RS Vfgh 2014/3/3 U2416/2013

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Veröffentlicht am 03.03.2014
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AVG §9, §63 Abs2
AsylG 2005 §16 Abs3, §19 Abs1, Abs5
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurückweisung der Beschwerde gegen die Feststellung der Volljährigkeit eines afghanischen Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt basierend auf einem ärztlichen Gesamtgutachten; Unbedenklichkeit der Qualifizierung der Altersfeststellung als - nicht gesondert bekämpfbare - Verfahrensanordnung

Rechtssatz

Kein Entzug des gesetzlichen Richters.

Ob eine im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergehende, das Verfahren betreffende Erledigung als Verfahrensanordnung oder als verfahrensrechtlicher Bescheid zu ergehen hat, ist - sofern der Gesetzgeber nicht selbst den Begriff verwendet - durch Interpretation zu ermitteln. Ausschlaggebend ist letzten Endes das Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen.

Das Vorliegen der Volljährigkeit und damit der Prozessfähigkeit ist gemäß §9 AVG von der Behörde, "wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen". Die Prozessfähigkeit ist von Amts wegen zu prüfen und in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen.

Aus dem System der Regelungen des §16 Abs3, §19 Abs1 und Abs5 AsylG 2005 (vgl auch RV952 BlgNR 22. GP, 43, 45) ergibt sich, dass eine Einvernahme eines minderjährigen Asylwerbers ohne dessen gesetzlichen Vertreter unzulässig ist; eine dennoch ohne gesetzlichen Vertreter durchgeführte Einvernahme bewirkt im Ergebnis, dass das von der Behörde abgeführte Verfahren mit einem Mangel behaftet ist, der durch die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung geltend gemacht werden kann.

Im vorliegenden Fall kann daher fehlendes Vorbringen bei einer falschen Annahme der Prozessfähigkeit im fortgesetzten Verfahren nachgeholt oder ergänzt werden, da die relevanten Bestimmungen des AsylG 2005 jene Verfahrenshandlungen, die ohne den gesetzlichen Vertreter nicht vorgenommen werden dürfen, ausdrücklich regeln.

Es ist daher aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich, wenn auf Grund der behaupteten Minderjährigkeit des Asylwerbers die Prüfung der Prozessfähigkeit in einer (nicht gesondert bekämpfbaren) Verfahrensanordnung mündet.

Keine Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander; keine Willkür.

Dem AsylGH ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn er die Altersfeststellung als (nicht gesondert bekämpfbare) Verfahrensanordnung qualifiziert und die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen hat.

Der Erlass der Bundesministerin für Inneres vom 18.12.2009, BMI-BA1000/1067-BAA/2009, ist im vorliegenden Fall nicht präjudiziell. Der in Rede stehende Erlass richtet sich nicht an den AsylGH, der diesen bei seiner Entscheidung - wie auch der Beschwerdeführer selbst einräumt - nicht angewendet hat und auch nicht anzuwenden gehabt hätte.

Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als offenbar aussichtslos.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Verfahrensanordnung, Bescheid verfahrensrechtlicher, Auslegung, Rechtsschutz, Rechts- und Handlungsfähigkeit, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:U2416.2013

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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