TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/15 98/08/0177

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Veröffentlicht am 15.11.2000
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Index

66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

GSVG 1978 §27 Abs4 idF 1986/112;
GSVG 1978 §27 Abs5 idF 1986/112;
GSVG 1978 §35 Abs2 idF 1987/610;
GSVG 1978 §40 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. Johann Pritz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Herrengasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Mai 1998, Zl. GS8-8212-1998, betreffend Zahlungspflicht für Beiträge nach dem GSVG und dem Betriebshilfegesetz (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 83-86, 1051 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-

- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist seit etwa 1976 Inhaber der Gewerbeberechtigungen für Handelsagentur (§ 103 Abs. 1 lit. b Z. 24 GewO 1973) und Handelsgewerbe (§ 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973) und unterliegt auf Grund dieser Erwerbstätigkeit der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG.

Trotz richtig gespeicherter Steuernummer erhielt die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt vom Finanzamt über das Bundesrechenzentrum keine Daten hinsichtlich der vom Beschwerdeführer erzielten Einkünfte der Jahre 1991 und 1992. Die Beiträge für 1994 und 1995 wurden daher anhand des Einkommensteuerbescheides 1990 berechnet und kamen somit Mindestbeiträge vorläufig zur Vorschreibung.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 1995 und vom 9. Dezember 1996 richtete die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt Anfragen an das für den Beschwerdeführer zuständige Finanzamt hinsichtlich seiner Einkünfte in den Jahren 1991 und 1992. Das Finanzamt antwortete mit 1. März 1996 bzw. 8. Juli 1997 dahingehend, dass der Beschwerdeführer in den genannten Jahren zur Einkommensteuer veranlagt wurde, gab jedoch die Höhe seiner Einkünfte nicht bekannt. Daraufhin forderte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt mit Schreiben vom 16. Juli 1997 den Beschwerdeführer zur Vorlage dieser Einkommensteuerbescheide auf. Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung nach und legte mit dem am 25. Juli 1997 bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt eingelangten Schreiben vom 23. Juli 1997 u.a. die geforderten Einkommensteuerbescheide vor.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt nahm auf Grund der vorgelegten rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide für 1991 und 1992 eine nachträgliche Beitragsberechnung für 1994 und 1995 vor. Mit Schreiben vom 28. Juli 1997 gab sie dem Beschwerdeführer die geänderten monatlichen Beiträge zur Pensionsversicherung und Krankenversicherung und die Beiträge nach dem Betriebshilfegesetz bekannt. Gleichzeitig teilte sie mit, dass die Buchungen auf Grund dieser nachträglichen Beitragsberechnung aus dem Kontoauszug, der dem Beschwerdeführer im November 1997 zugehen werde, ersichtlich seien.

Im folgenden Schriftverkehr machte der Beschwerdeführer die Verjährung für die Nachforderungen vom 1. Jänner bis 30. Juni 1994 geltend und verlangte die Erlassung eines Bescheides.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt stellte daraufhin mit Bescheid vom 22. Oktober 1997 gemäß § 194 GSVG i. V.m. § 410 ASVG die monatliche Beitragsgrundlage nach dem GSVG für die Jahre 1994 und 1995 und die monatlichen Beiträge nach dem GSVG zur Krankenversicherung, Pensionsversicherung und nach dem Betriebshilfegesetz fest. In der Begründung wurde ausgeführt, dass für die Jahre 1994 und 1995 die Beiträge gemäß § 27 Abs. 4 zweiter Satz GSVG anhand des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1990 vorläufig bemessen worden seien. Für die Ermittlung der endgültigen Beitragsgrundlage für das Jahr 1994 sei der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1991 vom 28. März 1994 herangezogen worden. Der Ermittlung der endgültigen Beitragsgrundlage 1995 sei der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1992 vom 4. Oktober 1994 zu Grunde gelegt worden (es folgen im Detail die Berechnungen der Beitragsgrundlage und der monatlichen Beiträge).

Im weiteren Schriftverkehr forderte der Beschwerdeführer die bescheidmäßige Feststellung der Beitragszahlungspflicht.

Mit Bescheid vom 5. Februar 1998 stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt gemäß § 194 GSVG und § 410 ASVG fest, der Beschwerdeführer sei verpflichtet, die Nachbelastung hinsichtlich der Beiträge für die Jahre 1994 und 1995 zur Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG sowie nach dem Betriebshilfegesetz im Ausmaß von S 166.165,20 samt Verzugszinsen von 7,97 % per anno vom 16. Dezember bis 31. Dezember 1997 und von 8,04 % per anno ab 1. Jänner 1998 jeweils aus diesem Betrag zu bezahlen. Die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge gründe sich auf § 27 Abs. 1 GSVG und § 5 Abs. 1 Betriebshilfegesetz; die Vorschreibung und Fälligkeit der Beiträge auf § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG und die Höhe und Zahlungspflicht der Verzugszinsen auf § 35 Abs. 5 GSVG.

In der Begründung wurde ausgeführt, dass mit rechtskräftigem Bescheid vom 22. Oktober 1997 die endgültigen Beitragsgrundlagen gemäß § 25 GSVG und die Beiträge nach dem GSVG für die Jahre 1994 und 1995 festgestellt worden seien. Grundsätzlich würden im Wege des Datenaustausches vom Bundesrechenamt die Daten der Einkommensteuerbescheide an die Mitbeteiligte übermittelt. Für die Jahre 1991 und 1992 sei diese Übermittlung unterblieben. Der Datenaustausch mit dem Bundesrechenamt finde regelmäßig vierteljährlich statt. Um die Übermittlung nicht rechtskräftiger Daten zu vermeiden, würden anlässlich des vierteljährlich stattfindenden Datenaustausches die Einkommensteuerbescheiddaten erst frühestens drei Monate nach deren Feststellung durch die Finanzbehörden vom Bundesrechenamt übermittelt. Die Daten des Einkommensteuerbescheides 1991 vom 28. März 1994 hätten frühestens im August 1994 übermittelt werden können. Die auf Grundlage dieser Daten ermittelten endgültigen Beiträge für das Jahr 1994 hätten somit frühestens mit der Vorschreibung für das 4. Quartal 1994 mit Fälligkeit 30. November 1994 zur Vorschreibung gelangen können.

Die Daten des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 4. Oktober 1994 hätten frühestens im Februar 1995 übermittelt werden können. Die erstmalige Vorschreibung der endgültigen Beiträge für das Jahr 1995 wäre mit der Vorschreibung für das

2. Quartal 1995 mit Fälligkeit 31. Mai 1995 vorzunehmen gewesen. Aus der dem Beschwerdeführer Ende Oktober 1997, also innerhalb von drei Jahren, zugegangenen Vorschreibung für das 4. Quartal 1997 sei ersichtlich, dass sich für die Jahre 1994 und 1995 eine Nachbelastung von S 166.165,20 ergeben habe, die mit 30. November 1997 fällig gewesen sei. Unter Bedachtnahme auf diese Fälligkeit des offenen Beitragsrückstandes habe der Beschwerdeführer daher ab 16. Dezember 1997 bis zum Tag der Zahlung Verzugszinsen zu bezahlen.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Darin führte er aus, dass gemäß § 35 Abs. 2 GSVG die Beiträge, wenn sie durch den Versicherungsträger für die Beitragsmonate eines Kalendervierteljahres gemeinsam vorgeschrieben werden, mit Ablauf des 2. Monates des betreffenden Kalendervierteljahres fällig werden. Bei Anwendung dieser Bestimmung ergebe sich, dass die Vorschreibung für das Jahr 1994 in rechtswidriger Weise erfolgt sei, weil die Beiträge von Jänner bis Juni 1994 verjährt seien. Die von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt herangezogene Bestimmung des § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG könne auf den vorliegenden Sachverhalt nicht angewendet werden. Deshalb dürften ihm auch keine Verzugszinsen vorgeschrieben werden.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt legte den Einspruch der belangten Behörde vor und führte im Begleitschreiben vom 6. April 1998 erklärend Folgendes aus:

Im vorliegenden Fall habe der Datenaustausch hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide für 1991 und 1992 nicht funktioniert. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen sei die automatische Datenübermittlung der Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992 unterblieben. Die Beiträge für 1994 und 1995 seien daher gemäß § 27 Abs. 4 zweiter Satz GSVG anhand des Einkommensteuerbescheides für 1990 vorläufig bemessen worden. In den Fällen einer vorläufigen Beitragsbemessung ergehe durch die anstaltseigene Technik jährlich erstmals in dem auf das Jahr, für das eine vorläufige Beitragsbemessung vorgenommen werde, folgenden Jahr Anfang November eine Hinweisliste darüber, dass im Vorjahr bzw. in den Vorjahren vorläufige Beitragsgrundlagen wegen fehlender maßgeblicher Einkommensteuerbescheiddaten vorliegen. Für das Jahr 1994 sei erstmalig am 3. November 1995 dieser technische Hinweis erfolgt. Am 4. November 1996 sei die nächste technische Hinweisliste betreffend die Jahre 1994 und 1995 ergangen. Demzufolge seien individuelle Erhebungen beim zuständigen Finanzamt erforderlich gewesen. Solche Erhebungen seien mit Schreiben vom 18. Dezember 1995 und 9. Dezember 1996 erfolgt. Das Finanzamt habe jeweils lediglich mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer zur Einkommensteuer veranlagt werde, Daten eines Einkommensteuerbescheides seien jedoch nicht mitgeteilt worden. Da zwischenzeitig auch eine technisch automatische Übermittlung betreffend diese Daten seitens des Bundesrechenamtes nicht erfolgt sei, sei der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16. Juli 1997 um Vorlage der Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992 gebeten worden.

Unter Zugrundelegung eines zum frühestmöglichen Zeitpunkt - August 1994 - erfolgten Datenaustausches des Einkommensteuerbescheides 1991 wäre eine Vorschreibung der endgültigen Beiträge 1994 zu den im § 35 Abs. 1 erster Satz GSVG vorgesehenen Fälligkeitsterminen für das 1., 2. und 3. Quartal 1994 überhaupt nicht möglich gewesen. Die Vorschreibung der endgültigen Beiträge 1994 hätte frühestens im 4. Quartal 1994 mit Fälligkeit 30. November 1994 erfolgen können. Für den gegenständlichen Sachverhalt fehle eine Fälligkeitsregel im GSVG. Da der Fall der verspäteten Bekanntgabe der steuerrechtlichen Einkünfte eines Versicherten durch die Finanzbehörde in den maßgeblichen Voraussetzungen mit jenen des im § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG geregelten Fall übereinstimme, sei die Regelungslücke mit dem Mittel der Gesetzesanalogie zu füllen. Es sei die Bestimmung des § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG analog anzuwenden, sodass sich wegen der erst im 4. Quartal 1997 möglichen Vorschreibung als Fälligkeitstermin der 30. November 1997 ergebe.

Auch wenn ein derartiger Analogieschluss als nicht zulässig angesehen werde, sei zu berücksichtigen, dass die Vorschreibung der endgültigen Beiträge 1994 bei einem Funktionieren des Datenaustausches mit dem Bundesrechenamt frühestens mit der Vorschreibung für das 4. Quartal 1994 (Fälligkeit 30. November 1994) hätte erfolgen können. Die tatsächliche Vorschreibung der endgültigen Beiträge sei aber aus den angeführten Umständen erst mit der Vorschreibung für das

4. Quartal 1997 (Fälligkeit 30. November 1997), die Ende Oktober 1997 dem Beschwerdeführer übermittelt worden sei, erfolgt, sohin innerhalb von drei Jahren ab der erstmaligen Vorschreibemöglichkeit (30. November 1994).

Es sei davon auszugehen, dass wegen der technischen Datenübermittlung durch das Bundesrechenamt die Versicherten keiner Meldepflicht hinsichtlich ihrer Daten der Einkommensteuerbescheide unterlägen. Aus diesem Grunde seien aber die Regelungen der §§ 35 und 40 GSVG entsprechend "weiter zu interpretieren". § 40 Abs. 1 leg. cit. bestimme, dass die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen werde, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt werde. Der vorliegende Sachverhalt zeige aber ganz deutlich auf, dass auf Grund der automatisierten Datenübermittlung durch das Bundesrechenamt Maßnahmen zur Feststellung primär mit und gegenüber den zuständigen Finanzbehörden getroffen würden und erst sekundär der Versicherte zur Vorlage von Einkommensteuerbescheiden aufgefordert werde. Bei entsprechender Interpretation des § 40 Abs. 1 GSVG könne von einer Unterbrechung der Verjährung auch durch Anfragen bei den Finanzbehörden bezüglich der Einkommensteuerbescheiddaten ausgegangen werden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung stellte die belangte Behörde zunächst kurz das Verwaltungsgeschehen dar und gab sodann die in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen auszugsweise wieder. Anschließend führte sie aus, es sei unstrittig, dass die Daten der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1991 und 1992 seitens des Bundesrechenamtes nicht an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt übermittelt worden seien. Dies habe zur Folge gehabt, dass die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt am 18. Dezember 1995 an das für den Beschwerdeführer zuständige Finanzamt eine Anfrage gerichtet habe. Im Antwortschreiben vom 1. März 1996 seien keine Einkommensteuerbescheiddaten bekannt gegeben worden. Auch die weitere Anfrage der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 9. Dezember 1996 sei mit 8. Juli 1997 dahingehend beantwortet worden, dass der Beschwerdeführer zur Einkommensteuer veranlagt werde, Daten der Einkommensteuerbescheide seien wiederum nicht mitgeteilt worden. Erst nach Übermittlung dieser Einkommensteuerbescheide durch den Beschwerdeführer habe die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt die endgültigen Beitragsgrundlagen festlegen können. Die daraus resultierende Nachbelastung für 1994 und 1995 sei mit der Vorschreibung für das

4. Quartal 1997 mit Fälligkeit 30. November 1997 bekannt gegeben worden. Unter Zugrundlegung eines zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgten Datenaustausches der Daten des Einkommensteuerbescheides für 1991 wäre die Vorschreibung der endgültigen Beiträge 1994 frühestens im 4. Quartal 1994 mit Fälligkeit 30. November 1994 vorgenommen worden.

Für den gegenständlichen Sachverhalt fehle eine Fälligkeitsregel im GSVG. Diese Regelungslücke sei im Wege einer Gesetzesanalogie mit der Bestimmung des § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG zu schließen, sodass sich bei der erst im 4. Quartal 1997 möglichen Vorschreibung der Fälligkeitstermin 30. November 1997 ergebe.

Abgesehen davon sei zu berücksichtigen, dass die Vorschreibung der endgültigen Beiträge 1994 bei einem Funktionieren des Datenaustausches frühestens mit der Vorschreibung für das 4. Quartal 1994 (Fälligkeit 30. November 1994) hätte erfolgen können. Die tatsächliche Vorschreibung der endgültigen Beiträge sei mit der Vorschreibung für das 4. Quartal 1997 (Fälligkeit 30. November 1997) erfolgt, die Ende Oktober 1997 dem Beschwerdeführer übermittelt worden sei. Sohin sei die Vorschreibung innerhalb von drei Jahren ab der erstmaligen Vorschreibemöglichkeit ergangen.

Darüber hinaus seien die Regelungen der §§ 35 und 40 GSVG im Lichte des Umstandes zu sehen, dass die Versicherten hinsichtlich ihrer Einkommensteuerbescheide keiner Meldepflicht unterlägen. Auf Grund der automatisierten Datenübermittlung durch das Bundesrechenamt würden Maßnahmen zur Feststellung - wie sie im § 40 Abs. 1 GSVG angeführt seien - in erster Linie mit und gegenüber den zuständigen Finanzbehörden getroffen und erst in weiterer Linie werde der Versicherte zur Vorlage von Einkommensteuerbescheiden aufgefordert. Es sei daher auch eine Anfrage der Sozialversicherungsanstalt bei den zuständigen Finanzbehörden bezüglich der Einkommensteuerbescheide des Versicherten als eine im Sinne des § 40 Abs. 1 GSVG "zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme" anzusehen, welche den Eintritt der Verjährung verhindere.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich wie bereits im Verwaltungsverfahren dadurch in seinen Rechten verletzt, dass ihm die seiner Meinung nach verjährten Beiträge von Jänner bis Juni 1994 samt Verzugszinsen vorgeschrieben werden. Der Beschwerdeführer macht geltend, das GSVG sehe vier Fälligkeitsbestimmungen vor. Die diesbezüglichen Regelungen des § 35 Abs. 3 und des § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG kämen für vom Gesetzgeber bestimmte besondere Sachverhalte zur Anwendung. § 35 Abs. 3 leg. cit. setze voraus, dass eine endgültige Beitragsgrundlage gemäß § 25a Abs. 3 bzw. gemäß § 26a Abs. 2 GSVG vorliege. Diese Bestimmung sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG regle den Fall, dass eine nachträgliche Feststellung von Einkünften des Versicherten durch die Finanzbehörden "vorgeschrieben" werde. Im vorliegenden Fall sei jedoch keine Nachverrechnung durch die Finanzbehörden vorgenommen worden, sondern sei schon Anfang 1994 ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid 1991 vorgelegen, der nicht mehr verändert worden sei. § 35 Abs. 2 zweiter Satz GSVG sei daher auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Die belangte Behörde habe diese Bestimmung analog angewendet. Dies zu Unrecht, weil offensichtlich keine Rechtslücke vorliege. Gemäß § 35 Abs. 2 erster Satz GSVG würden Beiträge, die durch den Versicherungsträger für die Beitragsmonate eines Kalendervierteljahres vorgeschrieben werden, mit dem Ablauf des zweiten Monates des betreffenden Kalendervierteljahres fällig. Hier werde in keiner Weise auf den Zeitpunkt der Übermittlung der Einkommensteuerbescheide an die Sozialversicherungsanstalt abgestellt. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass Beiträge, wenn kein rechtmäßiger Bescheid vorliege, gemäß § 27 Abs. 4 zweiter Satz leg. cit. vorläufig auf Grund der maßgebenden Einkünfte des vorangegangenen Kalenderjahres unter Bedachtnahme auf § 25 Abs. 2 GSVG bemessen werden. Bei Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides ändere sich gemäß § 27 Abs. 5 leg. cit. der Beitrag auf jenen Betrag, der bei rechtzeitigem Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides zu leisten gewesen wäre. Der Gesetzgeber habe hier keine eigene Fälligkeitsregelung vorgesehen, weil eine solche nicht nötig sei. Es könne auch nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber trotz Kenntnis des § 27 GSVG vergessen habe, die Fälligkeit in solchen Fällen extra zu regeln. In der Praxis lägen nämlich rechtskräftige Steuerbescheide innerhalb von drei Jahren ab Fälligkeit gemäß § 35 Abs. 2 erster Satz GSVG vor. Überdies könne die Sozialversicherungsanstalt durch eine Anfrage an den Versicherten nicht nur die gewünschte Auskunft erhalten, sondern auch die Verjährungsfrist unterbrechen. Im vorliegenden Fall habe einzig und allein der Datenaustausch nicht funktioniert. Der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt sei aber bekannt gewesen, dass er - der Beschwerdeführer - veranlagt worden sei. Trotzdem habe sie jährlich eine Anfrage an das Finanzamt gestellt und sei sonst nicht mehr tätig geworden. Erst im Juli 1997 habe sie von der ihr durch den Gesetzgeber in die Hand gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und ihn zur Übermittlung der Steuerbescheide aufgefordert. Dem sei er unverzüglich nachgekommen. Diese Aufforderung hätte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt bereits Jahre vorher stellen können, wodurch es zu einer Nachverrechnung innerhalb der Verjährungsfristen des § 40 Abs. 1 GSVG ab Fälligkeit nach § 35 Abs. 2 erster Satz GSVG gekommen wäre. Es wäre nicht nur eine Nachversicherung innerhalb der Verjährungsfristen möglich gewesen, sondern hätte eine Anfrage an ihn auch die Unterbrechung der Verjährungsfrist bewirkt.

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass eine Anfrage der Sozialversicherungsanstalt bei den zuständigen Finanzbehörden bezüglich der Einkommensteuerbescheiddaten des Versicherten den Eintritt der Verjährung verhindere, weil es sich bei dieser Anfrage um eine im Sinne des § 40 Abs. 1 GSVG "zum Zwecke der Feststellung getroffenen Maßnahme" handle. Dieser Ansicht müsse heftig widersprochen werden, weil es sich anscheinend nur um den Versuch handle, die Nachlässigkeit der Sozialversicherungsanstalt durch eine dem Gesetzestext in keiner Weise entsprechende Interpretation zu sanieren. Gemäß § 40 Abs. 1 GSVG werde die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige, also keineswegs die Finanzbehörde, hievon in Kenntnis gesetzt werde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit der 7. Novelle zum GSVG, BGBl. Nr. 648/1982, wurde eine Rechtsgrundlage für einen Datenaustausch zwischen dem Bundesrechenamt und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft geschaffen. In diesem Zusammenhang wurden u. a. § 27 Abs. 4 und 5, § 35 Abs. 1 und § 229 Abs. 2 und 3 GSVG neu gefasst. Auf Grund des § 229 Abs. 3 GSVG erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 17. Juni 1983, BGBl. Nr. 355/1983, betreffend die Durchführung der Übermittlung von Einkommensteuerdaten an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. Danach hat die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die Datenübermittlung für den einzelnen Versicherten unter Angabe bestimmter Merkmale beim Bundesrechenamt in magnetisch gespeicherter Form anzufordern. Die Übermittlung der Daten hat in magnetisch gespeicherter Form durch das Bundesrechenamt zu erfolgen. Das Bundesrechenamt hat die geforderten Daten, sofern die zu Grunde liegenden Einkommensteuerbescheide in Rechtskraft erwachsen sind, zu übermitteln oder einen Hinweis darauf zu geben, warum keine Daten übermittelt werden können. In den Fällen, in denen eine Übermittlung der in § 229 Abs. 2 GSVG genannten Daten in magnetisch gespeicherter Form nicht möglich ist und Erhebungen bei Versicherten ergebnislos verlaufen sind, können die Daten durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bei der örtlich zuständigen Abgabenbehörde des Bundes angefordert werden.

Nach dem Vorbringen führte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt den Datenaustausch vierteljährlich durch. Dieser Austausch funktionierte aus nicht nachvollziehbaren Gründen für die Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992 nicht. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt schrieb daher die Beiträge für die Jahre 1994 und 1995 ausgehend vom Einkommensteuerbescheid 1990 gemäß § 27 Abs. 4 zweiter Satz GSVG i. d.F. der 7. Novelle zum GSVG, BGBl. Nr. 648/1982, vorläufig vor. Die Beiträge wurden von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt für die Beitragsmonate eine Kalendervierteljahres gemeinsam vorgeschrieben. Daraus ergibt sich für die hier ausschließlich in Rede stehenden ersten zwei Quartale 1994, dass ausgehend von einem vierteljährlichen Datenausgleich die Übermittlung Anfang Jänner 1994 und Anfang April 1994 nicht funktionierte.

§ 27 Abs. 4 zweiter Satz, Abs. 5 (i.d.F. BGBl. Nr. 648/1982 und BGBl. Nr. 112/1986) und § 35 Abs. 2 GSVG (i.d.F. BGBl. Nr. 610/1987) lauten:

"§ 27. ...

(4) ... Solange ein für die Beitragsbemessung gemäß § 25 maßgebender rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid nicht vorliegt, ist der Beitrag vorläufig auf Grund der für die Beitragsgrundlage des vorangegangenen Kalenderjahres maßgebenden Einkünfte unter Bedachtnahme auf § 25 Abs. 2 zu bemessen, wobei die Beitragsgrundlage nach § 25 Abs. 5 bzw. § 236 nicht unterschritten und die Beitragsgrundlage nach § 25 Abs. 6 nicht überschritten werden darf. ...

(5) Bei nachträglicher Erfüllung der Auskunftspflicht gemäß § 22 bzw. in den Fällen des Abs. 4 zweiter Satz nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides ändert sich der Beitrag gemäß Abs. 4 auf jenen Betrag, der bei rechtzeitiger Erfüllung der Auskunftspflicht bzw. bei rechtzeitigem Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides zu leisten gewesen wäre.

§ 35. ...

(2) Werden die Beiträge durch den Versicherungsträger für die Beitragsmonate eines Kalendervierteljahres gemeinsam vorgeschrieben, so sind diese Beiträge mit dem Ablauf des zweiten Monates des betreffenden Kalendervierteljahres fällig. Werden Beiträge auf Grund einer nachträglichen Feststellung der Einkünfte des Versicherten durch die Finanzbehörden vorgeschrieben, so sind sie mit dem Letzten des zweiten Monates des Kalendervierteljahres fällig, in dem die Vorschreibung erfolgt."

Zufolge des Unterbleibens des Datenaustausches zum Jahreswechsel 1993/1994 hat die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt zutreffend die Beiträge für das erste Quartal 1994 vorerst gemäß § 27 Abs. 4 zweiter Satz GSVG in der genannten Fassung auf Grund der Beitragsgrundlagen des vorangegangenen Kalenderjahres, hier 1990, vorläufig vorgeschrieben. Eben diese Vorgangsweise war auch für das zweite Quartal 1994 anzuwenden. Aus den dargestellten Regelungen ergibt sich nämlich, dass der Sozialversicherungsträger bereits ab Beginn eines Quartals berechtigt ist, die Vorschreibung zu berechnen. Dies bedeutet für die beiden strittigen Quartale, dass deshalb, weil jeweils am Beginn der beiden Quartale noch kein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid für 1991 vorgelegen ist, die Vorschreibung auf Grund des Einkommensteuerbescheides 1990 zu erfolgen hatte.

Der für diesen Zeitraum maßgebende Einkommensteuerbescheid 1991 stammt vom 28. März 1994. Zufolge des vierteljährlichen Datenausgleiches hätte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt davon frühestens zu Beginn des dritten Quartals 1994 Kenntnis erlangen können und die Beitragsvorschreibung nach § 27 Abs. 5 GSVG vornehmen können. Aus dem Zusammenhalt der oben zitierten Bestimmungen des § 27 Abs. 4 und 5 und des § 35 Abs. 2 GSVG ist abzuleiten, dass in solchen Fällen, in denen der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid erst im Laufe des Quartals vorliegt, eine darauf gestützte Nachtragsvorschreibung jedenfalls nicht vor Beginn des nächsten Quartals vorgenommen werden muss und daher die Fälligkeit der betroffenen Beiträge keinesfalls vor dem letzten des zweiten Monats dieses Quartals - im Beschwerdefall des dritten Quartals 1994 - eintreten kann. (Ob bei unterlassener, aber möglicher Betragsvorschreibung überhaupt eine Fälligkeit der betroffenen Beiträge vor ihrer tatsächlichen Vorschreibung eintreten kann, braucht im Beschwerdefall nicht geprüft zu werden). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Regelungszusammenhang der genannten Paragraphen, sondern lässt sich auch aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 zweiter Satz (in der Fassung der 13. Novelle zum GSVG, BGBl. Nr. 610/1987) ableiten. Der Wortlaut umfasst nämlich nicht nur den vom Beschwerdeführer erwähnten Fall einer Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung durch die Finanzbehörden, sondern ist auch dann anzuwenden, wenn nach Vorschreibung der Beiträge durch den Sozialversicherungsträger die Steuerfestsetzung, wenngleich zum ersten Mal, erfolgt. Auch in diesem Fall ist nämlich die Feststellung der Einkünfte des Versicherten nachträglich, also nach erfolgter Vorschreibung der Beiträge, erfolgt. Die nachzuverrechnenden Beiträge für die ersten beiden Quartale 1994 konnten daher frühestens mit dem Ablauf des zweiten Monats des dritten Quartals, also mit Ende August 1994, fällig werden. Gemäß § 40 Abs. 1 GSVG verjährt aber das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Im Beschwerdefall hätte daher eine Verjährung der Beiträge für die ersten beiden Quartale 1994 nicht vor Ablauf des 31. August 1997 eintreten können.

Nach dem unstrittigen Verfahrensgang richtete aber die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt am 18. Dezember 1995 und am 9. Dezember 1996 Anfragen an das Finanzamt und am 16. Juli 1997 eine Anfrage an den Beschwerdeführer.

Die belangte Behörde meint, ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt, auch die Anfragen an das zuständige Finanzamt würden die Verjährung unterbrechen. Es handle sich hiebei um "zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahmen". Dieser Auffassung kann, wie auch der Beschwerdeführer zutreffend hervorhebt, nicht gefolgt werden. Nach dem klaren Wortlaut des § 40 Abs. 1 dritter Satz wird die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Wesentlich für die Unterbrechung der Verjährung ist also, dass der Zahlungspflichtige, hier der Beschwerdeführer, von der getroffenen Maßnahme in Kenntnis gesetzt wird. Dass der Beschwerdeführer von den Anfragen der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt an das Finanzamt in Kenntnis gesetzt worden wäre, wird nicht behauptet und es findet sich auch kein Anhaltspunkt in den Verwaltungsakten.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt teilte jedoch mit Schreiben vom 16. Juli 1997 dem Beschwerdeführer mit, dass für die endgültige Beitragsbemessung 1994 u.a. der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 1991 erforderlich sei und forderte ihn zur Vorlage desselben auf. Der Beschwerdeführer beantwortete diese Anfrage mit dem am 25. Juli 1997 bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt eingelangten Schreiben vom 23. Juli 1997 und kam der Aufforderung zur Vorlage des genannten Einkommensteuerbescheides nach. Die Aufforderung an den Beschwerdeführer wurde sohin innerhalb einer möglichen Verjährungsfrist vorgenommen. Diese Aufforderung war eine im Sinn des § 40 GSVG zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme. Nach dem weiteren unstrittigen Sachverhalt gab die mitbeteiligte Sozialversicherung mit Schreiben vom 28. Juli 1997 dem Beschwerdeführer die geänderten monatlichen Beiträge für den hier strittigen Zeitraum bekannt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist daher Verjährung der hier strittigen Beiträge nicht eingetreten. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080177.X00

Im RIS seit

01.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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