TE Vwgh Erkenntnis 2014/3/26 2011/13/0036

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2014
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §25;
EStG 1988 §4 Abs4;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §49 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der K, Steuerberaterin in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 17. Februar 2011, Zl. RV/3149-W/02, betreffend Einkommensteuer 1997 bis 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, einer als Steuerberaterin tätigen Wirtschaftstreuhänderin, fand eine die Streitjahre 1997 bis 1999 betreffende Prüfung der Aufzeichnungen statt. Im Bericht darüber vom 16. Mai 2001 wurde ausgeführt, "als Gehälter und als Fremdhonorare verbuchte Betriebsausgaben" betreffend die "Angehörigen (Ehemann, zwei Kinder und Schwiegermutter) und langjährige Freunde (Familie P.)" würden ertragsteuerlich nicht anerkannt.

Bei der "Familie P." handelte es sich dem Bericht nach um Otto P. sowie um die Geschwister Alexandra P. (1997 18 Jahre alt), Christoph P. (1997 17 Jahre alt) und (nur im Jahr 1999) Markus P. Über das Naheverhältnis zur Beschwerdeführerin war im Arbeitsbogen nur festgehalten, die Familie sei - gemeint: der Beschwerdeführerin - "sehr lange bekannt". Als Geburtsjahr von Otto P. ist im Arbeitsbogen das Jahr 1918 angeführt, Markus P. war laut Arbeitsbogen im Jahr 1999 erst 15 Jahre alt.

Gegen die Einkommensteuerbescheide des Finanzamtes, in denen die meisten der Zahlungen der Beschwerdeführerin an diese insgesamt acht Personen dem Prüfungsbericht folgend nicht mehr als Betriebsausgaben anerkannt wurden, erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 12. Juni 2001 Berufung. Mit Schriftsatz vom 31. August 2001 replizierte sie auf eine Stellungnahme des Prüfers zur Berufung. Im März 2002 legte das Finanzamt die Berufung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vor.

Im Dezember 2003 lud die inzwischen zuständig gewordene belangte Behörde zu einem Erörterungsgespräch im Jänner 2004, das zunächst auf Februar 2004 verschoben wurde und schließlich erst im Mai 2006 stattfand. Dazwischen vernahm die belangte Behörde - im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt - im April 2004 eine ehemalige Mitarbeiterin der Beschwerdeführerin als Zeugin. Auf das Erörterungsgespräch am 11. Mai 2006 folgte noch ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom Folgetag.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 2011 gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt. Sie anerkannte die Ausgaben für Tätigkeiten des Ehemannes der Beschwerdeführerin, während sie die Anerkennung der Zahlungen an die Schwiegermutter der Beschwerdeführerin und an Otto P. weiterhin verweigerte. Hinsichtlich der fünf verbleibenden, jüngeren Zahlungsempfänger differenzierte die belangte Behörde, indem sie jeweils nur die Aufwendungen für Tätigkeiten in den Ferienmonaten Juli und August als Betriebsausgaben anerkannte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde hat auf die Beziehungen der Beschwerdeführerin zu allen sieben noch strittigen Zahlungsempfängern die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die Anerkennung von Verträgen zwischen "nahen Angehörigen" angewendet, was in Bezug auf die beiden Kinder und die Schwiegermutter der Beschwerdeführerin keinen Bedenken begegnet. Feststellungen über das Naheverhältnis der Beschwerdeführerin zur "Familie P." hat die belangte Behörde nicht getroffen. Im angefochtenen Bescheid wird nur referiert, nach dem Prüfungsbericht handle es sich um "langjährige Freunde". Dem entspricht im Arbeitsbogen, wie erwähnt, nur der Vermerk, die Familie sei "sehr lange bekannt".

Es trifft zu, dass der Kreis der Personen, auf die sich die von der belangten Behörde herangezogene Rechtsprechung bezieht, über Angehörige im Sinne des § 25 BAO hinaus - und abgesehen von gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen - auch andere in einem besonderen persönlichen Naheverhältnis stehende Personen umfasst (vgl. die schon vor der Erweiterung des § 25 BAO durch das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, judizierte Einbeziehung von Lebensgefährten etwa in den hg. Erkenntnissen vom 16. November 1993, 90/14/0179, und vom 29. Juli 1997, 93/14/0056). Im Zusammenhang mit ehemaligen (von § 25 BAO weiterhin nicht erfassten) Lebensgefährten wurde im hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2012, 2010/15/0016, aber ausgesprochen, es bedürfe einer fallbezogenen Prüfung, ob noch eine faktische Nahebeziehung bestehe, auf die sich die Beurteilung als naher Angehöriger gründen lasse.

Eine bloße Bekanntschaft, mag sie auch schon "sehr lange" dauern, wird nicht ausreichen, um eine Person einem "nahen Angehörigen" gleichzuhalten. Was Freundschaften anlangt, so bedarf es der Prüfung im Einzelfall, ob sie so eng sind, dass dies zu Zweifeln an der betrieblichen Veranlassung geleisteter Zahlungen, auf die sich die von der belangten Behörde herangezogene Judikatur bezieht, Anlass gibt (vgl. zu Grundlagen und Anwendungsbereich dieser die Beweiswürdigung betreffenden Rechtsprechung etwa Doralt/Toifl, EStG14, § 2 Tz 158 ff). Da die belangte Behörde sich damit nicht auseinandergesetzt und die "Familie P."

ohne Grundlage in entsprechenden Ermittlungsergebnissen wie die Familie der Beschwerdeführerin selbst behandelt hat, sind ihre Ausführungen insoweit nicht schlüssig.

In Bezug auf den Sohn und (ab Juni 1999) die Tochter der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde Feststellungen über die Meldungen bei der Krankenkasse, Eintragungen auf den Lohnkonten und die vorgelegten, zum Teil detaillierten Stundenaufstellungen mit Angabe der jeweils durchgeführten Arbeiten getroffen. Dass die verzeichneten Arbeiten nicht geleistet oder etwa nur taschengeldähnlich entlohnt worden seien, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor, wenngleich jeweils darauf hingewiesen wird, dass der Schulbesuch für die entlohnten Tätigkeiten während des Schuljahres wenig Zeit gelassen habe. Im Hinblick auf den damit zusammenhängenden Umstand, dass die festgehaltenen Stundenleistungen jeweils nur zwischen 0,5 und 3,5 Stunden (beim Sohn) bzw. zwischen 1 und 1,5 Stunden (bei der Tochter) betrugen, führt die belangte Behörde jedoch ins Treffen, ein Familienfremder hätte "eine tägliche Arbeitszeit von einer halben Stunde oder ein oder zwei Stunden" bzw. "eine tägliche Arbeitszeit von einer Stunde" nicht akzeptiert, weshalb die getroffenen Vereinbarungen einem Fremdvergleich nicht standhielten. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung werde "bei Eingehen eines Dienstverhältnisses zumeist auch der Umstand berücksichtigt, dass zum Erreichen des Arbeitsplatzes ein Zeitaufwand notwendig ist".

Die belangte Behörde hat nicht angenommen, dass dem Sohn und der Tochter der Beschwerdeführerin, deren Wohnadresse im selben Mehrparteienhaus aktenkundig war, ein solcher Zeitaufwand entstand. Damit erweist sich der von der belangten Behörde vorgenommene Fremdvergleich in diesem von ihr in den Vordergrund gestellten Punkt aber als fehlerhaft. Unter Abstraktion von der familiären Nahebeziehung wäre hier nur zu fragen gewesen, ob Jugendliche einer anderen im Haus wohnhaften Familie eine derartige mit dem Schulbesuch vereinbare Beschäftigung akzeptiert hätten.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist in Bezug auf die Angehörigen der Familie P. und die beiden Kinder der Beschwerdeführerin daher nicht geeignet, das von der belangten Behörde erzielte Ergebnis der völligen Nichtanerkennung bzw. auf die Ferienmonate beschränkten Anerkennung der Zahlungen als Betriebsausgaben zu tragen, weshalb sich eine Auseinandersetzung mit der die Schwiegermutter der Beschwerdeführerin betreffenden Begründung erübrigt und der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Schriftsatzaufwand ist einem Wirtschaftstreuhänder in eigener Sache nicht zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2011, 2009/15/0223, m.w.N.).

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 26. März 2014

Schlagworte

Schriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des Pauschbetrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2011130036.X00

Im RIS seit

25.04.2014

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten