TE Vwgh Erkenntnis 2013/11/14 2012/17/0045

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Veröffentlicht am 14.11.2013
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Index

L37155 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Salzburg;
L37165 Kanalabgabe Salzburg;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §289 Abs2;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §11;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §4;
InteressentenbeiträgeG Slbg 1962 §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der G GmbH in S, vertreten durch Sluka Hammerer Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Alpenstraße 26, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. Jänner 2012, Zl. 20704-07/465/4-2012, betreffend Interessentenbeiträge nach dem Salzburger Interessentenbeiträgegesetz (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde O, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl, Dr. Robert Hubner, Dr. Robert Krivanec und Dr. Günther Ramsauer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 44), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 10. November 2005 wurde der beschwerdeführenden Partei als Eigentümerin des Objekts L, Grundstück Nr. 258/38, KG O, eine "Interessentenleistung" zur Kanalisation der mitbeteiligten Marktgemeinde in der Höhe von EUR 5.860,86 vorgeschrieben. Der Spruch dieses Bescheids lautete wie folgt:

"Aufgrund der §§ 1 bis 6 des Gesetzes vom 20. Juni 1962 i. d.g.F. über die Leistungen von Interessentenbeiträgen für die Herstellung von Gemeinde- oder Verbandswasseranlagen im Geltungsbereich der Salzburger Landbauordnung, LGBl. Nr. 161/62 in der Fassung LGBl. 44/65, 68/69, 76/76 und 48/76 in Verbindung mit der Bewertungspunkteverordnung 1978, LGBl. Nr. 2/78 in der geltenden Fassung sowie aufgrund des Beschlusses der Gemeindevertretung (der mitbeteiligten Gemeinde) vom 2. Februar 1972 über die Einhebung von Interessentenbeiträgen wird ausgesprochen:

(Die beschwerdeführende Partei) hat als Eigentümer des Objektes L, Grundstück Nr. xy, KG O, EUR 5.328,05 (siehe nachstehende Aufstellung) als Interessentenleistung (Anschlussgebühr) zur Kanalisation der (mitbeteiligten Gemeinde) zu leisten.

 

plus 10 % Umsatzsteuer .....................................

EUR 532,81

 

minus Vorauszahlung .........................................

EUR --------

 

Restbetrag ...........................................................

EUR 5.860,86

Dieser Betrag ist innerhalb 1 Monat nach Zustellung mittels beiliegendem Zahlschein auf ein Konto der (mitbeteiligten Marktgemeinde) zur Einzahlung zu bringen."

1.2. Mit zwei weiteren Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde, beide vom 15. November 2005, wurden der beschwerdeführenden Partei als Eigentümerin zweier weiterer näher bezeichneter Objekte "Interessentenleistungen" in der Höhe von EUR 15.350,34 und EUR 16.881,87 vorgeschrieben.

Der Spruch dieser beiden Bescheide war (abgesehen von den Beträgen und dort bezeichneten Objekten) gleichlautend mit dem unter Punkt 1.1. wieder gegebenen Spruch des Bescheids des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 10. November 2005. 1.3. Begründend wird in allen drei vorgenannten Bescheiden im Wesentlichen ausgeführt, der Reinhaltungsverband T und die mitbeteiligte Marktgemeinde hätten dem mit Bescheid des Amts der Salzburger Landesregierung vom 14. Juli 1970 wasserrechtlich genehmigten Kanalbau mit zentraler Kläranlage nach den Plänen des Ingenieurkonsulenten Dipl.-Ing. W S mit einem Kostenaufwand von schätzungsweise EUR 3.924.333,05 zugestimmt. Die Bauarbeiten seien so weit fortgeschritten, dass die Anlage in Betrieb sei und die Liegenschaften der beschwerdeführenden Partei im Jahr 2005 angeschlossen worden seien. Die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde habe in der Sitzung vom 2. Februar 1972 beschlossen, von den Kanalbenützern im Gemeindegebiet eine Anschlussgebühr einzuheben. Des Weiteren sei mit Beschluss vom 17. Mai 1982 festgelegt worden, die Anschlussgebühren valorisiert abzurechnen. Da die Höhe der Baukosten wesentlich höher sein werde als die Summe der Leistungen, die nach dem Salzburger Interessentenbeiträgegesetz (in der Folge: Sbg. IBG) den Anschließern als zumutbare Leistung vorgeschrieben werden könne, werde den einzelnen Liegenschaftsbesitzern "gem. LGBl. Nr. 161/62 in der derzeit geltenden Fassung", den Indexzahlen entsprechend, der "Mindestsatz gemäß den Richtlinien der Salzburger Landesregierung" vorgeschrieben. Dieser Mindestsatz betrage (nach dem Index wertgesichert) zum 1. Jänner 2005 EUR 455,--.

1.4. In ihren gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen brachte die beschwerdeführende Partei unter anderem vor, die bestehende Sach- und Rechtslage lasse lediglich die Einhebung von Vorauszahlungen im Sinne des § 11 Sbg. IBG zu. Ein solcher Vorauszahlungsbescheid sei jedoch offenkundig nicht erlassen worden, weshalb der Bescheid zu beheben sei.

1.5. Mit drei im Wesentlichen gleichlautenden Bescheiden vom 22. März 2011 änderte die Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Marktgemeinde den Spruch der erstinstanzlichen Bescheide dahingehend ab, dass nunmehr "gemäß §§ 1, 2, 5, 6 und 11 des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes (LGBl. Nr. 161/1962 idgF) in Verbindung mit der Bewertungspunkteverordnung 1978 (LGBl. Nr. 2/1978) sowie aufgrund der Beschlüsse der Gemeindevertretung der (mitbeteiligten Marktgemeinde) vom 2.2.1972 und vom 17.5.1982" der beschwerdeführenden Partei für das jeweils näher bezeichnete Objekt "als Vorauszahlung auf den nach § 4 leg. cit. (gemeint: Sbg. IBG) zu leistenden Betrag für den Anschluss der Liegenschaft an die Abwasseranlage des (Reinhalteverbands T) und die Ortskanalisation" ein jeweils näher bezifferter (mit dem im jeweiligen erstinstanzlichen Bescheid festgesetzten Betrag gleichlautender) Betrag vorgeschrieben werde.

1.6. Begründend führte die Gemeindevorstehung in allen vorgenannten Berufungsbescheiden nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, dem gegenständlichen Projekt habe die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde in öffentlicher Sitzung vom 2. Februar 1972 die Zustimmung erteilt. Des Weiteren sei in der gleichen Sitzung der Beschluss gefasst worden, die entsprechenden gesetzlich vorgeschriebenen Vorauszahlungen auf die Interessentenbeiträge einzuheben. Im Rahmen der öffentlichen Sitzung der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Mai 1982 sei beschlossen worden, die geleisteten Vorauszahlungen auf die Kanalanschlussgebühren valorisiert in Anrechnung zu bringen.

Bis dato sei das gegenständliche Projekt nicht endabgerechnet, was die beschwerdeführende Partei zu Recht als Argument dafür anführe, dass bei dieser Sachlage nur ein Vorauszahlungsbescheid möglich sei.

Der beschwerdeführenden Partei sei darin beizupflichten, dass auf Grundlage des gegebenen Sachverhalts lediglich eine Vorauszahlung unter Anwendung des § 11 Sbg. IBG hätte eingehoben werden dürfen. Diesem Umstand sei spruchgemäß Rechnung zu tragen gewesen. Eine gänzliche Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides sei aber nicht notwendig gewesen, da die Berufungsbehörde selbst die notwendigen Verfahrensergänzungen habe vornehmen können.

Die Anzahl der festgestellten Bewertungspunkte sei richtig. Diese sei im Berufungsverfahren auch unbestritten geblieben und habe sohin der Entscheidung zugrunde gelegt werden können.

1.7. Gegen diese Bescheide erhob die beschwerdeführende Partei jeweils Vorstellung, welche mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

1.8. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im vorliegenden Fall liege ein Projekt vor, welches die Kanalisation der mitbeteiligten Marktgemeinde zum Inhalt habe, und auch der verfahrensgegenständliche Abschnitt der Anlage sei Teil dieses Projektes. Aus der Begründung des bekämpften Berufungsbescheids gehe hervor, dass hier ein Projekt vorliege, das mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Salzburg vom 14. Juli 1970 und vom 5. Juli 1971 wasserrechtlich bewilligt worden sei. Diesem Projekt sei von der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde in öffentlicher Sitzung vom 2. Februar 1972 die Zustimmung erteilt und es sei in der gleichen Sitzung der Beschluss gefasst worden, Vorauszahlungen auf die Interessentenbeiträge einzuheben.

Demzufolge lägen die Voraussetzungen gemäß § 11 Sbg. IBG für die Einhebung von Vorauszahlungen auf den Interessentenbeitrag allesamt vor.

Die beschwerdeführende Partei bringe vor, dass die zur Berechnung der Vorauszahlungen herangezogenen Kosten von dem genehmigten Projekt nicht umfasst wären. Gemäß den Bestimmungen des Sbg. IBG und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes würden spätere Erweiterungen oder Sanierungen einer Anlage ein eigenes (neues) Projekt darstellen, welches dann zur Vorschreibung von Interessentenbeiträgen gemäß § 10a IBG führen könne (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 4. September 2003, Zl. 99/17/0122). In einem solchen Fall wäre die Vorschreibung von Vorauszahlungen auf den Interessentenbeitrag im Sinne des § 11 Sbg. IBG nicht zulässig.

Im gegenständlichen Verfahren liege jedoch, so die belangte Behörde, keine derartige Erweiterungsmaßnahme vor, da gemäß der Bestimmung des § 10a Abs. 1 Sbg. IBG von einer solchen erst dann auszugehen sei, wenn die gesamte Anlage bereits abgerechnet worden sei und es in der Folge zu neuerlichen erweiternden Arbeiten komme. Im gegenständlichen Verfahren sei jedoch noch keine Abrechnung erstellt worden, weshalb die Bestimmung des § 10a Abs. 1 Sbg. IBG hier nicht anwendbar sei.

Unter dem Gesichtspunkt des in der Vorstellung erhobenen Arguments, dass mit der im Berufungsbescheid erfolgten Vorschreibung einer Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag rechtlich ein "aliud" erlassen worden sei und die Identität der Sache in Bezug auf die Entscheidung erster Instanz, in der eine endgültige Interessentenbeitragsvorschreibung erfolgt sei, nicht gegeben sei, führte die belangte Behörde aus, die Berufungsbehörde habe "in der Sache" zu entscheiden und es sei ihr verwehrt, aus Anlass der Berufung eine Frage zu entscheiden, die gar nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei und nicht den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, Zl. 92/07/0098). Was "Sache" sei, könne nur auf Grund der jeweiligen Verwaltungsvorschrift, die die konkrete Verwaltungssache bestimme, eruiert werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1985, Zl. 85/11/0060).

Inhalt des Spruches und somit Sache im Sinne dieser Rechtsprechung sei im erstinstanzlichen Bescheid die Vorschreibung eines Interessentenbeitrages aufgrund der §§ 1 bis 6 Sbg. IBG in Verbindung mit der Bewertungspunkteverordnung sowie aufgrund des Beschlusses der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 2. Februar 1972 für ein bestimmtes Grundstück gewesen. Die Berufungsbehörde habe in ihrem Bescheid der Berufung insofern Folge gegeben, als der Spruch nunmehr die Vorschreibung einer Vorauszahlung zum Inhalt habe. Die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz sei, so die belangte Behörde, aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes, nämlich der Tatsache, dass noch keine Abschlussrechnung für das gegenständliche Projekt vorgelegen sei, nicht richtig gewesen und deshalb mit Bescheid der Berufungsbehörde abgeändert worden. Als "Sache" sei die Vorschreibung eines Interessentenbeitrages anzusehen, welche bis zum Vorliegen einer Abschlussrechnung in Form von Vorauszahlungen eingehoben werde. Deren grundsätzliche Berechnung erfolge in gleicher Weise, wie die des abschließenden Interessentenbeitrages, lediglich die Berechnungszahl werde unterschiedlich ermittelt. Es handle sich daher um die gleiche Sache, die im Rahmen des Berufungsverfahrens lediglich rechtlich anders beurteilt worden sei.

1.9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.10. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Marktgemeinde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des (Salzburger) Interessentenbeiträgegesetzes (in der Folge: Sbg. IBG), LGBl. Nr. 161/1962 (§ 1 in der Fassung LGBl. Nr. 118/2009, §§ 2 und 11 in der Fassung LGBl. Nr. 68/1969, §§ 3, 4, 5, 10a in der Fassung LGBl. Nr. 55/1988, § 6 in der Fassung LGBl. Nr. 161/1962), lauten:

"Allgemeine Bestimmungen

§ 1

(1) Zu den Herstellungskosten gemeindeeigener Abwasseranlagen - im folgenden kurz Anlagen bezeichnet - haben in Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg die Interessenten nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes Beiträge zu leisten.

(2) Herstellungskosten sind jene Kosten, die der Gemeinde für die Herstellung, Erweiterung oder technische Verbesserung der Anlage sowie für die Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlage erwachsen, einschließlich den Beträgen, die sich aus der Aufwertung der Vorauszahlungen gemäß § 5 Abs. 2 ergeben.

(3) Interessenten sind die Eigentümer von Grundstücken, von denen Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlage eingeleitet werden und zwar gleichgültig, ob der Anschluss an die Anlage im Zuge ihrer Herstellung oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Im Falle eines Baurechtes gelten die Berechtigten als Interessenten.

(4) Der durch Beiträge zu deckende Teil der Herstellungskosten darf nicht mehr als die Hälfte dieser Kosten ausmachen. Dies gilt nicht in bezug auf die Ergänzungsbeiträge gemäß § 10 und die gemäß § 10a Abs. 1 letzter Halbsatz zu bestimmenden Mindestbeiträge.

(5) Der Beitrag wird durch das Verhältnis bestimmt, in dem wertmäßig das Ausmaß der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage zur projektierten Gesamtinanspruchnahme der Anlage steht.

(6) Hat eine Gemeinde zu den Herstellungskosten einer Abwasseranlage anteilig beizutragen, so finden auf diesen Kostenanteil die Vorschriften dieses Gesetzes über Herstellungskosten für gemeindeeigene Abwasseranlagen Anwendung. Solche Anlagen sind insoweit gemeindeeigenen Abwasseranlagen gleichzuhalten.

(7) Der Beitrag wird von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als Gemeindeabgabe (§ 8 Abs. 5 F-VG 1948) erhoben. Die Behörden haben die Bundesabgabenordnung (BAO) in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Bewertung der Inanspruchnahme der Anlage

§ 2

(1) Die Bewertung des Ausmaßes der Inanspruchnahme der Anlage ist in Bewertungspunkten auszudrücken.

(2) Punkteeinheit ist jene Inanspruchnahme der Anlage, die von der Ableitung ausschließlich häuslicher Abwässer einer Person herrührt.

(3) Bei Wohnräumen sind unabhängig von der Anzahl der Bewohner 20 m2 Wohnungs-Nutzfläche im Sinne der abgabenrechtlichen Bewertungsvorschriften einer Punkteeinheit gleichzusetzen.

(4) In welchem Verhältnis zur Punkteeinheit die Inanspruchnahme der Anlage durch die Ableitung von Niederschlagswässern sowie von Abwässern aus gewerblichen oder anderen Betrieben oder sonstigen Einrichtungen und Anstalten mit besonderem Abwasseranfall steht, hat die Landesregierung unter Zugrundelegung der jeweiligen fachlichen Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der Abwasserbeseitigung für die einzelnen gebräuchlich in Betracht kommenden Abwasserbeseitigungs- und Entwässerungsarten durch Verordnung festzustellen.

Genehmigung der Herstellungskosten

§ 3

(1) Die Herstellungskosten der Anlage sind längstens innerhalb von zwei Jahren nach Fertigstellung derselben abzurechnen. Der Bürgermeister hat die Abschlussrechnung über die Herstellungskosten durch zwei Wochen zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Die Auflegung ist ortsüblich kundzumachen. Innerhalb der Auflagefrist kann jeder Interessent gegen die Abschlussrechnung beim Gemeindeamt schriftlich Einwendungen erheben.

(2) Nach Ablauf der Auflagefrist ist die Abschlussrechnung vom Bürgermeister der Gemeindevertretung zur Genehmigung vorzulegen, die bei der diesbezüglichen Beratung die vorgebrachten Einwendungen zu prüfen hat.

Beitrag

§ 4

(1) Der Beitrag ist in jenem Ausmaß zu leisten, das sich durch die Vervielfachung der den Interessenten treffenden Anzahl der Bewertungspunkte (§ 2) mit der Berechnungszahl und einer allfälligen Steigerung nach Abs. 4 bestimmt.

(2) Berechnungszahl ist jene Zahl, die sich aus der Teilung des auf der Grundlage der genehmigten Abschlussrechnung (§ 3) nach § 1 Abs. 4 bestimmten Teiles der Herstellungskosten durch jene Anzahl der Bewertungspunkte ergibt, die der projektierten Gesamtinanspruchnahme der Anlage entspricht.

(3) Insoweit ein Interessent zu den Herstellungskosten einer im § 1 Abs. 6 angeführten Abwasseranlage ebenfalls anteilig beizutragen hat, ist er von der Beitragsleistung an die Gemeinde befreit.

(4) Gemäß Abs. 3 ungedeckte Beitragsteile sind so lange weiter aufzuteilen, bis der volle durch Beiträge zu deckende Teil des Herstellungskostenanteils der Gemeinde erreicht ist. Hiebei findet Abs. 2 sinngemäß mit der Maßgabe Anwendung, dass vom jeweils ungedeckten Rest die Gemeinde die Hälfte zu tragen hat.

(5) Für Interessenten, die nach Wiedererrichtung von nicht mehr funktionsfähigen größeren Teilen einer Anlage an diese anschließen, ist für die Bestimmung des Beitrages zu den Herstellungskosten der bisherigen Anlage eine eigene Berechnungszahl ohne die Kosten für die Herstellung der nicht mehr funktionsfähigen Teile der Anlage zu ermitteln. Dies kann, wenn die ursprünglichen Kosten für diese Teile nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand feststellbar sind, unter Zugrundelegung von Durchschnittssätzen geschehen, die aus den seinerzeitigen Kosten für die Errichtung der Anlage zu berechnen sind.

Beitragsvorschreibung

§ 5

(1) Der Beitrag ist dem Interessenten vom Bürgermeister mit Bescheid vorzuschreiben.

(2) Bei der Anrechnung von Vorauszahlungen (§ 11) sind diese um 4 v.H. jährlich aufzuwerten, wobei das Halbjahr, in dem die Vorauszahlung geleistet worden ist, außer Betracht zu bleiben hat.

Beitragsentrichtung

§ 6

(1) Der Beitrag wird nach Maßgabe der Vorschreibung (§ 5) fällig.

Vorauszahlung

§ 11

(1) Liegt für eine Anlage ein nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften bewilligtes und mit einem Kostenvoranschlag belegtes Projekt vor und wurde diesem von der Gemeindevertretung zugestimmt, so ist die Gemeinde berechtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung vom Zeitpunkt des Baubeginnes der Anlage an Vorauszahlungen auf den nach § 4 zu leistenden Beitrag zu erheben.

(2) Zur Leistung einer Vorauszahlung sind die Eigentümer (Berechtigten aus einem Baurecht) von Grundstücken verpflichtet, von denen nach dem Projekt Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlage eingeleitet werden sollen, soferne

a)

das Grundstück bebaut ist oder

b)

sich auf dem Grundstück ein Gebäude in Bau befindet.

(3) Die Vorauszahlung ist einheitlich in einem Hundertsatz, jedoch nicht mehr als mit 80 v.H. jenes Betrages zu erheben, der unter Zugrundelegung des Projektes der Anlage sowie des Umfanges und Zweckes des bestehenden oder in Bau befindlichen Gebäudes gemäß § 4 als Beitrag zu entrichten wäre. In diesem Rahmen dürfen Vorauszahlungen nur in dem Ausmaß erhoben werden, als dies zur Deckung der bisherigen sowie der im laufenden und im nächstfolgenden Jahr zu erwartenden Baukosten erforderlich ist.

(4) Ändern sich nach Leistung der Vorauszahlung die Verhältnisse derart, daß voraussichtlich die Beitragspflicht (§ 1) nicht mehr entstehen wird, so ist die Vorauszahlung mit 4 v.H. verzinst auf Antrag innerhalb einer Frist von zwei Wochen zurückzuzahlen.

(5) Für die Erhebung der Vorauszahlung gelten die §§ 5 bis 9 sinngemäß."

2.2. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die Berufungsbehörde habe über eine andere Sache entschieden, als jene, die den Spruchgegenstand des erstinstanzlichen Bescheides gebildet habe. Sie habe die endgültige Interessentenbeitragsvorschreibung im erstinstanzlichen Bescheid in einen Vorauszahlungsbescheid abgeändert. Die endgültige Vorschreibung von Interessentenbeiträgen unterscheide sich gravierend und substantiell von der Vorschreibung von Vorauszahlungsbeiträgen. Da sich der Umfang der möglichen Vorschreibung, aber auch die Grundlagen für die Ermittlung gravierend unterschieden, könne nicht von derselben Sache gesprochen werden.

2.3. Die Beschwerde ist insofern berechtigt.

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 20/2009 ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Die Berufungsbehörde kann daher ihre Entscheidung originär neu gestalten, das Ergebnis ihrer Entscheidung kann von dem des erstinstanzlichen Bescheides abweichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2004, Zl. 2001/15/0143).

Die Abänderungsbefugnis ist jedoch durch die Sache beschränkt; "Sache" ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (vgl. Ritz, BAO-Kommentar5, § 289 BAO, Tz 38 f). Die Abgabenbehörde zweiter Rechtsstufe darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder nicht in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist, nicht erstmals einen Sachbescheid erlassen. Ein derartiger Ausspruch wäre ein Eingriff in die funktionelle Zuständigkeit der Behörde erster Instanz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, Zl. 2000/16/0317, oder für den Fall der Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe an Stelle der in erster Instanz erfolgten Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages das hg. Erkenntnis vom 19. März 2001, Zl. 96/17/0441).

Mit den erstinstanzlichen Bescheiden vom 10. November 2005 und 15. November 2005 wurde ein Interessentenbeitrag im Sinne der §§ 4 und 5 Sbg. IBG vorgeschrieben.

Die Vorschreibung einer Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag ist von der Vorschreibung des Interessentenbeitrages zu unterscheiden, unterliegt sie doch anderen und eigenen Voraussetzungen. Der Umstand, dass die Vorschreibung der Vorauszahlung die Abgabepflicht für den Interessentenbeitrag im Fall der Fertigstellung der Anlage voraussetzt, ändert nichts daran, dass die Vorschreibung der Vorauszahlung, die u.a. eine gesonderte diesbezügliche Beschlussfassung der Gemeindevertretung voraussetzt und im Gegensatz zur Vorschreibung des Beitrags aufgrund eines nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften bewilligten und mit einem Kostenvoranschlag belegten Projekts (und nicht nach der Abschlussrechnung) zu berechnen ist, ein aliud gegenüber der Vorschreibung des Interessentenbeitrages darstellt. (vgl. zum Verhältnis des Ergänzungsbeitrages zum Anschlussbeitrag nach dem Burgenländischen Kanalabgabegesetz das hg. Erkenntnis vom 23. April 1993, Zl. 91/17/0066, sowie zum Verhältnis des Ergänzungsbeitrages zum Aufschließungsbeitrag nach der Niederösterreichische Bauordnung 1976 das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 19. März 2001, Zl. 96/17/0441, und zur Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrags an Stelle des Anschlussbeitrages nach Vlbg. Kanalgesetz das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2003/17/0017).

Mit der Vorschreibung einer Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag nach § 11 Sbg. IBG anstatt des von der erstinstanzlichen Behörde vorgeschriebenen endgültigen Interessentenbeitrags nach den §§ 4 und 5 IBG, hat die Berufungsbehörde daher ihre Zuständigkeit überschritten.

Somit hat die Berufungsbehörde aber eine Zuständigkeit wahrgenommen, welche ausschließlich der ersten Instanz zugekommen wäre, sodass sich die Bescheide der Berufungsbehörde in dieser Hinsicht als rechtswidrig erweisen.

2.4. Dadurch, dass die belangte Behörde die aufgezeigte Rechtswidrigkeit der Berufungsbescheide in ihrer Vorstellungsentscheidung nicht wahrgenommen hat, hat sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dies musste gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2.5. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 14. November 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012170045.X00

Im RIS seit

11.12.2013

Zuletzt aktualisiert am

30.05.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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