TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/11 2000/01/0326

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Veröffentlicht am 11.10.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des GAD in L, geboren am 29. Dezember 1972, vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Herrenstraße 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Mai 2000, Zl. 215.552/0-V/13/00, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Angola, der am 5. November 1999 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 8. November 1999 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 12. November 1999 niederschriftlich einvernommen.

Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass mit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten zwangsweisen Rekrutierung zum Militärdienst, die er verweigert habe, keine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen sei. Es lägen auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 57 Fremdengesetz vor.

In der dagegen erhobenen Berufung behauptete der Beschwerdeführer, in seiner Heimat werde ein junger Mann, der sich weigere, den Militärdienst abzuleisten, bzw. der der Aufforderung dazu nicht nachkomme, "automatisch als nicht loyaler Staatsdiener und Verräter des Staates" angesehen. Zum Beweis berief er sich auf einen Bericht aus dem ai-Journal vom September 1999.

Die belangte Behörde führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der sie den Beschwerdeführer neuerlich einvernahm und ihm Beweisergebnisse zum Thema Wehrdienstpflicht, Erfassung und Rekrutierung von Soldaten sowie Bestrafung von Wehrdienstverweigerern (datierend vom 8. Dezember 1999 und vom 29. Februar 2000) vorhielt.

Basierend auf den Ergebnissen der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte die belangte Behörde als Sachverhalt fest:

"Der Antragsteller ist angolanischer Staatsangehöriger und wurde er im Oktober 1999 gemeinsam mit seinem minderjährigen Sohn von der Polizei auf offener Straße in der Hauptstadt Luanda angehalten sowie sodann zur Leistung eines Militärdienstes aufgefordert. Auf Grund seiner Weigerung wurde der Antragsteller sodann an der örtlichen Polizeistation angehalten. Nach einigen Tagen wurde der Antragsteller über Intervention eines hohen Militärangehörigen, welcher zum früheren Zeitpunkt in einem freundschaftlichen Naheverhältnis zum Vater des Antragstellers gestanden war, freigelassen. In der Folge verließ der Antragsteller sofort das Land."

Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft ins Treffen zu führen vermocht, dass ihm als Angehöriger einer bestimmten Volksgruppe eine diskriminierende Behandlung während des Militärdienstes bzw. auch nunmehr bei der Zumessung bzw. Vollziehung einer Strafe auf Grund erfolgter Wehrdienstverweigerung und Entziehung von der Wehrpflicht zuteil werden würde, wobei sich die belangte Behörde auf einen Bericht des deutschen Außenamtes vom 19. Dezember 1999 bezog.

Bei der Prüfung der Frage, ob dem Beschwerdeführer eine der Gefahren des § 57 Fremdengesetz 1997 drohe, ergänzte die belangte Behörde Folgendes:

"Dem Vorbringen des Antragstellers im durchgeführten Ermittlungsverfahren war einerseits nicht entnehmbar, dass er massiven, gegen seine Person gerichteten, seine persönliche Integrität verletzenden, Eingriffshandlungen ausgesetzt war bzw. vermochte er auch nicht nachvollziehbar darzutun, im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit solchen rechnen zu müssen.

Überdies kann jenen dem Antragsteller bei Rückkehr drohenden Sanktionen auf Grund seiner erfolgten Wehrdienstentziehung keine derartige Qualität beigemessen werden, dass diese in den Bereich der erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung bzw. Bestrafung reichen würden. Ausdrücklich sei erwähnt - und dies auf Grund fundierter einschlägiger Quellen -, dass dem Antragsteller jedenfalls für sein Vergehen der Wehrdienstentziehung nicht die Todesstrafe droht. Überdies vermochte der Antragsteller im durchgeführten Ermittlungsverfahren keine konkreten Anhaltspunkte hiefür zu liefern, dass ihm bei Rückkehr eine konkrete massive erniedrigende Behandlung seitens der Organe der staatlichen Behörden drohen würde.

Des Weiteren wird auf die obzitierten Dokumentationsunterlagen verwiesen, wonach die allgemeine Sicherheitslage zumindest in der Hauptstadt Luanda sowie im Umland als relativ den Umständen entsprechend gut zu bezeichnen ist, weshalb der Antragsteller auch nicht dem Risiko ausgesetzt wäre, von konkreten Bürgerkriegshandlungen betroffen bzw. den Auswirkungen derselben ausgesetzt zu sein.

Nicht unerwähnt bleibe, dass - so die einschlägigen Erkenntnisquellen - die vom Antragsteller relevierte Zwangsrekrutierungspraxis seitens regierungsnaher Stellen nunmehr jedenfalls nicht mehr stattfindet, weshalb der Antragsteller auch pro futuro bei Rückkehr nicht mehr mit seiner Zwangsrekrutierung bzw. und daraus folgendem Einsatz im Bürgerkrieg zu rechnen hat.

Dass dem Berufungswerber bei Rückkehr jegliche Lebensgrundlage entzogen wäre, konnte der Antragsteller im Verfahren ebenfalls nicht glaubhaft dartun."

Die belangte Behörde wies mit Spruchpunkt 1) die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 idF. BGBl. I Nr. 4/1999 - AsylG - ab und stellte mit Spruchpunkt 2) gemäß § 8 AsylG iVm.

§ 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 - FrG - fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in ihre Heimat zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer weist in der Beschwerde zunächst darauf hin, dass er während seiner dreitägigen Haft anlässlich der versuchten Zwangsrekrutierung misshandelt worden sei. Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer hiezu ausgeführt, er sei "mittels Ohrfeigen" misshandelt und auf die Polizeistation gebracht worden, weil die Polizisten ihn hätten dazu bringen wollen, dass er Militärdienst leiste. Diese "Misshandlung" ist demnach nicht losgelöst von der versuchten Rekrutierung zum Militärdienst zu betrachten.

Des Weiteren bezieht sich der Beschwerdeführer auf die Behauptung, dass staatliche Organe seine Frau sowie seine "Geschwister" vergewaltigt hätten. Die belangte Behörde ist der Ansicht, dass ein Vorbringen in diese Richtung erstmals in der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstattet worden und deshalb als unglaubwürdig zu werten sei. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer aber anlässlich seiner Einvernahme vom 12. November 1999 auch ausgesagt, der - ihm namentlich unbekannte - Oberst, welcher ein Kampfgefährte seines gefallenen Vaters gewesen sei, der ihn nach dreitägiger Haft aus dem Polizeigewahrsam geholt habe, der ihn drei Tage bei sich habe wohnen lassen, der seine Ausreise organisiert und ihn in ein unbekanntes Land gebracht habe, habe ihm an dem unbekannten Zwischenaufenthaltsort außerhalb der Heimat mitgeteilt, die Ehegattin und die Schwester des Beschwerdeführers seien in Angola vergewaltigt worden. Da der Beschwerdeführer aber des Weiteren im Verwaltungsverfahren angegeben hat, mangels Kontaktaufnahme mit seiner in der Heimat verbliebenen Familie diese Angabe nicht verifiziert zu haben (auch in der Beschwerde findet sich hiezu kein konkreter Anhaltspunkt), bleibt sein diesbezügliches Vorbringen damit lediglich eine auf einer von einer unbekannten Person gemachten Äußerung weitab von der Heimat beruhende vage Befürchtung. Im Ergebnis lässt sich daher aus dieser Behauptung nichts für den Standpunkt des Beschwerdeführers ableiten.

Insofern der Beschwerdeführer darauf hinweist, die Ableistung des Militärdienstes "würde auch bedeuten, dass ich gegen das eigene Volk kämpfen müsste, was ebenfalls unzumutbar wäre", so übersieht er die konkrete Situation in Angola, bei der nicht verschiedene Volksgruppen gegeneinander kämpfen, sondern ein Kampf der Regierungsarmee gegen die Rebellenorganisation UNITA stattfindet. Aus der Ableistung des Militärdienstes in der Regierungsarmee läge demnach kein asylrelevanter Zwang zum Kampf gegen "das eigene Volk".

Auch hinsichtlich der versuchten Rekrutierung zur Militärdienstleistung ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren kein asylrechtlich relevanter Sachverhalt zu entnehmen. Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müsste, dass er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (vgl. zum Fall einer Einberufung das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994. Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14.089/A, sowie zum Fall einer Zwangsrekrutierung den hg. Beschluss vom 29. Juni 2000, Zl. 98/20/0514, ua.). Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren keine Ausführungen gemacht, die auf das Vorliegen von Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten.

Den anlässlich der Berufung vorgelegten Beweismitteln (ai-Journal vom September 1999) ist anders als den dem Beschwerdeführer in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgehaltenen Beweismitteln vom 8. Dezember 1999 und vom 29. Februar 2000 keine konkrete Aussage betreffend Rekrutierung, Verweigerung des Militärdienstes sowie Bestrafung der Verweigerung seitens der angolanischen Regierung zu entnehmen. In den von der Behörde herangezogenen Beweismitteln ist betreffend Luanda, jener Stadt, in der der Beschwerdeführer wohnte und auf die sich die von ihm vorgebrachten Vorfälle bezogen, Folgendes enthalten:

"d) Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis: Die Rechtsprechung in Strafsachen funktioniert vielfach nur sehr unzureichend. Ermittlungsbehörden und Gerichte sind überlastet und unterbezahlt. Dadurch kommt es oft zur übermäßigen Ausdehnung der Untersuchungshaft. Das Vakuum, das durch das Fehlen einer geordneten Rechtsprechung erzeugt wird, wird häufig durch Polizei und Staatsanwaltschaft ausgefüllt. Privilegierte Schichten der Bevölkerung können sich auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen von der Verbüßung von Freiheitsstrafen durch Stellung von Kautionen freikaufen oder auf anderem Wege generell einem Strafverfahren entgehen. Eine Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität etc. diskriminiert, ist nicht festzustellen. Allerdings sind Unregelmäßigkeiten bei der Verhaftung und Inhaftierung von UNITA-Angehörigen vorgekommen, die in einigen Fällen eindeutig politisch motiviert scheinen.

e) Wehr-/Kriegsdienstverweigerer und Fahnenflüchtige: Das angolanische Recht kennt das Institut der Kriegsdienstverweigerung nicht. Auf Fahnenflucht steht Gefängnisstrafe zwischen 2 und 8 Jahren. Für den Fall des Nichterscheinens zum Antritt des Militärdienstes droht eine Gefängnisstrafe von 3 Tagen bis 2 Jahren. Auch hier sind die Amnestiegesetze für die in ihnen bestimmten Zeiträume anwendbar. Freikauf ist grundsätzlich nicht vorgesehen, kann aber auf Grund von Korruption nicht ausgeschlossen werden.

...

Im Moment deutet alles darauf hin, dass die Behörden diesem Treiben ein Ende gesetzt haben, wenigstens in Luanda. Im September 1999 bestätigt der Schweizer Honorarkonsul, wenn es eine gewaltsame Rekrutierung durch Razzien in der angolanischen Hauptstadt gegeben hat, dann ist dies nun weitgehend beendet worden, abgesehen von einigen isolierten und nicht offiziellen Aktionen am Stadtrand. Die letzten, uns zur Verfügung stehenden Informationen sind noch genauer und sprechen davon, dass die Aktionen zur Rekrutierung von Soldaten für die Armee durch die Polizei in Luanda aufgehört haben.

Kürzlich erhaltene Informationen signalisieren jedoch, dass es weiterhin gewaltsame Rekrutierungen im Süden des Landes gibt und sogar in Namibien."

Diesen Beweismitteln ist der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren (aber auch in der Beschwerde) nicht konkret entgegengetreten.

Damit ist die Rechtsansicht der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer drohe weder asylrelevante Verfolgung noch gäbe es stichhaltige Gründe für die Annahme, dass er einer der Gefahren des § 57 FrG ausgesetzt wäre, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000010326.X00

Im RIS seit

15.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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