TE UVS Steiermark 2013/05/24 30.12-21/2012

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Veröffentlicht am 24.05.2013
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn Jo R, geb. am, vertreten durch Ra & Pa, Rechtsanwälte, F, G, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Graz-Umgebung vom 11.06.2012, GZ: BHGU-15.1-27762/2011, betreffend Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes wie folgt entschieden:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit Straferkenntnis warf die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung Herrn Jo R, dem nunmehrigen Berufungswerber, vor, als Vorstand der S Dienstleistungs AG mit Sitz in Fk bei G dafür verantwortlich zu sein, dass Arbeitsmittel benutzt wurden, bei denen die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen funktionsunfähig gewesen seien. Betreffend die auswärtige Arbeitsstelle, G, U seien am 27.10.2011 beim Abfallsammelfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen die beiden Aufnahmehaken des Pressmüllfahrzeugaufbaues, die die Aufnahmezapfen des Umleercontainers als Schutz- und Sicherheitseinrichtung umschlössen, um ein Auskippen des Containers aus den beiden Aufnahmelagern beim Entleervorgang zu verhindern, nicht aktiviert gewesen. Dadurch sei der angehobene Container seitlich aus den Aufnahmelagern gekippt und auf die Arbeitnehmer Fr und Sm gefallen, wodurch diese verletzt worden seien. Als weitere Übertretung warf sie Jo R vor, nicht dafür gesorgt zu haben, dass in Bezug auf die Gestaltung und den Einsatz von Arbeitsmitteln in Zusammenwirken mit Arbeitsvorgängen, eine für die Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen bestehenden Gefahren erforderliche Ermittlung und Beurteilung der Gefahren sowie Festlegung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung durchgeführt wurde, obwohl eine diesbezügliche Fertigstellung bereits bei 01.07.1997 erfolgen hätte müssen. Es wurde keine diesbezügliche Evaluierung betreffend die Arbeitsvorgänge/Containerentleerungen auf auswärtigen Arbeitsstellen, durchgeführt. Dies betrifft einerseits den Unfall kausalen Arbeitsvorgang anlässlich des Arbeitsunfalles vom 27.10.2011 auf der auswärtigen Arbeitsstelle in G, U, als auch andererseits generell die Arbeitsvorgänge bei Containerentleerungen und anderes auf auswärtigen Arbeitsstellen in Zusammenhang mit Arbeitsmitteln.

Es wurden jeweils Geldstrafen verhängt. Bei der rechtlichen Beurteilung in der Begründung des Bescheides bezog sich die erstinstanzliche Behörde auf § 9 Abs 1 VStG und den Firmenbuchauszug der S Dienstleistungs AG und schloss daraus auf die Vertretungsbefugnis und Verantwortlichkeit des Berufungswerbers.

 

Herr Jo R berief dagegen mit folgender (zusammengefasst wiedergegebener) Begründung: Schon im erstinstanzlichen Verfahren sei urkundlich nachgewiesen worden, dass J Sch als verantwortlicher Beauftragter für den Standort des Unternehmens in der P in G bestellt worden und für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich sei. Da das Unternehmen in der Abfallentsorgung tätig sei, liege es auf der Hand, dass ein Großteil der von der AG beschäftigten Dienstnehmer nicht direkt in einem Gebäude am Standort, sondern auswärts mit den Lastkraftwägen des Unternehmens diverse Arbeiten verrichteten, vornehmlich durch Einsammeln von Abfällen bzw. Entleeren von Containern und Müllsammelbehältern. Diese Dienstnehmer und ihre Tätigkeit seien aus Sicht des Arbeitsnehmerschutzes eindeutig auch organisatorisch dem Standort in G, P zuzuordnen. Herrn Sch seien spezifische Führungsaufgaben zugewiesen und die selbstverantwortliche Leitung des Standorts übertragen worden, wobei ihm jede Anordnungsbefugnis hinsichtlich der dortigen Mitarbeiter zukomme. Da das gegenständliche Fahrzeug am Standort P zugelassen worden sei, sei leicht ersichtlich, dass der Lkw ausschließlich dem betreffenden Standort in G und nicht dem Unternehmenssitz in Fk zuzuordnen sei. Es wurde beantragt, eine öffentliche Verhandlung durchzuführen, den Beschuldigten zu vernehmen, das Straferkenntnis aufheben und das Verfahren einzustellen.

 

Feststellungen

 

Herr Jo R ist seit 23.06.1994 Vorstand der S Dienstleistungs Aktiengesellschaft, Geschäftsanschrift Fk bei G, Ha-Ro-St, und vertritt gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen. Weitere Vorstandsmitglieder waren seit 17.09.2007 Mag. E Sd und seit 27.03.2002 Fa D. Die genannte AG hat 40 Gewerbeberechtigungen für insgesamt 15 Standorte in mehreren Bundesländern, wobei ihr für den Standort G, P, unter anderem Gewerbeberechtigungen für Müllabfuhr und abfallwirtschaftliche Dienstleistungen erteilt wurden. Am 21.01.2002 unterzeichnete Herr J Sch, geb., der am 05.11.2001 von einer anderen Branche zur S Dienstleistungs Aktiengesellschaft gekommen war, folgende Urkunde mit dem Titel Bestellung von verantwortlichen Beauftragten:

 

Bestellung von verantwortlichen Beauftragten

 

Arbeitgeber, Name und Adresse (Sitz): S Dienstleitungs-AG, C v H-St, G

 

Verantwortlicher Beauftragter, Name: J Sch, geb., wohnhaft: St, M, Dienstort: G, P

 

Sachlicher Zuständigkeitsbereich:

X Einhaltung sämtlicher Verwaltungsvorschriften

X Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften

0 Einhaltung folgender Arbeitnehmerschutzvorschriften

 

Örtlicher Zuständigkeitsbereich: Standort P und Zentrallager Sp, Ma Sa

 

Ist der verantwortliche Beauftragte Arbeitnehmer? X ja / 0 nein

 

Wenn ja: Stellung im Betrieb/Unternehmen: Standortleiter

Führungsaufgaben: leitet den Standort eigenverantwortlich

Befugnisse: Anstellung und Kündigung von Personal, Anordnungsbefugnis zur Einhaltung sämtlicher Verwaltungsvorschriften

 

Zustimmungserklärung des verantwortlichen Beauftragten: Ich stimme der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten für den oben angeführten Bereich zu.

 

Unterschrift, Datum: J Sch, 21.1.2002

 

Unterschrift des Arbeitgebers/der vertretungsbefugten Organe:

 

Diese Urkunde wurde für den Arbeitgeber von einem Prokuristen und vom damaligen Vorstandsmitglied Herrn A Schu unterfertigt. Im Zulassungsschein für den Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen ist die Anschrift G, P, vermerkt. Der Standort P ist der größte der S Dienstleistungs AG mit ca. 170 Arbeitnehmern, umfasst die Entsorgungsbereiche G, G-U, De und V und verfügt über eine Sortieranlage für Leichtverpackungen für die gesamte Steiermark, ausgenommen zwei Bezirke. Zum Fuhrpark des Standorts gehören 45 Lkw je nach Aufgabe verschiedener Fahrzeugtypen, darunter 9 Pressmüllfahrzeuge. Neben der Müllsammlung bezüglich verschiedener Fraktionen wie Restmüll, Papier und Glas ist der Betrieb der erwähnten Sortieranlage eine wesentliche Aufgabe an diesem Standort. Außer Herrn Sch wurde kein weiterer verantwortlicher Beauftragter für den Standort P bestellt. Dieser Standort ist von oben nach unten wie folgt strukturiert: Standortleiter, drei Dispo-Teamleiter und ein Anlagenleiter, jeweils mit verschieden vielen Mitarbeitern und Fahrzeugen. He Rau ist als Einkäufer Fachspezialist für die Pressmüllfahrzeuge, Ru As für die Unterweisung der Fahrer zuständig. Am 27.10.2011 (Donnerstag nach dem Nationalfeiertag) führten T Fr, der seit 1991 bei der Saubermacher Dienstleistung AG als Fahrer beschäftigt ist und Ab Sm, der als Fahrerspringer noch in der Einschulungsphase war, die sogenannte Mittwochstour durch, eine fixe Tour mit fester Reihenfolge, die grundsätzlich zwischen 05.00 und 05.15 Uhr am Standort P beginnt. Am U sollte - als erster derartiger Container an diesem Tag - ein als Umleerer bezeichneter Container entleert werden. Fr stieg zu diesem Zweck aus der Fahrerkabine aus. Sm war erst das erste oder zweite Mal mit ihm bei einer Tour dabei. Die Aufnahmehaken am Pressmüllfahrzeug, die, wenn sie aktiviert sind, die Aufnahmezapfen des Umleercontainers umschließen und dessen Auskippen aus den beiden Aufnahmelagern beim Entleeren verhindern sollen, waren verrostet und nicht aktiviert, der zur Aktivierung dienende Hebel an der dafür vorgesehenen Stelle gar nicht vorhanden. Für Fr wären die Aufnahmehaken ohnedies nicht hilfreich gewesen, weil damit der Container nur mit Mühe leer zu bekommen gewesen wäre. Wären die Aufnahmehaken benutzt worden, hätte der Entleervorgang mehrmals wiederholt werden müssen und es hätte jemand in den Container hineinsteigen müssen. Da das Entleeren in diesem Fall 30 bis 35 Minuten gedauert hätte, verzichteten die beiden Arbeitnehmer generell auf den Einsatz der Aufnahmehaken. Als der Umleercontainer mit der Seilwinde angehoben wurde, kippte er seitlich aus den Aufnahmelagern und verletzte beide Arbeitnehmer.

 

Beweiswürdigung

 

Ing. Mi Gl, der nach der Unfallmeldung am 27.10.2011 den Sachverhalt an Ort und Stelle aufnahm und die Anzeige verfasste, bestätigte als Zeuge vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat die darin enthaltenen Angaben, sodass die entsprechenden Feststellungen getroffen werden konnten. Auf dem Firmenbuchauszug FN und den angeschlossenen Gewerbeberechtigungen beruhen die daraus hervorgehenden Feststellungen. Zum Thema Bestellung des verantwortlichen Beauftragten J Sch ist auf die betreffende Urkunde vom 21.01.2002 zu verweisen, die dem Arbeitsinspektorat auch zugekommen ist. J Sch machte als Standortleiter wesentliche Aussagen zur Gliederung des Standortes und den Aufgaben, die von dort aus ausgeführt werden. Auf Grund der Aussagen der beiden beteiligten Arbeitnehmer T Fr und Ab Sm konnten die Feststellungen zur Tour am 27.10.2011 und dem Zustand des Aufnahmehakens und Hebels zu dessen Betätigung bzw. zum Fehlen des Hebels getroffen werden. Die weiteren Aussagen der vernommenen Personen beziehen sich auf Aspekte, die nur in dem Fall relevant wären, als die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Berufungswerbers und seiner beiden Co-Vorstände erwiesen wäre, was jedoch nicht der Fall ist. Daher kann auf die Wiedergabe der Aussage und die entsprechende Beweiswürdigung verzichtet werden.

 

Rechtliche Beurteilung

 

§ 35 Abs 4 ASchG:

 

Eine kombinierte Benutzung von Arbeitsmitteln, die nicht von den Herstellern oder Inverkehrbringern vorgesehen ist, ist nur zulässig, wenn

1.

die Verträglichkeit der Arbeitsmittel gewährleistet ist,

2.

eine Gefahrenanalyse durchgeführt wurde und

3.

sie auf den in der Gefahrenanalyse festgelegten Bereich beschränkt wird und erforderlichenfalls zusätzliche Einschränkungen und Maßnahmen auf Grund der Gefahrenanalyse getroffen sind.

 

§ 2 Abs 1 und 2 Arbeitsmittel-Verordnung:

 

(1) Arbeitsmittel im Sinne dieser Verordnung sind alle Maschinen, Apparate, Werkzeuge, Geräte und Anlagen, die zur Benutzung durch ArbeitnehmerInnen vorgesehen sind. Zu den Arbeitsmitteln gehören insbesondere auch Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern, Aufzüge, Leitern, Gerüste, Dampfkessel, Druckbehälter, Feuerungsanlagen, Behälter, Silos, Förderleitungen, kraftbetriebene Türen und Tore sowie Hub-, Kipp- und Rolltore.

(2) Benutzung im Sinne dieser Verordnung umfasst alle ein Arbeitsmittel betreffende Tätigkeiten wie In- und Außerbetriebnahme, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung, Wartung und Reinigung.

 

§ 9 VStG:

 

(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

(3) Eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

(5) Verletzt der verantwortliche Beauftragte auf Grund einer besonderen Weisung des Auftraggebers eine Verwaltungsvorschrift, so ist er dann nicht verantwortlich, wenn er glaubhaft zu machen vermag, dass ihm die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift unzumutbar war.

(6) Die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des Abs 1 sowie Personen im Sinne des Abs 3 bleiben trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten - unbeschadet der Fälle des § 7 - strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben.

(7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

 

§ 23 Abs 1 ArbIG:

 

Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs 2 VStG.

 

Im Berufungsfall ist beurteilen, ob J Sch auf Grund der Urkunde vom 21.01.2002 rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten bestellt und die Verantwortung des Berufungswerbers als nach § 9 Abs 1 VStG vertretungsbefugtes Vorstandsmitglied dadurch ersetzt wurde.

Die erstinstanzliche Behörde vertrat den Standpunkt, dem Arbeitsinspektorat sei für die auswärtige Arbeitstelle (G, U) keine rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten zugegangen, eine Bestellung für den Standort P sei für das gegenständliche Verfahren nicht relevant. Sie folgte damit der vom Arbeitsinspektorat Graz vertretenen Auffassung, das im Schlusswort bei der Verhandlung am 25.04.2013 dazu Folgendes vorbrachte: J Sch sei dem Arbeitsinspektorat mit Datum 08.02.2002 gemeldet worden, wobei in der Meldung der örtliche Zuständigkeitsbereich eindeutig mit der Angabe der Adresse festgelegt worden sei. Am 31.03.2010 sei eine Ergänzung zur Bestellung von verantwortlichen Beauftragten für den Standort P für J Sch vorgelegt worden, indem der örtliche Zuständigkeitsbereich um die Arbeitsstellen G, W, die Deponie Un und die Deponie Fk/L erweitert worden sei. Dies zeige, dass die S Dienstleistungs AG die räumliche Zuständigkeit des Herrn Sch von der konkreten Arbeitsstätte P auf konkrete Arbeitsstellen erweitert habe. Daher liege keine Zuständigkeit des Herrn Sch für die Sammelstellen außerhalb der für ihn räumlich abgegrenzten Bereiche vor. Seine Zuständigkeit sei nicht zB. für sämtliche Sammelstellen bestimmter Bezirke, Gemeinden oder das Land/Bundesgebiet festgesetzt worden, wodurch eine klare räumliche Zuständigkeit möglich gewesen wäre. Für das Arbeitsinspektorat bestehe kein Zweifel, dass die örtlichen Zuständigkeiten eindeutig festgelegt wurden und darin die auswärtigen Arbeitsstellen (Sammelstellen, konkrete Unfallstelle) nicht umfasst seien, weshalb Herr Sch im konkreten Fall nicht als verantwortlicher Beauftragter anzusehen sei.

 

Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die Frage der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Berufungsfall im Hinblick auf die in der Urkunde vom 21.1.2002 festgelegte örtliche und sachliche Zuständigkeit wie folgt zu beurteilen:

Zuvor ist bezüglich des Umstands, dass die Urkunde vom 21.01.2002 nur von einem damals bestellten Vorstandsmitglied unterfertigt ist, das zur Tatzeit nicht mehr Vorstandsmitglied war, und der daran anknüpfenden Frage, ob die Bestellung für die anderen Vorstandsmitglieder wirksam ist, die nicht unterfertigt haben, auf § 23 Abs 1 ArbIG hinzuweisen. Danach wird die Vorlage einer schriftlichen Bestellungsurkunde und deren firmenmäßige Fertigung durch den Arbeitgeber als Gültigkeitserfordernis zum Nachweis der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragen nicht verlangt (VwGH 26.03.1998, 97/11/0332). Die Bestellung gilt somit auch für die drei zur Verantwortung gezogenen Vorstände, die die Urkunde nicht unterfertigt haben. Diese Urkunde ist auch insofern klar, als der Arbeitgeber mit S Dienstleitungs-AG C v H-St G (die Adresse bezieht sich auf den damaligen Sitz der AG) bezeichnet ist und die Zustimmungserklärung des verantwortlichen Beauftragten aus der Zeit vor Tatbegehung stammt. Als Standortleiter hat Herr Sch auch die entsprechende Anordnungsbefugnis. Zur Klärung der Bedeutung der Punkte 3.) und 4.) der Urkunde, in denen der sachliche Zuständigkeitsbereich mit Einhaltung sämtlicher Verwaltungsvorschriften/Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften und der örtliche Zuständigkeitsbereich mit (unter anderem) Standort P bezeichnet sind, ist insbesondere zu fragen, woran die Einhaltung sämtlicher Verwaltungsvorschriften / Arbeitnehnmerschutzvorschriften anknüpft. Hinsichtlich beider Punkte des Straferkenntnisses ist dies ein bestimmter für den Standort P zugelassener Lkw, ein für die Müllsammlung eingesetztes Pressmüllfahrzeug, welches ein Arbeitsmittel im Sinn des § 2 Abs 1 AM-VO ist. Dieses Müllsammelfahrzeug, das im Rahmen der für diesen Standort erteilten Gewerbeberechtigung von Anfang an für den Zweck bestimmt war und zu dem Zweck verwendet wird, den Standort zum Müllsammeln zu verlassen und danach wieder an den Standort zurückzukehren, um den gesammelten Müll dort abzuladen, wird nur zu einem geringen Teil am Standort selbst, zum größten Teil außerhalb desselben eingesetzt. Im konkreten Fall handelte es sich um die Mittwochstour im Entsorgungsbereich G, wobei mit einem Lkw ein an der Adresse U befindlicher Container zu entleeren war. Unbestritten ist, dass die betreffende Arbeitsnehmerschutzvorschrift verlangt, dass der intakte Zustand der Schutz- und Sicherheitseinrichtungen (des Aufnahmehakens einschließlich des für dessen Aktivierung nötigen Hebels) an diesem Lkw immer gewährleistet sein muss. Eingehalten werden müssen die Arbeitnehmerschutzvorschriften hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen (bereits) am Standort, wo vom Arbeitgeber die entsprechenden Anweisungen zu erteilen, deren Einhaltung zu überwachen und die konkreten Maßnahmen (z.B. Instandsetzung, Reparaturen, Unterweisung, Evaluierung) umzusetzen sind. Lebensfremd wäre die Annahme, dass der Verantwortliche seine Pflichten erst wahrnehmen müsste, wenn der Lkw außerhalb des Standorts zum Müllsammeln eingesetzt wird. Würde man der Argumentation der erstinstanzlichen Behörde und des Arbeitsinspektorates folgen, müsste für jeden Ort, an dem der Lkw gerade verwendet wird, ein eigener verantwortlicher Beauftragter bestellt werden. Dem gegenüber ist es aber so, dass sich die Art der Verwendung bzw. Benutzung des Lkw bei Überschreiten der Standortgrenze nicht ändert, sondern gleich bleibt und von der Örtlichkeit, an dem er sich gerade befindet, unabhängig ist. Der Umschreibung des örtlichen Zuständigkeitsbereichs mit Standort P in der Urkunde vom 21.1.2001 kann in diesem Sinn keine andere Bedeutung entnommen werden. Ist die Verantwortung für die Sicherheitseinrichtungen am Lkw am Standort einmal gegeben, ändert sich daran nichts - zumal nicht bei einem Müll-Sammelunternehmen - wenn dieser Lkw bestimmungsgemäß vom Standort aus eingesetzt wird. Daraus ergibt sich im Berufungsfall die ungeteilte Verantwortung des verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der laut Straferkenntnis verletzten Verwaltungsvorschriften.

Hingegen ist der Berufungswerber für die beiden ihm vorgeworfenen Übertretungen nicht verantwortlich. Der Berufung ist Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.

Schlagworte
Bestellungsurkunde; verantwortlicher Beauftragter; örtlicher Zuständigkeitsbereich; Abfallsammler; Pressmüllfahrzeug
Zuletzt aktualisiert am
13.08.2013
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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