RS Vfgh 2013/9/25 U1217/2012

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Veröffentlicht am 25.09.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10
AVG §38
ARHG §13

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Aussetzung des Asylverfahrens - hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten sowie der Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei - bis zum rechtskräftigen Abschluss eines anhängigen Auslieferungsverfahrens mangels Bindung des Asylgerichtshofes an die Entscheidung des Strafgerichts; Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten

Rechtssatz

Sowohl der AsylGH als auch das Strafgericht haben das Vorliegen einer Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und die Zulässigkeit des Refoulements zu beurteilen. Keines der beiden Gerichte spricht jedoch für das andere bindend über diese Rechtsfragen ab. Asyl- und Auslieferungsrecht sehen vielmehr zwei von unterschiedlichen Gerichten parallel zu führende Verfahren - eines über den Antrag auf internationalen Schutz, eines über das Auslieferungsersuchen - vor, die bei der Identität von Herkunftsstaat und ersuchendem Staat (und nur in diesem Fall) zur parallelen Prüfung derselben Fragen im Hinblick auf Asylberechtigung und Refoulementschutz führen (in diesem Sinn auch OGH 08.07.2008, 14 Os 67/08x). §13 ARHG sieht nur den Vorrang der Auslieferung vor der Vollziehung der Ausweisung vor, indem er die Abschiebung in den ersuchenden Staat nach asyl- oder fremdenrechtlichen Bestimmungen während des Auslieferungsverfahrens untersagt.

Aus §13 ARHG folgt aber nicht, dass dann, wenn es sowohl im Auslieferungsverfahren wie auch im Asylverfahren um die Rückverbringung in denselben (ersuchenden und Herkunfts-)Staat geht, der AsylGH an die Entscheidung des Strafgerichts gebunden wäre.

§38 AVG berechtigt den AsylGH im vorliegenden Fall also nicht dazu, das bei ihm anhängige Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Spruchpunkte II. (bzgl der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigen) und III. (betr die Ausweisung in die Türkei) des vor dem AsylGH bekämpften Bescheids bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Auslieferungsverfahrens auszusetzen. Er hat daher auch in dieser Hinsicht selbst zu entscheiden. Dieser Fehler bei der Auslegung des §38 AVG verstößt gegen das Willkürverbot, weil der AsylGH dabei die Rechtslage in gehäufter Weise verkennt.

Zum einen ist es in sich widersprüchlich, wenn der AsylGH hinsichtlich seiner Refoulemententscheidung vom Vorliegen der Voraussetzungen des §38 AVG ausgeht, dies aber für seine Asylentscheidung verneint, hat doch das Auslieferungsstrafgericht ebenso zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl vorliegen, weil diesfalls die Auslieferung vom Gericht nicht für zulässig zu erklären wäre.

Zum zweiten führt die unzutreffende Auslegung des §38 AVG durch den AsylGH dazu, dass ein Ermittlungsverfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen der Zuerkennung von subsidiärem Schutz durch den AsylGH nicht geführt wird, dessen Ergebnisse, wenn zwar für das Auslieferungsstrafgericht nicht bindend, so doch von rechtlicher Relevanz sein können.

Hinsichtlich der Abweisung des Asylantrags hat der AsylGH in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass den Angaben des Beschwerdeführers die Befürchtung, im Falle seiner Rückkehr drohe Verfolgung aus Gründen der GFK, nicht glaubhaft zu entnehmen sei. Der AsylGH konnte sohin - auch vor dem Hintergrund der aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Länderfeststellungen - zutreffend vom Nichtvorliegen asylrelevanter Fluchtgründe ausgehen. Auch konnte der AsylGH in ebenso verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass eine mündliche Verhandlung gemäß §41 Abs7 AsylG 2005 unterbleiben konnte.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Auslieferung, Aussetzung des Verfahrens, Bindung (der Gerichte)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U1217.2012

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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