TE Vwgh Erkenntnis 2014/3/28 2014/02/0010

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Veröffentlicht am 28.03.2014
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §31 idF 1998/I/158;
VStG §32 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2014/02/0011 E 28. März 2014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Dkfm. Dr. K in W, vertreten durch Dr. Michael Herzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 32/Mezzanin, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 28. Juni 2013, Zl. UVS- 06/FM/46/13613/2012, betreffend Übertretungen des BörseG (weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer - unter Herabsetzung der erstinstanzlichen Strafen - als Mitglied des Vorstandes der A AG schuldig erachtet, er habe es gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass die A AG im Zeitraum vom 2. Juli 2010 bis zum 13. Juli 2010 (Spruchpunkt 1.) und im Zeitraum vom 14. Juli 2010 bis zum 16. Juli 2010 (Spruchpunkt 2.) näher genannte Veröffentlichungen und Bekanntgaben, zu denen sie verpflichtet gewesen wäre, unterlassen habe.

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 48d Abs. 1 BörseG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Z. 2 BörseG sowie § 82 Abs. 7 BörseG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Z. 6 BörseG übertreten, wofür er zu Geldstrafen zwischen EUR 16.000,-- und EUR 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen zwischen 72 Stunden und 24 Stunden) verurteilt wurde.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Verfahrensgang wieder und traf Feststellungen zu den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten. In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf die von ihr als maßgeblich erachtete Gesetzeslage und auf die einschlägige Rechtsprechung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und für den Vorlageaufwand Kosten verzeichnet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in dem vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesenen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiterhin anzuwenden sind, zumal durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist.

Der Beschwerdeführer wendet in der Beschwerde in erster Linie ein, hinsichtlich aller angelasteten Taten sei Verfolgungsverjährung eingetreten. Der angefochtene Bescheid habe Unterlassungen zum Gegenstand, die spruchgemäß spätestens am 16. Juli 2010 beendet worden seien. Gemäß § 96a Abs. 3 BörseG in Verbindung mit § 31 Abs. 2 VStG hätte die belangte Behörde binnen 18 Monaten, somit bis längstens 16. Jänner 2012, eine Verfolgungshandlung setzen müssen. Erst mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14. Februar 2012 sei eine Verfolgungshandlung gesetzt worden. Das erstbehördliche Auskunftsersuchen vom 20. Oktober 2010 sowie die Zeugenvernehmung vom 7. September 2011 hätten sich gegen keine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtet und hätten auch Tatzeit und Tatort nicht näher genannt.

Die belangte Behörde hat trotz gegebener Möglichkeit und in Kenntnis des Verjährungseinwandes des Beschwerdeführers keine der Verjährung entgegen stehende Argumente vorgetragen und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

§ 31 VStG idF BGBl. I Nr. 20/2009 und § 32 VStG idF BGBl. I Nr. 158/1998 lauten:

"§ 31.(1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

(3) Sind seit dem in Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen, so darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden. Eine Strafe darf nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie Zeiten, während deren die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war, sind nicht einzurechnen.

§ 32. (1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.

(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

(3) Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten."

Nach § 96a Abs. 1 BörseG gilt bei Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 48 und 48c anstelle der Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG von sechs Monaten eine Verjährungsfrist von 18 Monaten.

Gemäß dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anwendbaren § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Nach der Aktenlage - mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten vollständig sind - hat die erstinstanzliche Behörde mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 an die A AG ein "Auskunftsersuchen gemäß § 48q Börsegesetz ... zur Konkretisierung eines Verdachts einer gemäß §§ 48a bis 48f Börsegesetz strafbaren Handlung" gestellt. Darin wurde die A AG ohne Bezug auf eine bestimmte Person um Auskunft über näher genannte Vorgänge ersucht.

Mit Schreiben vom 8. November 2010 hat der anwaltliche Vertreter der A AG dem Auskunftsersuchen entsprochen.

Die erstinstanzliche Behörde hat einen mit 1. Dezember 2010 datierten "Bericht zur Untersuchung auf mögliche Verletzung der Meldepflicht gemäß § 48d Abs. 1 BörseG" verfasst, in dem - wiederum ohne Nennung einer bestimmten Person als Beschuldigten - die bis dahin zur Verfügung gestandenen Unterlagen ausgewertet wurden.

Mit Ladungsbescheid vom 29. August 2011 wurde ein Mitarbeiter der R Bank AG von der erstinstanzlichen Behörde in der im Bescheid angeführten Angelegenheit: "Absage der Begebung der Unternehmensanleihe der (A AG) ... Laufzeit 2010 bis 2015, Zeichnungsfrist 13.07.2010 bis 15.07.2010" zur Einvernahme geladen.

In der Niederschrift über die Vernehmung dieses Zeugen am 7. September 2011 ist als "Gegenstand der Vernehmung (Name des Beschuldigten, genaue Beschreibung der Tat):" wiederum die im Ladungsbescheid angeführte Angelegenheit genannt.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung der erstinstanzlichen Behörde vom 14. Februar 2012, dem Beschwerdeführer zugestellt durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 17. Februar 2012, wurde dem Beschwerdeführer - nach der Aktenlage erstmals - mitgeteilt, dass er der dann auch im angefochtenen Bescheid der Bestrafung zugrunde gelegten Taten verdächtig sei.

Nach der Rechtsprechung wird bei der Umschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien in § 32 Abs 2 VStG auf eine bestimmte Person abgestellt, der eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird, sodass sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigter, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften beziehen muss. Der Verfolgungshandlung muss entnommen werden können, gegen welche Tat sich die Verfolgung der Behörde richtet. Das bedeutet, dass eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. das Erkenntnis vom 27. Februar 2013, Zl. 2010/03/0036).

Dem gemäß § 32 Abs. 2 VStG gegebenen Erfordernis, dass die Verfolgungshandlung gegen eine "bestimmte Person" gerichtet sein muss, wird dann entsprochen, wenn eindeutig feststeht, um welche konkret (individuell) bestimmte Person es sich handelt. Diese Person muss nach dem umschriebenen Merkmal unverwechselbar erkennbar sein, wobei es ausreicht, dass aus den sonstigen Umständen eindeutig hervorgeht, gegen wen als Beschuldigten die Verfolgungshandlung gesetzt wurde (vgl. das Erkenntnis vom 21. April 2006, Zl. 2004/02/0385).

Eine Zeugenaussage kann eine geeignete Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG darstellen, jedoch muss die Verfolgungshandlung gegen eine bestimmte und nicht gegen eine erst später zu bestimmende Person gerichtet sein (vgl. das Erkenntnis vom 20. April 1989, Zl. 85/18/0173).

Der Beschwerdeführer wurde erstmals in der Aufforderung zur Rechtfertigung der erstinstanzlichen Behörde vom 14. Februar 2012, dem Beschwerdeführer zugestellt am 17. Februar 2012, der in Rede stehenden Taten verdächtigt und somit als Beschuldigter verfolgt. Nach dem angefochtenen Bescheid endete der Tatzeitraum am 16. Juli 2010, die 18-monatige Verjährungsfrist somit am 16. Jänner 2012. Nachdem innerhalb einer Frist von 18 Monaten von der erstinstanzlichen Behörde keine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG gesetzt wurde, ist die Verfolgung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen strafbaren Handlungen verjährt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, welche gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden ist.

Wien, am 28. März 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2014020010.X00

Im RIS seit

24.04.2014

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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