TE Vwgh Erkenntnis 2013/10/15 2009/02/0364

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Veröffentlicht am 15.10.2013
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art119a Abs5;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie die Senatspräsidentin Dr. Riedinger und den Hofrat Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde 1. des S und

2. der S, beide in L, beide vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Mittergasse 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. Oktober 2009, Zl. FA7C-2-5.0 L/3-94/41, betreffend Betriebsstättengenehmigung nach dem Stmk. Veranstaltungsgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Sportverein S, 2. Marktgemeinde L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte dieses Verfahrens wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2007, Zl. 2004/05/0248, verwiesen. Diesem Verfahren lag ein Antrag des erstmitbeteiligten Sportvereines auf Genehmigung einer ortsfesten Betriebsanlage (Fußballplatz), auf der mehrere Fußballwettkampfspiele pro Woche und mehrere Turniere pro Jahr durchgeführt werden sollen, zu Grunde.

Die Beschwerdeführer bewohnen ein dem Fußballplatz benachbartes Haus und wandten sich gegen die zunächst mit Bescheid vom 12. Jänner 2004 vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem erstmitbeteiligten Sportverein unter Auflagen erteilte Betriebsstättengenehmigung, weil sie sich in erster Linie durch ungebührlichen Lärm belästigt fühlten.

Der Gemeinderat wies die Berufung der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 9. März 2004 als unbegründet ab; die Vorstellung der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 21. September 2004 ebenfalls als unbegründet abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit dem eingangs genannten Erkenntnis vom 20. Februar 2007 diese Vorstellungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf und führte begründend insbesondere aus, die Frage der Lärmbelästigung sei nicht ausreichend geprüft worden; schließlich seien die Betriebszeiten der Anlage bis 22.00 Uhr genehmigt worden, obwohl Betriebszeiten nur bis 21.00 Uhr beantragt worden seien. (Auf die näheren Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird verwiesen.)

In der Folge führte die belangte Behörde ein eigenes Ermittlungsverfahren durch und gab nach Einholung eines lärmtechnischen und eines umweltmedizinischen Gutachtens mit Bescheid vom 28. Februar 2008 der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Berufungsbescheid vom 9. März 2004 Folge, hob den bei ihr angefochtenen Bescheid auf und verwies das Verfahren an den Gemeinderat zurück. Auf Grundlage der Ergebnisse des ergänzten Ermittlungsverfahrens erachtete die belangte Behörde das Projekt in der zur Bewilligung eingereichten Form als nicht genehmigungsfähig und führte, soweit für das nunmehrige Beschwerdeverfahren erheblich, insbesondere aus:

"Grundsätzlich kann seitens der Vorstellungsbehörde den Ausführungen des umweltmedizinischen Amtssachverständigen im Hinblick auf den Auflagenvorschlag 1 gefolgt werden, gemäß welchem ausgehend von einer zulässigen Betriebszeit von 09.00 Uhr bis 21.00 Uhr grundsätzlich elf Veranstaltungstage als zumutbar betrachtet werden. Dieser Auflagenvorschlag ist zumindest nachvollziehbar. Wie bereits mehrfach ausgeführt, wurden Art und Ausmaß der schalltechnischen Immissionen direkt an den Immissionspunkten gemessen und ausgewertet, wobei entsprechend dem Gutachten nicht nur die Dauer und die Häufigkeit der Schallimmissionen zu beurteilen waren, sondern vor allem auch die Qualität der entsprechenden Lärmentwicklung, wie sie bei sämtlichen geplanten öffentlichen Veranstaltungen auftritt. Ein 4- bis 5-wöchiger Abstand zwischen diesen Veranstaltungstagen erscheint aus Praktikabilitätsgründen undurchführbar und könnte nach Ansicht der erkennenden Behörde mit einem 14 tägigen Rhythmus das Auslangen gefunden werden, sofern die Veranstaltungstage und vor allem Spielzeiten rechtzeitig den Nachbarn kommuniziert werden, da letztendlich die Gesamtzahl der Veranstaltungstage ohnehin auf ein Maximalausmaß begrenzt wurde und Regenerationszeiten garantiert sind."

Dieser Bescheid der belangten Behörde blieb unangefochten.

Der mitbeteiligte Sportverein modifizierte sein Ansuchen letztlich dahin, dass die Betriebsstättengenehmigung für eine Betriebszeit von 09.00 Uhr bis 21.00 Uhr an elf Veranstaltungstagen im Jahr bei einem mindestens 14-tägigen Rhythmus, wobei diese Veranstaltungstage und vor allem die Spielzeiten rechtzeitig den Nachbarn kommuniziert werden müssten, erteilt werden möge.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. Juli 2009 wurde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 12. Jänner 2004 stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgrund der von der Betriebsstättengenehmigungswerberin vorgenommenen Projektsmodifikation dahingehend abgeändert, dass

"a) die Betriebsstättengenehmigung für den Sportplatz als ortsfeste Betriebsstätte auf Dauer wird für eine Betriebszeit von 09.00 Uhr bis 21.00 Uhr an elf Veranstaltungstagen im Jahr im mindestens 14-tägigen Rhythmus für jährlich wiederkehrende Veranstaltungen (Wettkampf- Fußballspiele und Fußball-Turniere) auf den Grundstücken ... mit den von der Behörde erster Instanz im angefochtenen Bescheid verfügten Auflagen und Bedingungen Nr 1 bis Nr 8 erteilt und

b) der (mitbeteiligte Sportverein) als Betriebsstättengenehmigungswerber ausdrücklich verpflichtet wird, den (beschwerdeführenden Nachbarn) die Veranstaltungstage und vor allem die Spielzeiten an diesen Veranstaltungstagen rechtzeitig, dass ist mindestens eine Woche vor dem jeweiligen Veranstaltungstag bzw. in dem Fall, das bereits mehrere Veranstaltungstage feststehen, mindestens eine Woche vor Beginn dieser Tage, zu kommunizieren."

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer abermals Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Antrag, der Vorstellung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben (Spruchpunkt II.).

Nach der wesentlichen Begründung bestehe hinsichtlich des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides der belangten Behörde vom 28. Februar 2008 eine Bindungswirkung, die sich sowohl auf den Spruch als auch auf die den Spruch tragenden Gründe beziehe. Der Bescheid des Gemeinderates vom 8. Juli 2009 entspreche der bindenden Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde, den Belästigungen der Beschwerdeführer durch Lärm werde durch die im Bescheid enthaltenen Auflagen Rechnung getragen. Eine konkrete Gefährdung der Beschwerdeführer sei bei Einhaltung der Auflagen nicht anzunehmen, weshalb dem Antrag, der Vorstellung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge zu geben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die die mitbeteiligte Gemeinde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer vertreten in ihrer Beschwerde die Auffassung, dass lediglich der Spruch eines Bescheides Bindungswirkung entfalten könne, nicht jedoch die Bescheidbegründung. Im Spruch des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Februar 2008 sei lediglich der zu Grunde liegende Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde aufgehoben worden; nur dieser Spruch könne Bindungswirkung entfalten, nicht jedoch die weiteren begründenden Ausführungen für diesen Spruchpunkt.

Bei dieser Argumentation übersehen die Beschwerdeführer offenbar folgende sich aus den Besonderheiten des Vorstellungsverfahrens ergebende Konstellation:

Wird der Bescheid einer obersten Gemeindebehörde durch die Aufsichtsbehörde aufgehoben, so sind die Gemeinde - aber auch die anderen Parteien des Verfahrens - an die die Aufhebung tragenden Gründe des in Rechtskraft erwachsenen Vorstellungsbescheides gebunden, sofern die Sach- und Rechtslage gleich geblieben ist. Nur den tragenden Aufhebungsgründen kommt eine solche Bindungswirkung zu. Soweit die Vorstellungsbehörde überdies andere Gründe in der Vorstellung als unberechtigt angesehen hat, handelt es sich dabei begrifflich nicht um tragende Aufhebungsgründe. Solche Abweisungsgründe binden nicht und können im fortgesetzten Verfahren erfolgreich in Zweifel gezogen werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Februar 2013, Zl. 2011/06/0162, mwN).

Der aufhebende Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde entfaltet in Bezug auf die tragenden Aufhebungsgründe, sofern er unbekämpft bleibt oder eine Beschwerde vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts keinen Erfolg hat, vor der Gemeindebehörde, vor der Aufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof Bindungswirkung (vgl. das Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 95/05/0209).

Im Beschwerdefall sind die zuvor wörtlich wiedergegebenen Teile der Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 28. Februar 2008 (fallbezogen) als Teil der tragenden Aufhebungsgründe anzusehen (es geht dabei um die Kriterien für eine positive Bewilligung; die von den Gemeindebehörden zuvor erteilte Bewilligung entsprach dem nicht).

Vor diesem Hintergrund vermag die Beschwerde keine Argumente vorzutragen, die eine Verletzung von subjektiven Rechten der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid begründen würden. Abgesehen von der unzutreffenden Rechtsansicht zur Bindungswirkung bestreiten die Beschwerdeführer gar nicht, dass der Spruch des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. Juli 2009 den die Aufhebung tragenden Gründen des unbekämpft gebliebenen Bescheides der belangten Behörde vom 28. Februar 2008 entspricht.

Aufgrund dieser Bindungswirkung geht das Vorbringen der Beschwerdeführer fehl, dass vielmehr das dem zuletzt genannten kassatorischen Bescheid zugrundeliegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 2007, Zl. 2004/05/0248 (dem zu entnehmen sei, dass es Sache des lärmtechnischen Sachverständigen sei, über das Ausmaß der zu erwartenden Lärmimmissionen und ihre Art Auskunft zu geben und es - ausschließlich - dem medizinischen Sachverständigen obliege, sein Fachwissen hinsichtlich der Wirkungen der Schallimmissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen) Bindungswirkung entfalte, weshalb der belangten Behörde nicht die Befugnis eingeräumt sei, "die Erwägungen der Sachverständigen über Bord zu werfen und aus eigenem die gutachterlichen Ergebnisse" abzuändern und zu Lasten der Beschwerdeführer einzuschränken. Nicht minder ist daher mit dem weiteren Beschwerdevorbringen in diesem Zusammenhang zu den "Regenerationsphasen" wie auch zu ihrer Dauer etwas zu gewinnen.

Die belangte Behörde hat daher die Vorstellung zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Mit der (Wirksamkeit der) Entscheidung über die Vorstellung bestand kein Raum mehr, der Vorstellung die aufschiebende Wirkung zu gewähren. Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob die Begründung der belangten Behörde, weshalb sie dem Aufschiebungsbegehren keine Folge gab, zutreffend war oder nicht.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. Oktober 2013

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidVorstellung gemäß B-VG Art119a Abs5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2009020364.X00

Im RIS seit

07.11.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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