TE Vfgh Erkenntnis 2013/6/26 B423/2013

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Veröffentlicht am 26.06.2013
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Index

34/01 Monopole

Norm

GlücksspielG §2 Abs4, §52 Abs1, Abs2
StGB §168
EMRK 7. ZP Art4 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal bestraft zu werden, durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Veranstaltung verbotener Ausspielungen mit Glücksspielautomaten; verfassungskonforme, das Doppelbestrafungsverbot berücksichtigende Auslegung der Regelung des GlücksspielG über die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde und der Strafgerichte durch Abstellen auf den maximal möglichen Einsatz - und nicht auf den von Spielern geleisteten Einsatz - geboten

Spruch

I.              Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art4 Abs1 des 7. ZPEMRK, wegen derselben Sache nicht zweimal bestraft zu werden, verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II.              Der Bund (Bundesministerin für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.640,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen, Vorverfahren

1. Im Zuge einer Kontrolle fanden Organe der zuständigen Abgabenbehörde am 2. Dezember 2010 in einem näher bezeichneten Lokal fünf betriebsbereite und eingeschaltete Glücksspielautomaten mit der Gehäusebezeichnung A-P&E Assembling Production & Evolution (virtueller Walzenspielautomat mit der Bezeichnung "Pelican's Pearl"), A-P&E Assembling Production & Evolution (virtueller Walzenspielautomat mit der Bezeichnung "Golden Aces"), ACT Multi Player (virtueller Walzenspielautomat mit der Bezeichnung "Magic Pyramids"), A-P&E (Wettterminal für virtuelle Hunde- und Pferderennen, sowie auf Pokerergebnisse) bzw. APE Bets (Wettterminal für Wetten auf Hunderennen, die beim Personal abgeschlossen werden), wobei die Glücksspielgeräte A-P&E Assembling Production & Evolution (virtueller Walzenspielautomat mit der Bezeichnung "Pelican's Pearl") und A-P&E Assembling Production & Evolution (virtueller Walzenspielautomat mit der Bezeichnung "Golden Aces") jeweils mit einem festgestellten Mindesteinsatz von € 0,25 und einem festgestellten Höchsteinsatz von € 10,50 pro Spiel bespielbar waren.

Mit Straferkenntnis vom 9. November 2011 erkannte der Bezirkshauptmann von Neunkirchen die Beschwerdeführerin für schuldig, als unbeschränkt haftende Gesellschafterin und somit als das gemäß §9 Abs1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Eigentümerin der fünf Glücksspielautomaten zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 des Bundesgesetzes zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG), BGBl 620/1989, in der Fassung BGBl I 111/2010, unternehmerisch zugänglich gemacht zu haben. Aus diesem Grund verhängte der Bezirkshauptmann von Neunkirchen über sie eine Geldstrafe in bestimmter Höhe und eine Ersatzfreiheitsstrafe.

2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im Folgenden: UVS Niederösterreich) und führte im Wesentlichen aus, mit den gegenständlichen Automaten würde nicht in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen, weil das österreichische Glücksspielrecht gegen unionsrechtliche Vorschriften verstoße und die Bestimmungen des österreichischen Glücksspielgesetzes aus diesem Grund nicht anwendbar wären. Die österreichische Monopolregelung im Glücksspielbereich könne daher zu keinen strafrechtlichen Konsequenzen führen.

3. Mit Bescheid vom 12. April 2012 setzte der UVS Niederösterreich das Berufungsverfahren gemäß §38 AVG (§24 VStG) iVm §30 Abs1 VStG bis zum rechtskräftigen Abschluss der beim Bezirksgericht Gloggnitz gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Strafsache wegen des Verdachts des Vorliegens einer gemäß §168 StGB strafbaren Handlung aus. Mit Urteil vom 5. November 2011 verurteilte das Bezirksgericht die Beschwerdeführerin wegen des Vergehens gemäß §168 StGB und verhängte über sie eine Geldstrafe. Das erstinstanzliche Strafgericht begründete das Urteil damit, dass sie in einem näher bezeichneten Zeitraum die virtuellen Walzenspiele "Pelican's Pearl" und "Golden Aces" an Automaten mit einem Einzelspieleinsatz von bis zu € 10,50 veranstaltet habe, um sich aus dieser Veranstaltung einen Vermögensvorteil zuzuwenden, wobei nicht bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt worden sei. Gegen dieses Urteil erhob die Beschwerdeführerin Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld.

4. Der UVS Niederösterreich führte das Verwaltungsstrafverfahren nach Fällung des Urteils des Bezirksgerichts Gloggnitz fort, weil die Beschwerdeführerin über keine Bewilligung zum Betrieb von Glücksspielautomaten, also Spielautomaten, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt, verfüge. Als Verfahrensgegenstand des Berufungsverfahrens betrachtete der UVS Niederösterreich – neben den Spielen an den Glücksspielgeräten ACT Multi Player ("Magic Pyramids"), A-P&E (Wettterminal für virtuelle Hunde- und Pferderennen, sowie auf Pokerergebnisse) bzw. APE Bets (Wettterminal für Wetten auf Hunderennen, die beim Personal abgeschlossen werden) – jene Spiele auf den Glücksspielautomaten A-P&E Assembling Production & Evolution ("Pelican's Pearl"), A-P&E Assembling Production & Evolution ("Golden Aces"), bei denen im relevanten Zeitraum vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von bis zu € 10,- geleistet wurden, weil sich – so der UVS Niederösterreich – eine Subsidiarität der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit gegenüber dem gerichtlichen Straftatbestand nur für die Veranstaltung von Spielen ergäbe, bei denen der Einsatz € 10,- übersteige. Im Übrigen verbleibe die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden. Der UVS Niederösterreich wies daher die Berufung der Beschwerdeführerin ab und präzisierte den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses.

5. In der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht gemäß Art4 Abs1 des 7. ZPEMRK, wegen derselben Sache nicht zweimal bestraft zu werden, sowie gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG in Verbindung mit dem in Art94 B-VG verankerten Prinzip der Trennung der Justiz von der Verwaltung.

5.1. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis VfSlg 15.199/1998 klargestellt, §52 Abs1 Z5 GSpG (in der Fassung vor der Novelle BGBl I 54/2010) sei zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art4 Abs1 des 7. ZPEMRK dahin gehend verfassungskonform zu interpretieren, dass eine Bestrafung nach §168 erster oder zweiter Fall StGB die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach §52 Abs1 Z5 erster Fall GSpG (in der Fassung vor der Novelle BGBl I 54/2010) ausschließe. Es dürfe somit – so das Beschwerdevorbringen – auch nach der durch die Glücksspielgesetz-Novelle BGBl I 54/2010 erfolgten normativen Festsetzung des Begriffs des "geringen Betrags" mit dem Betrag von € 10,- derjenige, der nach §168 StGB betraft würde, nicht zusätzlich nach §52 Abs1 GSpG betraft werden. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, eine parallele Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Strafgerichte für den regelmäßigen Fall der Leistung von Einsätzen von über und von unter € 10,- einrichten zu wollen. Die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. August 2012, 2012/17/0156, geäußerte Rechtsauffassung unterstelle der Bestimmung des §52 Abs2 GSpG einen verfassungswidrigen Inhalt, der dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art4 Abs1 des 7. ZPEMRK zuwiderlaufe. Die Verurteilung durch das Bezirksgericht Gloggnitz wegen §168 Abs1 StGB umfasse nach Ansicht der Beschwerdeführerin "eine Verurteilung sowohl beim fortgesetzten Delikt als auch beim Sammeldelikt sämtliche auf dasselbe strafbare Verhalten zurückführbare Straftatbestände", wobei maßgebender Zeitpunkt die Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sei. Anders als der UVS Niederösterreich meine, sei sohin im gerichtlichen Strafverfahren nicht nur hinsichtlich der Spiele mit einem geleisteten Einsatz über € 10,- abgesprochen worden, sondern über sämtliche bis zur maßgeblichen Kontrolle durchgeführten Ausspielungen. Es liege im gegenständlichen Fall eine Konsumation zweier Deliktstatbestände vor und es sei somit über dieselbe Sache verfassungswidriger Weise zweimal entschieden worden.

5.2. Darüber hinaus verstoße die vom Verwaltungsgerichtshof begründete Ansicht auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, weil es ausschließlich vom Verhalten Dritter abhänge, welche Strafbestimmung (§52 GSpG oder §168 StGB) zur Anwendung gelange.

5.3. Letztlich erachtet sich die Beschwerdeführerin auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG in Verbindung mit dem in Art94 B-VG verankerten Prinzip der Trennung der Justiz von der Verwaltung verletzt, weil das Aufstellen mehrerer Spielapparate bzw. das Bereitstellen mehrerer Spielmöglichkeiten ein fortgesetztes Delikt darstelle und daher als eine (einheitliche) Ausspielung zu werten sei. Sowohl §52 Abs1 GSpG als auch §168 StGB zielten auf Spiele ab, die ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängten und bestraften deren Veranstaltung bzw. sonstige Formen der Förderung. Gemäß §52 Abs2 GSpG trete jedoch eine Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach §168 StGB zurück. Der UVS Niederösterreich als Verwaltungsbehörde habe somit seine Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen, weil sich aus dem verwirklichten Delikt gemäß §168 StGB die Zuständigkeit der Strafgerichte ergäbe.

6. Der UVS Niederösterreich legte die bezughabenden Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II. Rechtslage

1. §52 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I 54/2010 (für den Tatzeitpunkt relevante Fassung) lautete:

"§52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des §2 Abs2 daran beteiligt;

2. wer gewerbsmäßig ohne Berechtigung Spielanteile eines von diesem Bundesgesetz erfassten Glücksspieles oder Urkunden, durch welche solche Spielanteile zum Eigentum oder zum Gewinnbezug übertragen werden, veräußert oder an andere überlässt;

3. wer die Bewilligungsbedingungen eines genehmigten Glücksspieles nicht einhält;

4. wer ein Glücksspiel trotz Untersagung oder nach Zurücknahme der Spielbewilligung durchführt;

5. wer gegen eine Bestimmung der in §2 Abs3 oder §4 Abs2 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß §4 Abs6 oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach §50 Abs4 verstößt;

6. wer die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen im Sinne des §2 Abs4 – insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von anderen Eingriffsgegenständen als Glücksspielautomaten oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links – fördert oder ermöglicht;

7. wer technische Hilfsmittel (z.B. eine entsprechend geeignete Fernbedienung) bereit hält, mit sich führt oder einsetzt, die geeignet sind, sich selbst oder anderen einen unlauteren Spielvorteil zu verschaffen oder den Spielablauf zu beeinflussen;

8. wer die Pflichten der Geldwäschevorbeugung gemäß §25 Abs6 und 7 oder §25a verletzt;

9. wer verbotene Ausspielungen (§2 Abs4) im Inland bewirbt oder deren Bewerbung ermöglicht, es sei denn es liegt eine Bewilligung des Bundesministers für Finanzen gemäß §56 Abs2 vor;

10. wer als Kreditinstitut wissentlich die vermögenswerte Leistung eines Spielers an den Veranstalter oder Anbieter verbotener Ausspielungen weiterleitet, wenn dies im vorsätzlichen unmittelbaren Zusammenwirken mit dem Veranstalter oder Anbieter geschieht;

11. wer bei der Durchführung von Ausspielungen Trinkgelder direkt annimmt.

(2) Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach §168 StGB zurück. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß §50 Abs2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§54 und 56a bleiben davon unberührt.

(3) Werden Verwaltungsübertretungen nach Abs1 nicht im Inland begangen, gelten sie als an jenem Ort begangen, von dem aus die Teilnahme im Inland erfolgt. Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung im Sinne des §2 Abs4 durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, unterliegen, sofern sie nicht gemäß §54 einzuziehen sind, dem Verfall.

(4) Die Teilnahme an Elektronischen Lotterien, für die keine Konzession des Bundesministers für Finanzen erteilt wurde, ist strafbar, wenn die erforderlichen Einsätze vom Inland aus geleistet werden. Der Verstoß gegen dieses Verbot wird bei vorsätzlicher Begehung mit einer Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, ansonsten mit einer Geldstrafe bis zu 1 500 Euro geahndet.

(5) Die Verjährungsfrist (§31 Abs2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 beträgt ein Jahr."

2. §52 GSpG wurde durch die Novelle BGBl I 110/2012 insoweit geändert, als die verwaltungsrechtliche Strafsanktion erhöht wurde, die Straftatbestände und die Regelung betreffend die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde und der Strafgerichte wurden nicht geändert.

3. Der seit Erlassung des Strafgesetzbuches, BGBl 60/1974, unveränderte §168 StGB lautet:

"Glücksspiel

§168. (1) Wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, daß bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.

(2) Wer sich gewerbsmäßig an einem solchen Spiel beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Gemäß Art4 Abs1 des 7. ZPEMRK (in seiner deutschen Übersetzung) darf "[n]iemand […] wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden."

1.1. Der angefochtene Bescheid des UVS Niederösterreich, welcher auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.8.2012, 2012/17/0156) gestützt wird, verstößt gegen das Doppelbestrafungsverbot gemäß Art4 Abs1 7. ZPEMRK. Es wird dazu auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs in seinem Erkenntnis vom 13. Juni 2013, B422/2013, verwiesen.

1.2. Die belangte Behörde hat §52 Abs2 (iVm §52 Abs1 Z1 GSpG) einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, indem sie nicht auf den maximal möglichen Einsatz der von der Beschwerdeführerin betriebenen Glücksspielautomaten, sondern auf den jeweils von Spielern geleisteten Einsatz pro Spiel abstellte. Da die Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen Ausspielungen mit zwei Glücksspielautomaten, welche einen Höchsteinsatz von € 10,50 pro Spiel ermöglichten, veranstaltete und deswegen auch in erster Instanz strafgerichtlich gemäß §168 StGB verurteilt wurde, scheidet eine doppelte Bestrafung wegen ein und derselben Tat nach §52 Abs1 Z1 (iVm §52 Abs2) GSpG aus.

1.3. Aus der dargelegten verfassungskonformen Interpretation der Abgrenzungsregelung des §52 Abs2 GSpG ergibt sich im Übrigen die Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde – auch nach Maßgabe der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG bzw. Art2 StGG und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG – stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden kann (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können), um derart beurteilen zu können, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß §168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß §52 Abs1 GSpG besteht.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art4 Abs1 des 7. ZPEMRK, wegen derselben Sache nicht zweimal bestraft zu werden, verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den entsprechend dem Kostenverzeichnis zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

Glücksspiel, ne bis in idem, Doppelbestrafungsverbot, Verwaltungsstrafrecht, Strafen, Zusammentreffen strafbarer Handlungen, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Behördenzuständigkeit, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B423.2013

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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