TE Vfgh Erkenntnis 1998/3/11 B2062/97

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Veröffentlicht am 11.03.1998
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung
62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung von Teilen des §33 und §34 AlVG mit E v 11.03.98, G363/97 ua. Die belangte Behörde hat jene Gesetzesbestimmungen angewendet, die ausländische Staatsangehörige (im Unterschied zu österreichischen Staatsbürgern) von der Möglichkeit des zeitlich unbegrenzten Bezuges der Notstandshilfe ausschließt und die vom Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war. Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Linz vom 11. März 1997 wurde einem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Notstandshilfe unter Berufung auf §33 Abs2 lita iVm §34 Abs4 AlVG keine Folge gegeben. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich mit Bescheid vom 25. Juni 1997 keine Folge. Die Berufungsbehörde stützte ihre Entscheidung ebenfalls ausdrücklich auf die §§33 Abs2 lita und 34 Abs4 AlVG und führte aus, daß dem Beschwerdeführer aufgrund dieser Gesetzesbestimmungen keine Notstandshilfe gewährt werden könne, weil er kein österreichischer Staatsbürger sei und keinen gültigen Befreiungsschein besitze.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich als belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt.

4. Die Beschwerde ist begründet:

4.1. Mit Erkenntnis vom 11. März 1998, G363/97 ua., hat der Verfassungsgerichtshof §33 Abs2 lita sowie §34 Abs3 und 4 AlVG als verfassungswidrig aufgehoben.

4.2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannten Normen bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätten.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§33 Abs2 lita und 34 Abs3 und 4 AlVG begann am 5. März 1998. Die vorliegende Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 8. August 1997 - also vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren - ein. Der ihr zugrundeliegende Fall ist nach dem Gesagten daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von

S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2062.1997

Dokumentnummer

JFT_10019689_97B02062_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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