TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/18 99/09/0011

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Veröffentlicht am 18.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs2 litb;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28a;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §8;
VStG §51e;
VStG §51f Abs2;
VStG §51g Abs3 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. November 1998, Zl. UVS-07/A/25/00093/97, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem AuslBG (mitbeteiligte Partei: N M in W, vertreten durch Dr. Ronald Rast und Dr. Christian Werner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Lugeck 1/5/17), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

     Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von

S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

     Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von

Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 29. Jänner 1997 wurde der Mitbeteiligte gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG mit einer Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- bestraft, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der I Transport-Agentur GesmbH zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin mit Sitz in W am 22. Oktober 1996 in 1030 Wien, Am Heumarkt 9, einen namentlich genannten Ausländer pakistanischer Nationalität mit der Durchführung von Frachttätigkeiten beschäftigt habe, obwohl für diesen Ausländer weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine gültige Arbeitserlaubnis oder ein gültiger Befreiungsschein ausgestellt worden sei.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. November 1998 behob die belangte Behörde das angefochtene erstinstanzliche Straferkenntnis nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG ein.

Die belangte Behörde traf auf Basis der Ergebnisse der am 4. November 1998 durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung im Wesentlichen folgende Feststellungen:

"Laut schriftlicher Vereinbarung war der Ausländer beauftragt, mit eigenem Fahrzeug die Zustellung und 'Belieferung' von Zeitungen vorzunehmen.

Wochentags geschah dies in der Weise, dass die Zeitungen zu Sammelplätzen gebracht wurden, wobei diese Tätigkeit 1 bis 1 1/2 Stunden in Anspruch nahm. Sie wurde nur über Anruf bei Bedarf ausgeführt. Von diesem Sammelplatz aus wurden die Zeitungen durch andere Personen an einzelne Haushalte zugestellt. Die Zeit der Ausführung dieser Tätigkeit war vom Ausländer im zeitlichen Rahmen von 22.00 Uhr bis 02.30 Uhr des folgenden Tages frei wählbar. Der Ausländer war berechtigt, vertretungsweise eine andere Person mit der ihm übertragenen Tätigkeit zu beauftragen. Nur wenn es ein Problem gab, musste der Ausländer bei der Firma M, die ihrerseits Auftraggeberin seiner Auftraggeberin, der I Transport-Agentur GmbH, war, anrufen. Eine weiter gehende Kontrolle des Ausländers erfolgte nicht, insbesondere wurden hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit - abgesehen von einer Einschulung, die dem Verständnis der Lieferscheine diente - keine Weisungen an den Ausländer erteilt.

Am Wochenende bestand die Tätigkeit des Ausländers in der Anbringung von Selbstbedienungszeitungstaschen.

Das Entgelt für die Tätigkeit des Ausländers wurde nicht nach Stunden berechnet, sondern betrug für die Lieferung zu den Sammelstellen pro Einsatztag S 250,-- (inkl. 20 % USt), für die Anbringung von Selbstbedienungszeitungstaschen pro Tasche S 6,48 (inkl. 20 % USt).

Die der Tätigkeit zugrundeliegende Vereinbarung galt als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Eine Konkurrenzklausel (Konkurrenzverbot), wie dies in der Vereinbarung zwischen der Firma M und der Firma I Transport-Agentur GmbH Vertragsgegenstand war, wurde dem von der I Transport-Agentur GmbH beauftragten Ausländer nicht ausdrücklich schriftlich überbunden."

Nach Darlegung ihrer Erwägungen zur Beweiswürdigung und Zitierung der von ihr in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen und der hierzu ergangenen hg. Judikatur, insbesondere des Erkenntnisses vom 2. September 1993, Zl. 92/09/0322, folgerte die belangte Behörde rechtlich nach Darlegung der für bzw. gegen eine Arbeitnehmerähnlichkeit sprechenden Umstände im Einzelnen, aus dem Gesamtbild der Tätigkeit des genannten Ausländers ergebe sich, dass jene Kriterien, die gegen das Vorliegen von wirtschaftlicher Abhängigkeit und somit gegen eine Arbeitnehmerähnlichkeit sprächen, überwiegend seien, soweit sich der Sachverhalt auf Grund der zur Verfügung stehenden Beweismittel habe erweisen lassen. Da somit ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis nicht anzunehmen gewesen sei, sei auch die Bestrafung des Mitbeteiligten auf Grund der Vorschriften des AuslBG unzutreffend gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 28a Abs. 1 AuslBG gestützte Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit dem Antrag, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Mitbeteiligte erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde unter Auferlegung der Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 - ausgehend vom angeblichen Tatzeitpunkt -, lauten:

"§ 3. (1) Ein Arbeitgeber darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer

a) entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde,

...... bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafen von 10.000 S bis zu 60.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 20.000 S bis zu 120.000 S, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 20.000 S bis zu 120.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 40.000 S bis zu 240.000 S."

Nach § 2 Abs. 2 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung der Novelle, BGBl. Nr. 895/1995, gilt als Beschäftigung die Verwendung

a)

in einem Arbeitsverhältnis,

b)

in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,

              c)              in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,

d)

nach den Bestimmungen des § 18 oder

e)

überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

Nach Abs. 3 leg. cit. sind den Arbeitgebern gleichzuhalten

              a)              in den Fällen des Abs. 2 lit. b die inländischen Vertragspartner jener Personen, für deren Verwendung eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich ist,

              b)              in den Fällen des Abs. 2 lit. c und d der Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, oder der Veranstalter, und

              c)              in den Fällen des Abs. 2 lit. e auch der Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs. 3 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes.

Nach Abs. 4 leg. cit. ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

Die belangte Behörde hat zur Prüfung der Frage, ob im Beschwerdefall Arbeitnehmerähnlichkeit vorliege, das insoweit grundlegende Erkenntnis vom 2. September 1993, Zl. 92/09/0322, herangezogen und hieraus zitiert, in welchem zum Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit wiederum auf das zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz ergangene Erkenntnis vom 12. Februar 1986, Zl. 84/11/0234, Slg. N.F. Nr. 12.015/A, Bezug genommen wird. Danach kann jede Art von Arbeitsleistung Gegenstand eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses sein. Die Rechtsnatur der Vertragsbeziehung zwischen der arbeitnehmerähnlichen Person und dem Arbeitsempfänger ist nicht entscheidend (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1998, Zl. 96/09/0185).

Maßgeblich für die Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit ist vielmehr die wirtschaftliche Unselbständigkeit, wegen welcher sich eine Person, die im Auftrag und für Rechnung einer anderen Person Arbeit leistet, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, in einer arbeitnehmerähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit befindet (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1997, Zl. 96/09/0328).

Typische Merkmale wirtschaftlicher Abhängigkeit (Unselbständigkeit) - und nur diese ist im Beschwerdefall von Relevanz und im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG idF BGBl. Nr. 502/1993 nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt zu prüfen - sind:

              1.              die Verrichtung der Tätigkeit nicht in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte des Verpflichteten, sondern in einem Betrieb des Unternehmers;

2.

eine gewisse Regelmäßigkeit und längere Dauer der Tätigkeit;

3.

die Verpflichtung zur persönlichen Erbringung der geschuldeten Leistung;

              4.              Beschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Verpflichteten hinsichtlich der Verrichtung der Tätigkeit (Weisungsgebundenheit, "stille" Autorität);

5.

die Berichterstattungspflicht;

6.

die Arbeit mit Arbeitsmitteln des Unternehmers;

7.

das Ausüben der Tätigkeit für einen oder eine geringe Anzahl, nicht aber für eine unbegrenzte Anzahl ständig wechselnder Unternehmer;

              8.              die vertragliche Einschränkung der Tätigkeit des Verpflichteten in Bezug auf andere Personen (Unternehmerbindung, Konkurrenzverbot);

9.

die Entgeltlichkeit und

10.

die Frage, wem die Arbeitsleistung zugute kommt.

Bei der Beurteilung müssen nicht alle Kriterien, welche möglicherweise zur Bestimmung der wirtschaftlichen Unselbständigkeit relevant sein könnten, verwirklicht sein; sie müssen in einer Gesamtbetrachtung nach Zahl, Stärke und Gewicht bewertet werden. Bei der Beurteilung des konkret und genau erhobenen Sachverhaltes geht es nicht darum, dass lückenlos alle rechtlichen und faktischen Merkmale festgestellt sind, sondern darum, die vorhandenen Merkmale zu gewichten und sodann das Gesamtbild daraufhin zu bewerten, ob wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt oder nicht. Das totale Fehlen des einen oder anderen Merkmales muss dabei nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die vorhandenen Merkmale werden in aller Regel unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ihre Bewertung erfolgt nach den Regeln des "beweglichen Systems", indem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander derart in eine Beziehung zu setzen ist, dass man berücksichtigt, dass eine Art von wechselseitiger Kompensation der einzelnen Gewichte vorgenommen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass das Fehlen wie auch eine schwache Ausprägung des einen oder anderen Merkmales durch ein besonders stark ausgeprägtes Vorhandensein eines anderen oder mehrerer anderer Merkmale ausgeglichen bzw. überkompensiert werden kann (vgl. mit zahlreichen weiteren Nachweisen Bachler, Ausländerbeschäftigung 1995, S. 9 ff).

In Subsumtion der Besonderheiten des gegenständlichen Falles unter diese Beurteilungsgrundsätze führte die belangte Behörde als gegen eine Arbeitnehmerähnlichkeit sprechende Argumente an, der in Rede stehende Ausländer habe die Möglichkeit gehabt, seine Arbeitskraft anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen und für eine wechselnde Anzahl von Auftraggebern tätig zu werden. Ein Konkurrenzverbot sei ihm nicht auferlegt worden, die Abrechnung sei in Fixbeträgen erfolgt, nämlich pro Einsatz (für eine Belieferung von Sammelstellen an Werktagen bzw. pro Zeitungstasche zur Selbstbedienung am Wochenende). Eine Überwachung habe nicht stattgefunden. Die Betriebsmittel seien nicht vom Auftraggeber beigesteuert worden. Er habe auch die Möglichkeit gehabt, sich vertreten zu lassen.

Die beschwerdeführende Bundesministerin hält dem entgegen, ausschlaggebend seien gerade nicht die "formalen", sondern die organisatorischen Aspekte der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Demnach komme es bei dem Kriterium des Einsatzes der Arbeitskraft für andere Erwerbszwecke nur darauf an, ob der Leistungspflichtige für eine unbeschränkte Anzahl von Auftraggebern tatsächlich tätig sei. Dies verkenne die Behörde, wenn sie meine, der Ausländer habe am gleichen Tag als Küchenhilfe gearbeitet und sei von niemandem wirtschaftlich abhängig. Bei einer solchen Tätigkeit handle es sich wohl unbestritten um ein Arbeitsverhältnis. Zu prüfen wäre daher die wirtschaftliche Unselbständigkeit bzw. die Selbständigkeit gegenüber mehreren Unternehmen.

Es trifft allerdings nicht zu, dass die belangte Behörde lediglich "formale" Aspekte der Unselbständigkeit berücksichtigt hätte, hat sie doch anhand der vorliegenden Beweismittel festgestellt, dass in dem von der M (und nicht originär von der I Transport-Agentur GmbH) als Auftraggeberin vorgegebenen Zeitrahmen die Disposition des Beschwerdeführers frei war. Das - entgegen der diesbezüglichen Feststellung der belangten Behörde - an den betroffenen Ausländer weitergegebene Konkurrenzverbot spricht in dem gegebenen Gesamtzusammenhang noch nicht gegen die Annahme der wirtschaftlichen Selbständigkeit, weil dieses Verbot lediglich eine weitere Tätigkeit für ein bestimmt genanntes Konkurrenzunternehmen der Firma M umfasste, hingegen kein generelles Verbot, auch für andere Verlage oder Vertriebsunternehmen tätig zu werden. Festgestellt wurde von der belangten Behörde ferner, dass die Betriebsmittel - sofern sie nicht überhaupt Gegenstand der Leistung sein sollten, also von "Betriebsmitteln" im engeren Sinne nicht gesprochen werden kann - vom Ausländer beigestellt wurden, wurde die Auslieferung der Zeitungen doch mit dessen eigenem PKW bewerkstelligt. Dieser Umstand ist im vorliegenden Fall als ein wesentliches, gegen das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG sprechendes Moment anzusehen. Auch der Abschluss des Auslieferungsvertrages mit dem Ausländer auf unbestimmte Zeit stellt im gegebenen Zusammenhang allein kein taugliches Indiz einer wirtschaftlichen Abhängigkeit dar, weil nach der weiterhin getroffenen Feststellung der belangten Behörde eine tatsächliche Ausübung der Auslieferungstätigkeit jeweils nur auf Abruf erfolgte und nach tatsächlich erbrachter Leistung (Tagespauschale bzw. Stückpreis) entlohnt wurde, sodass von einer für den Ausländer von vornherein kalkulierbaren Regelmäßigkeit des daraus erfließenden Verdienstes nicht ausgegangen werden kann. An dieser Annahme ändern auch die zwei vorgelegten Monatsabrechnungen nichts. Auch die "Einschulung" spricht im konkreten Fall nicht gegen die von der belangten Behörde angenommene wirtschaftliche Selbständigkeit des Ausländers, weil es sich dabei offenkundig lediglich um die Weitergabe von Instruktionen gehandelt hat, die von der Bestellerin (Firma M) zur Vertragsbedingung gemacht worden waren. Der Beschwerdeführerin kann auch nicht darin beigepflichtet werden, die belangte Behörde habe unberücksichtigt gelassen, dass "keine freie Vertretungsmöglichkeit durch Dritte eingeräumt" gewesen sei. Vielmehr wurde die gegenteilige Feststellung von der belangten Behörde im Hinblick auf den mit dem Ausländer abgeschlossenen Vertrag getroffen. Auch dass der "Tourenleiter" der Firma I Transport-Agentur GesmbH mehr als bloßer "Ansprechpartner im Problemfall" sein sollte, lässt sich dem Akteninhalt ebenso wenig entnehmen wie eine von diesem ausgeübte Dienst- oder Fachaufsicht. Der belangten Behörde ist daher bei Beurteilung der konkreten Umstände des Beschwerdefalles, die in ihrer Gesamtheit den den vorzitierten Erkenntnissen zugrundeliegenden Fällen nicht vergleichbar sind, auf Grund der ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Insoweit die beschwerdeführende Bundesministerin eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die Nichteinvernahme des betroffenen Ausländers sowie des Erhebungsorgans geltend macht, ist zunächst festzuhalten, dass der zuständige Sachbearbeiter des gemäß § 28a AuslBG Parteistellung genießenden Arbeitsinspektorates der belangten Behörde telefonisch die Mitteilung gemacht hatte, dass infolge Terminkollision von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung abgesehen werde, was einem Verzicht auf Teilnahme an der Verhandlung gleichkommt. Die Abwesenheit der Organpartei hinderte gemäß § 51f Abs. 2 VStG aber weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Die nicht erschienene Partei muss vielmehr das Verfahrensergebnis so hinnehmen, wie es sich ergibt. Zulässig war daher auch die in der Verhandlung mit Einverständnis der erschienenen Partei gemäß § 51g Abs. 3 Z. 4 VStG erfolgte Verlesung des Akteninhaltes (vgl. dazu Anm. 12 zu § 51g VStG in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Bd. 2, 2. Auflage, S. 1056). Auch war von Seiten der Organpartei vor Abhaltung der mündlichen Berufungsverhandlung kein Antrag auf weitere Zeugeneinvernahmen gestellt worden. Zu welchen konkreten anderen Ergebnissen die belangte Behörde bei Durchführung dieser Einvernahmen hätte gelangen können, bleibt auch in der Beschwerde offen. Eine für den Sachausgang wesentliche Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens kann daher nicht erkannt werden.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz an die mitbeteiligte Partei beruht auf den §§ 47 Abs. 3 und 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde war im Hinblick auf die für Amtsbeschwerden bestehende Sonderregelung des § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999090011.X00

Im RIS seit

11.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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