TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/14 99/18/0368

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Veröffentlicht am 14.11.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art49 Abs1;
FrG 1997 §41;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des I, (geb. 22.7.1962), vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. August 1999, Zl. SD 318/99, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. August 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. Mai 1995 über ihn gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, verhängten unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der maßgebliche Sachverhalt für dieses Aufenthaltsverbot sei die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 4. April 1995 wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung, Gefährdung der körperlichen Sicherheit und gefährlicher Drohung ("§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und 2 Z. 1, 89, 107 Abs. 1 und 2 StGB") und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren gewesen. Auf Grund dieses schwerwiegenden Fehlverhaltens sei dann gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, wobei auch auf seine privaten und familiären Interessen, insbesondere im Hinblick darauf, dass seine Gattin im Bundesgebiet lebe, Bedacht genommen worden sei. Bereits ein Jahr später habe der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, gestellt. Dieser Antrag sei zweitinstanzlich mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Oktober 1997 mangels Änderung des Sachverhaltes zugunsten des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden.

Am 1. Februar 1998 habe der Beschwerdeführer versucht, über die Grenzkontrollstelle Spielfeld nach Österreich einzureisen und sich dabei mit einem verfälschten kroatischen Reisepass ausgewiesen. Wie der Beschwerdeführer selbst zugegeben habe, habe er gegen ein Entgelt von DM 1.000 einen gefälschten Reisepass, lautend auf einen anderen Namen, gekauft, um trotz des gegen ihn in Österreich bestehenden Aufenthaltsverbotes einzureisen und seine Frau besuchen zu können. Der Beschwerdeführer sei daraufhin am 17. Februar 1998 vom Landesgericht für Strafsachen Graz wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden. Der dagegen erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld habe das Oberlandesgericht Graz keine Folge gegeben. Die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe sei jedoch auf vier Monate herabgesetzt worden.

Den vorliegenden Antrag gemäß § 44 FrG habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit begründet, dass seine Ehefrau seit 16. Jänner 1998 österreichische Staatsbürgerin wäre und einer geregelten Beschäftigung als Küchenhilfe nachginge. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers wäre somit finanziell abgesichert, zudem würde er umgehend eine Beschäftigung aufnehmen. Es würde sohin kein Grund zur Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer neuerlich straffällig würde, zumal er beabsichtigte, sich im Bundesgebiet den Rechtsvorschriften gemäß zu verhalten.

Ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 FrG könne nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände - unter gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 114 Abs. 3 FrG - zugunsten des Fremden geändert hätten, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen sei.

Ausgehend von § 44 und § 114 Abs. 3 FrG sei zunächst festzuhalten, dass das vorliegende Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des FrG hätte erlassen werden können. Allein auf Grund der im Jahr 1995 erfolgten Verurteilung des Beschwerdeführers könne kein Zweifel bestehen, dass das der Behörde nunmehr zukommende Ermessen zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen müsse. Immerhin habe der Beschwerdeführer am 28. September 1994 in einem Lokal in Wien 17 zahlreiche Schüsse mit einer Waffe abgegeben, wobei der Lokalinhaber durch einen Streifschuss am Kopf lebensgefährlich verletzt worden sei. Die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten würden daher ohne Zweifel auch nach den Bestimmungen des nunmehr in Kraft stehenden FrG ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen.

Abgesehen davon sei bei der hier zu treffenden Entscheidung auch auf das Verhalten des Beschwerdeführers nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes Bedacht zu nehmen. Wie bereits aufgezeigt, habe der Beschwerdeführer trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes versucht, in das Bundesgebiet einzureisen, indem er sich einen verfälschten Reisepass besorgt habe. Er sei daraufhin wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt worden. Wenn der Beschwerdeführer dazu ausführe, dass ihn nur ein familiärer "Notfall" zu dieser Straftat veranlasst hätte, so habe bereits die Erstbehörde zutreffend darauf hingewiesen, dass in solchen Fällen jederzeit die Möglichkeit bestehe, einen Wiedereinreiseantrag gemäß § 41 FrG zu stellen. Auf Grund seiner zuletzt erfolgten Verurteilung könne von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes somit keine Rede sein. Es könne daher auch kein Zweifel bestehen, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bzw. die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 und des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig erweise. Vielmehr habe sich durch seine neuerliche Missachtung der Rechtsnormen seines Gastlandes die zu beurteilende Interessenlage weiter zu Ungunsten des Beschwerdeführers verschoben. Demgegenüber hätten sich seine privaten und familiären Interessen nicht in rechtserheblicher Weise geändert, seien doch bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf sämtlich für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände Bedacht genommen worden. Dass der Ehefrau des Beschwerdeführers mehrere Jahre nach Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt worden sei, vermöge daran ebenfalls nichts zu ändern.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Gründe zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0426, mwH).

Für auf das Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, gegründete Aufenthaltsverbote, die - wie das vorliegende - vor dem Inkrafttreten des FrG mit 1. Jänner 1998 erlassen wurden, sieht § 114 Abs. 3 FrG Folgendes vor:

"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."

2.1. Die vom Beschwerdeführer nicht bekämpfte Auffassung der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des FrG hätte erlassen werden können, begegnet keinem Einwand. Da besondere Umstände weder vorgebracht wurden noch aktenkundig sind, hätte die belangte Behörde bei fiktiver Geltung des FrG zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt.

2.2. Unstrittig hat der Beschwerdeführer einen gefälschten Reisepass im Rechtsverkehr verwendet, wofür er zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten strafgerichtlich verurteilt worden ist. Durch dieses Fehlverhalten hat der Beschwerdeführer deutlich unter Beweis gestellt, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sein Aufenthalt nach wie vor eine beträchtliche Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (vorliegend: der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers, des Schutzes der Rechte anderer, sowie auch des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen) darstellt. Seinem Vorbringen, er habe bei seiner Einreise mit dem besagten gefälschten Reisepass auf Grund seiner familiären Lage aus einem entschuldbaren Notstand heraus gehandelt, ist - mit der Behörde - entgegenzuhalten, dass für ihn die Möglichkeit bestanden hätte, hiefür gemäß § 41 FrG eine Wiedereinreisebewilligung zu beantragen. Die behauptete Unkenntnis dieser Bestimmung kommt ihm nicht zugute, handelt es sich doch dabei um eine im Bundesgesetzblatt gehörig kundgemachte Norm, weshalb die Kenntnis der damit geschaffenen Rechtslage auch von Personen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, erwartet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1996, Zl. 95/18/1411, mwH). Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, auf Grund des Aufenthaltsverbotes daran gehindert zu sein, mit seiner Ehefrau zusammenzuleben, ist ihm zu entgegnen, dass bezüglich dieser in Anbetracht der besagten maßgeblichen öffentlichen Interessen in Kauf zu nehmenden Einschränkung keine Änderung seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetreten ist. Angesichts des unter I.1. näher dargestellten gravierenden Fehlverhaltens, das der Beschwerdeführer teils vor, teils nach Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes gesetzt hat, macht er auch mit seinem Hinweis auf die nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorgenommene Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an seine Ehefrau keinen Umstand geltend, der seine persönlichen Interessen - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - so gewichtig erscheinen lässt, dass diese schwerer wiegen als die durch sein Fehlverhalten massiv beeinträchtigten besagten öffentlichen Interessen. Sein Vorbringen, er sei als kroatischer Staatsbürger in Bosnien wohnhaft und könne dort keiner Beschäftigung nachgehen, die Nachwirkungen des Krieges seien in seinem Heimatland noch spürbar und die wirtschaftliche Situation dort stelle sich als triste dar, verfängt nicht, wird mit einem Aufenthaltsverbot doch nicht ausgesprochen, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0284).

Auf dem Boden des Gesagten gehen auch die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers fehl, die belangte Behörde habe entgegen seinem Antrag seine Ehefrau mit Blick auf die genannten vorgebrachten Umstände nicht einvernommen und derart den bekämpften Bescheid nicht hinreichend begründet.

2.3. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde im Rahmen des ihr auch bei der Beurteilung nach § 44 FrG zukommenden Ermessens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0426) das Aufenthaltsverbot hätte aufheben müssen.

2.4. Auf dem Boden des Gesagten kann es daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot weder nach §§ 114 Abs. 3 FrG noch nach 44 leg. cit. aufgehoben hat.

3. Da sich die vorliegende Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 FrG abgesehen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. November 2000

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999180368.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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