014 geltenden Fassung (mit dem Verwaltungsgericht Wien) fortzuführen.

2. Die Bundesregierung ist mit ihrem Vorbringen, mit dem sie die Zulässigkeit des vorliegenden Antrags in Zweifel zieht, im Recht:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende (Verwaltungs-)Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Recht-sprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

2.2. Gemäß §53 Abs1 VStG sind Ersatzfreiheitsstrafen im Verwaltungsstraf-verfahren – im Gegensatz zu §175 Abs1 FinStrG, der den Vollzug von im (gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen) Finanzstrafverfahren ausgesprochenen Freiheitsstrafen ausschließlich in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten vorsieht – vorrangig im Haftraum jener Behörde zu vollziehen, die in erster Instanz entschieden hat; ersatzweise (falls diese Behörde die Strafe nicht vollziehen kann oder der Bestrafte es verlangt) hat die Verbüßung der Strafe in der dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegenen Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion zu erfolgen (soweit diese über einen Haftraum verfügt); lediglich dann, wenn keine der genannten Möglichkeiten greift, ist der Strafvollzug subsidiär in einem gerichtlichen Gefangenenhaus bzw. (im Fall des §53 Abs2 VStG) in einer Strafvollzugsanstalt vorgesehen. Nur in einer solchen Konstellation kommt die Anwendung von Bestimmungen des StVG durch die Strafvollzugsbehörde in Betracht. Nach dem Willen des Gesetzgebers hat der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes daher (sieht man von Fällen des "Anschlussvollzuges" gemäß §53 Abs2 VStG ab) bloß in Ausnahmefällen in einem gerichtlichen Gefangenenhaus zu erfolgen (vgl. VfGH 12.12.2013, B628/2013).

2.3. Die vom antragstellenden UVS Wien mit dem Primärantrag bzw. mit dem ersten Eventualantrag intendierte Gesetzesaufhebung gäbe dem verbleibenden Teil des §53 Abs1 VStG einen gänzlich veränderten, dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Inhalt: Die Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen in §53 Abs1 VStG hätte nämlich zur Folge, dass dem Bestraften im Verwaltungsstrafverfahren ein "Wahlrecht" im Hinblick auf den Vollzugsort einer Ersatzfreiheitsstrafe eingeräumt würde. Die Einräumung eines solchen subjektiven Anspruches sowie ein diesbezügliches Antragsrecht stünde jedoch dem Willen des Gesetzgebers entgegen, der vom Grundsatz der Reihenfolge von verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Haft getragen ist (vgl. RV 133 BlgNR 17. GP, 12).

2.4. Was den zweiten und dritten Eventualantrag anlangt, übersieht der antragstellende UVS Wien außerdem, dass selbst für den Fall der (gänzlichen oder teilweisen) Aufhebung der Bestimmung des §54b Abs2 VStG die von ihm behauptete Unsachlichkeit – nämlich das Fehlen einer Möglichkeit, den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe durch Erbringung gemeinnütziger Leistungen abzuwenden – mangels entsprechender positiver Regelung nicht beseitigt würde (vgl. VfGH 27.2.2012, G77/11).

2.5. Der Antrag erweist sich daher zur Gänze als unzulässig.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist aus den dargelegten Gründen als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, Verwaltungsstrafrecht, Verwaltungsstrafverfahren, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Ersatzfreiheitsstrafe, Strafvollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G62.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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