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34/01 MonopoleNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen unternehmerischer Zugänglichmachung verbotener Ausspielungen nach dem GlücksspielG mangels Ermittlung des möglichen Höchsteinsatzes an den verfahrensgegenständlichen GlücksspielgerätenSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.640,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen, Vorverfahren
1. Im Zuge einer Kontrolle am 1. Februar 2012 fanden Organe der Finanzpolizei des Finanzamts Klagenfurt in einem näher bezeichneten Lokal in Wiener Neustadt insgesamt sechs Glücksspielgeräte mit den Gehäusebezeichnungen "World Games" (2 Geräte, mit Finanzamtsnummer 3 und Finanzamtsnummer 4 bezeichnet), "A-P&E" (2 Geräte, mit Finanzamtsnummer 5 und Finanzamtsnummer 6 bezeichnet) und "Book of Fra" (2 Geräte, mit Finanzamtsnummer 7 und Finanzamtsnummer 8 bezeichnet). Alle sechs Glücksspielgeräte waren virtuelle Walzenspielautomaten, wobei auf den Geräten mit Finanzamtsnummer 3 und Finanzamtsnummer 4 das Walzenspiel "Wild Seven" mit einem Einsatz von € 0,30 und mit einem Einsatz von € 1,– pro Spiel, auf den Geräten mit Finanzamtsnummer 5 und Finanzamtsnummer 6 das Walzenspiel "Devil's Barbecue" mit einem Einsatz von "0,25 Punkten" (das entsprach € 0,25) das Walzenspiel "Triple XXX" mit einem Einsatz von "4,00 Punkten" (das entsprach € 4,–) pro Spiel und auf den Geräten mit Finanzamtsnummer 7 und Finanzamtsnummer 8 das Walzenspiel "Ultra Hot" mit einem Einsatz von € 2,– sowie das Walzenspiel "Jungle" mit einem Einsatz von € 0,50 und mit einem Einsatz von € 5,– pro Spiel probegespielt wurde. Ein fixer Höchsteinsatz wurde bei den verfahrensgegenständlichen Geräten nicht festgestellt. Ein Testspiel mit einem Spieleinsatz über € 10,– pro Spiel wurde nicht durchgeführt.
Mit Straferkenntnis vom 25. April 2012 erkannte die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt den Beschwerdeführer für schuldig, als unbeschränkt haftender Gesellschafter, somit als das gemäß §9 Abs1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der **** ******* ********** **** und als für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich verantwortliche Person zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 des Bundesgesetzes zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), BGBl 620/1989, in der Fassung BGBl I 111/2010, unternehmerisch zugänglich gemacht zu haben. Aus diesem Grund verhängte die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe in jeweils näher bestimmter Höhe.
2. Gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im Folgenden: UVS Niederösterreich) und führte im Wesentlichen aus, mit den gegenständlichen Automaten würde nicht in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen, weil es sich dabei nicht um Glücksspielautomaten handelte, das österreichische Glücksspielrecht gegen unionsrechtliche Vorschriften verstoße und die Bestimmungen des österreichischen Glücksspielgesetzes aus diesem Grund nicht anwendbar wären. Die österreichische Monopolregelung im Glücksspielbereich könne daher zu keinen strafrechtlichen Konsequenzen führen. Darüber hinaus seien auf den verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten auch Einsätze über € 10,– möglich gewesen und aus diesem Grund die Verwaltungs(straf)behörde zur Entscheidung nicht zuständig.
3. Der UVS Niederösterreich wies die Berufung des Beschwerdeführers ab und präzisierte den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses. Begründend führte der UVS Niederösterreich im Wesentlichen aus, auf den verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten wären Ausspielungen zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen veranstaltet worden. Von einer Zeugeneinvernahme zum Beweis, dass auf den verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten auch Einsätze über € 10,– geleistet worden wären, hätte – so der UVS Niederösterreich – abgesehen werden können, weil diese Zeugeneinvernahme "offenbar unerheblich" gewesen sei.
4. In der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid, verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG, weil die Verwaltungsstrafbehörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen habe.
5. Der UVS Niederösterreich legte die bezughabenden Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), BGBl 620/1989, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 111/2010, lauten:
"Verwaltungsstrafbestimmungen
§52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des §2 Abs2 daran beteiligt;
2. wer gewerbsmäßig ohne Berechtigung Spielanteile eines von diesem Bundesgesetz erfassten Glücksspieles oder Urkunden, durch welche solche Spielanteile zum Eigentum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, veräußert oder an andere überlässt;
3. wer die Bewilligungsbedingungen eines genehmigten Glücksspieles nicht einhält;
4. wer ein Glücksspiel trotz Untersagung oder nach Zurücknahme der Spielbewilligung durchführt;
5. wer gegen eine Bestimmung der in §2 Abs3 oder §4 Abs2 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß §4 Abs6 oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach §50 Abs4 verstößt;
6. wer die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 – insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von anderen Eingriffsgegenständen als Glücksspielautomaten oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links – fördert oder ermöglicht;
7. wer technische Hilfsmittel (z.B. eine entsprechend geeignete Fernbedienung) bereit hält, mit sich führt oder einsetzt, die geeignet sind, sich selbst oder anderen einen unlauteren Spielvorteil zu verschaffen oder den Spielablauf zu beeinflussen;
8. wer die Pflichten der Geldwäschevorbeugung gemäß §25 Abs6 und 7 oder §25a verletzt;
9. wer verbotene Ausspielungen (§2 Abs4) im Inland bewirbt oder deren Bewerbung ermöglicht, es sei denn es liegt eine Bewilligung des Bundesministers für Finanzen gemäß §56 Abs2 vor;
10. wer als Kreditinstitut wissentlich die vermögenswerte Leistung eines Spielers an den Veranstalter oder Anbieter verbotener Ausspielungen weiterleitet, wenn dies im vorsätzlichen unmittelbaren Zusammenwirken mit dem Veranstalter oder Anbieter geschieht;
11. wer bei der Durchführung von Ausspielungen Trinkgelder direkt annimmt.
(2) Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach §168 StGB zurück. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß §50 Abs2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§53, 54 und 56a bleiben davon unberührt.
(3) Werden Verwaltungsübertretungen nach Abs1 nicht im Inland begangen, gelten sie als an jenem Ort begangen, von dem aus die Teilnahme im Inland erfolgt. Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung im Sinne des §2 Abs4 durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, unterliegen, sofern sie nicht gemäß §54 einzuziehen sind, dem Verfall.
(4) Die Teilnahme an Elektronischen Lotterien, für die keine Konzession des Bundesministers für Finanzen erteilt wurde, ist strafbar, wenn die erforderlichen Einsätze vom Inland aus geleistet werden. Der Verstoß gegen dieses Verbot wird bei vorsätzlicher Begehung mit einer Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, ansonsten mit einer Geldstrafe bis zu 1 500 Euro geahndet.
(5) Die Verjährungsfrist (§31 Abs2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 beträgt ein Jahr."
2. Der seit Erlassung des Strafgesetzbuches, BGBl 60/1974, unveränderte §168 StGB lautet:
"Glücksspiel
§168. (1) Wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, daß bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.
(2) Wer sich gewerbsmäßig an einem solchen Spiel beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Gemäß dem Verwaltungsstraftatbestand des §52 Abs1 Z1 GSpG ist zu bestrafen, "wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 [GSpG] veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des §2 Abs2 [GSpG] daran beteiligt". Daran knüpfend grenzt §52 Abs2 GSpG die Strafbarkeit nach §52 Abs1 (Z1) GSpG und jener nach §168 StGB sowie damit auch die Zuständigkeit der Verwaltungs-(§52 Abs1 GSpG) und Strafgerichtsbarkeit (§168 StGB) voneinander ab: "Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach §168 StGB zurück."
2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 13. Juni 2013, B422/2013, sowie vom 26. Juni 2013, B396/2013, erkannt hat, erfasst der Verwaltungsstraftatbestand des §52 Abs1 Z1 GSpG das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 GSpG. Die Strafbarkeit stellt auf das Verhalten jener Person ab, die einem Spieler verbotene Ausspielungen ermöglicht ("wer … veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht …" – §52 Abs1 Z1 GSpG). Bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach §52 Abs1 (Z1) GSpG und nach §168 StGB sowie damit auch der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte ist somit – bei einer verfassungskonformen Auslegung – darauf abzustellen, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten organisiert, Einsätze von höchstens € 10,– oder mehr als € 10,– ermöglicht.
3. Aus der dargelegten verfassungskonformen Interpretation der Abgrenzungsregelung des §52 Abs2 GSpG ergibt sich die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde, stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können), um derart beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß §168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß §52 Abs1 GSpG besteht (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 2013, B422/2013, sowie vom 26. Juni 2013, B396/2013).
4. Der UVS Niederösterreich als belangte Behörde hat den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
4.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
4.2. Auf Grund der Testspiele der Organe des Finanzamts an den verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten wurden zwar jeweils (Mindest)Einsätze unter € 10,– pro Spiel an den Geräten festgestellt, die möglichen Höchsteinsätze pro Spiel an den verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten wurden jedoch – weder durch Feststellung der technischen Beschaffenheit der Geräte noch durch die Einvernehme von Zeugen – nicht ermittelt.
4.3. Die belangte Behörde hat somit §52 Abs2 (iVm §52 Abs1 Z1 GSpG) einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie nicht nach Maßgabe des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG bzw. Art2 StGG (bzw. in weiterer Folge auch nach Maßgabe des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG) ermittelt hat, welcher mögliche Höchsteinsatz an den verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten geleistet werden konnte.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den entsprechend dem Kostenverzeichnis zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Glücksspiel, Verwaltungsstrafrecht, ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B918.2013Zuletzt aktualisiert am
22.10.2013