TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/12 E13 417744-1/2011

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Veröffentlicht am 12.07.2013
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Spruch

E13 417.744-1/2011-11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. STEININGER, als Vorsitzenden und den Richter DDr. KINZLBAUER LL.M., als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. der Islamischen Republik Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.01.2011, Zl. 10 08.502-BAW, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylgerichtshof nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:

 

I.1. Bisheriger Verfahrenshergang

 

I.1.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als "bP" bezeichnet), ein männlicher Staatsangehöriger der Islamischen Republik Pakistan (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), brachte am 13.09.2010 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Im Zuge ihrer Erstbefragung führte die bP aus, dass sie im November 2009 nach Gujranwala gereist wäre. Danach wäre sie über Quetta zur iranischen Grenze gebracht worden. Diese hätte sie zu Fuß überquert und wäre dann mit verschiedenen Fahrzeugen bis nach Italien gebracht worden, wo sie sich mehrere Monate lang aufgehalten hätte, bevor sie mit dem Zug von Rom nach Österreich gereist wäre.

 

Zum Fluchtgrund befragt führte sie folgend aus:

 

"Ich arbeite in einer Kugelschreiberfabrik und wir arbeiten immer bis ca. 11 Uhr in der Nacht. Als ich von der Arbeit mit meinem Motorrad der Marke "Chaincan", Kennzeichen weiß ich nicht, nach Hause fahren wollte, wurde ich von unbekannten Personen angehalten, sie wollten mir mein Motorrad und mein Handy rauben. Ich konnte mit dem Motorrad davonfahren, jedoch mein Handy hatten sie bereits genommen. Die Männer haben mir nachgeschossen und einer der Männer hat dabei einer seiner Komplizen getroffen. Zwei oder Drei Tage später, schossen diese Männer wieder auf der gleichen Straße, als ich von der Arbeit nach Hause unterwegs war, auf mich, aber sie haben mich wieder nicht getroffen. Da sie mein Handy hatten, haben sie mich mehrmals angerufen und mich mit dem Umbringen bedroht. Aus diesem Grund habe ich mein Heimatland verlassen.

 

Frage: Wann und wo genau fanden diese beiden Vorfälle statt?

 

Antwort: Das erste Mal war im November 20098, ich kann aber kein Datum angeben, ich weiß auch nicht, ob es Anfang, Mitte oder Ende November war. Der Zweite Vorfall war 2 Tage später. Das erste Mal war auf der Kotshaha Road, in welcher Höhe kann ich nicht angeben, es war in einer Kurve. Es war ca. 13 Minuten später, nachdem ich von der Arbeit weggefahren bin. In der Höhe des Vorfallsortes war keine Wahnhäuser, es waren dort Geschäfte, die Häuser waren noch im Bau.

 

Frage: Wie lange fuhren sie immer von der Arbeit nach Hause?

 

Antwort: Ca. 20 Minuten.

 

Frage: Wie viele Personen Haben sie bei diesem Vorfällen überfallen. Können Sie diese Personen beschreiben? Waren es immer dieselbe Anzahl und dieselben Personen?

 

Antwort: Beim ersten Überfall waren es 3 männliche Personen, sie maskiert, sie haben alle 3 einen schwarzen Schal um den Kopf gebunden gehabt. Sie haben alle ein traditionelles Gewand "Salwar Kameez" angehabt. Einer hatte ein blaues, einer ein schwarzes und einer ein braunes Gewand an. Alle Drei hatten auch eine Pistole, ich kenne aber die Marke nicht. Beim zweiten Vorfall kann ich nicht angeben, wie viele Personen es waren, weil ich sie nicht gesehen habe, ich habe nur gehört, dass sie riefen "Halt, bleib stehen" und danach haben sie mir nachgeschossen. Ich aber weiter gefahren.

 

Frage: Wo sind diese Personen beim ersten Vorfall gestanden? Sind sie auch mit dem Motorrad gestanden?

 

Antwort: Einer stand hinter mir, einer lins und einer Rechts von mir. Ich bin auf meinem Motorrad gesessen und bin mit dem Motorrad gestanden als sie mich ausrauben wollten. Nachdem ich mit dem Motorrad weggefahren bin, versuchte der Mann links neben mir nach vorne zu laufen, um mich anzuhalten, der Mann hinter mir, hat daraufhin das Feuer eröffnet und dabei den Mann links von mir getroffen. Ich konnte ohne angehalten und ohne getroffen zu werden, weiter fahren.

 

Frage: Kennen Sie diese Leute?

 

Antwort: Ich kenne diese Leute nicht.

 

Frage: Haben sie bei der Polizei eine Anzeige wegen dem Überfall gemacht?

 

Antwort: Zu dieser Zeit gab es in dieser Gegend sehr viele Überfalle und auch sehr viele Einbruchsdiebstähle. Da die Polizei sowieso von diesen kriminellen Handlungen weiß, habe ich keine Anzeige macht.

 

Frage: Wo und wie oft wurden sie von diesen Männern angerufen? Was haben ihnen diese Personen bei den Anrufen gesagt?

 

Antwort: Ich wurde zu Hause auf dem Festnetz angerufen. Ich wurde 3 bis 4 Mal nach dem zweiten Vorfall von den Leuten angerufen. Das erste Mal wurde ich einen Tag nach dem zweiten Vorfall zu Hause angerufen, dann haben sie 1 Tag nicht angerufen und am Tag darauf haben sie 3 Mal angerufen. Den ersten Anruf erhielt ich um 9 Uhr in der Früh. Ich war zu Hause, meine Schwester hat mich zum Telefon geholt und ich habe mit ihnen telefoniert. Bei diesem Telefonat sagten sie mir "Deinetwegen ist einer von uns angeschossen und verletzt worden. Wir werden Dich nicht in Ruhe lassen." Die anderen 3 Telefonate waren alle an einem Tag, alle zwischen 16 und 17 Uhr Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause, ich war in der Arbeit. Einmal hat meine Schwester Farhad und meine Mutter gesagt, dass sie mich töten werden. Aufgrund dieser Bedrohungen habe ich beschlossen mein Heimatland zu verlassen. Außerdem gibt es in unserem Dorf den Konflikt zwischen Shiiten und Sunniten. Vor 3 oder 4 Jahren wurden Shiiten in unserem Dorf von Sunniten getötet. Mein Vater wurde auch von Sunniten ohne Grund ins Gefängnis gebracht. Da ich auch Shiite bin befürchte ich, dass ich mit dem Sunniten Probleme bekomme oder auch von den Sunniten getötet werden könnte. Das sind alle meine Fluchtgründe. Andere Fluchtgründe habe ich nicht vorzubringen."

 

Ihre niederschriftliche Einvernahme vor dem BAA gestaltete sich im Wesentlichen folgend:

 

"....

 

Frage: Wann haben Sie sich zur Ausreise entschlossen?

 

Antwort: Ca. drei Tage vor meiner Ausreise.

 

Frage: Und warum zu diesem Zeitpunkt?

 

Antwort: Als ich eines Nachts nach Hause unterwegs war, gab es einen Unfall bei dem jemand verletzt wurde, ich wurde daraufhin von Leuten für diesen Unfall verantwortlich gemacht.

 

Frage: Schildern Sie Ihre Ausreise nach Europa.

 

Antwort: Ich bin von Quetta in den Iran gebracht worden, von dort weiß ich nicht. Dann haben die mich in einem Container nach Italien, Napoli gebracht, dort war ich drei bis vier Monate aufhältig, danach wollte ich weiter nach Deutschland reisen, deswegen habe ich mir eine Bahnkarte nach Wien gekauft, in Wien wurde ich aber dann festgenommen.

 

Frage: Warum wollten Sie über Wien nach Deutschland reisen?

 

Antwort: Das Ticket hat mir ein anderer Pakistani gekauft, er sagte, ich solle nach Wien und von dort weiter nach Deutschland fahren, ich wollte eigentlich nach Frankfurt fahren.

 

Frage: Wollten Sie aus einem speziellen Grund nach Frankfurt?

 

Antwort: Ein weitschichtiger Verwandter aus meinem Dorf lebt dort, ich wollte zu ihm fahren.

 

Frage: Wo haben Sie sich überall aufgehalten, wenn Sie im Oktober 2009 Pakistan verlassen haben und im September 2010 in Österreich festgenommen wurden?

 

Antwort: Unterwegs weiß ich nicht wie das Land geheißen hat, dort war eine Farm auf welcher der Schlepper uns vier Monate warten ließ.

 

Frage: Haben Sie in Österreich Verwandte/Angehörige/Familie?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Führen Sie in Österreich ein Familienleben oder eine Lebensgemeinschaft?

 

Antwort: Nein, ich wohne nur mit einigen Landsleuten zusammen.

 

Frage: Sprechen Sie Deutsch?

 

Antwort: Nein, ich gehe aber gerade in einen Deutschkurs.

 

Frage: Waren Sie in Pakistan politisch oder religiös tätig?

 

Antwort: Ja, bei der XXXX.

 

Frage: Was ist das für eine Organisation?

 

Antwort: Eine Shiitische Organisation.

 

Frage: Was haben Sie dort gemacht?

 

Antwort: Mein Aufgabe war, wenn es eine religiöse Versammlung gab, ich habe mit anderen Leuten die Sitzplätze organisiert und für die Verpflegung gesorgt, ich war auch der Kassier.

 

Frage: Wie hoch war das Budget welches Sie verwaltet haben?

 

Antwort: Ca. 700.000 bis 800.000 Rupien im Jahr.

 

Frage: Wie wurden die Finanzen genau verwaltet für die Organisation?

 

Antwort: Wie ich gesagt habe, ich habe die Sitzplätze organisiert und die Verpflegung, es musste alles mit den Spenden bezahlt werden.

 

Frage: Waren Sie offizielles Mitglied?

 

Antwort: Ja. Befragt gebe ich an, dass ich seit vier oder fünf Jahren Mitglied bin.

 

Frage: Besitzen Sie einen Mitgliedsausweis?

 

Antwort: Ja in Pakistan.

 

....

 

Frage: Bitte nennen Sie Ihre Fluchtgründe. Geben Sie diese bitte konkret und detailgenau an. Warum haben Sie Pakistan verlassen?

 

Antwort: Wir haben vor zwölf oder dreizehn Jahren eine Schule für Schiiten gebaut, eine sunnitische Organisation hat dann das ganze Gebäude zerstört, die Polizei hat zwar einige Leute verhaftet aber sonst nicht viel gemacht. Vor vier Jahren haben die meinen Vater geschlagen und den rechten Fuß meines Vaters haben diese Leute dabei gebrochen, im Jahr 2009 haben mich Leute auf der Straße aufgehalten und mir nachgeschossen, einen von den drei hat dabei zufälligerweise ein Schuss getroffen und er ist dabei ums Leben gekommen, danach haben die begonnen mich überall zu suchen.

 

Frage: Waren das alle Fluchtgründe? Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

 

Antwort: Das waren alle Fluchtgründe.

 

Frage: Schildern Sie jetzt detailliert diesen Überfall auf Sie im Jahr 2009 - was ist dabei genau geschehen?

 

Antwort: Ich habe meine Arbeit in der Fabrik fertig gemacht und habe um 23 Uhr meine Schicht beendet, ich war dann unterwegs unmittelbar vor meinem Dorf, dort gibt es keine Beleuchtung auf der Straße, kam ein Mann vor mein Moped und hielt mich auf, er nahm mir gleich mein Handy ab, einer von denen lief hinter mir her und ein anderer hat auf mich geschossen der andere lief auch hinter mir her, dabei ist der Mann welcher hinter mir herlief angeschossen worden und ums Leben gekommen.

 

Frage: Schildern Sie es noch mal, sie waren also mit dem Moped unterwegs - was ist dann genau geschehen?

 

Antwort: Ich habe vor einer Kurve abbremsen müssen, plötzlich ist ein Mann von der Seite gekommen und ich musste stehenbleiben, einer hat mich dann mit der Hand gehalten und alle zwei sind hinter mir gestanden, alle waren maskiert, ich habe dann eine Gelegenheit gesehen, da habe ich versucht mit dem Moped davonzufahren.

 

Frage: Wie konnten Sie davonfahren, wenn Sie einer der Männer gehalten hat?

 

Antwort: Der eine Mann hat mir gleich mein Handy weggenommen, die anderen haben gleich meine Taschen durchsucht, in dem Moment habe ich die Gelegenheit gesehen davon zu laufen, dabei ist dann ein Mann gleich hinter mir hergelaufen.

 

Frage: Und weiter?

 

Antwort: Ich bin auf dem Moped gesessen als die meine Taschen durchsucht haben, der der mein Handy genommen hat, stand neben mir, da habe ich Gas gegeben und er ist ein paar Schritte nachgelaufen aber ich war schneller.

 

Frage: Und dann?

 

Antwort: Die anderen haben mir nachgeschossen und haben dabei ihren Komplizen getroffen der mir nachgelaufen ist.

 

Frage: Wie weit waren Sie entfernt von dem Mann als er Ihnen nachgeschossen hat?

 

Antwort: Es war soweit wie das neben Gebäude da draußen. (Anm. der AW zeigt auf das Nebengebäude über der Straße des Einvernahmezimmers - die Entfernung des Nebengebäudes wird auf ca. 250 Meter geschätzt).

 

Frage: Können Sie diese Entfernung in etwa in Meter angeben?

 

Antwort: Nein, ich habe es nicht gesehen, ich habe mich nicht umgedreht.

 

Frage: Woher wissen Sie dann, dass es soweit wie das Nachbarsgebäude war?

 

Antwort: Es ist meine Schätzung.

 

Frage: Warum hätte der Mann solange zuwarten sollen bis Sie 250 Meter entfernt gewesen wären bis er zu schießen beginnt?

 

Antwort: Die haben erst nachgerufen, aber ich bin nicht stehengeblieben.

 

Frage: Wann genau hat dieser Überfall stattgefunden?

 

Antwort: Es war im September 2009.

 

Frage: Wie ist es danach weitergegangen?

 

Antwort: Gleich am nächsten Morgen haben die angerufen und zu meiner Mutter gesagt, dass sie mich umbringen werden.

 

Frage: Und weiter?

 

Antwort: Sie haben auch gesagt, dass sie böse sind, weil wir Schiiten eine Schule gebaut haben.

 

Frage: Sie haben gesagt, der Schulbau wäre vor dreizehn Jahren gewesen, warum sollten die Sunniten nach dreizehn Jahren deswegen Sie überfallen?

 

Antwort: Die Feinde gehen von Familie zu Familie, oft werden die Kinder umgebracht, die gar keine Schuld haben.

 

Frage: Was haben die genau gestohlen bei dem Überfall?

 

Antwort: Nur mein Handy, ich hatte sonnst nichts außer mein Moped.

 

Vorhalt: Vorher sagten Sie, die Täter hätten auch Ihre Taschen durchsucht und genau zu diesem Zeitpunkt, wären Sie geflohen, jetzt sagen Sie, Sie hätten nichts außer Ihr Handy und das Moped gehabt - können Sie das erklären?

 

Antwort: Von den Hosentaschen habe ich gesprochen, sonst habe ich nichts gehabt.

 

Frage: Wie konnten Sie dann fliehen, wenn die Männer gerade Ihre Hosentaschen durchsucht haben?

 

Antwort: Der Motor des Moped ist noch gelaufen und die haben in meinen Taschen nichts gefunden.

 

Frage: Woher haben diese Leute Ihren Namen gewusst, wenn nur Ihr Handy gestohlen wurde?

 

Antwort: Die haben mein Hausnummer herausgefunden, ich glaube die haben im gleichen Dorf wie ich gelebt.

 

Frage: Das erklärt aber nicht meine Frage, woher hätten die Ihre Daten gehabt?

 

Antwort: Die waren nicht bei mir Zuhause, die haben mich nur via Telefon bedroht.

 

Frage: Gerade haben Sie gesagt, die hätten Ihre Hausnummer herausbekommen, woher wissen Sie das?

 

Antwort: Ich habe meine Hausnummer und Festnetznummer auf meinem Handy gespeichert gehabt.

 

Frage: Wozu haben Sie Ihre Hausnummer auf dem Handy gespeichert?

 

Antwort: Ich habe mehrere Adressen gespeichert, ich habe es gespeichert um zu wissen was meine eigene Nummer ist.

 

Frage: Haben Sie danach jemals wieder persönlichen Kontakt mit den Tätern gehabt?

 

Antwort: Nein, nachher hatte ich keinen Kontakt mehr mit den Tätern.

 

Frage: Wie oft wurden Sie telefonisch bedroht von denen?

 

Antwort: Drei bis vier Mal.

 

Frage: Was genau haben die gesagt am Telefon?

 

Antwort: Es war jedes Mal meine Mutter am Telefon, die haben zu meiner Mutter gesagt, sie werden mich aus Rache umbringen und jede Gelegenheit nutzen.

 

Frage: Sind Sie nach dem Überfall wieder arbeiten gegangen?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Was haben Sie dann gemacht?

 

Antwort: Meine Eltern sagten dann, es ist besser wenn ich weggehe, mein Vater ging dann mit mir zu meiner Arbeitsstelle und mein Arbeitskollege gab uns dann die Adresse des Schleppers.

 

Frage: Wie haben die Täter ausgesehen?

 

Antwort: Über das kann ich keine Angaben machen.

 

Frage: Haben Sie bezüglich des Überfalls eine polizeiliche Anzeige erstattet?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Können Sie erklären warum nicht?

 

Antwort: Wir hatten Angst, dass der Streit dann eskaliert. Anm. Die EV wird von 10.10 Uhr bis 10.20 unterbrochen. (Pause)

 

Frage: Können Sie sich erinnern was Sie bei Ihrer Antragstellung zu Ihren Fluchtgründen angaben?

 

Antwort: Ja.

 

Vorhalt: Sie haben im September 2010 im Zuge Ihrer Antragstellung angegeben, Sie wären im November 2009 überfallen worden, zwei oder drei Tage später hätten diese Männer, als Sie von der Arbeit nach Hause unterwegs waren, wieder auf Sie geschossen, jetzt erwähnten Sie nur einen Überall und nachdem wären Sie gar nicht mehr arbeiten gegangen - können Sie diesen Widerspruch erklären?

 

Antwort: Es war so, dass ich am nächsten Tag nicht arbeiten ging, erst am übernächsten Tag ging ich wieder zur Arbeit, beim Heimfahren, sah ich wieder, dass die Männer an dieser Straße gestanden haben, da habe ich umgedreht und bin auf einer anderen Straße nach Hause gefahren.

 

Vorhalt: Weiters haben Sie bei Ihrer Antragstellung behauptet, Sie hätten am Telefon auch selbst mit den Tätern gesprochen, jetzt sagen Sie, nur Ihre Mutter hätten mit den Leuten gesprochen - was sagen Sie dazu?

 

Antwort: Einmal hat meine Mutter abgehoben und dann mir das Telefon gegeben.

 

Frage: Warum haben Sie sich nicht in einem anderen Landesteil in Pakistan niedergelassen?

 

Antwort: Weil ich Angst hatte, dass die mich auch woanders in Pakistan ausfindig machen können, im Ausland habe ich diese Angst nicht.

 

Frage: Möchten Sie noch etwas zu Ihrem Asylantrag angeben?

 

Antwort: Nein.

 

...."

 

I.1.2. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid des BAA gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).

 

I.1.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP als nicht glaubwürdig und führte hierzu im Wesentlichen folgend aus:

 

"....

 

So wird zu Beginn festgehalten, dass Sie Ihren Asylantrag erst im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle und daraus resultierenden Festnahme gestellt haben. Dabei haben Sie schon zu Ihrer Reiseroute widersprüchliche Angaben gemacht, so gaben Sie an, Sie hätten im Winter 2009 Ihre Wohnadresse in Pakistan verlassen, wären danach über Gujranwala mit dem Zug nach Quetta gereist, von dort wären Sie mit einem Auto bis zur iranischen Grenz gebracht worden und hätten diese zu Fuß überquert. Danach wären Sie mit verschiedenen Fahrzeugen bis nach Italien gereist, in Italien hätten Sie sich ein paar Monate aufgehalten und wären letztlich von Rom nach Wien mit dem Zug gefahren. Bei Ihrer polizeilichen Festnahme konnten jedoch Flugtickets im fraglichen Zeitraum, auf Ihren Namen ausgestellt, von Kuwait nach Deutschland / Frankfurt und weiter von Frankfurt nach Rom sichergestellt werden, dies zeigt im Wesentlichen, dass Sie schon zu Ihrer Reiseroute falsche Angaben machten.

 

Abgesehen davon, war Ihr Fluchtvorbringen aus folgenden Gründen nicht glaubwürdig:

 

So behaupteten Sie bei Ihrer Erstbefragung, als Sie im November 2009 von der Arbeit mit Ihrem Moped nach Hause gefahren wären, wären Sie von unbekannten Personen angehalten worden, diese hätten Ihr Handy geraubt, Sie hätten aber flüchten können und hätten Ihnen diese Männer mit einer Pistole nachgeschossen, dabei wäre einer der Männer die Sie überfallen hätten getroffen worden, Sie hätten aber unverletzt entkommen können. Zwei oder drei Tage später hätten diese Männer, als Sie wieder von der Arbeit nach Hause gefahren wären, auf derselben Straße wieder auf Sie geschossen, aber Sie hätten abermals unverletzt entkommen können. Da die Unbekannten im Besitz Ihres Handys gewesen wären, wären Sie von diesen telefonisch kontaktiert worden und hätten Sie diese mit dem Umbringen bedroht, daher hätten Sie Ihr Heimatland verlassen müssen. Näher nachgefragt gaben Sie dazu an, Sie wären nachdem zweiten Überfall angerufen worden, Sie hätten persönlich mit dem Anrufer gesprochen und hätte dieser zu Ihnen gesagt, dass ein Mann wegen Ihnen verletzt worden wäre und man würde Sie nun nicht in Ruhe lassen. Danach hätten die Anrufer noch ein paar Mal angerufen und zu Ihrer Schwester und Ihrer Mutter gesagt, dass man Sie töten werde.

 

Bei Ihrer Einvernahme am 29.11.2010 in der Außenstelle Wien stellten Sie Ihr Fluchtvorbringen in essentiellen Teilen jedoch anders dar. Nunmehr behaupteten Sie, der Mann welcher Ihnen, als Sie mit dem Moped geflüchtet wären, nachlief, wäre dabei durch den abgefeuerten Schuss seines Komplizen getötet worden - vorher behaupteten Sie, Unbekannte hätten Ihnen per Telefon mitgeteilt, ein Mann wäre bei den Schüssen auf Sie verletzt worden - weiters behaupteten Sie, im starken Widerspruch zu Ihrer Behauptung bei der Erstbefragung, dass es nur zu einem Überfall auf Sie gekommen wäre, danach wären Sie aus Angst nicht mehr zur Arbeit gegangen. Ebenfalls widersprüchlich war, dass Sie nunmehr angaben, Sie hätten persönlich nie mit den Männern telefoniert welche Sie bedroht hätten, sondern wäre jedes Mal Ihre Mutter am Telefon gewesen. Angesprochen auf diese eklatanten Widersprüche, erklärten Sie dazu, Sie wären am nächsten Tag nicht arbeiten gegangen, sondern wären Sie am übernächsten Tag wieder zur Arbeit gegangen, bei der Fahrt nach Hause hätten Sie die Männer wieder an der Straße stehen gesehen, da hätten Sie umgedreht und wären auf einer anderen Straße nach Hause gefahren, zum zweiten Vorhalt erklärten Sie, Ihre Mutter hätte einmal ein Telefongespräch entgegengenommen und Ihnen anschließend das Gespräch übergeben, plausibel erklären konnten Sie keinen der Widersprüche.

 

In einer Gesamtschau betrachtet, stützten Sie sich im Kerne nach nur auf inhaltslose vage Behauptungen, welche Sie keineswegs substantiiert vorbringen konnten, es wird aufgrund Ihrer unplausiblen und auch stark widersprüchlichen Angaben angenommen, dass es niemals zu dem behaupteten Überfall auf Sie gekommen ist und somit auch keine Bedrohungen gegen Ihre Person vorgelegen haben. Auf Grund der erörterten Unglaubwürdigkeit Ihres Vorbringens zu den Bedrohungen gegen Ihre Person kann auch keine Verfolgungsgefahr vorliegen. Die Behörde kommt daher zu dem Entschluss, dass Ihr Vorbringen zur Begründung Ihres Asylantrages als offensichtlich unrichtig gewertet werden muss."

 

I.1.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf das Bundesasylamt ausführliche Feststellungen.

 

I.1.2.3. Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben der bP dar.

 

I.1.2.4. Hinsichtlich des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

I.1.3. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

 

Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen der bereits vorgebrachte Sachverhalt wiederholt und das Ermittlungsverfahren des BAA moniert. Neu vorgebracht wurde, dass die bP ein sehr eifriges und bekanntes Mitglied der Religionsgemeinschaft der Schiiten, insbesondere der Untergruppe "XXXX" gewesen wäre. Sie wäre dort Finanzsekretär bzw. Funktionär in ihrer Heimatregion gewesen und werde aufgrund ihrer religiösen Tätigkeit verfolgt. Eine Kopie ihres Mitgliedsausweises lege sie der Beschwerde bei. Es wurden allgemeine Zeitungsartikel vorgelegt, aus welche zu ersehen wäre, wie die Taliban gegen die Schiiten vorgehen würden. Es wurde jedoch mit diesen Artikeln kein Bezug zur bP selbst hergestellt. Es wurde auf die allgemeine Menschenrechtslage verwiesen, weshalb eine Abschiebung unzulässig wäre. Es wurden mehrere teils auch veraltete allgemeine Berichte beigebracht, ohne jedoch diesbezüglich einen konkreten Bezug zur bP selbst herzustellen. Es wurde unter anderem der Antrag gestellt, ein Gutachten hinsichtlich ihrer Angaben einzuholen.

 

Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail und des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

I.1.4. Aufgrund der Geschäftsverteilung 2012 wurde diese Rechtssache mit Wirksamkeit vom 02.01.2012 dem Senat E13 zugeteilt.

 

I.1.5. Mit Schreiben seitens des AsylGH vom 08.04.2013 wurde die bP vom Ergebnis der Beweisaufnahme gem. § 45 Abs. 3 AVG verständigt. Es wurden dieser die aktuellen Länderfeststellungen zu Pakistan übermittelt. Sie wurde aufgefordert, ihre familiären und sozialen Anbindungen bekannt zu geben, etwaige gesundheitliche Probleme darzulegen und Bescheinigungsmittel vorzulegen. Es wurde eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen eingeräumt.

 

I.1.6. Die bP legte mehrere Unterlagen vor, wonach sie im Juni 2012 wegen einer Augenverletzung nach einem Faustschlag in Behandlung stand und operiert wurde. Demnach war der postoperative Verlauf komplikationslos. Die bP konnte in häusliche Pflege entlassen werden. Nach der Nahtentfernung im Juni 2012 scheinen keine Komplikationen mehr auf.

 

Weiter wiederholte sie ihre bereits im Verfahren getätigten Angaben und verwies auf allgemeine Länderberichte um ihre Angaben zu untermauern, ohne jedoch einen konkreten Bezug hinsichtlich dieser Berichte zu ihrer Person herzustellen.

 

Zudem legte die bP ein Schreiben der TNFJ vor, in welchem ihr bestätigt wird, dass sie Mitglied der XXXX und der TNFJ wäre. Es wurde bestätigt, dass die bP mit bestimmten Personen Probleme gehabt hätte und auch die Familie bedroht worden wäre.

 

I.1.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

I.2. Basierend auf das Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende Feststellungen zu treffen:

 

I.2.1. Die beschwerdeführende Partei

 

Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um einen männlichen pakistanischen Staatsbürger, welcher die Sprachen Urdu und Punjabi beherrscht und sich zum schiitisch muslimischen Glauben bekennt. Die bP ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten in dessen Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreichgesicherten Existenzgrundlage.

 

Die bP hat keine relevanten familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.

 

Die Identität der bP steht nicht fest.

 

Die bP stammt aus XXXX. Die Herkunftsregion der bP liegt nicht in einer regionalen Problemzone [Khyber Pakhtunkhwa und FATA, Belutschistan, Karatschi, Kaschmir (Azad Jammu und Kashmir, Gilgit-Baltistan)] und besteht für diese Region etwa seitens des deutschen Auswärtigen Amtes keine spezielle Reisewarnung. (http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/PakistanSicherheit.html?nn=344362#doc344284bodyText1). Selbiges gilt für das Außenministerium der Schweiz (http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/pakist.html). Seitens der vom österreichischen Außenministerium herausgegebenen partiellen Reisewarnung ist die oa. Region, aus welcher die bP stammt, nicht mitumfasst.

 

 

(http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/pakistan-de.html).

 

I.2.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

 

ALLGEMEINE LAGE

 

Block 1: Staatsaufbau, Politik, Wahlen

 

Pakistan ist abwechselnd von demokratisch gewählten Regierungen und Militärdiktaturen regiert worden. Im Herbst 2008 kehrte Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurück, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvor zu kommen.

 

Als sein Nachfolger wurde am 06.09.2008 Asif Ali Zardari, Witwer der am 27. 12.2007 bei einem Attentat getöteten Benazir Bhutto und Ko-Vorsitzender der Pakistan People's Party PPP, zum neuen Präsidenten Pakistans gewählt. Pakistan wird seitdem von einer Koalitionsregierung unter Führung der PPP regiert. Die Justiz hat ihre Unabhängigkeit zurückgewonnen und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken; erhebliche Schwächen bei der Durchsetzung geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich.

 

Insgesamt 33 Jahre lang wurde das Land von Militärs regiert. Auch während der Perioden der zivilen Regierung behielt die Armee dominierenden Einfluss auf bestimmte Politikbereiche, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Darüber hinaus verfügt die Armee über ein umfangreiches Firmennetz und erheblichen Landbesitz. Dadurch fließen ihr neben dem Verteidigungshaushalt weitere Einnahmen zu. Die Firmen werden zumeist von pensionierten Offizieren geleitet.

 

Mit der Rückkehr Pakistans zur Demokratie hat sich die Lage auch insoweit geändert, als der seit Oktober 2007 amtierende Armeechef General Kayani einen Kurs der weitgehenden politischen Neutralität verfolgt. Alle Offiziere, die in zivilen Ministerien tätig waren, mussten im Frühjahr 2008 ihre Posten räumen. Kayani hat seitdem mehrfach öffentlich erklärt, die Armee werde sich nicht in die Politik einmischen. Die Grenzen dieser Zurückhaltung liegen jedoch dort, wo eine Beschneidung der bisherigen Privilegien (z.B. Budgetfreiheit) befürchtet wird.

 

Das Hauptaugenmerk der Armee liegt derzeit auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben. 2009 ging die Armee mit zwei größeren Militäroperationen (im Sommer 2009 im Swat-Tal und im Oktober 2009 in Süd-Wasiristan) gegen die Taliban vor, die ihrerseits Anschläge auf militärische Einrichtungen auch außerhalb der umkämpften Gebiete ausübten (z.B. Selbstmordanschlag auf eine Kaserne in Mardan, Khyber-Pakhtunkhwa, am 10. Februar 2011 mit 32 Toten).

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011)

 

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province NWFP) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegende Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bislang von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell von der Zentralregierung in Islamabad abhängig.

 

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat.

 

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel der Kommission war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Premierministers bei gleichzeitiger Schwächung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: November 2011, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 19.01.2012)

 

Die Beziehung zwischen ziviler und militärischer Führung hat sich in den letzten Wochen massiv verschlechtert. Machtkämpfe zwischen Generälen und Politikern plagen Pakistan seit der Unabhängigkeit 1947. Seit dem Sturz von General Musharraf 2008 ist offiziell zwar wieder eine zivile Regierung im Amt, hinter den Kulissen lenkt die Armee aber noch immer die Sicherheits- und Aussenpolitik des Landes.

 

Die jüngste Krise begann mit einem anonymen Memorandum, in dem Pakistans Regierung kurz nach der Tötung von Usama bin Ladin durch amerikanische Spezialkräfte im Mai letzten Jahres das Pentagon über einen bevorstehenden Coup informiert und um Hilfe gebeten haben soll. Die Nachricht wurde von einem eher zwielichtigen amerikanisch-pakistanischen Geschäftsmann überbracht und von den USA als nicht glaubhaft eingestuft. Der Bote machte die Affäre im Oktober publik und behauptete, das Memo sei vom pakistanischen Botschafter in Washington im Auftrag des Präsidenten verfasst worden.

 

Wenn man der Regierung glaubt, hat es ein solches Memo nie gegeben, und der gesunde Menschenverstand lässt tatsächlich daran zweifeln, dass Zardari für eine derart heikle Botschaft keine anderen Kanäle gehabt hätte. In Pakistan, wo Verschwörungstheorien generell auf fruchtbaren Boden fallen, kochte der Skandal dennoch hoch. Das Oberste Gericht setzte eine Untersuchungskommission ein.

 

Das Ansehen der Armee ist seit der äußert peinlichen Bin-Ladin-Episode schwer angeschlagen, und die Generäle haben, um den Machterhalt besorgt, im letzten Jahr alles in ihren Möglichkeiten Stehende unternommen, um Zardari und seine Regierung zu schwächen. Schließlich hatte die Regierung genug und ging in die Offensive. In einem Interview warf der Premierminister dem Armeechef und dem Chef des Geheimdienstes ISI, Ahmad Shuja Pasha, vor, als "Staat im Staat" zu handeln und damit die Verfassung zu verletzen. Das Militär reagierte auf die Vorwürfe ungewohnt scharf. Die sehr schweren Anschuldigungen Gilanis würden "ernsthafte Konsequenzen haben mit potenziell sehr schmerzlichen Folgen für das Land", hiess es. Laut Beobachtern in Islamabad hat die Regierung kaum Chancen, das Ringen mit den Streitkräften zu gewinnen.

 

Politische Beobachter gehen allerdings davon aus, dass Kayani momentan wenig Lust auf einen Staatsstreich hat und Zardari lieber mithilfe des Supreme Court auf "konstitutionellem" Weg loswerden möchte. Die Obersten Richter gelten als Sympathisanten der Armee und könnten die Untersuchung im Fall "Memogate" als Vorwand nutzen, um Zardari abzusetzen. Rechtlich betrachtet wäre ein solcher Schritt fragwürdig, geniesst der Präsident doch Immunität.

 

(Neue Zürcher Zeitung Online: Machtkampf zwischen Armee und Präsident in Pakistan, 13.1.2012, http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/machtkampf_zwischen_armee_und_praesident_in_pakistan_1.14307167.html, Zugriff 27.1.2012)

 

Am Montag [16.1.2012] hat der Oberste Gerichtshof seinen nächsten Trumpf ausgespielt: Ministerpräsident Yousuf Raza Gilani wurde einbestellt und damit der Druck auf die ohnehin geschwächte Regierung erhöht. In dem Fall geht es um Ermittlungen wegen Korruption gegen Staatschef Asif Ali Zardari. Ein Amnestiegesetz aus dem Jahr 2007, das für mehr als 8000 Menschen und unter anderem für Zardari und seine frühere Frau Benazir Bhutto galt, hatte der Gerichtshof 2009 aufgehoben und damit den Weg für die Ermittlungen freigemacht.

 

Bereits im Dezember 2009 hatte das Gericht die Regierung aufgefordert, Korruptionsermittlungen gegen eine Reihe von Politikern anzustoßen, unter anderem gegen Zardari. Der Aufforderung, wegen Konten Zardaris in der Schweiz die dortigen Behörden einzuschalten, kam die Regierung aber bis heute nicht nach. Der Staatspräsident und die Regierungspartei PPP argumentieren, dass Zardari für die Zeit seines Amtes Immunität genießt.

 

(Spiegel-Online: Krise in Pakistan, Regierungschef muss vor Gericht, 16.1.2012,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,809368,00.html, Zugriff 27.1.2012)

 

Für kurze Zeit schien die Lage zu eskalieren, doch dann drehte Gilani bei und formulierte ein paar Freundlichkeiten. In einer Rede würdigte er die "heroische Rolle" der Armee und bezeichnete sie als "Pfeiler der Nation". Die Spekulationen, dass die Regierung schon bald von der Armee aus dem Amt gedrängt wird, ließen in den vergangenen Tagen nach.

 

Beobachter sprechen von einem "Patt" der politischen Kräfte. Zwar wolle die Armee die Regierung Zardari unverändert loswerden, aber sie fürchte die Konsequenzen eines Putsches, heißt es.

 

"Pakistan ist nicht was und wo es in den (Putsch-)Jahren 1977 und 1999 gewesen ist", schrieb der Kolumnist Akbar Zaidi am Montag in "Dawn". Neben der komplizierteren politischen Konstellation erkennt er einen neuen Willen, an demokratischen Strukturen festzuhalten, und zahlreiche gesellschaftliche Veränderungen, darunter nicht zuletzt die lebendige, kritische Medienszene.

 

(Frankfurter Allgemeine Zeitung Net: Tod durch tausend kleine Schnitte, 16.1.2012,

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/pakistan-tod-durch-tausend-kleine-schnitte-11609314.html, Zugriff 27.1.2012)

 

Bei aller Unbeliebtheit der Regierung - die Wirtschaft liegt danieder, wichtige Reformen wurden nicht angepackt, die Korruption grassiert weiter - gibt es auch Lichtblicke. Die Zahl terroristischer Anschläge durch Radikalislamisten, Pakistans größtes Sicherheitsproblem, ist zuletzt zurückgegangen, abgesehen von der Stadt Karachi, die von politisch-religiös motivierten Unruhen erfasst ist. Und Erzfeind Indien wurden Handelsliberalisierungen angeboten, ein möglicher Weg, den Dauerkonflikt zu entschärfen.

 

(Zeit-online: Pakistan - Der Putschgeneral wartet schon, 19.1.2012, http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-01/pakistan-regierungskrise/seite-2, Zugriff 27.1.2012)

 

Es gibt Gerüchte, dass im Zuge des Konfliktes zwischen Regierung und Militär bzw. Gerichten der Wahltermin von 2013 auf Herbst 2012 vorverlegt werden soll.

 

(BBC-online: Pakistan braces itself for 'game changer' elections, 31.1.2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-16821584, Zugriff 31.1.2012)

 

Pakistans Premier Yousuf Raza Gilani ist wegen Missachtung des Gerichts angeklagt. Grund für die Anklage ist Gilanis Weigerung, Ermittlungen gegen Präsident Asif Ali Zardari wegen Korruption wiederaufzunehmen und auch die Schweizer Behörden in die Untersuchungen einzuschalten. Im Fall einer Verurteilung drohen Gilani sechs Monate Haft, zudem müsste er zurücktreten.

 

(Spiegel-Online: Oberstes Gericht erhebt Anklage gegen Premier Gilani, 13.2.2012,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,814863,00.html, Zugriff 13.2.2012)

 

Parlamentswahlen 2008

 

Aus den Parlamentswahlen am 18. Februar 2008 war die bis dahin oppositionelle Pakistan Peoples Party (PPP) unter der Führung von Asif Ali Zardari, dem Witwer der 2007 ermordeten ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto, als Sieger hervorgegangen. Ihre Parlamentsmehrheit reichte aber für eine Alleinregierung nicht aus. Sie schloss sich deshalb mit der zweitgrößten Partei, der PML-N des ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif, und zwei kleineren Parteien zu einer Koalition zusammen. Yousaf Rana Gilani (PPP) wurde am 24. März 2008 zum Premierminister gewählt. Präsident Musharraf, der am 29. November 2007 als ziviler Präsident für eine weitere fünfjährige Amtszeit vereidigt worden war, trat am 18. August 2008 angesichts eines drohenden Amtsenthebungsverfahrens zurück und verließ Pakistan. Am 6. September 2008 wurde Zardari von der Nationalversammlung und den vier Provinzversammlungen zum neuen Präsidenten gewählt und am 9. September vereidigt. Politische Differenzen zwischen der PPP und der PML-N hatten wenige Tage zuvor am 25. August 2008 zum Austritt der PML-N aus der Regierungskoalition geführt. Die PPP führte seitdem eine Koalitionsregierung mit der MQM, der viertstärksten Partei im Parlament, sowie den kleineren Parteien ANP und JUI-F. Die JUI-F trat im Dezember 2010 aus der Regierung aus, danach verließ auch die MQM die Regierung. Anfang Mai 2011 gelang es jedoch der PPP, die PML-Q, die in der Regierungszeit Musharrafs gegründet worden war, als Koalitionspartner zu gewinnen. Nachdem im Sommer auch die MQM in die Regierung zurückgekehrt ist, verfügt die Regierung Zardari/Gilani über eine solide Mehrheit im Parlament. Die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stehen 2013 an.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: November 2011,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 19.01.2012)

 

Allgemeine Sicherheitslage

 

Das Hauptaugenmerk der Armee liegt derzeit auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben. 2009 ging die Armee mit zwei größeren Militäroperationen (im Sommer 2009 im Swat-Tal und im Oktober 2009 in Süd-Wasiristan) gegen die Taliban vor, die ihrerseits Anschläge auf militärische Einrichtungen auch außerhalb der umkämpften Gebiete ausübten (z.B. Selbstmordanschlag auf eine Kaserne in Mardan, Khyber-Pakhtunkhwa, am 10. Februar 2011 mit 32 Toten).

 

Bei 2.586 terroristischen Anschlägen, davon 87 Selbstmordattentaten, sind 2009 3.021 Personen ums Leben gekommen und 7.334 verletzt worden. 2010 ging, zum ersten Mal seit 2007 die Zahl der terroristischen Anschläge im Vergleich zum Vorjahr um rund 11% auf

2.113 zurück, dabei kamen 2.913 Menschen ums Leben, 5.824 wurden verletzt. Die Zahl der Selbstmordattentate verringerte sich um 22% auf 68.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011) Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban verschärft. Zuvor hatten die Taliban eine Vereinbarung mit der Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa im Februar 2009 genutzt, um die Herrschaft im Swat-Tal zu übernehmen und anschließend in zwei Nachbardistrikte vorzurücken. Die Armee antwortete daraufhin am 26. April 2009 mit einer Gegenoffensive und beendete die Taliban-Herrschaft im Swat-Tal. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. Daneben finden auch in anderen Teilen der FATA immer wieder Gefechte statt. Die Taliban reagieren auf diese Militäroperationen mit Terroranschlägen, von denen v.a. Khyber Pakhtunkhwa und FATA betroffen sind, die sich aber auch gegen Ziele in pakistanischen Großstädten wie z.B. Karachi, Lahore und Faisalabad richten. Die Terroranschläge halten auch im Jahr 2011 an. Sie zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, religiöse Minderheiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Scharia-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis.

 

Die pakistanische Regierung steht in dieser Auseinandersetzung vor großen Herausforderungen: Um die militärischen Erfolge zu konsolidieren und einer Rückkehr der Taliban vorzubeugen, müssen in den zurück gewonnenen Gebieten funktionierende zivile Verwaltungsstrukturen etabliert werden, das gilt v.a. für das Rechtssystem. Außerdem muss die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gebiete vorangetrieben werden. Schließlich gilt es, die große Zahl interner Flüchtlinge zu bewältigen, die im Sommer 2009 auf die Zahl von 2,7 Mio. angestiegen war. Mittlerweile sind die Bewohner des Swat-Tals wieder zurückgekehrt. Dennoch wird die Zahl der Binnenflüchtlinge, vor allem aufgrund der weitergehenden Kämpfe in den FATA, immer noch knapp eine Mio. geschätzt.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: November 2011,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 19.01.2012)

 

Während des Jahres gab es weiterhin militante und terroristische Aktivitäten in verschiedenen Gebieten der Khyber Pakhtunkhwa und der FATA sowie Selbstmordanschläge in allen vier Provinzen und der FATA. Die Regierung hat Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung umgesetzt. Das Militär engagiert sich in aktiven Kampfoperationen gegen Militante oder in Sicherheitsoperationen um die Sicherheit wiederherzustellen in den Khyber, Baiaur, Kurram, Mohmand, Orakzai und Süd-Waziristan Agencies [Anmerkung: von Stämmen besiedelte Regionen] der FATA sowie im Swat und im Malakand Bezirk in Khyber Pakhtunkhwa. Die Regierung unternahm ebenso Aktivitäten um die terroristischen Netzwerke in und um das Land zu zerstören und somit die Rekrutierung zu unterbinden. Die Polizei verhaftete Mitglieder von terroristischen Verbänden und TTP Kommandeure, welche die Militanten in den tribalen Gebieten logistisch versorgten. Außerdem verlegte die Regierung 100.000 Truppen von der indischen Grenze um einen Schlag gegen die Taliban an der afghanischen Grenze durchzuführen. Der Polizei gelang es auch Selbstmordattentate zu vereitelten, Proponenten zu verhaften und Ausrüstungen, wie Bombenwesten, Waffen und andere Materialien zu konfiszieren. Die Regierung unterhält auch ein Zentrum im Swat-Tal zur Rehabilitation früherer Kindersoldaten.

 

(USDOS - United States Department of State: 2010 Human Rights Report: Pakistan, 8.4.2011)

 

Die zweite Hälfte 2011 war eine vergleichsweise friedliche Periode. Es kam zu einem Rückgang der Selbstmordanschläge und zu einem Rückgang bei Drohnenangriffen. Die Sicherheitslage verbessert sich langsam, die Gewalt hat in den letzten beiden Jahren um 24 Prozent abgenommen. Dennoch gehört Pakistan zu den brisantesten Regionen der Welt.

 

Die Sicherheitslage im Punjab, in Kaschmir und Islamabad hat sich wesentlich verbessert. In den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan und den FATA ist die Zahl der gewalttätigen Zwischenfälle im Jahr 2011 jedoch gestiegen.

 

Insgesamt gab es im Jahr 2011 in Pakistan 1.966 terroristische Anschläge. Dabei wurden 2.391 Menschen getötet und 4.389 verletzt. Zählt man die Opfer der terroristischen Anschläge, der militärischen Operationen, der Drohnen, der ethno-politischen Gewalt, der Gewalt zwischen verschiedenen Stämmen und der grenzüberschreitenden Gewalt zusammen, wurden im Jahr 2011 in Pakistan bei 2.985 Zwischenfällen

7.107 Menschen getötet und 6.736 verletzt.

 

Die Gewaltvorfälle gingen damit um 12 Prozent im Vergleich zu 2010 zurück (22 Prozent im Vergleich zu 2009), die Zahl der Todesopfer um 29 Prozent und die Zahl der Verletzten um 34 Prozent. Der Trend eines insgesamten Rückgangs von Gewaltvorfällen und Opferzahlen, der bereits im Jahr 2010 beobachtet werden konnte, hielt somit auch 2011 an.

 

Sicherheitsanalysten führen verschiedenen Gründe an, welche die Militanten davon abhielten, ihre Angriffe auszudehnen, wie die militärischen Operationen in Teilen der FATA, die gestiegene Überwachung durch die Rechtsdurchsetzungsbehörden und die Verhaftung von 4.219 Terror-Verdächtigen, aber auch die US-Drohnen, die Gespräche zwischen den Militanten und dem Staat, die Dezentralisierung der TTP sowie die zunehmende Konzentration al Quaidas auf Afrika und die arabischen Halbinsel.

 

Von den 1.966 terroristischen Anschlägen in ganz Pakistan 2011 fielen allein auf die beiden Unruheprovinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sowie die FATA zusammengenommen 1.827. Aus Karachi wurden 58 berichtet, aus den anderen Teilen der Provinz Sindh 21, aus dem Punjab 30, aus Gilgit-Baltistan 26, vier aus Islamabad und keine aus Azad Jammu und Kaschmir.

 

(Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2011, 4.1.2012, http://san-pips.com/download.php?f=108.pdf, Zugriff 7.2.2012)

 

Es gab einen deutlichen Rückgang an Bombemattentaten in Pakistan.

 

(Reuters: Factbox: Key political risks to watch in Pakistan, 12.12.2011,

http://www.reuters.com/article/2011/12/12/us-pakistan-risks-idUSTRE7BB08S20111212, Zugriff 7.2.2012)

 

Regionale Problemzonen - Khyber Pakhtunkhwa und FATA

 

Die sog. "Stammesgebiete" ("Federal Administered Tribal Areas", FATA) umfassen ca. 3 % der Fläche Pakistans; dort leben ca. 2 % der Bevölkerung. Sie unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion. Die Verfassung gewährt den FATA eine weitgehende Autonomie. Pakistanische Gesetze haben nur dann Geltung, wenn sie durch ein Dekret des Präsidenten für die FATA in Kraft gesetzt werden, was bislang nur selten geschehen ist.

 

Nachdem die Taliban durch Militäroffensiven aus dem Swat-Tal (April 2009) sowie aus Süd-Wasiristan (Oktober 2009) vertrieben worden waren, haben sich die meisten Taliban-Kämpfer den Auseinandersetzungen entzogen und sind in entlegenere Gebiete der sog. "Stammesgebiete" ausgewichen. Gleichzeitig haben sie Pakistan im Jahr 2009 mit einer Welle von Terroranschlägen überzogen, die sich zumeist gegen Einrichtungen der Sicherheitskräfte richtete (Armee, Polizei und ISI), der aber auch viele unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fielen.

 

Die Militäroperationen gegen die Taliban werden von der großen Mehrheit der Bevölkerung und der Medien unterstützt. Grund dafür ist, dass vielen Pakistanern die Möglichkeit einer Taliban-Herrschaft erst mit der Übernahme des Swat-Tals (ein früher sehr beliebtes Urlaubsgebiet) real vor Augen geführt wurde. Tägliche Berichte über die Willkürherrschaft der Taliban (Hinrichtungen, Auspeitschung als Strafe, Sprengung von Mädchenschulen, Rekrutierung von Minderjährigen) führten dazu, dass die Taliban durch die Mehrheit als existentielle Bedrohung betrachtet werden. Auch die Terrorwelle, mit denen die Taliban und sympathisierende jihadistische Gruppen versuchen, ein Ende der Militäroperationen zu erzwingen, haben bislang noch zu keiner Kehrtwende in der öffentlichen Meinung geführt.

 

In den zurückeroberten, zuvor von den Taliban kontrollierten Gebieten stehen die Behörden vor den Herausforderungen des Wiederaufbaus, auch der öffentlichen Verwaltung und der Justiz. Dies gilt insbesondere für Wirtschaft, Verwaltung und Justiz. 2009 sind vor den Kämpfen in der Provinz Khyber Pakhtunwa und den "Stammesgebieten" ca. 2,7 Mio. Menschen geflohen Noch ca. 1 Mio. Binnenvertriebene warten auf die Rückkehr in ihre Heimatorte

 

(A

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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