TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/11 D13 412761-1/2010

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Veröffentlicht am 11.07.2013
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Spruch

D13 412761-1/2010/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX StA. der Ukraine, gegen die Spruchpunkte II. und III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 22.03.2010, FZ. 09 10.640-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2013 zu Recht erkannt:

 

I. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine zuerkannt.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 11.07.2014 erteilt.

 

III. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Ukraine, wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte am 03.09.2009 durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung am 03.09.2009 gab die Mutter der Beschwerdeführerin an, dass die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe habe und die gleichen Gründe wie für die Mutter gelten würden.

 

Die Mutter legte die österreichische Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin vor.

 

Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde am 12.11.2009 vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die ukrainische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab an, dass die Beschwerdeführerin mit einer XXXX zur Welt gekommen sei. Es sei ein MRT gemacht worden und es sei vermutlich nicht so gefährlich. In drei Monaten müsse sie zur Kontrolle. Die Ärzte seien sich nicht einig, was das sei. Sie habe keine Befunde bekommen.

 

Die Mutter der Beschwerdeführerin gab unter anderem an, dass sie ausgereist sei, weil sie schwanger geworden sei und nicht mehr länger dort bleiben habe können. Sie habe einen festen Wohnsitz gebraucht. Der Vater der Beschwerdeführerin, XXXX, sei in sein Heimatland XXXX gefahren. Sie habe derzeit keinen Kontakt zu ihm. Eine offizielle Arbeit habe sie in KIEW nicht finden können. Das sei praktisch nicht möglich. Zu ihrer Mutter nach XXXX könne sie nicht zurückkehren. Ihre Mutter habe nie viel übrig gehabt für sie. Sie habe sie nie unterstützt. Nachdem sie von der Schwangerschaft erfahren habe, habe sie das dem Bruder erzählt. Sie wissen auch von der XXXX der Beschwerdeführerin. Deshalb dürfe die Mutter der Beschwerdeführerin nicht mehr nach Hause. Im Falle ihrer Rückkehr würde sich die Mutter der Beschwerdeführerin Sorgen wegen der XXXX der Beschwerdeführerin machen. Es gebe viele Überfälle auf XXXX in der Ukraine. Sie mache sich auch Sorgen, weil sie keine Wohnung habe und dass ihr Bruder dem Kind etwas antun würde.

 

Mit Schreiben vom 12.11.2009 richtete das Bundesasylamt eine Anfrage an die Staatendokumentation zu den Fragen, welche Unterstützungsmöglichkeiten bzw. Sozialleistungen der Mutter der Beschwerdeführerin als alleinerziehende Mutter bei einer Rückkehr zur Verfügung stehen würden, ob ihr Lebensunterhalt bzw. ihre wirtschaftliche Existenz gewährleistet wäre und ob die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer XXXX Diskriminierungen oder Gefährdungen in der Ukraine ausgesetzt wäre.

 

Der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 20.11.2009 ist kurz zusammengefasst Folgendes zu entnehmen: Ukrainische Staatsbürger, Ausländer, Staatenlose und Flüchtlinge, die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in der Ukraine haben, haben Anspruch auf soziale Unterstützung seitens des ukrainischen Staates. Der ukrainische Staat bezahlt Kindergeld. Auch alleinstehenden Frauen steht Unterstützung zu. Seitens der ukrainischen Regierung gibt es keine gesonderte Unterstützung für die Wiedereingliederung in die Ukraine heimkehrender Staatsbürger. Die Unterstützung bei der Unterbringung Obdachloser gilt auch für ukrainische Heimkehrer. Es sei der Staatendokumentation nicht möglich eine Aussage darüber zu treffen, ob Lebensunterhalt und wirtschaftliche Existenz der Mutter der Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführerin in der Ukraine tatsächlich gewährleistet seien. Die Staatendokumentation könne lediglich Quellen zusammentragen. Die CARITAS unterstütze Rückkehrer mit Kleidung, bei der Arbeitssuche. Es gebe eine Unterkunft in KIEW, wo Rückkehrer bleiben können. Die Behörden führen keine offizielle Statistik über rassistisch motivierte Vorfälle oder damit zusammenhängende Verurteilungen. Medien und NGOs sprechen aber von einem signifikanten Anstieg von Gewaltakten gegen Angehörige verschiedener Minderheiten, besonders im ersten Quartal 2008.

 

Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde am 11.01.2010 vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, in Anwesenheit eines Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab zur gesundheitlichen der Beschwerdeführerin befragt an, dass die Ärzte nach wie vor nicht genau wissen, was die Beschwerdeführerin habe. Sie habe heute aber Befunde mit. Abgesehen von der Muskelhypertrophie sei die Beschwerdeführerin aber gesund.

 

Der Mutter der Beschwerdeführerin wurden die Ermittlungsergebnisse der Staatendokumentation zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu beziehen. Darauf verzichtete sie. Der Mutter der Beschwerdeführerin wurde vorgehalten, dass aufgrund der Länderfeststellungen ersichtlich sei, dass für alleinerziehende Mütter staatliche Unterstützung vorgesehen sei. Die Mutter Beschwerdeführerin sagte, was solle sie mit einem Kind machen, dass eine XXXX habe. Auf Vorhalt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer XXXX keiner Gefährdung im Herkunftsstaat ausgesetzt sei, entgegnete die Mutter der Beschwerdeführerin, sie habe das so verstanden, dass sich die Situation seit 2008 hinsichtlich rassistischer Übergriffe verschlechtert habe. Ihr stelle sich auch die Frage, wo sie dann wohnen soll. Es sei laut Länderfeststellungen schwer, eine Wohnung zu bekommen. Wenn die Verwandten ihr helfen könnten, wäre sie nicht hier.

 

Die Beschwerdeführerin bzw. ihre gesetzliche Vertreterin legten folgende Beweismittel vor:

 

Kurzbericht des XXXX vom 06.10.2009, wonach die Beschwerdeführerin von 28.09.2009 bis 06.10.2009 wegen "Hämangiom links buccal" in stationärer Behandlung gestanden sei;

 

Arztbrief des XXXX, Abteilung für Plastische Chirurgie, vom 30.11.2009, wonach bei der Beschwerdeführerin einen Muskelhypertrophie festgestellt worden sei;

 

MR- Befund des XXXX vom 24.11.2009.

 

Mit Bescheid vom 22.03.2010, Zahl: 09 10.640-BAT, wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine ab (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine aus (Spruchpunkt III.). Beweiswürdigend wurde kurz zusammengefasst festgehalten, dass die gesetzliche Vertreterin befürchte, dass die Beschwerdeführerin wegen ihrer XXXX Opfer von Übergriffen werden könnte. Die Länderfeststellungen haben jedoch eindeutig ergeben, dass die Verfassung und diverse Gesetze den Schutz XXXX Gruppen vorsehen bzw. rassistisch motivierte Übergriffe verbieten. Auch wenn sich in Teilen der ukrainischen Gesellschaft das Klima gegenüber Minderheiten verschlechtert habe, so habe dieses Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt seien und sei eine mangelnde Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der ukrainischen Regierung gegenüber Minderheiten nicht gegeben. Bei der Beschwerdeführerin sei auch keine lebensgefährliche Erkrankung noch keine speziell erforderliche medizinische Behandlung feststellbar.

 

Dagegen wurde mit formularartigem Schriftsatz vom 07.04.2010 fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts erhoben und die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt. Die Mutter der Beschwerdeführerin erwähnte erneut, dass die Beschwerdeführerin eine XXXX habe und sich die Situation in der Ukraine seit 2008 hinsichtlich rassistischer Übergriffe sehr verschlechtert habe.

 

Mit Schriftsatz vom 09.08.2011 gab die Mutter der Beschwerdeführerin bekannt, dass sie einen Mitarbeiter von XXXX mit ihrer Vertretung beauftragt habe.

 

Mit Schreiben vom 25.02.2013 übermittelte die Mutter der Beschwerdeführerin einen Schriftsatz. Bezugnehmend auf die bevorstehende Verhandlung möchte sie vorbereitend die Unterlagen zur Integration vorlegen. Weiters möchte sie auch auf die derzeitige Lage betreffend Rassismus in der Ukraine hinweisen und zitierte die Mutter der Beschwerdeführerin hierzu diverse Länderberichte. Daraus ergebe sich, dass sich die Lage bezüglich Xenophobie und Rassismus nicht bloß, wie bereits im Zuge der Länderrecherche während des erstinstanzlichen Verfahrens festgestellt, seit 2008 verschlechtert habe, sondern dass diese Talfahrt sich seither fortgesetzt habe, was sich nicht zuletzt durch die Wahlergebnisse 2012, in der die rechtsgerichtete Partei "Swoboda" erstmals mit einem Wahlergebnis von rund 10 Prozent ins Parlament eingezogen sei, zeige. Da die Beschwerdeführerin durch ihren XXXX Vater als XXXX Minderheit gelte, hätte auch sie bereits als Kind mit diesem Problemen zu kämpfen. Sie verweise auf die UN- Kinderrechtskonvention, die in Österreich in Verfassungsrang stehe. Im Falle einer Rückkehr drohe der minderjährigen Beschwerdeführerin regelmäßig massive Diskriminierung bis hin zu körperlichen Übergriffen, was einem Kind angesichts der Kinderrechtskonvention keineswegs zumutbar wäre. Auch in der Judikatur des Asylgerichtshofes sei in vergleichbaren Fällen bereits Asyl gewährt worden. Die Mutter der Beschwerdeführerin zitierte aus einem Erkenntnis betreffend ein Mädchen, dessen Mutter aus der Ukraine und dessen Vater aus Afghanistan stamme (Asylgerichtshof 15.12.2009, C2 401.144-1/2008). Auch die Beschwerdeführerin und ihre Mutter gehören damit in Gesamtschau der aktuellen Länderberichte sowie der Judikatur des AsylGH einer sozialen Gruppe an, die einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei.

 

Die Mutter der Beschwerdeführerin legte folgende Beweismittel vor:

 

Teilnahmebestätigung der XXXX vom 28.01.2013, wonach die Mutter der Beschwerdeführerin seit Mai 2011, derzeit laufend, regelmäßig am Deutschkurs für Fortgeschrittene teilnehme;

 

Bestätigung der XXXX vom 22.02.2013, wonach die Beschwerdeführerin seit September 2012 im Kindergarten angemeldet sei, bis dato den Kindergarten an 28 Tagen besucht habe und die restliche Zeit Großteils unentschuldigt nicht anwesend gewesen sei;

 

Schreiben von XXXX vom 11.02.2013, wonach sie einen landwirtschaftlichen Betrieb habe und die Mutter der Beschwerdeführerin anstellen und bei sich wohnen lassen möchte.

 

Der Asylgerichtshof erhob Beweis durch folgende Handlungen:

 

Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesasylamtes der minderjährigen Beschwerdeführerin und jenen ihrer Mutter.

 

Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.04.2013 vor dem erkennenden Senat des Asylgerichtshofes, an welcher die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin, deren Rechtsvertreterin sowie eine Dolmetscherin für die russische und ukrainische Sprache teilgenommen haben (Zum exakten Inhalt wird auf die Niederschrift verwiesen, vgl. OZ 11Z).

 

In dieser Verhandlung zog die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertreterin, nach eingehender und detaillierter Belehrung durch den vorsitzenden Richter über die rechtlichen Folgen und insbesondere die Rechtskraftwirkungen sowie nach Rücksprache mit ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin, die Beschwerde der minderjährigen Beschwerdeführerin hinsichtlich Spruchpunkt I. des o.a. Bescheides zurück. Somit erwuchs Spruchpunkt I. des o.a. Bescheides vom 22.03.2010, Zahl: 09 10.640-BAT, damit in Rechtskraft. Ihre Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des o.a. Bescheides vom 22.03.2010 hielt die minderjährige Beschwerdeführerin vertreten durch ihre Mutter jedoch ausdrücklich aufrecht.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Zur Person der minderjährigen Beschwerdeführerin wird Folgendes festgestellt:

 

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Ukraine und wurde am XXXX in Österreich geboren. Sie führt die im Spruch genannte Identität. Sie ist die Tochter der XXXX (Zl. D13 412760-1/2010), welcher mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF gewährt wurde.

 

Festgehalten wird weiters, dass die Beschwerdeführerin unter keinen schweren oder chronischen Krankheiten leidet, die unter Zugrundelegung der vorgelegten Länderberichte die Gewährung von originärem subsidiärem Schutz rechtfertigen würden. Auch anderweitige Gründe, die die Gewährung originären subsidiären Schutzes rechtfertigen würden, konnten nicht festgestellt werden.

 

Festzustellen ist weiters, dass die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin als deren gesetzliche Vertreterin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung die Beschwerde der minderjährigen Beschwerdeführerin hinsichtlich Spruchpunkt I. des o.a. Bescheides vom 22.03.2010, Zahl: 09 10.640-BAT, zurückzogen und dieser Spruchpunkt damit in Rechtskraft erwuchs.

 

2. Rechtliche Beurteilung:

 

2.1. Gemäß § 23 AsylGHG idF BGBl. I Nr. 147/2008 sind - soweit sich aus dem AsylG 2005 nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Da der vorliegende Antrag auf internationalen Schutz erst am 03.09.2008 gestellt wurde, kommt das AsylG 2005 zur Anwendung.

 

Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2.2. Wie bereits vom Bundesasylamt festgestellt liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet:

 

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von

 

einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

einem Asylwerber

 

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

diese nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3);

 

die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

 

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn,

 

dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3);

 

die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

 

gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

 

dem Familienangehörigen nicht der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter der Voraussetzung der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 MRK" und der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist.

 

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

 

Nach dem obzitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jener Kinder durch Art 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

 

Da der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin durch die oben genannte subsidiäre Schutzgewährung gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF das stärkste Recht gewährt wurde, hat auch die minderjährige Beschwerdeführerin als deren Familienangehörige gemäß § 34 Abs. 4 leg. cit. das Recht, einen gesonderten Bescheid mit demselben Inhalt zu erhalten.

 

2.3. Zu Spruchpunkt I.:

 

Wird einem Fremden der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.

 

§ 8 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 1 AsylG beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates des Antragstellers, in dem für den Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

 

Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

 

Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).

 

Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königsreich).

 

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht entscheidend.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

 

Den Fremden trifft somit eine Mitwirkungspflicht, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und dieses zumindest glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer derartigen Gefahr ist es erforderlich, dass der Fremde die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und, dass diese Gründe objektivierbar sind.

 

Wie bereits oben unter Punkt II.1. festgestellt ist die minderjährige Beschwerdeführerin die Tochter der XXXX (Zl. D13 412760-1/2010), welcher mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag, Zl. D13 412760-1/2010/15E, der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF gewährt wurde. Da im gegenständlichen Fall der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin subsidiärer Schutz gewährt wurde und überdies keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin ein Familienleben mit dem antragstellenden Angehörigen in einem anderen Staat möglich wäre, war der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF ebenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren.

 

2.4. Zu Spruchpunkt II.:

 

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.

 

Gemäß leg. cit. gilt die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über den Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

Der Asylgerichtshof hat der minderjährigen Beschwerdeführerin mit gegenständlichem Erkenntnis den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. in der Dauer von einem Jahr, beginnend mit der rechtskräftigen Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses, zu erteilen war.

 

Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung liegt innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens und war im erfolgten Ausmaß zu bewilligen, da im Fall der minderjährigen Beschwerdeführerin eine Änderung der Sachlage in nächster Zukunft nicht zu erwarten ist.

 

2.5. Zu Spruchpunkt III.:

 

Aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ersatzlos zu beheben.

 

2.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren, subsidiärer Schutz
Zuletzt aktualisiert am
19.07.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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