TE Vwgh Erkenntnis 2013/10/16 2012/04/0100

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Veröffentlicht am 16.10.2013
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
50/01 Gewerbeordnung;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §91 Abs2;
StGG Art6;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Juli 2012, Zl. A14-30-1937/2012-6, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes "Immobilientreuhänder (Immobilienmakler, Immobilienverwalter, Bauträger), eingeschränkt auf Bauträger" gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 iVm § 91 Abs. 2 GewO 1994 entzogen.

In der Begründung vertrat die belangte Behörde die Ansicht, der namentlich genannte handelsrechtliche Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter der Beschwerdeführerin, Herr J.S., habe den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 verwirklicht. Da ihm in diesen Funktionen maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Beschwerdeführerin im Sinne des § 91 Abs. 2 GewO 1994 zukomme, sei die Beschwerdeführerin von der Gewerbebehörde nach der letztgenannten Bestimmung aufgefordert worden, den genannten J.S. aus den erwähnten Funktionen innerhalb gesetzter Frist zu entfernen. Dieser Aufforderung sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen, sodass ihr die Gewerbeberechtigung zu entziehen gewesen sei.

Die Verwirklichung des Entziehungstatbestandes des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 durch den genannten J.S. begründete die belangte Behörde wie folgt:

Mit zwei rechtskräftigen Straferkenntnissen jeweils vom 15. Juli 2008 sei J.S. schuldig erkannt worden, dass er als Vertreter der Beschwerdeführerin zwei namentlich genannte Arbeitnehmer von 28. bis 29. April 2008 beschäftigt habe und diese einerseits vor Arbeitsantritt nicht zur Pflichtversicherung angemeldet habe (Geldstrafe von insgesamt EUR 1.460,-- wegen zwei Übertretungen des ASVG) und diese ausländischen Arbeitnehmer andererseits ohne die Bewilligung oder Erlaubnis nach dem AuslBG beschäftigt habe (Geldstrafe von insgesamt EUR 2.000,--).

Außerdem sei über J.S. mit rechtskräftigem Straferkenntnis vom 22. April 2009 erneut eine Geldstrafe von EUR 2.000,-- wegen einer Übertretung des AuslBG verhängt worden, weil er die bewilligungslose Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers am 24. Oktober 2008 zu verantworten habe.

Ausgehend von der Bindung an die genannten Straferkenntnisse sei bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit des J.S. zu prüfen, ob sich dieser durch die genannten Verwaltungsübertretungen schwerwiegender Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 schuldig gemacht habe. Bejahendenfalls ergebe sich die zwingende Rechtsvermutung der mangelnden Zuverlässigkeit des J.S., eine zusätzliche Beurteilung seines Persönlichkeitsbildes sei in diesem Fall nicht notwendig.

Die angeführten Verwaltungsübertretungen seien nach Ansicht der belangten Behörde in ihrer Gesamtheit als schwerwiegende Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 einzustufen. Dies ergebe sich zunächst daraus, dass das AuslBG, das J.S. übertreten habe, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm sei, deren Einhaltung zu den in § 87 Abs. 1 GewO 1994 genannten Schutzinteressen zähle und der vom Gesetzgeber sehr großes Gewicht beigemessen worden sei. Außerdem habe J.S. die nicht zeitgerechte Anmeldung zweier Arbeitnehmer zur Pflichtversicherung zu verantworten.

Trotz der erfolgten rechtskräftigen Bestrafung durch die beiden Straferkenntnisse vom 15. Juli 2008 habe J.S., wie dargestellt, am 24. Oktober 2008 erneut eine Übertretung des AuslBG begangen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung eine schwere Verletzung der in Rede stehenden Schutzvorschriften in solchen Fällen angenommen, in denen die Verstöße gegen das AuslBG trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen worden seien.

Ausgehend von der Verwirklichung des Tatbestandes der Gewerbeentziehung (§ 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994) durch J.S. wäre die Beschwerdeführerin gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 verpflichtet gewesen, den Genannten aus den erwähnten Funktionen im Unternehmen der Beschwerdeführerin zu entfernen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 99/2011 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Gemäß § 87 Abs. 1 letzter Satz GewO 1994 sind Schutzinteressen gemäß Z. 3 insbesondere (auch) die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung.

Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 GewO 1994 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.

Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde - im Ergebnis zutreffend - geltend, dass die angeführten Verwaltungsübertretungen ihres Geschäftsführers J.S. (noch) keine den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 erfüllenden "schwerwiegenden Verstöße" darstellen:

Die im vorliegenden Fall entscheidende Frage, ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen des J.S. um "schwerwiegende Verstöße" im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 handelt, ist nach mittlerweile ständiger hg. Rechtsprechung danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Betreffende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich (vgl. aus vielen die hg. Erkenntnisse vom 14. März 2012, Zl. 2012/04/0014, und vom 21. Dezember 2011, Zl. 2007/04/0222, mwN).

Was das genannte Kriterium der Art der verletzten Schutzinteressen betrifft, so hat die belangte Behörde zutreffend erkannt, dass der Einhaltung von Normen zur Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung vom Gesetzgeber großes Gewicht beigemessen wird. Daraus ergibt sich, dass bei den in Rede stehenden Übertretungen des AuslBG die "Art der verletzten Schutzinteressen" für ein Vorliegen schwerwiegender Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 spricht (vgl. auch dazu die bereits zitierte hg. Judikatur).

Ob auch unter dem Gesichtspunkt der "Schwere" der Verletzung dieser Schutzinteressen von der Erfüllung des letztgenannten Tatbestandes auszugehen ist, ist nach dieser Judikatur anhand der rechtskräftigen Straferkenntnisse zu beurteilen. Im zitierten Erkenntnis, Zl. 2007/04/0222, hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass er in seiner Rechtsprechung eine schwere Verletzung der hier in Rede stehenden Schutzinteressen in solchen Fällen angenommen hat, in denen die Verstöße gegen das AuslBG trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen wurden oder in denen neben der unbefugten Ausübung des Baumeistergewerbes über einen längeren Zeitraum zusätzlich mehrere Verstöße gegen das AuslBG an unterschiedlichen Tagen begangen wurden bzw. in denen neben einer wiederholten Übertretung des AuslBG auch ein Gewerbe "langjährig" ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer betrieben wurde. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde deshalb eine schwere Verletzung der hier in Rede stehenden Schutzinteressen (§ 87 Abs. 1 letzter Satz GewO 1994) durch den Geschäftsführer J.S. angenommen, weil dieser Verstöße gegen das AuslBG "trotz erfolgter Bestrafung wiederholt" begangen habe. Davon kann jedoch angesichts der Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nicht ausgegangen werden, weil J.S. erstmals mit den Straferkenntnissen vom 15. Juli 2008 (betreffend sein rechtswidriges Verhalten am 28. und 29. April 2008) bestraft wurde (vgl. auch das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2007/04/0222, zu am selben Tag begangenen Delikten) und danach noch einmal - somit nach der rechtskräftigen Bestrafung aber nicht wiederholt - wegen eines gleichfalls gegen das AuslBG verstoßenden Verhaltens am 24. Oktober 2008 (vgl. in diesem Sinne auch die hg. Erkenntnisse vom 14. März 2012, Zlen. 2012/04/0012 und 2012/04/0014, in denen eine wiederholte Begehung nach erfolgter Bestrafung gegeben war).

Gegen die Annahme, dass J.S. die Zuverlässigkeit wegen schwerwiegender Verstöße fehlt, spricht aber auch, dass sein zuletzt gesetztes Fehlverhalten vom 24. Oktober 2008 die bewilligungslose Beschäftigung eines Arbeitnehmers an einem einzigen Tag betraf (vgl. abermals das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2007/04/0222) und - im maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (12. Juli 2012) - bereits mehr als dreieinhalb Jahre zurücklag.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Oktober 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012040100.X00

Im RIS seit

08.11.2013

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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