TE Vfgh Beschluss 2013/9/13 B795/2013

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Veröffentlicht am 13.09.2013
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, Asylgerichtshof

Norm

VfGG §34
ZPO §530 Abs1 Z7

Leitsatz

Wiederaufnahme eines Verfahrens und Aufhebung des Beschlusses über die Zurückweisung der Beschwerde als verspätet; Ablehnung der Beschwerdebehandlung

Spruch

I.              Das mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Juni 2013 abgeschlossene Beschwerdeverfahren zu B503/2013 wird wieder aufgenommen.

II.              Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Juni 2013, B503/2013-4, wird aufgehoben.

III.              Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

IV.              Die Beschwerde wird an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

I. Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens

Der Verfassungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 6. Juni 2013, B503/2013-4, die vom Beschwerdeführer gemäß Art144 B-VG gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für Niederösterreich vom 25.02.2013, Senat-MI-12-2008, erhobene Beschwerde wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist zurück.

In seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §34 VfGG iVm §530 ZPO weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass die Beschwerde am 18. April 2013, somit rechtzeitig, im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht worden sei. Das "WebERV-Übermittlungsprotokoll" weise als Einbringungszeitpunkt den 18. April 2013, 22:56:50 Uhr, aus.

Der Beschwerdeführer habe erst durch den zurückweisenden Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Juni 2013 davon Kenntnis erlangt, dass der Verfassungsgerichtshof offensichtlich nicht das Datum der Einbringung der Beschwerde im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs, sondern ein anderes Datum, nämlich den 26. April 2013, als Einbringungsdatum der Beschwerde herangezogen hatte und somit von einer Verspätung der Beschwerde ausgegangen war. Aufgrund dieser neuen Tatsache im Sinne des §530 Abs1 Z7 ZPO beantragten der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens.

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (zB VfSlg 11.041/1986, 12.306/1990), dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes – insbesondere auch seine Beschlüsse – endgültig sind, sofern es sich nicht um Fälle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Wiederaufnahme des Verfahrens handelt. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens in seinen §§33 und 34 nicht selbst regelt, hat der Verfassungsgerichtshof die entsprechenden Bestimmungen der ZPO (§§146 und 530 ff.) sinngemäß anzuwenden.

Die Bewilligung der Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens wegen des Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes gemäß §530 Abs1 Z7 ZPO (iVm §35 Abs1 VfGG) setzt voraus, dass "die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihre günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde". Die Wiederaufnahme findet weiters nur statt, "wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, […] die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung in erster Instanz erging, geltend zu machen" (§530 Abs2 ZPO).

Das unrichtige Anzeigen des Eingangsdatums der Beschwerde, das seine Grundlage außerhalb der Sphäre des Beschwerdeführers hatte, führte zur Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung, welche – objektiv gesehen – nicht vorlag. In einem solchen Fall ist das Hervorkommen der irrigen Datumsangabe dem Fall des Auffindens neuer Tatsachen oder Beweismittel gleichzuhalten (vgl. VfSlg 14.695/1996). Die Anzeige des richtigen Einbringungsdatums wäre geeignet gewesen, die Zurückweisung der Beschwerde zu verhindern. Es hätte dadurch eine günstigere Entscheidung in der Hauptsache ergehen können (vgl. VfSlg 12.451/1990; 14.695/1996).

Die zu B503/2013 eingebrachte Beschwerde wurde am 18. April 2013, somit rechtzeitig, eingebracht.

Es war daher die Wiederaufnahme zu bewilligen und der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes zu B503/2013-4 vom 6. Juni 2013 unter sinngemäßer Anwendung des §530 Abs1 Z7 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG aufzuheben.

II. Zur Beschwerde:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums in Verbindung mit dem Grundrecht auf Datenschutz gemäß §1 DSG 2000, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG, weiters die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art4 Abs1 7. ZPEMRK, wegen derselben Sache nicht zweimal bestraft zu werden, sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit von §14, §16, §19 Abs4 und §20 Abs5 Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Eine Auslegung, wonach eine Kundmachung der Mautordnung Version 28 auf der Internetseite der ASFINAG schon vor der Genehmigung durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Finanzen erfolgen könnte, steht dem klaren und im Hinblick auf Art18 B-VG unbedenklichen Wortlaut der §§14 und 16 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 entgegen.

Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass gemäß §20 Abs5 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 das Benützen einer Mautstrecke ohne Entrichtung der geschuldeten zeitabhängigen Maut straflos wird, wenn der Benützer die (im Vergleich zur ursprünglich geschuldeten Maut höhere) Ersatzmaut bezahlt.

Anders als die in VfSlg 18.643/2008 behandelte videogestützte "Geschwindigkeits- und Abstandsmessung" findet das (auf eine punktuelle Überwachung ausgerichtete) System der Automatischen Vignetten-Kontrolle in §19 Abs4 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (der in Zusammenhang mit den Vorschriften des Datenschutzgesetzes 2000 zu verstehen ist) eine hinreichende –verfassungsrechtlich unbedenkliche – gesetzliche Deckung.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

Schlagworte

VfGH / Wiederaufnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B795.2013

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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