TE Vwgh Erkenntnis 2014/1/30 2010/05/0231

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2014
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs4 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz und die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des FD in W, vertreten durch Dr. Kristina Venturini-Köck und Mag. Dietmar Heck, Rechtsanwälte in 2020 Hollabrunn, Hauptplatz 6, gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Berufungssenates der Stadt Wien vom 9. November 2010, Zl. MA 64- 3620/2010, betreffend Nichtigerklärung einer Gebrauchserlaubnis nach dem Gebrauchsabgabegesetz 1966 (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes II wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde mit den Bescheiden des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 59, vom 14. Februar 2000, 29. Jänner 2001 und 7. April 2003 gemäß §§ 1 und 2 des Gebrauchsabgabegesetzes 1966 (GAG) und § 82 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 die Erlaubnis erteilt, den öffentlichen Gemeindegrund und den darüber befindlichen Luftraum in Wien 1., Schottentorpassage, vor der 1. Säule Richtung Abgang zur U 2, zur Aufstellung eines transportablen Verkaufsstandes im Ausmaß von 200 cm × 100 cm (1 Verkaufstisch) für den Verkauf näher genannter Waren aus eigener landwirtschaftlicher Produktion jeweils in der Zeit vom 15. April bis 15. Oktober zu gebrauchen.

Im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben in einem benachbarten Geschäftslokal erstattete der Sachverständige Dipl. Ing. S. den gegenständlichen Verkaufsstand betreffend am 9. März 2010 das nachstehend auszugsweise wiedergegebene Gutachten:

"( ... )

B. Befund

Der Verkaufstisch befindet sich im Bereich des als Fluchtweg für die Räumung der Station im Notfall sowie als Fluchtweg für die Arbeitnehmer der Wiener Linien gemäß Arbeitsstättenverordnung vorgesehenen Verbindungsganges.

Die Summe der Durchgangsbreiten zwischen den Säulen wäre bei einem stabilen Einbau im Ausmaß des vorgesehenen Verkaufstisches zwar auch noch ausreichend im Sinne der OIB-Richtlinie 4, wie im Gutachten vom 15.01.2010 dargelegt, weil nach wie vor breiter als der für die Anzahl der flüchtenden Personen maßgebliche Querschnitt bei der Nachtsperre des U-Bahnzuganges. Da es sich jedoch um einen nicht fixierten Tisch handelt, kann dieser bei einer im Notfall entstehenden Panik durch die flüchtenden Personen samt den darauf gestapelten Verkaufsgegenständen umgerissen werden. In der Folge können dadurch flüchtende Personen zu Sturz kommen und sowohl durch den umgestürzten Tisch und die verstreuten Gegenstände wie auch durch gestürzte Personen nicht nur diese selbst gefährdet werden, sondern auch der Fluchtweg in einem nicht mehr zulässigen Ausmaß eingeengt werden. Damit ist durch die geplante Aufstellung eines mobilen Tisches der Anforderung der OIB-Richtlinie 4 und damit der Stand der Technik (im Sinne der Wiener Bautechnikverordnung) nicht mehr Rechnung getragen. Die betrieblichen Erfordernisse der Eisenbahn sind durch die Gefährdung der im Notfall auf diesen Fluchtweg angewiesenen Personen nicht gegeben.

Gemeinsam mit den aus der Station flüchtenden Fahrgästen sind auch die Bediensteten der Wiener Linien im Gefahrenfall auf denselben Fluchtweg angewiesen. Somit hat dieser den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung (AStV) zu entsprechen. Unter 'Anforderungen an Fluchtwege', § 19, 3. wird vorgeschrieben:

'Fluchtwege dürfen nicht von Gegenständen begrenzt werden, die leicht umgestoßen oder verschoben werden können'. Dies trifft jedoch auf den vorgesehenen Verkaufstisch zu. Die Aufstellung des Tisches ist daher auch im Sinne der AStV unzulässig. C. Gutachten (Ergänzung)

Die Aufstellung eines mobilen Verkaufstisches im Verbindungsgang zwischen U-Bahnstation Schottenring und Passage Schottenring im Bereich der von der Passage aus gesehenen ersten Säule ist unzulässig, da sie sowohl den Bestimmungen OIB-Richtlinie 4 und damit dem Stand der Technik sowie den betrieblichen Erfordernissen der Eisenbahn (U-Bahn) wie auch denen der Arbeitsstättenverordnung widerspricht."

Mit E-Mail vom 16. März 2010 teilte der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 37-U mit, dass das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. S. vom 9. März 2010 schlüssig und vollständig sei. Eine Gefährdung von Fahrgästen und Mitarbeitern der Wiener Linien durch den mobilen Verkaufsstand im Fluchtweg der U-Bahn sei im Gefahrenfall gegeben. Die Magistratsabteilung 37-U sei in die Genehmigungsverfahren betreffend den Verkaufstisch nicht eingebunden gewesen und hätte diesen Genehmigungen auch nicht zugestimmt.

Mit E-Mail vom 22. Juli 2010 erstattete der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 37-U die nachstehend auszugsweise wiedergegebene gutachtliche Stellungnahme:

"( ... )

Zwischen der 1. und 2. Säule des Fluchtweges aus der U-Bahnlinie U-2 besteht ein mobiler Obstverkaufsstand der sich aus einem ca. 1,00 × 2,00 m großen Verkaufstisch mit Sessel, beidseitig erweitert durch gestapelte volle Kunststofftransportkisten und neben der ersten Säule durch ebenfalls gestapelte leere Kunststofftransportkisten zusammensetzt. Die in Anspruch genommene Gesamtfläche beträgt ca. 8,00 m2.

Diese Anordnung des Obstverkaufstandes im Fluchtweg der U-2 stellt im Notfall eine Gefährdung der flüchtenden Personen dar, da alle Bestandteile des Obststandes leicht umzustoßen sind und dann eine Stolpergefahr bilden. Weiters handelt es sich bei der nunmehr bekannten Größe des Standes um eine unzulässige Einengung des Flucht- und Verkehrsweges.

Es sind weder die Anforderungen an die Nutzungssicherheit der OIB-Richtlinie 4, noch die Anforderungen an Fluchtwege der Arbeitsstättenverordnung erfüllt und somit eine Gefährdung des sicheren U-Bahnbetriebes gemäß § 43 des Eisenbahngesetzes gegeben.

Dieser Sachverhalt stellt auch eine Behinderung im öffentlichen Interesse (nach GAG) dar.

( ... )"

Zu dieser gutachtlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 37-U führte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. Juli 2010 aus, dass es die Bewilligung zur Aufstellung des transportablen Verkaufsstandes bereits seit zehn Jahren gebe und es noch nie Beanstandungen seitens der Passanten oder Schwierigkeiten mit Behörden gegeben habe. Die in Anspruch genommen Verkaufsfläche betrage lediglich rund 4,4 m2 (2,30 m × 1,90 m) und nicht 8 m2. Neben dem Verkaufstisch würden die Transportkisten für das Obst gestapelt, da die frisch angelieferte Ware ja irgendwo gelagert werden müsse. Der Bereich des Verkaufsstandes sei so zugeteilt worden, dass der Passantenverkehr nur von vorne stattfinden könne und sozusagen Rückenfreiheit bestehe, um eine Behinderung von oder durch Personen zu unterbinden. Zwischen den besagten Säulen könnten keine Passanten durchgehen bzw. sei dies bei normaler Benützung des Wegenetzes nicht erforderlich. Eine Beeinträchtigung des Fluchtweges sei also nicht erkennbar, da der Verkaufsstand so gewählt bzw. behördlich zugewiesen worden sei, dass hier keine Passanten verkehrten und somit auch im Notfall keine Gefährdung durch Umstürzen des Standes oder der Kisten gegeben sei. Die zitierte OIB-Richtlinie 4 beziehe sich hauptsächlich auf Treppen, Türen, Kfz-Abstellplätze, etc. und deren Mindestmaße. Da sein Verkaufsstand weder Treppen noch Türen verstelle und somit auch etwaige Fluchtwege nicht eingeengt oder versperrt würden, könne er auch hier keine unerlaubte Handlung sehen. Auch die Anforderungen an Fluchtwege laut Arbeitsstättenverordnung würden seit Bestehen der Bewilligungen zur Gänze erfüllt. Da der Beschwerdeführer seit Bestehen des Verkaufsstandes unter den gleichen Bedingungen arbeite, könne kein nachträglich entstandener Versagungsgrund bekannt geworden sein. Eine mutwillige Missachtung oder Übertretung der Vorschriften sei auch nicht erkennbar. Die behördlichen Maßnahmen erschienen zudem auf Grund von Inventionen des benachbarten Geschäftsmannes stattzufinden. Des Weiteren ersuche der Beschwerdeführer nochmals um einen Lokalaugenschein in seinem Beisein, um die Lage vor Ort zu besprechen.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 59, vom 12. August 2010 wurde die dem Beschwerdeführer mit den eingangs genannten Bescheiden erteilte Gebrauchserlaubnis widerrufen. Die erstinstanzliche Behörde führte unter Berufung auf das Gutachten der Magistratsabteilung 37-U aus, dass sich der Obstverkaufsstand auf Grund der Anordnung im Fluchtweg des U 2 Gefahrenbereiches befinde und daher im Notfall eine Gefährdung der flüchtenden Personen darstelle. Um die Sicherheit der Fahrgäste und der weiteren, sich in diesem Bereich befindlichen Personen zu jeder Zeit und in jeder Situation gewährleisten zu können, müsse der Fluchtweg stets freigehalten werden. Da dies nicht aus dem im Jahre 2000 durchgeführten Ermittlungsverfahren hervorgegangen sei, sondern sich erst aus der gutachtlichen Stellungnahme der Magistratsabteilung 37-U vom 22. Juli 2010 ergeben habe, liege ein erst nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens bekanntgewordener Versagungsgrund nach dem GAG vor.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei auf Grund der Bewilligung des transportablen Verkaufsstandes davon ausgegangen, dass die Behörde die dafür erforderlichen rechtlichen Grundlagen beachtet bzw. Gutachten eingeholt habe. Von dieser behördlichen Bewilligung ausgehend, habe er große Investitionen betreffend seine Landwirtschaft getätigt. Überdies werde der Fluchtweg nicht durch den Verkaufstisch beeinträchtigt, da dieser die gleiche Breite wie die dahinter liegende Säule aufweise und eventuell flüchtende Passanten nicht durch eine Betonsäule laufen könnten. Ein Widerrufsgrund gemäß § 2 Abs. 1 GAG liege daher nicht vor.

Im weiteren Verfahren vor der belangten Behörde wurden dem Beschwerdeführer das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. S. vom 9. März 2010 sowie die Stellungnahme der Magistratsabteilung 37-U vom 16. März 2010 zur Kenntnis gebracht.

In seiner Stellungnahme vom 28. Oktober 2010 führte der Beschwerdeführer hiezu aus, dass es noch nie die geringsten Schwierigkeiten mit dem mobilen Tisch oder den Kisten gegeben habe. Der Standplatz sei bewusst so gewählt worden, dass keine Behinderung des Passantenverkehrs gegeben sei. Zwar könnte bei einer im Notfall entstehenden Panik durchaus eine Berührung und in deren Folge auch vielleicht ein Umstürzen des Tisches oder der Kisten passieren, aber das im Gutachten gezeichnete Szenario würde sicherlich nicht allein durch seinen Verkaufsstand entstehen. Zudem liege es dem Beschwerdeführer fern, das Gutachten des Dipl.- Ing. S. in Frage zu stellen, allerdings werde darin vom "worst case" ausgegangen, welcher nicht einmal im Falle aller nur denkbaren unglücklichen Umstände eintreffen dürfte. Als Kompromisslösung schlage der Beschwerdeführer vor, die seitlich der beiden Säulen gestapelten Kisten in einem angrenzenden Lagerraum zu deponieren. Der vor den Säulen stehende Verkaufstisch selbst stelle aber kein Hindernis und auch im Notfall kein Gefahrenobjekt dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid behoben (Spruchpunkt I); unter einem wurden die eingangs genannten Bescheide, soweit sie sich auf die Erteilung der Gebrauchserlaubnis bezogen, gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG iVm § 2 Abs. 4 GAG als nichtig erklärt (Spruchpunkt II).

In der Begründung zu Spruchpunkt II führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und verschiedener Rechtsnormen aus, laut Gutachten des Sachverständigen Dipl.- Ing. S. bestehe die Gefährdung durch den Verkaufstisch in der bewilligten Größe darin, dass der Tisch im Gefahrenfall umgestoßen werden könnte und durch den Tisch selbst und die darauf gestapelten Gegenstände Personen, die aus der U-Bahnstation flüchteten, zu Sturz kommen könnten. Dabei könnten Personen auch hinter den Tisch geraten und der Tisch in der Folge umgestoßen werden. Die Argumente des Beschwerdeführers könnten mangels fachlicher Basis das Gutachten des Sachverständigen nicht entkräften.

Abgesehen davon habe der Beschwerdeführer laut den Ausführungen des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 37-U durch seinen transportablen Verkaufsstand mehr als die bewilligte Fläche, laut den Angaben des Beschwerdeführers selbst mehr als das Doppelte, in Anspruch genommen. Es existiere während der bewilligten Nutzugsdauer im Bereich des Fluchtweges somit nicht nur ein Verkaufstisch, der umgestoßen und für flüchtende Personen zur Gefahr werden könnte, sondern es könnten auch die Transportkisten im Gefahrenfall Stolperfallen bilden. Dass die Kisten wo anders gelagert werden würden, widerspreche auf Grund der örtlichen Situation der Lebenserfahrung, zumal dies zu unzumutbar langen Transportwegen führen würde, die vom Beschwerdeführer nicht benutzt werden würden. Es erscheine daher nicht sinnvoll, dem Beschwerdeführer lediglich vorzuschreiben, dass er den Tisch befestigen müsse, um ein Umstoßen zu verhindern, da auch die Kisten und auf dem Tisch aufgestapelte Waren im Gefahrenfall in den Fluchtweg gestoßen und diese Gegenstände nicht befestigt werden könnten. Das Gutachten des Sachverständigen Dipl.- Ing. S. sehe jedoch bereits durch die Aufstellung des Tisches alleine eine für einen Fluchtweg untragbare Gefährdung verwirklicht.

Die Entfernung des (bewilligten) Verkaufsstandes und der (nicht bewilligten) Warenlagerungen sei daher unumgänglich, um ein problemloses Flüchten von Personen aus der U-Bahnstation sicherstellen zu können. Aus einem bisher reibungslosen Ablauf des Personenverkehrs seit dem Jahr 2000 könne, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, zudem nicht geschlossen werden, dass gefährliche Situationen mit Passanten gar nicht auftreten könnten. Die dabei vom Sachverständigen Dipl.-Ing. S. berücksichtigten Vorgaben seien keinesfalls unrealistisch, sondern auf Grund der Anzahl der in der U 2 Station anwesenden Personen und der räumlichen Gegebenheiten nachvollziehbar. Es sei zudem nicht nur das Gefährdungspotenzial des Tisches in aufrechtem Zustand, sondern auch jenes bei einem Umstoßen durch flüchtende Personen berücksichtigt worden.

Der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 37-U habe überdies ausdrücklich erklärt, dass der Verkaufsstand bereits im Bewilligungszeitpunkt eine Gefährdung für flüchtende Personen dargestellt habe. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass der Verkaufstisch bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Gebrauchserlaubnis zu einem öffentlichen Interesse, nämlich der Sicherstellung des Fluchtweges aus der U 2-Station Schottentor, im Widerspruch gestanden sei und diese Beeinträchtigung nicht erst nach Erteilung der Gebrauchserlaubnis aufgetreten sei, weshalb die diesbezüglichen Bescheide an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler gelitten hätten.

Gegen Spruchpunkt II dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet, dass die für nichtig erklärten Bescheide an einem mit Nichtigkeit bedrohten Mangel litten, zumal ein in § 2 Abs. 2 GAG genannter Versagungsgrund durch Vorschreibung von Bedingungen, Befristungen oder Auflagen beseitigt hätte werden können. Auflagen oder Ähnliches seien dem Beschwerdeführer aber zu keiner Zeit vorgeschrieben worden. So wäre gegebenenfalls durch Erteilung einer Auflage anzuordnen gewesen, die Transportkisten in einem Lager oder etwa auch in einem auf der Straßenoberfläche abgestellten Fahrzeug zu deponieren. Mittels Auflage hätte auch die bauliche Fixierung des Verkaufstisches verbindlich angeordnet werden können. Auch die Argumentation, es könne durch die auf dem Tisch aufgestellten Waren, welche im Gefahrenfall in den Fluchtweg gestoßen würden, eine Gefahr ausgehen, entbehre jeder Lebenserfahrung, zumal auf der Verkaufsfläche keinesfalls solche beschriebenen Unmengen Platz fänden. Dass bereits durch die Aufstellung des Tisches alleine eine für einen Fluchtweg untragbare Gefährdung verwirklicht sei, könne nicht nachvollzogen werden, da, wenn überhaupt, nur ein baulich nicht fixierter, somit lose stehender und beweglicher Tisch eine solche Gefährdung darzustellen vermöge. Durch den Umstand, dass der Verkaufstisch durch hinreichend massive Verschraubungen auch mit vertretbarem Zeitaufwand wieder abgebaut werden könnte, wäre auch den ursprünglichen Bescheiden Rechnung getragen, indem die Verkaufsfläche weiterhin ein transportabler Verkaufstisch bliebe.

Auf das vorliegende, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren sind die Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden (vgl. § 79 Abs. 11 VwGG).

§ 2 GAG, LGBl. Nr. 20/1966 in der zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde geltenden Fassung LGBl. Nr. 58/2009, lautet auszugsweise:

"§ 2

Erteilung der Gebrauchserlaubnis

( ... )

(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie insbesondere Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- und Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist.

     ( ... )

     (4) Bescheide über die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis,

bei deren Erlassung ein Versagungsgrund nach Abs. 2 gegeben war,

leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.

     ( ... )"

Die Frage, ob ein Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler im Sinn des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG leidet, ist nach jener Rechtslage zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Erlassung des für nichtig zu erklärenden Bescheides gegolten hat, es sei denn, dass sich aus der in der Folge geänderten Rechtslage ergibt, dass der Gesetzgeber die in Rede stehende Rechtswidrigkeit nun nicht mehr mit Nichtigkeitssanktion bedroht wissen will (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. April 2012, Zl. 2012/06/0010, mwN).

Zum Zeitpunkt der Erteilung der für nichtig erklärten Gebrauchserlaubnisse war § 2 Abs. 2 GAG in der Fassung vor der Novelle LGBl. 42/2003 maßgeblich, welcher wie folgt lautete:

"(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- und Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist."

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass bereits bei Erlassung der für nichtig erklärten Bescheide ein Versagungsgrund nach § 2 Abs. 2 GAG gegeben gewesen sei, weil dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, nämlich Gründe der Sicherheit der Passanten (Sicherstellung des Fluchtweges aus der U2-Station), entgegengestanden seien und die Vorschreibung von Bedingungen, Befristungen oder Auflagen zur Wahrung dieser Rücksichten ihrer Ansicht nach nicht in Betracht gekommen sei.

Die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor, weil die belangte Behörde - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - die Möglichkeit der Vorschreibung von Auflagen zur Wahrung öffentlicher Rücksichten iSd § 2 Abs. 2 GAG nicht schlechthin verneinte.

Vielmehr führte die belangte Behörde dazu aus, dass es "nicht sinnvoll" sei, dem Beschwerdeführer vorzuschreiben, dass er den Tisch befestigen müsse, um ein Umstoßen zu verhindern, da auch die Transportkisten und die sich auf dem Tisch befindlichen Waren eine Gefährdung für im Notfall flüchtende Personen darstellen würden und diese Gegenstände nicht befestigt werden könnten. Zudem habe der Sachverständige Dipl.-Ing. S. in seinem Gutachten bereits durch die Aufstellung des Tisches alleine eine für einen Fluchtweg untragbare Gefährdung verwirklicht gesehen.

Sofern die belangte Behörde damit zum Ausdruck bringen wollte, allein die Aufstellung des Tisches, selbst wenn dieser befestigt wäre, würde nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. eine für einen Fluchtweg untragbare Gefährdung verwirklichen, kann dies, worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinweist, nicht nachvollzogen werden, zumal der genannte Sachverständige in seinem Gutachten dargelegt hat, dass bei einem stabilen Einbau im Ausmaß des vorgesehenen Verkaufstisches die Summe der Durchgangsbreiten zwischen den Säulen noch ausreichend wäre. Im Folgenden stellte der Sachverständige fest, dass es sich im gegenständlichen Fall jedoch um einen nicht fixierten Tisch handle, weshalb dieser bei einer im Notfall entstehenden Panik durch die flüchtenden Personen samt den darauf gestapelten Verkaufsgegenständen umgerissen werden könne. Die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. bezogen sich erkennbar ausschließlich auf einen nicht fixierten Tisch, welcher samt den darauf befindlichen Waren im Gefahrenfall umgestoßen werden und damit eine Gefahrenquelle darstellen könnte.

Dass der bewilligte Verkaufstisch auch im Fall seiner Befestigung eine Gefährdung für flüchtende Personen darstellen würde, ergibt sich aus dem genannten Sachverständigengutachten somit nicht.

Zu dem von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift erstmals erstatteten Vorbringen, dass einer dauerhaften Befestigung des Tisches von der grundverwaltenden Dienststelle des Magistrats der Stadt Wien nicht zugestimmt worden sei, ist auszuführen, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides aus diesem selbst hervorgehen muss und durch die Gegenschrift im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht nachholbar ist (vgl. dazu die Nachweise in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) E 140 ff. zu § 60 AVG).

Zur Frage, ob und welcher Art im Fall einer Befestigung des Verkaufstisches die darauf befindlichen Waren (Obst und Blumen) eine Gefahrenquelle für flüchtende Personen darstellen würden, enthalten die im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten hingegen keine Ausführungen.

Darüber hinaus hat die belangte Behörde keine Ermittlungen zur Frage durchgeführt, ob und an welchem anderen Ort die Transportkisten vom Beschwerdeführer allenfalls gelagert werden könnten, weshalb die im angefochtenen Bescheid getroffenen Ausführungen zu unzumutbar langen Transportwegen, die vom Beschwerdeführer nicht benutzt werden würden, jeder Grundlage entbehren. Zudem hat der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 28. Oktober 2010 auch vorgeschlagen, die Transportkisten in einem angrenzenden, ihm zur Verfügung stehenden Lagerraum zu deponieren. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt und keine Feststellungen dazu getroffen.

Da der Sachverhalt somit im Hinblick auf die Verneinung der Möglichkeit der Vorschreibung von Auflagen in wesentlichen Punkten auf einer aktenwidrigen Annahme beruht bzw. einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid im Umfang seines Spruchpunktes II wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a und b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht in auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. Jänner 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2010050231.X00

Im RIS seit

03.03.2014

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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