TE Vwgh Erkenntnis 2013/12/10 2012/05/0030

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Veröffentlicht am 10.12.2013
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L80004 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82054 Baustoff Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs1 Z1;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §2 Z1 litc;
ROG OÖ 1994 §32 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde 1. des Dr. Alexander Koch und

2. der Eveline Koch, beide in Linz, beide vertreten durch Wildmoser/Koch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Hopfengasse 23, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. Dezember 2011, Zl. IKD(BauR)-014333/1-2011- Hd/Wm, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Exquisites Wohnen Bauträger GmbH in 4020 Linz, Eisenhandstraße 13; 2. Landeshauptstadt Linz, Altes Rathaus, Hauptplatz 1, 4041 Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 24. November 2008 beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung gemäß § 24 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (BO) für den Neubau eines Wohngebäudes auf der Liegenschaft H Straße 24 (Grundstück Nr. 1686, EZ 538, KG L). Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer der auf der anderen Seite der H Straße befindlichen Liegenschaft H Straße 23, Grundstück Nr. 1652, EZ 537, KG L. Die Ostfassade des Neubaues liegt an der H Straße. Die Liegenschaft der Beschwerdeführer befindet sich nicht genau gegenüber der Bauliegenschaft, sondern in nördlicher Richtung an der H Straße versetzt, wobei die Südgrenze der Nachbarliegenschaft der Beschwerdeführer der Nordgrenze der Bauliegenschaft gegenüber liegt.

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 9. April 2009 wurde die beantragte Baubewilligung rechtskräftig erteilt.

Mit am 18. Juni 2010 beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz eingelangter Eingabe beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Bewilligung von Abweichungen vom genehmigten Bauvorhaben gemäß § 39 Abs. 2 BO. Vorgesehen war unter anderem, dass die Gaupen im vierten Obergeschoß im fünften Obergeschoß "wiederholt" werden sollten, die mittlere Gaupe entfalle und die Ausbildung der Gaupen in Stahlbeton statt in Leichtkonstruktion erfolge.

Mit Schreiben des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 15. Oktober 2010 wurde unter anderem den Beschwerdeführern zum geplanten Planwechsel Parteiengehör gewährt.

Mit Schreiben vom 12. November 2010 sprachen sich die Beschwerdeführer gegen die Planwechselbewilligung aus, weil die Abänderung der Dachgaupen nicht dem Bebauungsplan entspreche. Insbesondere würden die verbindlichen Richtlinien für den Dachraum- und Dachgeschoßausbau nicht eingehalten. Die Mindestabstände zum aufgehenden Mauerwerk von 1 m würden sowohl südseitig als auch nordseitig zum Nachbarobjekt H Straße 22 nicht eingehalten. Weiters werde durch die Dachgaupen entgegen dem Bebauungsplan mehr als 50 % der Länge des Gebäudes verbaut (wurde näher ausgeführt). Durch den "turmartigen Aufbau" im nordöstlichen Eckbereich werde die Gesimshöhe von 13 m durchgehend in gerader Linie um 6,5 m auf 19,5 m erhöht. Diese Erhöhung durch den völlig aus den Proportionen fallenden "Eckturm" mindere den Licht- und Sonneneinfall auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer, die nur durch die Breite der H Straße von rund 6 m vom Bauobjekt getrennt sei.

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 7. Dezember 2010 wurde die beantragte Planwechselbewilligung erteilt.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 30. März 2011 als unbegründet abgewiesen wurde.

Begründend führte die Berufungsbehörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführer seien Miteigentümer eines Grundstückes, das, getrennt durch die öffentliche Verkehrsfläche, dem Bauplatz schräg gegenüberliege. Sie hätten daher ein subjektives Recht darauf, dass die zulässige Gebäudehöhe an der straßenseitigen (ostseitigen) Fassade des Bauvorhabens eingehalten werde. Der Bebauungsplan lege eine Hauptgesimshöhe von 13,4 m als Höchstgrenze fest. Diese Festlegung gelte für die Straßenseite. Ergänzt werde diese Bestimmung im Bebauungsplan durch die verbindliche Festlegung für den Dachraum- und Dachgeschoßausbau (verbindliche Richtlinie). (Anmerkung: Diese verbindliche Richtlinie sieht in zeichnerischer Darstellung vor, dass - unter anderem - Gaupen einen Mindestabstand von 1 m vom seitlichen aufgehenden Mauerwerk einhalten müssen und die Summe von Gaupen, Dachflächenfenstern und Dacheinschnitten maximal die Hälfte der Gebäudefront betragen darf. Ferner ist eine Dachneigung von maximal 45 Grad ab dem in einer Höhe von maximal 1,20 m über der Rohdeckenoberkante gelegenen Kniestock normiert). Unter Hauptgesimshöhe sei das den oberen Abschluss der Fassade bildende Gesims zu verstehen. Bilde das Hauptgesims den oberen Abschluss der Gebäudefassade, so müsse die Hauptgesimshöhe als Höhe der Fassade verstanden werden. Diese Höhe müsse an der Fassade selbst gemessen werden. Unter Fassade sei die Ansicht, insbesondere die Vorderansicht eines Gebäudes zu verstehen.

Die Bedenken der Beschwerdeführer seien zwar zu teilen, ergebe sich doch aus dem Einreichplan (Ansicht Ost), dass der Übergang der vertikalen straßenseitigen Fassade in die Dachschräge (also die Oberkante der Fassade) in einer Höhe von +13,85 m über der 0,00-Ebene liege, woraus sich bei einem ausgewiesenen Gehsteigniveau von -0,28 m an diesem Punkt eine Fassadenhöhe von 14,13 m errechne. Allerdings lasse sich im Vergleich zu dem mit Bescheid vom 9. April 2009 genehmigten Zustand keine Vergrößerung der Hauptgesimshöhe feststellen, liege doch in dem diesem Bescheid zugrunde liegenden Bauplan (Schnitt) der dort als "Traufenkante" bezeichnete obere Abschluss der Fassade sogar bei +14,00 m, was bei dem dort ausgewiesenen Gehsteigniveau von -0,20 m bis -0,30 m eine genehmigte Hauptgesimshöhe von maximal 14,30 m ergebe. Eine allein subjektive Rechte der Nachbarn berührende Erweiterung der Hauptgesimshöhe im Vergleich zum genehmigten Zustand sei somit nicht Gegenstand des Planabweichungsbewilligungsverfahrens, weshalb diesem Einwand die Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides vom 9. April 2009 entgegenstehe.

Die Beschwerdeführer erachteten sich jedoch auch durch den ihrer Liegenschaft gegenüberliegenden "turmartigen Aufbau" im nordöstlichen Bereich des Baugrundstückes in ihrem Recht auf Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe verletzt. Diese raumbildende Einheit, die im vierten Obergeschoß einen Schlafraum und im fünften Obergeschoß ein Studio umschließe, werde durch ein Flachdach abgedeckt und weise eine Breite von 4,10 m auf. Die Behörde erster Instanz habe diesen Bauteil als Gaupe bezeichnet. Im fachlichen Sprachbereich sei eine Dachgaupe stets ein Dachaufbau für ein stehendes Dachfenster. Stehende, also senkrechte Fenster, die vom Dach umgeben seien, lägen hier vor. Der Umstand, dass an der Nordseite die Dachfläche nicht bis zur Traufe durchgezogen sei, hindere die Annahme einer Gaupenform nicht, zumal dieser Aspekt keine Nachbarrechte berühre. Gegen eine in Nachbarrechte eingreifende Überdimensionierung schaffe der Bebauungsplan Abhilfe. Dessen Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Summe der Breiten der beiden straßenseitig situierten Dachgaupen betrage 8,86 m, also weniger als die Hälfte der straßenseitigen Fassadenlänge von 18,02 m. Der Abstand der nördlichen Gaupe zu den fiktiv fortgesetzten Seitenkanten des aufgehenden Mauerwerks betrage im Norden 1,06 m. Der Umstand, dass der Gaupe im Norden im vierten Obergeschoß eine Loggia und im fünften Obergeschoss eine Terrasse (Balkon) vorgelagert seien, ändere an der Zulässigkeit der Gaupe nach dem Bebauungsplan nichts, zumal diese Bauteile (die sich übrigens an der Nordseite in sämtlichen Obergeschoßen fänden) außerhalb des die Gaupe definierenden raumbildenden Baukörpers gelegen seien und daher nicht zur Gaupe zählten. Eine Festlegung, wonach mit Loggien bzw. Balkonen bei der hier normierten geschlossenen Bauweise ein Mindestabstand zu den Nachbargrundgrenzen einzuhalten sei, sei nicht gegeben. Normativ gehe es im Bebauungsplan nur um die Relation der Breite der Aufbauten zur Breite des aufgehenden Mauerwerks und um die erforderlichen Seitenabstände. Da somit der strittige Baukörper einerseits als Dachgaupe anzusehen sei, sodass seine Oberkante nach den Festlegungen des Bebauungsplans über der zulässigen Hauptgesimshöhe liegen könne, und andererseits die normativen Anordnungen des Bebauungsplans über die Lage und Größe von Dachgaupen nicht verletzt würden, erweise sich der Einwand der Beschwerdeführer betreffend die Gebäudehöhe als unbegründet.

Gegend diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, welcher mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben wurde.

Nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, die Berufungsbehörde habe zu den Darlegungen betreffend die Einhaltung des Bebauungsplanes im Zusammenhang mit den Dachgaupen und der Gebäudehöhe ausführlich Stellung genommen, worauf verwiesen werde. Aus dem Einreichplan gehe hervor, dass sich die im Berufungsbescheid angeführten Maße der Gaupen auf deren Außenbreite bezögen. Allein dieser Bauplan sei maßgeblich. Im hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2010, Zl. 2008/05/0019, sei eine Dachgaupe, die gegenüber der Dachtraufe nicht zurückversetzt gewesen sei, als mit den auch hier gegenständlichen bebauungsplanmäßigen Vorgaben im Einklang stehend betrachtet worden. Eine Vergrößerung der Hauptgesimshöhe sei nicht Gegenstand des Planwechselbewilligungsverfahrens. Eine Aufhebung der rechtskräftigen Baubewilligung vom 9. April 2009 wäre nur aus einem (hier nicht vorliegenden) Grund des § 68 Abs. 4 AVG zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Landeshauptstadt, die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde gehe von der falschen Annahme aus, dass die Wohnräume (wie beispielsweise der Schlafraum im vierten Obergeschoß und das Studio im fünften Obergeschoß) nur mit den Innenmaßen der Berechnung zugrunde zu legen seien. Dies sei, bezogen auf die Gesamtbreite des neuen Wohnhauses, aber nicht zulässig. Vielmehr seien jeweils die Außenkanten der als "Gaupen" bezeichneten beiden turmartigen Aufbauten, die sich über zwei Geschoße erstreckten, heranzuziehen. Auch die der Wohnungseigentumsbegründung zugrunde gelegten behördlichen Einreichpläne sähen andere Breiten vor. Die Gaupen seien daher wegen Widerspruchs zum Bebauungsplan nicht genehmigungsfähig. Das Planungsamt hätte zwingend zur Stellungnahme zu diesen Fragen beigezogen werden müssen. Außerdem wäre eine neue Bauverhandlung samt Abhaltung eines Ortsaugenscheines notwendig gewesen. Zwingend wäre auch der Gestaltungsbeirat beizuziehen gewesen. Durch die Änderung der Dachlandschaft und die dadurch vorgenommene wesentliche Veränderung der Kubatur im Dachbereich und der Höhe des turmartigen Aufbaues seien die Voraussetzungen für die Bewilligung nicht gegeben. Durch die Unterlassung einer neuerlichen mündlichen Bauverhandlung mit Ortsaugenschein seien die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde hätten ihre Bescheide mangelhaft begründet. Auf die Darlegungen der Beschwerdeführer sei nicht eingegangen worden. Der behördlichen Entscheidung liege ein falscher Sachverhalt zugrunde. Auch Aktenwidrigkeit sei gegeben, weil man nach dem behördlich genehmigten Einreichplan auf eine Gesamtbreite der Gaupen von zumindest 9,34 m komme. Auch diese Breite liege erheblich über der Hälfte der Gesamtbreite der bebauten straßenseitigen Fassade. Die nordseitige Mauer der Gaupe sei weniger als ein Meter vom aufgehenden Mauerwerk an der Grundgrenze (beim aufgehenden Mauerwerk sei jeweils die Innenseite heranzuziehen) entfernt. Die Annahme des Abstandes von 1,06 m sei somit aktenwidrig. Einerseits sei fälschlicherweise von der Grundgrenze und nicht von der Innenseite der an der Grundgrenze errichteten Mauer ausgegangen worden, andererseits sei offenbar auch vom Glas der Terrassentür der beiden Räume und nicht von der Außenseite des Mauerwerks der Gaupen gemessen worden. Der Begriff "Gaupe" könne für die turmartigen Aufbauten nicht herangezogen werden. Bereits in der Vorstellung hätten die Beschwerdeführer die Einholung eines bautechnischen Gutachtens eines Sachverständigen beantragt. Die Nichtbeachtung dieses Antrages bewirke Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Dass es sich um keine Gaupe handle, erhelle auch daraus, dass die Ausbauten jedenfalls nicht hinter der Gebäudefront sämtlicher errichteter Geschoße zurückblieben. Bereits der zeichnerischen Darstellung in der verbindlichen Richtlinie für den Dachraum- und Dachgeschoßausbau sei klar zu entnehmen, dass jedenfalls der tiefste Punkt der Gaupe zwingend höher als die Dachtraufe und auch zurückversetzt zu sein habe. Bei dem gegenständlichen Bauvorhaben sei durch die durchgehende Fassade bis zum Flachdach des turmartigen Aufbaues im Nordosten von einer Dachtraufe gar nichts zu sehen, und in diesem Bereich sei auch die Hauptgesimshöhe nicht mehr erkennbar. Die Oberkante des turmartigen Aufbaues liege gemäß den Bauplänen auf einer Höhe von rund 19,5 m. Dies bedeute, dass die nach dem Bebauungsplan zulässige Gesimshöhe von 13,4 m um rund 6,6 m überschritten werde, dies noch dazu durch einen massiven, kubusartigen, jeder Proportion in Bezug auf das Gesamtwohnhaus entbehrenden Baukörper. Auch genüge diese Dachgaupe nicht der Voraussetzung, dass sie allseitig von Dachflächen umgeben sein müsse. Durch die Nichterfüllung dieser Vorgaben erfolge eine raumübergreifende, durchgehende Aufkragung des Dachraumes. Es handle sich um eine Erhöhung des Gebäudes als Ganzes. Die Oberkante des Aufbaues sei damit bestimmend für die Gebäudehöhe. Somit liege dann eine Gesimshöhe von 19,5 m und nicht von 13,4 m vor. Durch die Dachgaupen würden weitere Wohnräume, und zwar zwei komplett ausgestaltete Vollgeschoße im vierten und im fünften Obergeschoß, geschaffen. Es handle sich auch nicht um Dachfenster, sondern um zwei übereinander gelagerte Fensterelemente, jeweils im vierten und fünften Obergeschoß. Die Rechtsansicht betreffend die Rechtskraft der Hauptgesimshöhe, die auch nach den behördlichen Ausführungen nicht eingehalten sei, sei nicht bindend. Abweichungen vom Bebauungsplan gemäß § 36 BO könnten zwar bewilligt werden, allerdings nur auf expliziten und begründeten Antrag des Bauwerbers. Ein derartiger Antrag liege nicht vor. Bereits der ursprüngliche Baubewilligungsantrag wäre abzuweisen gewesen. Durch die Erweiterung der Hauptgesimshöhe sei evident, dass ein Eingriff in subjektive Nachbarrechte tatsächlich erfolge. Die Aufsichtsbehörde habe die Möglichkeit, den rechtskräftigen Bescheid zu kassieren. Dies sei unterblieben. Deshalb liege auch eine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bzw. der Einhaltung der Zuständigkeitsordnung vor.

Gemäß § 32 Abs. 4 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 114/1993 (ROG), ist die Höhe der Gebäude im Bebauungsplan nach der Anzahl der Geschoße über dem Erdboden, der Hauptgesimshöhe oder der Gesamthöhe über dem tiefsten Punkt des Straßenniveaus oder anderen Vergleichsebenen festzulegen.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z. 1 BO sind Nachbarn bei Wohngebäuden die Eigentümer oder Miteigentümer der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind. Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer bzw. Miteigentümer durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können.

Gemäß § 31 Abs. 4 BO sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

Im vorliegenden Fall besteht somit ein Nachbarrecht der Beschwerdeführer hinsichtlich der Einhaltung der Gebäudehöhe an der Straßenfront des Baugrundstückes, wobei dieses Nachbarrecht auch das Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Ausnutzbarkeit des Dachbereiches durch Dachaufbauten umfasst.

Der Bebauungsplan legt für die Straßenfront (und ebenso für die Nordfront) des Baugrundstückes eine Hauptgesimshöhe von 13,4 m fest. Unter Hauptgesims ist das den oberen Abschluss der Gebäudefassade bildende Gesims zu verstehen. Die Hauptgesimshöhe muss demnach als Höhe der Fassade verstanden werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 1998, Zl. 97/05/0133).

Die belangte Behörde hat ausgeführt, dass eine Vergrößerung der Hauptgesimshöhe nicht Gegenstand des Planwechselverfahrens sei. Diese Auffassung ist unzutreffend:

Die hier gegenständliche Straßenfassade (Ostfassade) des Bauwerkes geht ohne jegliche Unterbrechung vom Gehsteigniveau bis zu einem in der ursprünglichen Baubewilligung im nördlichen Bereich mit +16,25 m kotierten Niveau hinauf, durch die nunmehrige Planänderung wird ein Niveau von (allerdings nur im südlichen Bereich kotierten) +19,50 m erreicht.

Die belangte Behörde geht offenbar davon aus, dass die Hauptgesimshöhe bei den südlich und nördlich gelegenen Bauteilen, die gegenüber der Hauptgesimshöhe im sonstigen Bereich erhöht sind, nicht zum Tragen komme, weil es sich dabei um Gaupen handle. Sie verweist auf das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2010, Zl. 2008/05/0019, in dem eine Dachgaupe, die gegenüber der Dachtraufe nicht zurückversetzt gewesen sei, als mit den auch hier gegenständlichen bebauungsplanmäßigen Vorgaben im Eingang stehend betrachtet worden sei. Das genannte Erkenntnis vom 6. Juli 2010 kann allerdings schon deshalb nicht im Zusammenhang mit der Hauptgesimshöhe herangezogen werden, weil ihm ein Bebauungsplan zugrunde lag, bei dem die Gebäudehöhe nicht durch die Hauptgesimshöhe, sondern durch die Anzahl von Geschoßen bestimmt war. Im vorliegenden Fall kommt es aber nicht auf die Geschoßanzahl an, sondern auf die Fassade, also auf die vom Boden aufgehende Außenwand. Diese muss jedenfalls in Höhe der zulässigen Hauptgesimshöhe einen baulichen Abschluss finden. Dies ist hier in jenen Bereichen, die die belangte Behörde als "Gaupen" bezeichnet, nicht gegeben, wobei diese Bereiche durch die Planwechselbewilligung noch erhöht werden.

Abgesehen davon könnte eine Verletzung von subjektivöffentlichen Nachbarrechten der Beschwerdeführer aber nur dann eintreten, wenn in jenem Bereich, der oberhalb der zulässigen Hauptgesimshöhe liegt, Dachaufbauten errichtet werden, die unzulässig sind. Mit anderen Worten, eine Rechtsverletzung des Nachbarn durch die einheitliche Gestaltung der Fassade ohne baulichen Abschluss in der Hauptgesimshöhe allein liegt noch nicht vor, solange - unter der Annahme eines solchen (fiktiven) Abschlusses - der darüberliegende Bereich sich als zulässig gestaltet erweist.

In diesem Zusammenhang sind die Beschwerdeführer zunächst darauf hinzuweisen, dass das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren und Gegenstand dieses Verfahrens lediglich die Beurteilung des in den Einreichplänen und sonstigen Projektunterlagen dargestellten Projektes ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2013, Zl. 2012/05/0208, mwN). Es kommt daher nicht auf Pläne an, die der Wohnungseigentumsbegründung zugrunde gelegen sind. In den hier ausschließlich maßgebenden Bauplänen sind die Breiten der gegenständlichen Bauteile (im Verfahren als "Gaupen" oder "Türme" bezeichnet) mit ihren Außenmaßen kotiert, und zwar mit 476 bzw. 410 cm, die gesamte Ostfront mit einer Länge von 18,02 m. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzung, dass Gaupen maximal die Hälfte der Gebäudefront in Anspruch nehmen dürfen, eingehalten ist.

Der Abstand des gegenständlichen nördlichen Bauteiles von dem Ende der Gebäudefront ist mit 106 cm kotiert. Die Beschwerdeführer behaupten zwar, dass diesbezüglich nicht die Außenmaße, wie kotiert, maßgebend seien, sondern die Innenmaße der Seitenwand. Diese Auffassung wird in der Beschwerde nicht näher begründet. Sie ist auch nicht zutreffend, würde sie doch auf verschiedene Mauerstärken der Seitenwand Bedacht nehmen, was im hier gegenständlichen Zusammenhang, in dem es auf die Ansicht des Gebäudes ankommt, keine sachliche Rechtfertigung hätte. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Seitenabstand des Bauteiles zum Abschluss der Gebäudefront von mindestens 1 m eingehalten wird.

Die Beschwerdeführer bringen vor, dass nach der verbindlichen Richtlinie für den Dachraum- und Dachgeschoßausbau, die Teil des Bebauungsplanes ist, jedenfalls der tiefste Punkt der Gaupe zwingend höher als die Dachtraufe und zurückversetzt zu sein hat. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die zeichnerischen Darstellungen in der genannten Richtlinie nicht bedeuten, dass genau diese Form oder gar Größe der Dachaufbauten eingehalten werden müsse, vielmehr werden mit dieser Richtlinie normativ nur die Relation der Breite dieser Aufbauten zur Breite des aufgehenden Mauerwerks und die erforderlichen Seitenabstände festgelegt (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2010). Die Auffassung, dass eine Gaupe hinter der Gebäudefront der anderen, darunter errichteten Geschoße zurückbleiben muss, findet somit in der genannten Richtlinie keine Deckung. Soweit die Beschwerdeführer für diese Ansicht das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2009/05/0089, heranziehen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass in diesem, zur Bauordnung für Wien ergangenen Erkenntnis lediglich ausgesprochen wurde, dass der seitliche Nachbar nicht in einem Recht verletzt wurde, weil die Dachgaupe zwar nicht allseitig von Dachflächen umgeben war, aber auf der der Liegenschaft der Beschwerdeführerin zugewandten Seite jedenfalls hinter der Gebäudefront der Hauptgeschoße zurückgeblieben ist. Im von den Beschwerdeführern weiters zitierten hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2007/05/0155 (ergangen ebenfalls zur Bauordnung für Wien), findet sich kein Rechtssatz, nach dem eine Gaupe hinter den sonstigen errichteten Geschoßen zurückbleiben müsse.

Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, dass die Gaupe höher als die Dachtraufe liegen müsse, ist auf die obigen Ausführungen zur Gebäudehöhe zu verweisen. Alleine dadurch, dass sich unterhalb des betreffenden Bauteiles keine Dachtraufe befindet, könnten die beschwerdeführenden Nachbarn in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden, sofern es sich im Übrigen um eine zulässige Gaupe handelte.

Die Beschwerdeführer machen aber auch geltend, dass durch die Dachgaupen weitere Wohnräume, und zwar zwei komplett ausgestaltete Vollgeschoße, geschaffen würden. Dies könne nicht Sinn und Zweck der Errichtung einer Dachgaupe sein. Damit sind die Beschwerdeführer im Recht:

Eine Dachgaupe ist ein Dachaufbau für ein stehendes Dachfenster (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2010). Eine Dachgaupe in diesem Sinne liegt nicht mehr vor, wenn weitere Funktionen durch diesen Bauteil als diejenige, ein stehendes Fenster zu tragen, vorhanden sind, wie etwa die Erschließung einer Terrasse (vgl. das zur Bauordnung für Wien ergangenen hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2006/05/0282). Eine solche Erschließung erfolgt hier allerdings, soll doch die nördlich des nördlichen Bauteiles gelegene Terrasse durch diesen mit einer Tür erschlossen werden.

Eine Dachgaupe liegt weiters nicht mehr vor, wenn durch den Bauteil nicht nur ein stehendes Fenster geschaffen wird, sondern ein vollwertiger Teil eines Wohnraumes (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008). Auch dies ist hier gegeben, soll doch, wie sich etwa aus dem Schnitt C-C ergibt, nahezu die gesamte Decke des Raumes im fünften Obergeschoß im "Gaupenbereich" zu liegen kommen. Darüber hinaus sitzt das stehende Fenster im fünften Obergeschoß nicht auf der (fiktiven) zulässigen Dachschräge auf, sondern auf einem vor diese Dachschräge vorragenden Fußbodenteil.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Bemerkt wird, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens lediglich der in Beschwerde gezogene Bescheid ist, dem ein Planwechselbewilligungsverfahren zugrundeliegt. Durch diesen Bescheid konnten die Beschwerdeführer jedenfalls nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht betreffend Aufhebung der ursprünglichen Baubewilligung verletzt werden.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 10. Dezember 2013

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Gebäudehöhe BauRallg5/1/5Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012050030.X00

Im RIS seit

26.12.2013

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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