TE Vfgh Erkenntnis 2013/9/18 G62/2010

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Veröffentlicht am 18.09.2013
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Index

L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs4
Tir GVG 1996 §2, §4, §5, §6, §7, §7a, §8

Leitsatz

Teils Zurück-, teils Abweisung eines Drittelantrags von Mitgliedern des Tiroler Landtages auf Aufhebung von Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes über den "grünen Grundverkehr"; keine Unsachlichkeit; kein Verstoß gegen das Determinierungsgebot, keine verfassungswidrige Inländerdiskriminierung; Unzulässigkeit des Antrags hinsichtlich außer Kraft getretener sowie zwischenzeitig novellierter Bestimmungen

Spruch

I. Der Antrag und die Eventualanträge werden zurückgewiesen, soweit sie die folgenden Bestimmungen des Gesetzes vom 3. Juli 1996 über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol, LGBl Nr 59/1997 idF LGBl Nr 60/2009 (im Folgenden Tir. GVG) betreffen: §2 Abs6, §4 Abs2 litb, §6 Abs3, §7 Abs1 litb und d sowie §7a, den Verweis auf §6 Abs3 im ersten Satz des §8 Abs1 und §8 Abs2 dritter und vierter Satz.

II. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag und Rechtslage

1. Mit dem vorliegenden Schriftsatz, eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am 5. Juli 2010, begehren zwölf Abgeordnete zum Tiroler Landtag die Aufhebung der nachstehend durch Fettdruck markierten Regelungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl 58/1997 idF LGBl 60/2009:

"§2

Begriffsbestimmungen

(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. […] Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten auch Grundstücke mit land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden sowie solche Gebäude selbst, wenn nur diese Gegenstand eines Rechtserwerbes sind. […]

(2) […]

(3) […]

(4) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke mit anderen Gebäuden als land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden gelten als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke, wenn das gesamte Grundstück oder ein Grundstücksteil Gegenstand eines Rechtserwerbes ist. […]

(5) Als Landwirt gilt,

a) wer einen landwirtschaftlichen Betrieb allein oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen landwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet oder

b) wer nach dem Erwerb eines landwirtschaftlichen Betriebes oder eines landwirtschaftlichen Grundstückes eine Tätigkeit im Sinn der lita ausüben will und die dazu erforderlichen Fähigkeiten aufgrund seiner praktischen Tätigkeit oder fachlichen Ausbildung nachweisen und die Absicht der nachhaltigen ordnungsgemäßen Bewirtschaftung durch ein Betriebskonzept glaubhaft machen kann.

(6) Interessenten sind Landwirte, die bereit sind, anstelle des Rechtserwerbers ein gleichartiges Rechtsgeschäft unter Lebenden über den landwirtschaftlichen Betrieb oder das landwirtschaftliche Grundstück abzuschließen, wenn sie glaubhaft machen, dass die Bezahlung des ortsüblichen Preises, Bestandzinses oder Nutzungsentgelts und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher, für den Veräußerer nach objektiven Maßstäben notwendiger rechtsgeschäftlicher Bedingungen gewährleistet ist und dass der Erwerb den im §6 Abs1 lita genannten Zielen dient.

[…]

§3

Gleichstellung im Rahmen der europäischen Integration sowie aufgrund staatsvertraglicher Verpflichtungen

(1) Staatsangehörige eines anderen EU-Mitgliedstaates oder eines anderen Vertragsstaates des EWR-Abkommens sind für den Geltungsbereich dieses Gesetzes den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

(2) Juristische Personen und sonstige rechtsfähige Personengemeinschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines der im Abs1 genannten Staaten gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem dieser Staaten haben, sind österreichischen juristischen Personen bzw. sonstigen rechtsfähigen Personengemeinschaften gleichgestellt, wenn der Rechtserwerb in Ausübung einer der folgenden Freiheiten erfolgt:

a) der Niederlassungsfreiheit nach Art43 des EG-Vertrages bzw. nach Art31 des EWR-Abkommens,

b) des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art49 des EG-Vertrages bzw. nach Art36 des EWR-Abkommens,

c) der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art56 des EG-Vertrages bzw. nach Art40 des EWR-Abkommens.

(3) Im Übrigen sind natürliche Personen sowie juristische Personen und sonstige rechtsfähige Personengemeinschaften den österreichischen Staatsbürgern und den österreichischen juristischen Personen bzw. sonstigen rechtsfähigen Personengemeinschaften gleichgestellt, soweit sich dies in sonstiger Weise aus dem Gemeinschaftsrecht oder aus staatsvertraglichen Verpflichtungen, einschließlich solcher aus Verträgen im Rahmen der europäischen Integration, ergibt.

(4) Der Nachweis, dass die Voraussetzungen nach Abs1, 2 oder 3 vorliegen, obliegt dem Rechtserwerber.

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums einschließlich einer Zustiftung nach §3 Abs4 des Privatstiftungsgesetzes, BGBl Nr 694/1993, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 120/2005;

b) den Erwerb eines Baurechtes oder eines anderen Rechtes zur Errichtung eines Bauwerkes auf fremdem Grund;

c) den Erwerb eines Fruchtnießungsrechtes (§509 ABGB) oder eines Gebrauchsrechtes (§504 ABGB), insbesondere an einer Wohnung (§521 ABGB);

d) den Erwerb eines Bestandrechtes an einem landwirtschaftlichen Wohngebäude, wenn die Bestanddauer mehr als fünf Jahre beträgt;

e) den Erwerb eines Bestandrechtes, wenn es in das Grundbuch eingetragen werden soll;

f) den Erwerb eines Bestandrechtes, wenn die in Bestand zu nehmende Grundfläche mehr als drei Hektar beträgt und der Erwerber keinen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet;

g) die Überlassung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke zu einer die Nutzung im Sinne des §2 Abs1 erster Satz ausschließenden oder zumindest wesentlich beeinträchtigenden Nutzung;

h) den Erwerb von Gesellschaftsanteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und eingetragenen Personengesellschaften oder von Genossenschaftsanteilen, wenn im Eigentum der Gesellschaft oder Genossenschaft land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke stehen oder die Gesellschaft oder Genossenschaft einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an solchen Grundstücken hat. Ein derartiger Erwerb ist jedoch nur dann genehmigungspflichtig, wenn damit ein für die Ausübung der Nutzungs- bzw. Verfügungsrechte an diesen Grundstücken maßgeblicher Einfluss auf die Gesellschaft oder Genossenschaft verbunden ist.

(2) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen weiters:

a) jede Teilung von landwirtschaftlichen Grundstücken, sofern hiefür nicht bereits nach Abs1 die Genehmigung erforderlich ist;

b) jeder originäre Erwerb des Eigentums an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken;

c) die Einbringung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke als Sacheinlage in eine Gesellschaft;

d) die Widmung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke als Vermögen einer Privatstiftung.

§5

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach §4:

a) […]

b) […]

c) […]

d) beim Rechtserwerb an Grundstücken oder Grundstücksteilen mit einer Fläche von höchstens 300 m² sowie an Grundstücken oder Grundstücksteilen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder ihrer geringen Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung sind, in allen Fällen jedoch nur dann, wenn das Grundstück oder der Grundstücksteil an ein Grundstück im Eigentum des Erwerbers unmittelbar angrenzt oder zumindest in der unmittelbaren Nähe zu diesem liegt und der bereits vorhandene Grundbesitz des Erwerbers in diesem Bereich noch nicht unter Anwendung dieser Bestimmung über die Ausnahme von der Genehmigungspflicht vergrößert wurde;

e) beim Rechtserwerb durch den Landeskulturfonds oder den Tiroler Bodenfonds, wenn der Rechtserwerb der Erfüllung der Aufgaben dieser Fonds dient;

f) beim Rechtserwerb durch eine Gemeinde, wenn der Rechtserwerb unmittelbar oder mittelbar zur Erfüllung der der Gemeinde obliegenden Aufgaben benötigt wird und das betreffende Grundstück im Gebiet dieser Gemeinde liegt;

g) beim Rechtserwerb durch den Bund oder das Land Tirol, wenn der Rechtserwerb unmittelbar der Erfüllung der dem Erwerber gesetzlich obliegenden Aufgaben dient.

§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 ist, soweit in den Abs2 bis 7 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn

a) der Rechtserwerb im öffentlichen Interesse der Erhaltung und Stärkung eines lebensfähigen Bauernstandes in Tirol den Grundsätzen

1. der Schaffung, Erhaltung oder Stärkung leistungsfähiger land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe,

2. der Schaffung, Erhaltung oder Stärkung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes und

3. der Aufrechterhaltung oder Herbeiführung einer nachhaltigen flächendeckenden Bewirtschaftung der land- oder forstwirtschaftlichen Grundflächen

nicht widerspricht […].

(2) Rechtserwerbe an forstwirtschaftlichen Grundstücken sind zu genehmigen, wenn hinsichtlich des Veräußerers kein Widerspruch zu den im Abs1 lita Z1 und 2 genannten Grundsätzen besteht, die nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung der erworbenen Grundstücke gewährleistet ist und die Voraussetzung nach Abs1 litb vorliegt.

(3) Wenn kein Interessent im Sinn des §2 Abs6 vorhanden ist, sind Rechtserwerbe an einem landwirtschaftlichen Grundstück oder einem landwirtschaftlichen Betrieb durch eine Person, die nicht Landwirt im Sinn des §2 Abs5 ist, zu genehmigen, wenn hinsichtlich des Veräußerers kein Widerspruch zu den im Abs1 lita Z1 und 2 genannten Grundsätzen besteht, die nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung der erworbenen Grundstücke gewährleistet ist und die Voraussetzung nach Abs1 litb vorliegt.

[…]

§7

Besondere Versagungsgründe

(1) Im Sinn der im §6 Abs1 lita genannten Grundsätze ist die Genehmigung nach §4 insbesondere dann zu versagen, wenn

a) die seiner Beschaffenheit entsprechende nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung des betreffenden land- oder forstwirtschaftlichen Grundstückes oder land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes nicht gewährleistet ist,

b) die durch ein Agrarverfahren erzielte günstige Agrarstruktur beeinträchtigt wird,

c) die Gegenleistung für das zu erwerbende Recht den ortsüblichen Preis oder Bestandzins oder das sonstige ortsübliche Nutzungsentgelt um mehr als 30 v. H. übersteigt,

d) der Erwerber eines landwirtschaftlichen Grundstückes oder landwirtschaftlichen Betriebes nicht Landwirt im Sinn des §2 Abs5 ist und zumindest ein Interessent im Sinn des §2 Abs6 vorhanden ist.

(2) Die Genehmigung für die Teilung von landwirtschaftlichen Grundstücken ist insbesondere zu versagen, wenn dem geplanten Vorhaben erhebliche landeskulturelle Bedenken entgegenstehen, insbesondere wenn unwirtschaftlich kleine Grundstücke entstehen würden.

§7a

Interessentenregelung

(1) Wenn der Erwerber nicht Landwirt im Sinn des §2 Abs5 ist, hat die Grundverkehrsbehörde der Gemeinde, in deren Gebiet die den Gegenstand des Rechtsgeschäftes bildenden Grundstücke liegen, eine Kundmachung zu übermitteln, die jedenfalls folgende Angaben enthalten muss:

a) die Art des Rechtsgeschäftes,

b) den ortsüblichen Preis oder Bestandzins oder das sonstige ortsübliche Nutzungsentgelt für das zu erwerbende Recht,

c) die Bezeichnung des(der) den Gegenstand des Rechtsgeschäftes bildenden Grundstückes(e) durch Angabe von Grundstücksnummer, Katastralgemeinde, Flächenausmaß und Benützungsart,

d) die Anmeldefrist,

e) den Hinweis, dass innerhalb der Anmeldefrist jede Person bei der Grundverkehrsbehörde ihr Interesse am Erwerb des(der) Grundstückes(e), das(die) den Gegenstand des Rechtsgeschäftes bildet(en), schriftlich oder niederschriftlich anmelden kann. Der Bürgermeister hat die Kundmachung unverzüglich an der Amtstafel der Gemeinde anzuschlagen.

(2) Die Anmeldefrist beträgt vier Wochen und beginnt mit dem Anschlag der Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde. Nach dem Ablauf von vier Wochen hat die Gemeinde die mit dem Anschlagsvermerk versehene Kundmachung der Grundverkehrsbehörde zu übermitteln.

(3) Die Grundverkehrsbehörde hat die Kundmachung gleichzeitig mit der Übermittlung nach Abs1 an der Amtstafel der Bezirksverwaltungsbehörde anzuschlagen sowie dem auf Vorschlag der betreffenden Gemeinde bestellten Mitglied der Bezirks-Grundverkehrskommission und dem Obmann der Bezirkslandwirtschaftskammer zur Kenntnis zu bringen.

(4) Gleichzeitig mit der Anmeldung ist die Interessenteneigenschaft durch Angabe von Gründen, dass der Interessent die Voraussetzungen für die Genehmigung des Rechtserwerbes erfüllt, glaubhaft zu machen, die verbindliche Erklärung abzugeben, sich zur Bezahlung des ortsüblichen Preises, Bestandzinses oder Nutzungsentgelts zu verpflichten, und anzugeben, wodurch die Bezahlung des ortsüblichen Preises, Bestandzinses oder Nutzungsentgelts und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher, für den Veräußerer nach objektiven Maßstäben notwendiger rechtsgeschäftlicher Bedingungen gewährleistet ist. Wenn der Interessent noch nicht Landwirt im Sinn des §2 Abs5 lita ist, muss die Anmeldung auch die Angaben und Nachweise nach §2 Abs5 litb umfassen. Mit der fristgerechten Anmeldung erlangt der Interessent die Stellung einer Partei gemäß §8 AVG im weiteren Verfahren. Die Anmeldung hat die Wirkung eines verbindlichen Angebotes gegenüber dem Veräußerer bis zum Ablauf von vier Wochen nach dem Eintritt der Rechtskraft des die Genehmigung des vorliegenden Rechtsgeschäftes versagenden grundverkehrsbehördlichen Bescheides.

(5) Einem Landwirt im Sinn des §2 Abs5 lita ist die Interessenteneigenschaft nur dann zuzuerkennen, wenn sein Betrieb im selben Gemeindegebiet wie das (die) Grundstück(e), an dessen(deren) Erwerb er interessiert ist, liegt oder die Entfernung zwischen seinem Betrieb und diesem(diesen) Grundstück(en) nicht größer ist, als es im Hinblick auf die jeweilige Nutzungsart dieses(dieser) Grundstückes(Grundstücke) betriebswirtschaftlich vertretbar ist.

(6) Der ortsübliche Preis oder Bestandzins oder das sonstige ortsübliche Nutzungsentgelt ist von der Grundverkehrsbehörde auf der Grundlage des Liegenschaftsbewertungsgesetzes, BGBl Nr 150/1992, zu ermitteln.

(7) Ein Bescheid, mit dem die Genehmigung nach §7 Abs1 litd versagt wird, ist dem Obmann der Bezirkslandwirtschaftskammer zur Kenntnis zu bringen.

(8) Die Abs1 bis 6 sowie §7 Abs1 litd gelten nicht für Rechtserwerbe aufgrund einer Zwangsversteigerung bzw. einer erneuten Versteigerung nach §20.

§8

Auflagen

(1) Zur Sicherung der Voraussetzungen nach §6 Abs1, 2, 3 und 6 kann die Genehmigung nach §4 mit Auflagen erteilt werden. […]

(2) Für die Erfüllung einer Auflage nach Abs1 ist eine angemessene Frist festzusetzen. Weiters kann zur Sicherung der Erfüllung einer solchen Auflage eine Kaution in einer der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtserwerbes im Hinblick auf die Verwendung des Grundstückes angemessenen Höhe, höchstens jedoch in der Höhe von einem Drittel der Gegenleistung oder des höheren Wertes des Gegenstandes des Rechtserwerbes, vorgeschrieben werden. Die Kaution verfällt zugunsten des Landeskulturfonds, wenn der Rechtserwerber die Auflage schuldhaft nicht erfüllt. Den Eintritt des Verfalls hat die Grundverkehrsbehörde, die die Auflage in letzter Instanz verfügt hat, mit Bescheid festzustellen. Die Kaution wird frei, sobald die Auflage erfüllt ist oder wenn die Auflage nach Abs3 aufgehoben wird."

2. In eventu wird begehrt (zuvor durch Kursivdruck hervorgehoben), statt des gesamten §6 Abs3 Tir. GVG lediglich dessen Wortfolgen "und 2" sowie ", die nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung der erworbenen Grundstücke gewährleistet ist" und statt des gesamten §7a Tir. GVG in dessen Abs1 litb die Worte "ortsüblichen" und "ortsübliche", beide in Abs4 leg.cit. vorkommenden Worte "ortsüblichen", ebenso in Abs4 leg.cit. die Wortfolge "ortsüblicher, für den Veräußerer nach objektiven Maßstäben notwendiger" sowie den Abs6 des §7a Tir. GVG als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Die Tiroler Landesregierung erstattete zu dem Gesetzesprüfungsantrag eine Äußerung, in der sie begehrt, den Antrag teils als unzulässig zurückzuweisen, teils abzuweisen; in eventu wird eine Abweisung zur Gänze beantragt.

4. Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2013, eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am 27. Februar 2013, wurde eine "Antragsmodifikation" erstattet, die von teilweise anderen Abgeordneten zum Tiroler Landtag unterstützt wird und mit welcher der verfahrenseinleitende Antrag auf Gesetzesprüfung teilweise modifiziert werden soll.

5. Der Verfassungsgerichtshof führte am 28. Februar 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Im Allgemeinen:

Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen auch auf Antrag der Bundesregierung und über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auch auf Antrag einer Landesregierung, eines Drittels der Mitglieder des Nationalrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates. Durch Landesverfassungsgesetz kann bestimmt werden, dass ein solches Antragsrecht hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen auch einem Drittel der Mitglieder des Landtags zusteht.

Art16 Abs1 des Landesverfassungsgesetzes vom 21. September 1988 über die Verfassung des Landes Tirol, LGBl 61/1988 idF LGBl 147/2012 (in der Folge Tir. LO), bestimmt, dass der Tiroler Landtag aus 36 Abgeordneten besteht. Gemäß Art42 Tir. LO), hat wenigstens ein Drittel der Abgeordneten das Recht, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Landesgesetzes wegen Verfassungswidrigkeit nach Art140 Abs1 B-VG zu stellen. Wenigstens zwölf Abgeordnete zum Tiroler Landtag sind daher befugt, Tiroler Landesgesetze beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG anzufechten.

Alle Antragstellerinnen und Antragsteller sind oder waren zum Zeitpunkt der Antragstellung Abgeordnete zum Tiroler Landtag. Einer der Antragsteller, Rechtsanwalt Dr. Andreas Brugger, stellt den Antrag im eigenen Namen und beruft sich darauf, von den übrigen Antragstellern zur Stellung des Antrags und zur weiteren Vertretung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bevollmächtigt worden zu sein.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müssen die Unterstützer von Abgeordnetenanträgen gemäß Art140 Abs1 B-VG bei der Antragstellung Mitglieder des Nationalrats oder des jeweiligen Landtags sein. Fällt die Abgeordneteneigenschaft der Antragsteller nachträglich weg, macht dies das Verfahren nicht unzulässig (vgl. VfSlg 8644/1979, 10.831/1986, 17.101/2004). Alle zwölf Unterstützer waren bei der Stellung des Antrags Mitglieder des Tiroler Landtags. Dass der Landtag des Landes Tirol zwischenzeitlich neu gewählt wurde und einige Antragsteller ihre Abgeordneteneigenschaft verloren haben, macht den Antrag nicht unzulässig (vgl. VfSlg 8644/1979 und 12.842/1991).

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 18.116/2007 entschieden hat, handelt es sich bei einem zur Stellung eines Antrags auf Gesetzesprüfung legitimierten Drittel der Abgeordneten einer gesetzgebenden Körperschaft ab der wirksamen und zulässigen Antragstellung vor dem Verfassungsgerichtshof um eine einheitliche Verfahrenspartei, die als solche unabhängig davon fortbesteht, ob einzelne ihrer Mitglieder die für die Antragstellung erforderliche Qualifikation als Abgeordnete in weiterer Folge durch Neuwahlen oder auf andere Weise verlieren (oder durch Tod aus dem Parlament ausscheiden). Daher bleiben Verfahrensparteien dieser Art auch nach dem Ausscheiden einzelner ihrer Abgeordneter aus der gesetzgebenden Körperschaft verfahrensrechtlich insofern handlungsfähig, als sie Gesetzesprüfungsanträge durch ihre Bevollmächtigten zurückziehen können (vgl. die Beschlüsse G151/00 vom 27. Juni 2001, G329/01 vom 23. September 2002 und G199/03 vom 25. November 2003). Eine "Aktualisierung" solcher Drittelanträge dahingehend, dass während eines Gesetzesprüfungsverfahrens angefochtene Bestimmungen statt als in der ursprünglich angefochtenen, zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Fassung, fortan als in der geltenden Fassung angefochten gelten, ist hingegen nicht zulässig. Denn Anträge auf Gesetzesprüfung von Abgeordneten gesetzgebender Körperschaften richten sich als Fälle der abstrakten Normenkontrolle stets gegen Gesetzesbestimmungen in der im verfahrenseinleitenden Antrag festgelegten Fassung. Sollen zwischenzeitlich novellierte Fassungen dieser Gesetzesbestimmungen angefochten werden, so ist dafür ein neuer Antrag auf Prüfung dieser Gesetzesvorschriften erforderlich, weil rechtlich betrachtet neue Gesetzesvorschriften angefochten werden (vgl. etwa VfSlg 19.496/2011, wonach ein Drittelantrag als Fall der abstrakten Normenkontrolle auch dann unzulässig wird, wenn eine angefochtene Gesetzesbestimmung nach der Antragstellung novelliert wird und die novellierte mit der angefochtenen Fassung der Bestimmung inhaltlich weitgehend übereinstimmt; vgl. ferner VfSlg 16.058/2000, 16.670/2002 und 18.006/2006, wonach – anders als bei Wiederverlautbarungen – selbst im Falle der unveränderten Neuerlassung von Verordnungsbestimmungen deren Identität berührt wird). Die "Antragsmodifikation" vom 25. Februar 2013, mit welcher die Antragsteller den Versuch unternehmen, in dem Gesetzesprüfungsverfahren G62/10 statt der ursprünglich angefochtenen die zwischenzeitlich novellierten Fassungen von Gesetzesbestimmungen auf ihre Verfassungskonformität prüfen zu lassen, ist für dieses Verfahren unbeachtlich.

1.2. Im Besonderen:

1.2.1. Gemäß Art140 Abs4 B-VG sind Anträge auf abstrakte Normenkontrolle eines Drittels der Mitglieder eines Landtages nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig (vgl. VfSlg 14.802/1997, 17.173/2004 und 19.496/2011).

Mit Erkenntnis VfSlg 19.427/2011 wurde §4 Abs2 litb Tir. GVG, zuletzt geändert durch LGBl 85/2005, als verfassungswidrig aufgehoben. Soweit der davor gestellte Drittelantrag die Aufhebung dieser Bestimmung begehrt, ist er als unzulässig zurückzuweisen.

1.2.2. Seit der Antragstellung wurde das Tir. GVG durch die Novellen LGBl 56/2010, 30/2011, 50/2012 und 150/2012 geändert. Mehrere Bestimmungen des Tir. GVG in der Fassung LGBl 60/2009, deren Prüfung beantragt wurde, sind novelliert oder aufgehoben worden.

1.2.2.1. Der Antrag, §7a Tir. GVG zur Gänze aufzuheben, wird zurückgewiesen: Von den im Antrag angefochtenen Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 idF LGBl 60/2009 sind §2 Abs6 sowie §7a Abs4 und 8 außer Kraft getreten; soweit der Antrag die gänzliche oder teilweise Aufhebung dieser Vorschriften begehrt, ist er als unzulässig zurückzuweisen. Abs3 leg.cit. wurde durch das Tiroler Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz, LGBl 150/2012 geändert. Dem Verfassungsgerichtshof ist es verwehrt, nicht mehr in Geltung stehende Bestimmungen des Tir. GVG zu prüfen. Dies gilt auch für jene angefochtenen Bestimmungen, die mit diesen eine untrennbare Einheit bilden (vgl. VfSlg 16.589/2002). §7a Tir. GVG verpflichtet die Grundverkehrsbehörde, der Gemeinde, in deren Gebiet die zu veräußernde Liegenschaft liegt, eine Kundmachung zu übermitteln. Diese hat gemäß Abs1 leg.cit. die für Interessenten wesentlichen Angaben über den in Aussicht genommenen Rechtserwerb und über die Möglichkeit zu enthalten, das Interesse an einem Rechtserwerb anzumelden. Der außer Kraft getretene §2 Abs6 Tir. GVG definiert die Interessenten als "[…] Landwirte, die bereit sind, anstelle des Rechtserwerbers ein gleichartiges Rechtsgeschäft […] über den landwirtschaftlichen Betrieb oder das landwirtschaftliche Grundstück abzuschließen, wenn sie glaubhaft machen, dass die Bezahlung des ortsüblichen Preises, Bestandzinses oder Nutzungsentgelts und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher, für den Veräußerer nach objektiven Maßstäben notwendiger rechtsgeschäftlicher Bedingungen gewährleistet ist […]." Dem – mittlerweile ebenso außer Kraft getretenen – §7a Abs4 Tir. GVG zufolge haben Interessenten unter anderem gleichzeitig mit der Anmeldung ihres Interesses an der Liegenschaft "[…] die verbindliche Erklärung abzugeben, sich zur Bezahlung des ortsüblichen Preises, Bestandzinses oder Nutzungsentgelts zu verpflichten, und anzugeben, wodurch die Bezahlung des ortsüblichen Preises, Bestandzinses oder Nutzungsentgelts und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher, für den Veräußerer nach objektiven Maßstäben notwendiger rechtsgeschäftlicher Bedingungen gewährleistet ist. […]" Diese Vorschriften stehen mit den noch in Geltung stehenden Bestimmungen des §7a Tir. GVG in untrennbarem Zusammenhang, weil sie das Interessentenverfahren detailliert regeln und auf die außer Kraft getretene Legaldefinition des Interessenten gemäß §2 Abs6 Tir. GVG aufbauen; dasselbe gilt für das Verhältnis der noch geltenden Bestimmungen des §7a Tir. GVG zu den ebenso außer Kraft getretenen inhaltlichen Anforderungen an Interessentenmeldungen gemäß Abs4 leg.cit. Lediglich die verfahrensrechtliche Nebenbestimmung des §7a Abs7 Tir. GVG steht in keinem untrennbaren Zusammenhang mit außer Kraft getretenen Bestimmungen. Im Antrag werden jedoch keine konkret diese Regelung betreffenden Bedenken vorgetragen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, selbst im Antrag irgendwelche, gegen andere Bestimmungen geäußerte Bedenken aufzufinden, die allenfalls auch auf diese Regelungen zutreffen könnten (vgl. VfSlg 17.564/2005). Der Antrag, §7a Tir. GVG als verfassungswidrig aufzuheben, ist als unzulässig zurückzuweisen; aus denselben Gründen ist auch der Eventualantrag unzulässig, die Worte "ortsüblichen" und "ortsübliche" in §7a Abs1 litb Tir. GVG als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2.2.2. Gemäß §7 Abs1 litd Tir. GVG, ist "[…] die [grundverkehrsrechtliche] Genehmigung […] zu versagen, wenn der Erwerber eines landwirtschaftlichen Grundstückes oder landwirtschaftlichen Betriebes nicht Landwirt […] ist und zumindest ein Interessent im Sinn des §2 Abs6 vorhanden ist." §7 Abs1 litd Tir. GVG ist die zentrale Bestimmung für das angefochtene System der Interessentenregelung. Ohne diese Bestimmung bliebe die Anmeldung einer Erwerbsbereitschaft durch Interessenten ohne Einfluss auf die Genehmigung des Geschäfts mit dem in Aussicht genommenen Rechtserwerber. Die Bestimmung steht daher in untrennbarem Zusammenhang mit den mittlerweile außer Kraft getretenen §§2 Abs6 und 7a Abs4 Tir. GVG. Dies zeigt auch der Umstand, dass die Anordnung der Versagung der Genehmigung des §7 Abs1 litd Tir. GVG durch die Novellierungen von §2 Abs6 und 7a Abs4 leg.cit. einen veränderten normativen Inhalt aufweist. Denn die Versagung der Genehmigung gemäß §7 Abs1 litd Tir. GVG ist die Folge der Erfüllung der neugefassten Tatbestände über die Definition des Interessenten gemäß §2 Abs6 und die Anmeldung eines Erwerbsinteresses gemäß §7a Abs4 Tir. GVG. §7 Abs1 litd leg.cit. darf also nicht in Prüfung gezogen werden. Der Antrag, §7 Abs1 litd Tir. GVG als verfassungswidrig aufzuheben, ist zurückzuweisen.

1.2.2.3. §6 Abs3 Tir. GVG ordnet an, Rechtserwerbe durch Personen, die keine Landwirte sind, unter weiteren Voraussetzungen zu genehmigen, "wenn kein Interessent im Sinn des §2 Abs6 vorhanden ist". §6 Abs3 leg.cit. macht das Fehlen von Interessenten im Sinne des §2 Abs6 Tir. GVG zur Voraussetzung der Genehmigung von Rechtserwerben. Wegen dieser Verknüpfung steht §6 Abs3 Tir. GVG mit dem außer Kraft getretenen §2 Abs6 Tir. GVG in einem untrennbaren Zusammenhang. Unzulässig ist es mithin, §6 Abs3 Tir. GVG in Prüfung zu ziehen. Der Antrag, §6 Abs3 zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben sowie die Eventualanträge, die Wortfolgen "und 2" sowie ", die nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung der erworbenen Grundstücke gewährleistet ist", als verfassungswidrig aufzuheben, sind als unzulässig zurückzuweisen.

1.2.2.4. Gemäß §8 Abs1 erster Satz Tir. GVG kann zur Sicherung der Voraussetzungen – unter anderem – des §6 Abs3 leg.cit. die grundverkehrsrechtliche Genehmigung mit Auflagen erteilt werden. Der Antrag, den Verweis auf §6 Abs3 Tir. GVG im ersten Satz des §8 Abs1 leg.cit. als verfassungswidrig aufzuheben, ist unzulässig, weil §6 Abs3 Tir. GVG nicht in Prüfung gezogen werden darf.

1.2.2.5. Zu dem Antrag, §8 Abs2 dritter und vierter Satz Tir. GVG als verfassungswidrig aufzuheben:

Die Antragsteller behaupten, die Bestimmung des §8 Abs2 Tir. GVG, wonach die Leistung einer Kaution vorgeschrieben werden dürfe, welche verfalle, sofern der Rechtserwerber die Auflage schuldhaft nicht erfülle, wirke im Ergebnis wie eine Strafe. Die Bestimmung stelle jedoch nicht sicher, dass die "Strafe" das der jeweiligen Schuld und Tat angemessene Ausmaß nicht überschreite. Verstoße ein Rechtserwerber also bloß leicht fahrlässig gegen eine erteilte Auflage, so könne er schlechter gestellt werden als jemand, der vorsätzlich ein Verbrechen oder eine sonstige gerichtlich strafbare Handlung begehe. Dies sei zur Erreichung der im öffentlichen Interesse liegenden Ziele des Tir. GVG nicht erforderlich, exzessiv und mithin gleichheitswidrig.

In ihrer Äußerung verweist die Tiroler Landesregierung darauf, der Verfall einer Kaution zur Sicherung der Einhaltung von Auflagen sei keine verwaltungsstrafrechtliche Sanktion. Vielmehr könne als verwaltungsstrafrechtliche Sanktion für die Nichterfüllung einer Auflage gemäß §36 Abs1 litb Tir. GVG – unabhängig von einer allfälligen Kaution – eine Geldstrafe verhängt werden. Auf die "Schuld- und Tatangemessenheit" des Verfalls der Kaution brauche daher nicht näher eingegangen zu werden.

Die bekämpften Regelungen würden mit dem Gleichheitssatz in Einklang stehen. Zur Ausräumung unionsrechtlicher Bedenken seien mit der Novelle LGBl 60/2009 die Maximalbeträge für Kautionen deutlich gesenkt worden. Denn die Europäische Kommission habe im Vertragsverletzungsverfahren Nr 2008/4845 gegen Österreich die Auffassung vertreten, die Festsetzung einer Kaution bis zur Höhe der Gegenleistung oder zum höheren Wert des Gegenstandes des Rechtserwerbs und der Verfall dieser Kaution seien über das hinausgegangen, was zur Erreichung der Ziele des Tiroler Grundverkehrsgesetzes erforderlich sei. Seit der genannten Novelle dürfe die Kaution höchstens ein Drittel der Höhe der Gegenleistung oder des höheren Wertes des Gegenstandes des Rechtserwerbes betragen. Diese Maximalhöhe sei jedenfalls angemessen und noch ausreichend, um die Erfüllung der Auflagen sicherzustellen, die im Interesse der Gewährleistung der Gesetzesziele erteilt werden. Der Gleichheitssatz verbiete es, den Verfall der Kaution für Fälle nicht schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen auszuschließen; zulässig sei es aber, bei schuldhafter Nichterfüllung der Auflagen eine Abstufung der Rechtsfolgen in Abhängigkeit vom Ausmaß des Verschuldens vorzusehen. Ob eine solche Differenzierung vorgenommen werde oder ob – wie in §8 Abs2 Tir. GVG– darauf verzichtet werde, liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Zudem sei die Erteilung der Genehmigung unter Auflagen ein Entgegenkommen dem Rechtserwerber gegenüber. Diesem werde nämlich die Genehmigung zu einem Zeitpunkt erteilt, in dem er noch nicht alle Genehmigungsvoraussetzungen vollständig erfülle. In einem solchen Fall sei es im Interesse der Gewährleistung der Ziele des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs gerechtfertigt, die Einhaltung der noch fehlenden Genehmigungsvoraussetzungen durch – im Falle ihrer Nichterfüllung entsprechend sanktionierte – Auflagen sicherzustellen.

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht befugt, §8 Abs2 dritter und vierter Satz Tir. GVG als verfassungswidrig aufzuheben. Es ist Sache der Antragsteller, den Umfang der Gesetzesanfechtung so festzulegen, dass es dem Verfassungsgerichtshof möglich ist, die behauptete Verfassungswidrigkeit – sollte sie tatsächlich vorliegen – vollständig zu beseitigen (vgl. VfSlg 19.496/2011 mwN). Unzulässig ist ein Antrag dann, wenn der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 13.299/1992, 14.740/1997, 16.191/2001, 19.496/2011). Der von den Antragstellern gewählte Anfechtungsumfang ist zu eng. Würde nämlich lediglich der dritte und vierte Satz des §8 Abs2 Tir. GVG als verfassungswidrig aufgehoben, so blieben der zweite und der letzte Satz der Bestimmung weiterhin in Geltung. Die Grundverkehrsbehörden wären nach wie vor berechtigt, zur Sicherung der Einhaltung von Auflagen die Leistung von Kautionen aufzuerlegen. Die Kautionen würden erst frei, sobald die betreffenden Auflagen erfüllt oder gemäß §8 Abs3 Tir. GVG aufgehoben würden. Im Falle der Nichterfüllung einer Auflage würde eine geleistete Kaution nach der durch den Antrag angestrebten Rechtslage niemals frei. Dennoch wäre der Rechtsunterworfene daneben gemäß §36 Abs1 litb Tir. GVG wegen des Verstoßes gegen die Auflage zu bestrafen. Werden die Voraussetzungen für die Einhebung einer Kaution in behauptetermaßen verfassungswidriger Weise gesetzlich geregelt, so müssen die betreffenden Vorschriften von der Anfechtung erfasst sein. Die durch den Antrag angestrebte Rechtslage würde sich hingegen von der angefochtenen lediglich darin unterscheiden, dass eine geleistete Auflage nicht formal für verfallen erklärt würde, sondern bloß faktisch bei der Behörde verbliebe. Dem Rechtsunterworfenen würde die geleistete Kaution aber dennoch dauerhaft entzogen; zusätzlich wäre er gemäß §36 Abs1 litb Tir. GVG zu bestrafen. Nur den dritten und den vierten Satz des §8 Abs2 Tir. GVG als verfassungswidrig aufzuheben, ist daher nicht ausreichend, um die behauptete Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Der Antrag, §8 Abs2 dritter und vierter Satz Tir. GVG als verfassungswidrig aufzuheben, ist daher zurückzuweisen.

1.3. Im Übrigen ist der Antrag zulässig.

2. In der Sache

2.1. Zum Antrag, folgende Teile von Bestimmungen des §5 Tir. GVG, nämlich in lite die Wortfolge: ", wenn der Rechtserwerb der Erfüllung der Aufgaben dieser Fonds dient", in litf die Wortfolge: "der Rechtserwerb unmittelbar oder mittelbar zur Erfüllung der der Gemeinde obliegenden Aufgaben benötigt wird und" sowie in litg die Wortfolge: ", wenn der Rechtserwerb unmittelbar der Erfüllung der dem Erwerber gesetzlich obliegenden Aufgaben dient" als verfassungswidrig aufzuheben:

2.1.1. Zum Vorbringen der Antragsteller:

Die Antragsteller machen zur Begründung ihres Antrags einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz gemäß Art5 StGG sowie gegen die Freiheit des Liegenschaftserwerbs gemäß Art6 StGG geltend. Zunächst liege es nicht im öffentlichen Interesse, der land- oder forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung geeigneter Grundstücke Vorrang vor allen anderen Verwendungszwecken einzuräumen. Vielmehr seien die verschiedenen zueinander in Konkurrenz stehenden öffentlichen Interessen gegeneinander abzuwägen. Weshalb die Bezirks-Grundverkehrskommissionen oder der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Tirol dazu besser in der Lage seien als die demokratisch legitimierten Organe der Gebietskörperschaften und sonstigen Einrichtungen der öffentlichen Hand, sei nicht nachvollziehbar.

Insbesondere §5 litf Tir. GVG laufe dem öffentlichen Interesse zuwider. Ohne die Beschränkung des genehmigungsfreien Grunderwerbs auf Fälle in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit den Aufgaben der Gemeinden könnten diese öffentliche Interessen wesentlich intensiver verfolgen. Denn dann könnten die Gemeinden Grundstücke genehmigungsfrei erwerben, ohne sogleich angeben zu müssen, mit welcher ihrer Aufgaben der Erwerb in Zusammenhang stehe. So würde es den Gemeinden erleichtert, die ihnen gemäß §14 des Tiroler Wohnbauförderungsgesetzes 1991, LGBl 55 idF LGBl 150/2012, obliegende Aufgabe zu erfüllen, die Errichtung geförderter Wohnbauten dadurch zu unterstützen, dass sie Baugrundstücke preisgünstig an Förderungswerber verkaufen. Wegen des zu engen Anwendungsbereichs der Ausnahme von der grundverkehrsrechtlichen Genehmigungspflicht würden die Gemeinden keine Gelegenheit haben, preisgünstig Baugrundstücke zu erwerben. Daher könnten sie der Aufgabe, diese preisgünstig zu verkaufen, derzeit nicht nachkommen. Ferner könnten die Gemeinden unbebaute, als Bauland gewidmete Grundstücke erwerben und durch deren Weiterveräußerung an bauwillige Erwerber für eine Bebauung sorgen und auf die Gemeindeentwicklung intensiver Einfluss nehmen. Die Gemeinden wären auch beim Erwerb von Grundstücken insofern flexibler, als sie kostengünstige Grundstücke erwerben dürften, wann immer diese angeboten würden. Schließlich würde den Gemeinden ermöglicht, Freilandgrundstücke in der Absicht zu erwerben, sie in weiterer Folge umzuwidmen. Auf diese Weise könnten die Gemeinden preisgünstig Grundstücke erwerben, um sie dann ebenso kostengünstig als Baulandgrundstücke weiterzuveräußern. Zudem wäre es den Gemeinden auf diese Weise möglich, Umwidmungsgewinne zu erzielen. All diese Ausführungen würden sinngemäß auch für das Land Tirol, den Bund und den Tiroler Landeskulturfonds sowie den Bodenfonds gelten.

Ferner würden die angefochtenen Ausnahmebestimmungen dazu führen, dass die betreffenden Rechtsträger schlechter behandelt würden als die Bürger anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diese dürften auf Grund der Kapitalverkehrsfreiheit nur solchen Beschränkungen des Grundverkehrs unterworfen werden, mit denen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt werde und die zur Zielerreichung auch geeignet seien. Dies führe zu einer Diskriminierung der genannten inländischen juristischen Personen und verstoße gegen den Gleichheitssatz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG.

Schließlich würden die Ausnahmebestimmungen im Verhältnis zueinander unsachliche Differenzierungen enthalten: Bei Erwerben des Landeskulturfonds oder des Bodenfonds reiche es für die Ausnahme von der Genehmigungspflicht aus, dass der Erwerb der Erfüllung der Aufgaben der Fonds diene. Ob das unmittelbar oder mittelbar der Fall sei, spiele keine Rolle. Hingegen müsse ein Erwerb durch das Land Tirol oder den Bund unmittelbar der Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben dienen, um genehmigungsfrei zu sein. Anders würden wiederum die Gemeinden behandelt; ihre Erwerbe seien selbst dann genehmigungspflichtig, wenn sie zwar der Erfüllung von Aufgaben der Gemeinden dienen, diese die Grundstücke dazu aber nicht unbedingt benötigen würden.

2.1.2. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung zu dem Vorbringen:

Die Tiroler Landesregierung teilt die Bedenken gegen die angefochtenen Ausnahmebestimmungen des §5 Tir. GVG nicht. Es handle sich um Ausnahmen von der im landwirtschaftlichen Grundverkehr vorgesehenen Genehmigungspflicht für die Gebietskörperschaften und die in Tirol gesetzlich vorgesehenen "Bodenbanken", nämlich den Landeskulturfonds und den Tiroler Bodenfonds. Die Genehmigungsfreiheit setze jeweils voraus, dass der Erwerb der Erfüllung der Aufgaben des betreffenden öffentlichen Rechtsträgers diene.

Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz stehe der Privilegierung von Rechtsträgern nicht entgegen, deren besondere gesetzliche Aufgaben einen Bedarf an Grundstücken notwendig mit sich bringe oder mit sich bringen könne. Im Gegensatz zur Auffassung des Antragsvorbringens gebiete es der Gleichheitssatz jedoch, die Ausnahme von der Genehmigungspflicht auf jene Rechtserwerbe zu beschränken, die der Erfüllung dieser Aufgaben dienen. Eine generelle Ausnahme der Erwerbe der genannten Rechtsträger von der Genehmigungspflicht sei mit den vom Verfassungsgerichtshof anerkannten Zielen des "grünen" Grundverkehrs nicht vereinbar. Würde der Ansicht der Antragsteller gefolgt, könnten Erwerbe begünstigter Rechtsträger selbst dann nicht verhindert werden, wenn sie öffentlichen Interessen zuwider liefen; die Rechtsträger dürften nach der durch den Antrag angestrebten Rechtslage selbst dann genehmigungsfrei erwerben, wenn der Erwerb keiner ihrer gesetzlichen Aufgaben diene und das Grundstück der landwirtschaftlichen Produktion entzogen würde.

Zudem sei die These der Antragsteller, die betreffenden Gebietskörperschaften und Fonds würden ausschließlich Handlungen setzen, die der Erfüllung ihrer Aufgaben dienen, im Antrag weder begründet, noch entspreche sie der Erfahrung der Tiroler Landesregierung. Eine grundverkehrsrechtliche Kontrolle sei daher auch in diesen Fällen keineswegs entbehrlich. Ferner sei die Annahme, Gemeinden würden die völlige Befreiung von der Notwendigkeit grundverkehrsrechtlicher Genehmigungen nur dazu gebrauchen, Bauland zu mobilisieren, weder zwingend, noch empirisch belegbar. Im Übrigen stünden den Gemeinden die Mittel des Raumordnungsrechts zur Verfügung, um für die von den Antragstellern geforderte ausreichende Bebauung zu sorgen. Zudem wäre die vom Antragsvorbringen angestrebte Rechtslage verfassungswidrig. Es würde dem Gleichheitssatz widersprechen, die betreffenden Körperschaften und Fonds zur Gänze von der Genehmigungspflicht auszunehmen, diese jedoch für alle natürlichen und sonstigen juristischen Personen beizubehalten.

Durch die weite Ausnahmebestimmung für Gemeinden – ausgenommen seien Erwerbe, die unmittelbar oder mittelbar der Erfüllung ihrer Aufgaben dienen – habe der Gesetzgeber deren vielfältige Aufgaben berücksichtigt.

Im Ergebnis sei der Landesgesetzgeber nicht gehalten, den Gemeinden den Erwerb von Grundstücken zu ermöglichen, damit diese bei künftigem Grundbedarf zur Verwirklichung von Vorhaben im öffentlichen Interesse auf einen Vorrat von Grundstücken in ihrem Eigentum zurückgreifen könnten. Genauso sei es nicht Aufgabe der Gebietskörperschaften, zur Sicherung ihrer künftigen Aufgaben gleichsam als Spekulant, Immobilienmakler oder dergleichen aufzutreten.

Gesetzliche Aufgabe der in den Ausnahmetatbeständen genannten "Bodenbanken" sei es, zur Gewährleistung ihres jeweiligen Zwecks, Grundstücke anzukaufen und in der Folge dem gesetzlichen Zweck zuzuführen. Wegen dieser gesetzlichen Aufgabenstellung stelle die betreffende Ausnahmebestimmung nicht auf die "unmittelbare" Aufgabenerfüllung ab.

Außerdem handle es sich bei der Beschränkung der Ausnahmetatbestände auf jene Erwerbsvorgänge, die im Interesse der Erfüllung der jeweiligen Aufgabe liegen, um keine die Freiheit des Liegenschaftsverkehrs unverhältnismäßig einschränkende Bevormundung der öffentlichen Rechtsträger. Freilich seien auch die privilegierten Rechtsträger gemäß §23 Abs1 Tir. GVG verpflichtet, ihre Rechtserwerbe anzuzeigen. Über die Genehmigungsfreiheit entscheide gegebenenfalls der Vorsitzende der Bezirksgrundverkehrskommission mit einem im Instanzenzug anfechtbaren Bescheid. Dieser geringe Verwaltungsaufwand beschränke jedenfalls die Freiheit des Liegenschaftsverkehrs und die Dispositionsbefugnis der betroffenen Rechtsträger nicht unverhältnismäßig.

2.1.3. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu erwogen:

Der Ansicht der Antragsteller, die von den betreffenden Ausnahmebestimmungen erfassten Rechtsträger würden, verglichen mit den Angehörigen anderer Staaten der Europäischen Union, ohne sachliche Rechtfertigung schlechter gestellt, vermag sich der Verfassungsgerichtshof nicht anzuschließen. Zunächst stellt §3 Tir. GVG Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten Inländern gleich. Inländer und Angehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden im Vergleich mit den durch die angefochtenen Bestimmungen privilegierten öffentlichen Rechtsträgern nicht unterschiedlich behandelt. Inländer wie EU-Ausländer können sich auf die angefochtenen Ausnahmebestimmungen nicht berufen.

Das Vorbringen der Antragsteller, die unterschiedlichen Voraussetzungen der Ausnahmen der Rechtserwerbe durch die verschiedenen öffentlichen Rechtsträger sei sachlich nicht gerechtfertigt, trifft nicht zu. Den in §5 lite bis g Tir. GVG genannten Rechtsträgern obliegen unterschiedliche Aufgaben; dem Gesetzgeber kommt ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum bei der Abgrenzung zu, welche Rechtserwerbe der genannten öffentlichen Rechtsträger keiner Genehmigung gemäß §4 leg.cit. bedürfen. Dieser rechtspolitische Gestaltungsspielraum wird nicht überschritten, wenn, wie hier, je nach der Art des betreffenden Rechtsträgers ein unmittelbarer oder mittelbarer Bezug des Rechtserwerbs zu den jeweiligen Aufgaben des Rechtsträgers ausreicht, um den Erwerb von der Genehmigungspflicht auszunehmen. Verfehlt ist die Auffassung der Antragsteller, die Verfassung verpflichte den Gesetzgeber, die Rechtserwerbe der genannten Rechtsträger zur Gänze von der Genehmigungspflicht des §4 Tir. GVG auszunehmen.

2.2. Zum Antrag, §6 Abs1 lita Z2, in §6 Abs1 lita Z3 das Wort "flächendeckenden" und in §6 Abs2 Tir. GVG die Wortfolge "und 2" als verfassungswidrig aufzuheben:

2.2.1. Zum Antragsvorbringen:

Die Antragsteller bringen vor, der Verfassungsgerichtshof habe im Erkenntnis VfSlg 18.656/2008 ausgeführt, es sei nicht erkennbar, weshalb die Ziele des Tir. GVG, nämlich die Erhaltung und Stärkung eines lebensfähigen Bauernstandes und die Förderung einer ordnungsgemäßen, der Landeskultur entsprechenden (Weiter-)Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke im Falle der Bewirtschaftung durch einen Pächter nicht ebenso erreicht werden könnten wie bei Bewirtschaftung durch den Eigentümer selbst.

Könnten die Ziele des Tir. GVG auch im Wege der Bewirtschaftung durch einen Pächter erreicht werden, so sei es unverhältnismäßig, die grundverkehrsrechtliche Genehmigung eines Rechtserwerbes an Grundstücken auch dann zu versagen, wenn die fachmännische (Weiter-)Bewirtschaftung der betreffenden Grundstücke durch einen geeigneten Pächter gewährleistet erscheine. Ob sich auch ein Landwirt für das betreffende Grundstück interessiere, könne dafür keine Rolle spielen. Daher würden die angefochtenen Bestimmungen gegen die verfassungsrechtliche Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG, gegen den Gleichheitssatz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG sowie gegen die Liegenschaftserwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG verstoßen. Ferner würden die angefochtenen Bestimmungen gegen jene Voraussetzungen zulässiger Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen, wie sie der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden EuGH) im Urteil Ospelt (EuGH 23.9.2003, Rs. C-452/01, Ospelt und Schlössle Weissenberg Familienstiftung, Slg. 2003, I-09743) festgelegt habe. Müssten Erwerber, die sich auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen können, die angefochtenen Bestimmungen nicht gegen sich gelten lassen, so liege darin eine gegen den Gleichheitssatz verstoßende Inländerdiskriminierung.

Die Erschwerung der Begründung von Pachtverhältnissen an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken laufe ferner den mit dem Tir. GVG verfolgten öffentlichen Interessen zuwider. Untersuchungen zufolge seien Landwirte nicht dazu in der Lage, aus den mit landwirtschaftlichen Betrieben erzielbaren Einkünften die Kaufpreise für weitere land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke zu bestreiten. Wollten Landwirte zusätzliche Flächen bewirtschaften, seien sie daher geradezu gezwungen, land- und forstwirtschaftliche Grundstücke zu pachten. Erwerben Landwirte weitere Grundstücke, müsse das dafür erforderliche Kapital außerhalb der Land- und Forstwirtschaft erwirtschaftet worden sein. Die Interessentenregelung begünstige mithin nicht sämtliche Landwirte, sondern nur jene Erwerber, die zufällig auch Landwirte seien, jedoch aus anderen Quellen über ausreichend Kapital verfügen würden, um zusätzlichen Grund erwerben zu können. Die Motive dieser Landwirte, Grundstücke zu kaufen, seien keineswegs betriebswirtschaftlich begründet; stattdessen würden sie bezwecken, "stolze Eigentümer" der Gründe zu werden, ihr Geld sicher anzulegen oder einen Umwidmungsgewinn zu lukrieren. Sei der Kauf land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, so sei es sachlich nicht gerechtfertigt und mithin gleichheitswidrig, den Kauf landwirtschaftlicher Grundstücke gegenüber ihrer Verpachtung gesetzlich zu bevorzugen.

Ferner liege die Bewirtschaftung ausnahmslos jedes land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks nicht (mehr) im öffentlichen Interesse. Im Gegensatz zur Vergangenheit, in der die landwirtschaftliche Produktion nicht ausreichte, um die Bevölkerung zu ernähren, werde heute zu viel produziert, was die Volkswirtschaft belaste. Im Gegenteil, durch die flächendeckende Bewirtschaftung gehe natürlicher Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten verloren. Zudem sei es nicht erforderlich, Rechtserwerber gesetzlich zur Bewirtschaftung sämtlicher land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke anzuhalten; diese würden in der Regel ohnedies ein wirtschaftliches Interesse daran haben, Nutzflächen nicht brach liegen zu lassen. Bewirtschafte ein Eigentümer land- und forstwirtschaftliche Flächen nicht selbst, sei es nicht erforderlich, ihn gesetzlich zu verpflichten, einen Pächter zu suchen, der die Grundstücke bewirtschaftet. Würden vereinzelt Flächen nicht bewirtschaftet, schade das dem öffentlichen Interesse nicht; im Gegenteil, es würden Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen. Ausnahmen von diesem Grundsatz könnten nur für Flächen bestehen, deren Bewirtschaftung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll erscheine, wie zum Beispiel für schwer zugängliche Bergwiesen oder Almen. Der Gefahr, dass solche Flächen nicht bewirtschaftet werden, werde durch die Beschränkungen des Grundverkehrs nicht vorgebeugt: Vor allem Landwirte würden im Sommer über zu wenig Zeit verfügen, um ertragsarme Grundstücke zu bewirtschaften. Am ehesten sei die Bewirtschaftung derartiger Flächen von Personen zu erwarten, die dies als Hobby betreiben würden. Diese Personen würden jedoch durch das Tir. GVG gehindert, land- und forstwirtschaftliche Liegenschaften zu erwerben.

Die in wenigen Gebieten Tirols auffindbare "Sozialbrache" sei trotz der Restriktionen des Tir. GVG entstanden. Sie habe Ursachen, die mit Hilfe des Grundverkehrsrechts nicht zu beseitigen seien. Überwiegend sei sie die Folge von Standortfaktoren, wie dem Klima, dem Boden und der Hanglage sowie der Agrarstruktur (Flurzersplitterung, Parzellengröße usw.) und von sozioökonomischen Faktoren, wie zum Beispiel der fehlenden Hofnachfolge. Gerade die zur "Sozialbrache" führenden Faktoren würden durch das Tir. GVG nicht bekämpft. Im Übrigen rechtfertige dieses auf wenige Agrarflächen beschränkte Problem nicht, in ganz Tirol den Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, die auch ohne gesetzgeberische Maßnahme ordnungsgemäß bewirtschaftet würden, derart restriktiv zu beschränken.

Es treffe nicht zu, dass die Bewirtschaftung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstückes durch den Eigentümer den Zielen des §6 Abs1 lita Tir. GVG stets besser diene als die Bewirtschaftung durch einen Pächter, selbst wenn der Eigentümer Landwirt im Sinne des §2 Abs5 leg.cit. sei. Beispielsweise könne der Betrieb des Pächters an das betreffende Grundstück angrenzen und so der Pächter in der Lage sein, das Grundstück ohne weiteres mitzubewirtschaften; wolle in solch einem Fall ein Interessent mit einem weit entfernten Betrieb, dessen Arbeitskräfte mit den bereits vorhandenen Grundstücken voll ausgelastet sind, das Grundstück erwerben, sei es unsachlich, aus diesem Grund die grundverkehrsrechtliche Genehmigung zu versagen. Denn der Pächter wäre sogar besser als der Interessent geeignet, die Bewirtschaftung des Grundstückes sicherzustellen. Die Annahme treffe nicht zu, der zum Kauf bereite reichere Bauer, sei auch stets der bessere Bauer. Die Bevorzugung der reicheren (Eigentums-)Bauern gegenüber den ärmeren (Pacht–)Bauern durch das Tir. GVG sei sachlich nicht gerechtfertigt und daher gleichheitswidrig.

Die Schaffung, Erhaltung oder Stärkung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes liege nicht im öffentlichen Interesse; im öffentlichen Interesse könne nur die Schaffung, Erhaltung oder Stärkung wirtschaftlich gesunder land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe liegen.

Das Ziel einer flächendeckenden Bewirtschaftung könne überdies nur dadurch erreicht werden, indem sämtliche Eigentümer zur Bewirtschaftung verpflichtet würden und nicht nur jene, die eine Liegenschaft erwerben. Zudem eröffne die Anknüpfung an die Erwerbsvorgänge dem Gesetzgeber ohnedies nur geringen Einfluss auf die Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlicher Flächen. Diese würden üblicherweise über Generationen im Eigentum derselben Familien verbleiben, sodass Erwerbsvorgänge ohnedies selten seien. Sei es im öffentlichen Interesse erforderlich, alle landwirtschaftlichen Grundstücke in eine

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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