RS Vfgh 2013/11/27 B1168/2012

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Veröffentlicht am 27.11.2013
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Index

74/03 Sonstiges

Norm

EMRK Art9
StGG Art14, Art15
Gesetz über die interkonfessionellen Verhältnisse (InterkonfessionellenG) Art6
BG über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche §6
Kundmachung BGBl II 16/2007 betr die Rechtspersönlichkeit von Gemeinden und Einrichtungen der Evangelischen Kirche

Leitsatz

Keine Verletzung der Religionsfreiheit infolge denkmöglicher Annahme der Zugehörigkeit des in Schweden geborenen und getauften Beschwerdeführers zur Evangelischen Kirche AB in Österreich bis zum Austritt aus der Schwedischen Kirche

Rechtssatz

Art9 EMRK und Art14 StGG schützen nicht nur die (aktive) Religionsausübung, sondern umfassen auch das Recht, keiner Religion anzugehören und insbesondere nicht zu religiösen Handlungen bzw zur Teilnahme an diesen gezwungen zu werden.

Mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführer - erst - seit 28.12.2010 nicht mehr Angehöriger der Evangelischen Kirche AB sei, greift die belangte Behörde in die negative Religionsfreiheit des Beschwerdeführers, dh in seine Freiheit, keiner Religion und auch keiner Religionsgesellschaft anzugehören, ein.

Grundsätzlich ist es mit der Religionsfreiheit vereinbar, wenn Personen von staatlicher Seite als zu einer Religionsgesellschaft bzw einer Pfarrgemeinde zugehörig betrachtet werden und diesen Personen in der Folge die daran anknüpfenden Rechtsfolgen (wie etwa die Kirchenbeitragspflicht) auferlegt werden, solange sie zu jeder Zeit die Möglichkeit zum freiwilligen Austritt haben.

Die Frage der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche oder Religionsgesellschaft ist (jedenfalls auch) eine innere Angelegenheit der Kirche oder Religionsgesellschaft iSd Art15 StGG; insoweit daran Rechtsfolgen in der staatlichen Rechtsordnung geknüpft werden, kann die Frage der Beziehung des Einzelnen zur Kirche oder Religionsgesellschaft - der in diesem Zusammenhang jedenfalls Parteistellung zukommt - für den staatlichen Bereich gesetzlich geregelt werden. Dementsprechend sieht Art6 InterkonfessionellenG vor, dass der Austritt aus einer Kirche durch den Austretenden der Behörde gemeldet werden muss, um im Verhältnis zur staatlichen Rechtsordnung wirksam zu sein.

Ob eine Person einer Kirche oder Religionsgesellschaft angehört, ist nach den Regelungen der Kirche bzw Religionsgesellschaft zu bestimmen (vgl Art2 und Art3 der Verfassung der Evangelischen Kirche A und HB in Österreich).

Der - in Schweden geborene und in der evangelisch-lutherischen Schwedischen Kirche getaufte - Beschwerdeführer hat bei seiner Anmeldung in Österreich im September 2006 auf dem Meldezettel das Religionsbekenntnis "EVANG." angegeben. Mit der Kundmachung BGBl II 16/2007 und der im Amtsblatt für die Evangelische Kirche in Österreich kundgemachten Vereinbarung über die Errichtung und Anerkennung einer Schwedischen Evangelischen Gemeinde - wenn letztere auch nicht mit der Schwedischen Kirche selbst, sondern mit der "Svenska kyrkan i utlandet" ("Schwedische Kirche im Ausland") sowie der "Svenska kyrkan i Wien" ("Schwedische Kirche in Wien") abgeschlossen wurde - bestehen ausreichende Anhaltspunkte für die belangte Behörde, anzunehmen, dass der Beschwerdeführer als Mitglied der Schwedischen Kirche mit der Verlegung seines Wohnsitzes nach Österreich auch Mitglied der evangelischen Pfarrgemeinde am Ort seines neuen Wohnsitzes geworden ist. Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde denkmöglich angenommen, dass der Beschwerdeführer bis zu seinem Austritt aus der Schwedischen Kirche Mitglied der Evangelischen Kirche in Österreich war. Der belangten Behörde kann nicht vorgeworfen werden, den angewendeten gesetzlichen Grundlagen damit einen verfassungswidrigen, insbesondere dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Religionsfreiheit widersprechenden Inhalt unterstellt zu haben.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Religionsgesellschaften, Religionsfreiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Staatskirchenrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B1168.2012

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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