RS Vfgh 2013/10/1 B489/2012 ua

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Veröffentlicht am 01.10.2013
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Index

41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art129a Abs1 Z2, Z3
SicherheitspolizeiG §88, §90
StPO §129 ff

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung der Beschwerde von Tierschützern an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien wegen des Einsatzes einer verdeckten Ermittlerin; gesetzwidrige Verneinung der Zuständigkeit im Hinblick auf die verfassungsrechtlich unbedenkliche Zuständigkeitsverteilung des Sicherheitspolizeigesetzes

Rechtssatz

Nach dem klaren und unmissverständlichen Gesetzeswortlaut ist die Datenschutzkommission gemäß §90 SicherheitspolizeiG ausschließlich hinsichtlich behaupteter Verletzungen des Datenschutzgesetzes zuständig. Für alle übrigen Beschwerden von Menschen, die behaupten, in ihren Rechten - sei es durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung - verletzt worden zu sein, normiert §88 SicherheitspolizeiG eine Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate. An dieser Zuständigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass durch derartige Eingriffe im Ergebnis auch Daten ermittelt werden.

Angesichts des Typus der in Beschwerde gezogenen Ermittlungshandlungen und unter Bedachtnahme auf die als verletzt bezeichneten Rechte ist daher der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Wien auf Grund der - verfassungsrechtlich unbedenklichen - gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung des SicherheitspolizeiG zur Entscheidung über die behauptete rechtswidrige verdeckte Ermittlung zuständig.

Bei der verdeckten Ermittlung handelt es sich um eine besonders eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahme, deren Einsatz regelmäßig mit einem Eingriff in die nach Art8 EMRK verbürgten Rechte einhergeht und auch einer gerichtlichen Kontrolle bedarf (vgl EGMR 05.02.2008, Fall Ramanauskas, Appl 74420/01).

Der Einsatz einer verdeckten Ermittlung muss sich innerhalb eindeutig definierter Grenzen halten und es müssen angemessene und ausreichende Garantien gegen Missbräuche bestehen, wie insbesondere ein klares und vorhersehbares Verfahren für die Genehmigung, Durchführung und Überwachung der fraglichen Ermittlungsmethoden (vgl wiederum EGMR Fall Ramanauskas, Z51 ff).

Der unabhängige Verwaltungssenat darf daher seine Zuständigkeit nicht verneinen, wenn er mit der Behauptung angerufen wird, eine verdeckte Ermittlung sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt oder hätte in Art und Ausmaß die Grenzen des Erlaubten überschritten.

Demgemäß wird vom UVS Wien im fortgesetzten Verfahren im Detail zu prüfen sein, welche der erfolgten Ermittlungshandlungen der Sicherheitsverwaltung und welche der Kriminalpolizei zuzuordnen sind und insbesondere, ob diese Ermittlungen durch das Inkrafttreten der Bestimmungen der §§129 ff StPO mit 01.01.2008 allenfalls in einem von diesen gesetzlichen Bestimmungen gedeckten, der Gerichtsbarkeit zuzurechnenden Auftrag erfolgten.

Entscheidungstexte

  • B489/2012 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 01.10.2013 B489/2012 ua

Schlagworte

Polizei, Sicherheitspolizei, Unabhängiger Verwaltungssenat, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Behördenzuständigkeit, Datenschutz, Rechtsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B489.2012

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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