RS Vfgh 2013/6/26 U1257/2012

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Veröffentlicht am 26.06.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
AsylG 2005 §3, §8, §10, §41 Abs7

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach der EU-Grundrechte-Charta durch Abweisung des Asylantrags und Ausweisung eines afghanischen Staatsangehörigen; Sachverhalt nicht hinreichend geklärt, kein ausreichendes Ermittlungsverfahren

Rechtssatz

Die angefochtene Entscheidung enthält - obwohl in der an den AsylGH erhobenen Beschwerde ausdrücklich vorgebracht wurde, dass gerade junge Männer im Alter des Beschwerdeführers von den Taliban als Selbstmordattentäter rekrutiert würden - keinerlei Länderfeststellungen, anhand derer beurteilt werden könnte, wie groß der Einfluss der Taliban in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers tatsächlich anzunehmen ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein junger Afghane wie der Beschwerdeführer Opfer einer Zwangsrekrutierung werden könnte.

Die Ausführungen des AsylGH zur Unglaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer geschilderten fluchtauslösenden Ereignisse sind jedoch in wesentlichen Punkten nicht nachvollziehbar:

Abgesehen davon, dass sich der AsylGH über weite Strecken darauf beschränkt, das Vorbringen des Beschwerdeführers textbausteinartig als "vage und oberflächlich" zu qualifizieren (ohne dies anhand konkreter Beispiele nachvollziehbar darzulegen), ist die diesbezügliche Begründung überwiegend spekulativer Art: So die Ausführungen hinsichtlich der "Kampffähigkeit" der in Afghanistan verbliebenen Brüder sowie insbesondere die Behauptung, das vorgebrachte belästigende Verhalten der Taliban beim Vater des Beschwerdeführers würde "wohl kaum ein lebensbedrohliches, asylrelevantes Ereignis" darstellen; dem AsylGH ist dabei auch vorzuwerfen, dass er die Frage nach der Art und Intensität dieser "Belästigungen" nicht weiter vertieft hat.

Unter Bedachtnahme darauf, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde im vorliegenden Fall gerade nicht geklärt erscheint, ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen des §41 Abs7 AsylG 2005 für das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nicht vorlagen.

Das Absehen von einer - in concreto im Lichte des §41 Abs7 AsylG 2005 zweifellos gebotenen - mündlichen Verhandlung durch den AsylGH bewirkt eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art47 Abs2 der EU-Grundrechte-Charta (GRC) (vgl U1175/12 ua, E v 13.03.2013).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Ermittlungsverfahren, EU-Recht, Verhandlung mündliche, Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U1257.2012

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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