TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/18 98/08/0293

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Veröffentlicht am 18.10.2000
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Index

66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
GSVG 1978 §25;
GSVG 1978 §25a Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Dr. Eva-Maria Bachmann und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. August 1998, Zl. Vd-SV-1006-1/7/3-1998, betreffend Beitragsgrundlagen nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: E in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte übte auf Grund eines auf ihren Namen lautenden Gewerbescheines vom 22. Februar 1993 ab 1. Februar 1993 das Gewerbe "ständig von einem Auftraggeber betrauter Warenpräsentator" aus. Nachdem über das Vermögen ihres Auftraggebers der Anschlusskonkurs eröffnet wurde, begehrte sie am 16. Februar 1995 (auf Grund der damals geltenden Fassung des § 2 Z. 3 IESG, wonach die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Ansprüche von arbeitnehmerähnlichen Personen gemäß § 51 Abs. 3 Z. 2 ASGG sinngemäß Anwendung finden) Insolvenz-Ausfallgeld. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen - Bundessozialamt Tirol gab mit Bescheid vom 28. Juni 1995 dem Antrag mit S 465.246,-- (laufendes Entgelt S 360.363,--, Entgelt aus der Beendigung S 91.149,-- und Kosten/Zinsen S 13.734,--) statt. Nach der Begründung waren die Voraussetzungen für die Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für die genannten Ansprüche erfüllt. Mit weiterem Bescheid vom 28. Juni 1995 wies das Bundessozialamt Tirol die weiter gehenden Ansprüche der Beschwerdeführerin ab. In der Begründung ist dazu - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - zu lesen, die in den von der Mitbeteiligten geltend gemachten Provisionsforderungen enthaltene Umsatzsteuer in Höhe von S 89.930,-- sei in analoger Anwendung des § 3 Abs. 4 IESG abzulehnen gewesen. Die Beschwerdeführerin führte in der dem Finanzamt vorgelegten Einnahmen/Ausgaben-Rechnung vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1995 unter Punkt 1. Umsatzserlöse, Provisionen mit einem bestimmten Betrag an und unter Punkt 2. als sonstige betriebliche Erträge u.a. Provisionen 0 % S 465.246,--.

Mit Schreiben vom 17. November 1997 gab die Mitbeteiligte der Beschwerdeführerin bekannt, dass mit Kontoauszug bis 19. Oktober 1997 die Beiträge für das Jahr 1995 wesentlich erhöht worden seien. Dies sei auf Grund des Steuerbescheides 1995, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit S 436.601,-- festgesetzt worden seien, geschehen. In diesen Einkünften sei Insolvenzausfallgeld auf Grund der Eröffnung des Anschlusskonkurses über das Vermögen des "Arbeitgebers" in Höhe von S 465.246,-- enthalten. Dieser Betrag stelle keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, sondern Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Sie beantrage daher, diesen Teilbetrag aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden und als Beitragsgrundlage die Mindestbeitragsgrundlage festzusetzen. Diesem Schreiben schloss die Mitbeteiligte die genannten Bescheide des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Tirol und die Beilage zur Steuererklärung für 1995 an.

Nach weiterem Schriftverkehr und Telefongesprächen stellte die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 5. Juni 1998 gemäß § 194 GSVG i. V.m. § 410 ASVG fest, dass im Jahr 1995 die Beitragsgrundlage gemäß § 25 GSVG in der Pensions- und in der Krankenversicherung in den Monaten Jänner bis März S 36.870,-- und in den Monaten April bis Dezember S 38.066,-- betrage. In der Begründung führte die Beschwerdeführerin aus, die Mitbeteiligte habe laut Einkommensteuerbescheid 1995 Einkünfte von S 436.601,-- erzielt. Bei dem Betrag von S 465.246,-- an Insolvenz-Ausfallgeld handle es sich nicht um ASVG-pflichtige Anteile, sondern um Provisionsausfälle, die die Mitbeteiligte im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung "Warenpräsentator" durch den Konkurs ihres Auftraggebers erlitten habe. Laut Mitteilung des Bundessozialamtes Tirol seien die gewährten Provisionen netto, also ohne Mehrwertsteuer zuerkannt worden. (Anschließend wird die Berechnung der Beitragsgrundlage dargestellt.)

Die Mitbeteiligte erhob Einspruch. Darin wies sie darauf hin, dass in ihrem Einkommensteuerbescheid 1995 in den Einkünften von S 436.601,-- Insolvenzausfallgeld von S 465.246,-- enthalten sei. Dieser Betrag sei für Entgeltansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gewährt worden. Dieser Betrag stelle daher keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit dar. Der Betrag sei daher in die Bemessungsgrundlage für die gewerbliche Sozialversicherung nicht miteinzubeziehen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch Folge, behob den bekämpften Bescheid und stellte in dessen Abänderung fest, dass bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage gemäß § 25 GSVG in der Pensions- und in der Krankenversicherung für das Kalenderjahr 1995 für die Mitbeteiligte das mit Bescheid des Bundessozialamtes Tirol vom 28. Juni 1995 gemäß § 1 Abs. 2 des Insovenz-Entgeltsicherungsgesetzes zuerkannte Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 465.246,-- nicht heranzuziehen sei. In der Begründung führte die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, die Mitbeteiligte sei Inhaberin eines Gewerbescheines für das Gewerbe mit der Bezeichnung "Ständig von einem Arbeitgeber betrauter Warenpräsentator". Die Mitbeteiligte sei bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma R. GmbH als Warenpräsentator dieser Gesellschaft tätig gewesen. Das Bundessozialamt Tirol habe die Mitbeteiligte als arbeitnehmerähnliche Person gemäß § 51 Abs. 3 Z. 2 ASGG angesehen. Auf Grund dieser Qualifikation sei der Mitbeteiligten Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 465.246,-- zuerkannt worden. Da die Mitbeteiligte bei Ausübung ihrer Tätigkeit als Warenpräsentatorin der R. GmbH als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen und ihr auf Grund dieser arbeitsrechtlichen Stellung das Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt worden sei, sei die Heranziehung des Insolvenz-Ausfallgeldes bei Ermittlung der Beitragsgrundlage in der Pensions- und in der Krankenversicherung nicht zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, das der Mitbeteiligten zuerkannte Insolvenz-Ausfallgeld von S 465.246,-- in die Beitragsgrundlage für das Jahr 1995 einzubeziehen, als verletzt. In Ausführung des so umschriebenen Beschwerdepunktes führt die Beschwerdeführerin - zusammengefasst - aus, aus den Regelungen des IESG lasse sich erkennen, dass das Insolvenz-Ausfallgeld als Einkommenersatz der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen solle. Es trete in einem Fall wie jenem der Mitbeteiligten an die Stelle von Einkünften aus Gewerbebetrieb und sei somit diesen gleichzuhalten. Eine derartige Beurteilung habe auch die Finanzbehörde vorgenommen und auf dieser Basis den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 erstellt. Für den Bereich der gewerblichen Sozialversicherung ergebe sich aus § 25 Abs. 1 GSVG, dass die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des Pflichtversicherten der Ermittlung der Beitragsgrundlage zu Grunde zu legen seien, wobei nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb und solche aus selbstständiger Arbeit in Betracht kämen. Diese Voraussetzung sei durch die von den Finanzbehörden vorgenommene Qualifikation erfüllt. Die Beschwerdeführerin habe sich grundsätzlich an der von den Finanzbehörden vorgenommenen Qualifikation zu orientieren. Die Mitbeteiligte habe im Jahr 1995 die selben Arbeitsleistungen im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit wie in früheren Jahren erbracht und für diese einen in etwa gleichen Provisionsanspruch gegenüber der R. GmbH erworben wie in den früheren Jahren. Lediglich die Auszahlung dieser Provisionen sei nicht wie sonst durch die R. GmbH selbst erfolgt, sondern durch das Bundessozialamt Tirol unter einem anderen Titel.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der sie unter Aufrechterhaltung ihres im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunktes die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unstrittig ist, dass die Mitbeteiligte im Jahr 1995 das genannte freie Gewerbe ausübte, Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft war und aus der Gewerbeausübung Einkünfte erzielte. Ferner wird nicht in Streit gezogen, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 Einkünfte aus Gewerbebetrieb von S 436.601,-- ausweist sowie dass die Beschwerdeführerin aus Anlass der Eröffnung des Anschlusskonkurses über ihren Auftraggeber Insolvenz-Ausfallgeld für Provisionsforderung ohne Umsatzsteuer aber inklusive Zinsen und Kosten von S 465.246,-- erhalten hat.

Die belangte Behörde hat das Insolvenz-Ausfallgeld aus der Beitragsgrundlage ausgeschieden, weil die Beschwerdeführerin diesen Betrag als arbeitnehmerähnliche Person erhalten habe.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Gemäß § 25a Abs. 3 GSVG (der im Hinblick darauf, dass die Mitbeteiligte ihr Gewerbe erst ab Februar 1996 ausübte, anzuwenden ist) tritt, sobald die hiefür notwendigen Nachweise vorliegen, an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage die endgültige Beitragsgrundlage, für deren Ermittlung abweichend von den Bestimmungen des § 25 Abs. 1 GSVG die durchschnittlichen Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung nach dem GSVG begründeten Erwerbstätigkeit in dem Kalenderjahr, in das der Beitragsmonat fällt, heranzuziehen sind, die auf Zeiten der Pflichtversicherung in diesem Kalenderjahr entfallen. Für die Feststellung der Beitragsgrundlage sind die auch für die Bemessung der Einkommensteuer maßgeblichen Einkünfte des Pflichtversicherten heranzuziehen. Die von der Beschwerdeführerin angesprochene "Orientierung an der Qualifikation der Finanzbehörden" kann sich aber nur darauf beziehen, welche Beträge die Einkünfte bilden, nicht aber ob die Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung nach dem GSVG begründeten Erwerbstätigkeit stammen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 94/08/0127).

Die Beschwerdeführerin hat die Versicherungspflicht der Mitbeteiligten erkennbar auf ihre Kammermitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG gestützt. Auch die belangte Behörde geht davon aus. Eine weitere Tätigkeit der Mitbeteiligten, insbesondere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, nimmt die belangte Behörde nicht an. Ausgehend von den von der belangten Behörde angesprochenen Bescheiden des Bundessozialamtes Tirol ergibt sich zusätzlich, dass die Provisionsforderungen der Mitbeteiligten auf Grund ihres ausgeübten Gewerbes als gesicherte Ansprüche im Sinne des IESG beurteilt wurden und daher soweit der Auftraggeber Zahlung nicht leistete, Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt wurde. Diese Beurteilung des Bundessozialamtes hat jedoch keinen Einfluss auf die Qualifikation der Erwerbstätigkeit der Mitbeteiligten bezüglich der Pflichtversicherung nach dem GSVG. Diese knüpft - wie dargestellt - an die Mitgliedschaft zu einer Wirtschaftskammer an. Diese knüpft wiederum an die Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes an. Die Einkünfte aus dieser Gewerbeausübung (nur um solche handelt es sich hier) sind daher der Beitragsgrundlage zu Grunde zu legen. Der Beschwerdeführerin ist darin zu folgen, dass es keinen Unterschied macht, ob die Einkünfte aus dieser Tätigkeit vom Auftraggeber bezahlt werden oder ob sie als gesicherte Ansprüche im Sinne des IESG als Insolvenz-Ausfallgeld der Mitbeteiligten zukommen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG war daher der Bescheid aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080293.X00

Im RIS seit

10.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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